Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. Januar 2006
Aktenzeichen: 27 W (pat) 110/05
(BPatG: Beschluss v. 17.01.2006, Az.: 27 W (pat) 110/05)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I Gegen die am 14. Oktober 1999 angemeldete und am 4. Februar 2000 für
"09; 38; 42: Computerprogramme; Telekommunikation; Beratungstätigkeit auf den genannten Gebieten"
eingetragene Wortmarke 399 63 965 HouComhat der Widersprechende am 9. Juni 2000 aus seiner am 2. Oktober 1997 angemeldeten Wort-/Bildmarke 39746976 Grafik der Marke 39746976.4 Widerspruch eingelegt.
Die Widerspruchsmarke ist für
"09; 15; 35; 42: Computer-Software, Programme, Computer-Hardware, Musikinstrumente; Geräte für Schwachstromtechnik, insbesondere zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Bild und Ton, Organisationsberatung zum Einsatz von Geräten zur Bürokommunikation sowie Vermietung solcher Geräte, Erbringung von Dienstleistungen für Büro und Telekommunikationsanlagen, nämlich technische Beratung, Bau- und Konstruktionsplanung, Anlagen zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Daten, Ton und Bild, insbesondere im Bereich der Telekommunikation und EDV; Erstellen und Bearbeitung von Grafiken, Photos und Musik; Werbeberatung, Konzipierung von Werbe- und Verkaufsförderungsmaßnahmen, Entwurfsgestaltung von Werbemitteln aller Art sowie die Überwachung der Werbemittelproduktion"
eingetragen.
Die Markenstelle hat die angegriffene Marke mit Beschluss vom 20. April 2005 wegen des Widerspruchs insgesamt gelöscht. Dazu ist ausgeführt, hinsichtlich der Computerprogramme und Beratungsdienstleistung liege Identität vor. Die Telekommunikation liege im engen Ähnlichkeitsbereich zu Computerhardware und zu den Dienstleistungen Organisationsberatung etc. der Widerspruchmarke.
Bei durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchmarke hielten die Marken den erforderlichen Abstand zumindest in klanglicher Hinsicht nicht ein. Die Markenwörter stimmten im klanglichen Charakter überein; Sprechrhythmus und -melodie entsprächen einander. Die Abweichung in den Vokalen "ou" und "o" falle demgegenüber nicht ins Gewicht. Der Doppelvokal "ou" werde im Deutschen wie [u] gesprochen, das sich von einem [o] nur unwesentlich unterscheide. Die englische Aussprache [au] sei im Deutschen ungewöhnlich und selbst im Englischen nicht zwingend.
Dieser Beschluss wurde dem Inhaber der angegriffenen Marke am 26. April 2005 zugestellt.
Er hat am 25. Mai 2005 Beschwerde eingelegt und vorgetragen, die Widerspruchsmarke wirke vor allem als Graphik, die als "H.C.m" gelesen und als [haceem] gesprochen werde. Selbst mit "Hokom" sei die angegriffene Marke jedoch nicht verwechselbar, da die Endsilbe "-com" verbraucht sei und der Unterschied in der ersten Silbe damit ausreiche, zumal das "ou" in der angegriffenen Marke als [au] gesprochen werde. Der Zeichenbestandteil "Ho" erinnere auch an das englische "how".
Der Inhaber der angegriffenen Marke beantragt, den Beschluss vom 20. April 2005 aufzuheben und den Widerspruch zurückzuweisen.
Demgegenüber hat sich der Widersprechende nicht geäußert.
II 1) Die Beschwerde des Inhabers der angegriffenen Marke ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Auch nach Auffassung des Senats besteht zwischen den Marken eine klangliche Verwechslungsgefahr gemäß § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.
Zwischen den für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr maßgeblichen Faktoren, Ähnlichkeit der Marken und der mit ihnen gekennzeichneten Waren bzw. Dienstleistungen sowie Kennzeichnungskraft der älteren Marke, besteht eine Wechselwirkung. So kann etwa ein höherer Grad an Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen einen geringeren Grad an Ähnlichkeit der Marken oder eine geminderte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgleichen und umgekehrt (EuGH GRUR Int. 2000, 899, Rn. 40 - MARCA / ADIDAS; BGH GRUR 2003, 332, 334 - ABSCHLUSSSTÜCK). Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend die Gefahr von Verwechslungen gegeben.
a) Da Benutzungsfragen nicht aufgeworfen sind, ist hinsichtlich der Waren und Dienstleistungen von der Registerlage auszugehen.
Computerprogramme und Beratung beanspruchen beide Marken.
Auch hinsichtlich Telekommunikation ist die Markenstelle mit zutreffender Begründung, der sich der Senat anschließt, von Ähnlichkeit ausgegangen (ebenso: BPatG Beschluss vom 4. Mai 1999, Az.: 24 W (pat) 228/97 - T-COM / TELEKOM; BPatG Beschluss vom 13. Mai 1998, Az.: 29 W (pat) 138/97 - NETLINE / NETLINE; vgl. dazu RICHTER/STOPPEL, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 11. Aufl., S. 383 "Telekommunikation").
b) Die Widerspruchsmarke ist durchschnittlich kennzeichnungskräftig. Anhaltspunkte für eine Minderung oder Steigerung sind nicht ersichtlich.
Selbst nicht aussprechbare Abkürzungen, wie H.C.M., als die der Inhaber der angegriffenen Marke die Widerspruchsmarke sehen will, haben keine ursprüngliche Kennzeichnungsschwäche (BGH GRUR 2002, 106 - DKV/OKV). Konkrete Anhaltspunkte für die Annahme, einer Buchstabenfolge H.C.M. käme nur eine schwache Kennzeichnungskraft zu, sind nicht gegeben.
c) Unter Berücksichtigung der dargelegten Umstände wäre ein überdurchschnittlicher Markenabstand notwendig, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen.
Dieser ist vorliegend aber klanglich nicht gewahrt. Allein dies reicht für die Annahme einer Verwechslungsgefahr aus. Die Frage der Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Marken ist nämlich nach deren Ähnlichkeit im Klang, im (Schrift-)Bild oder in Bedeutung bzw. Sinn zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken können (vgl. EuGH GRUR 1998, 387 Rdn. 23 - SABéL / PUMA; BGH GRUR 1999, 241 - LIONS).
Es werden jedenfalls noch entscheidungserhebliche Teile der angesprochenen Verbraucher die Widerspruchsmarke als [hokom] lesen und die beiden Vokale "o" nicht als Punkte in "H.C.M." nehmen.
Ebenso werden entscheidungserhebliche Teile der angesprochenen Verbraucher die angegriffene Marke als [sprechen] sprechen. Der Beurteilung der klanglichen Ähnlichkeit von Wörtern sind alle dem Sprachgefühl entsprechenden und im Bereich der Wahrscheinlichkeit liegenden Aussprachemöglichkeiten zugrunde zu legen. Selbst bei eindeutig als fremdsprachig erkennbaren Markenwörtern muss grundsätzlich sowohl mit einer sprachregelmäßigen als auch mit einer der Schreibweise entsprechenden Aussprache gerechnet werden. Letztere kann selbst bei Verbraucherkreisen nicht ohne Weiteres ausgeschlossen werden, denen die Herkunft des fremdsprachigen Wortes und dessen korrekte Aussprache bekannt sind (vgl. STRÖBELE/HACKER, Markengesetz, 7. Aufl., § 9 Rn. 200, 202), zumal der Verbraucher Werbung häufig nur flüchtig wahrnimmt und sich Einzelheiten etwa der Aussprache nicht genau einprägt. Da "Houcom" hier aber ohnehin kein englischer Begriff ist, ist erst recht neben einer Aussprache mit [au], wie bei "BOUNTY", mit einer Aussprache als [u], wie in "Route" oder "Houston", auszugehen.
Damit beschränken sich die klanglichen Unterschiede auf den Unterschied zwischen den Vokalen O und U. Dieser tritt im Gesamtklangbild nicht stark genug hervor, um Verwechslungen sicher zu verhindern. Die Endung -com ist zwar sehr gebräuchlich, begrenzt aber dennoch die unterschiedlichen Vokale und macht den dadurch gegebenen Unterschied weniger auffällig.
Der klangliche Gehalt der Widerspruchmarke ist auch nicht schutzunfähig, so dass die Widerspruchmarke insoweit Schutz beanspruchen kann; die Widerspruchsmarke ist keine reine Bildmarke (BGH GRUR 2006, 60, III.4.e - COCCODRILLO; BPatG Mitt. 2004, 315, II.3.b - FRISH).
2) Zu einer Kostenauferlegung besteht kein Anlass (§ 71 Abs. 1 MarkenG).
BPatG:
Beschluss v. 17.01.2006
Az: 27 W (pat) 110/05
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