Finanzgericht Baden-Württemberg:
Urteil vom 13. Dezember 2011
Aktenzeichen: 11 K 1189/09
(FG Baden-Württemberg: Urteil v. 13.12.2011, Az.: 11 K 1189/09)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob ein im Zusammenhang mit der Ablösung von Namensgewinnscheinen (NGS) gezahlter Abfindungsbetrag beim Kläger zu Einnahmen aus Kapitalvermögen führte.
Der Kläger war mehrere Jahrzehnte bei der X AG beschäftigt. In den Streitjahren erhielt er von dem Unternehmen Ruhestandsbezüge. Außerdem erhielt er Zahlungen für insgesamt 289 NGS, die er als Mitarbeiter der X AG in den Jahren 1980 bis 2000 erworben hatte. Bei den NGS handelte es sich um Genussrechte gem. § 221 AktG. Sie weisen einen Nominalwert von 50 DM bzw. 25,60 EUR auf. Sie wurden im Rahmen eines Vermögensbildungsprogramms inländischen Mitarbeitern zum Erwerb angeboten. Zum 31. Dezember 2005 waren insgesamt xxx.xxx NGS ausgegeben (vgl. Geschäftsbericht 2005, Anhang, S. 15). Das Konzept des NGS-Beteiligungsmodells war es, dass Mitarbeiter der deutschen Gesellschaften aus verschiedenen Unternehmensbereichen NGS der Konzernholding beziehen und durch die Bindung an die Dividende am Gewinn des Konzerns teilhaben konnten (vgl. Schreiben der X AG vom 5. Mai 2006 an die Inhaber von NGS; FG-Akte Bl. 70). Die Gewinnbeteiligung des Klägers belief sich für das Jahr 2004 auf 9.883,80 EUR (vgl. Steuerbescheinigung der A Bank vom 10. März 2006, ESt-Akte 2005 Bl. 36) und für das Jahr 2005 auf 11.444,40 EUR (Steuerbescheinigung der A Bank vom 8. Februar 2007, ESt-Akte 2006 Bl. 30, und Erläuterung des Klägers im Schreiben vom 31. Mai 2007, ESt-Akte 2006 Bl. 31).
In den - nach der Beendigung der Ausgabe der NGS im September 2000 neu gefassten - Bedingungen für den Bestand der ausgegebenen NGS wurde zur Rückzahlung und Gewinnbeteiligung Folgendes geregelt (NGS-Bedingungen 2000; FG-Akte Bl. 72 f.):
3. Laufzeit, Rückzahlung
Die Laufzeit der NGS ist - vorbehaltlich der Kündigungsrechte gem. Ziff. 5 - unbegrenzt.
Die NGS fallen ohne weitere Erklärung an die X AG zurück
bei Ausscheiden des Inhabers aus den Diensten einer der in vorstehender Ziff. 2 genannten Gesellschaften,bei Eintritt in den Ruhestand, soweit der Inhaber weniger als 10 Dienstjahre ununterbrochen in den unter Ziff. 2 genannten Gesellschaften tätig war,bei Tod des Inhabers der NGS,wenn sich erweist, dass der Inhaber der NGS die NGS unberechtigt erworben hat und/oder besitzt. ...
Bei Rückfällen bzw. Rückkäufen von NGS vergütet die X AG den Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeitern den Nennwert ihrer NGS. ...
4. Gewinnbeteiligung
Jeder NGS im Nennwert von 50 DM gewährt dem Inhaber einen Anteil am Gewinn der X AG in Höhe des Betrages, den die Gesellschaft als Dividende (einschließlich eines eventuell ausgeschütteten Bonus) auf 10 Stückaktien mit einem rechnerisch anteiligen Betrag des Grundkapitals von 2,56 EUR je Aktie bezahlt, mindestens aber 3,50 DM pro NGS für ein Geschäftsjahr.
...
Bei Rückfall bzw. Rückkauf von NGS durch die X AG endet die Gewinnbeteiligung am Schluss des letzten Geschäftsjahres vor dem Jahr, in das der Rückfall bzw. Rückkauf fällt. Für das letzte Geschäftsjahr erhält der Inhaber der NGS noch die volle Gewinnbeteiligung. Für das Jahr, in dem der Rückfall bzw. Rückkauf abgewickelt wird, erhält der Inhaber der NGS eine Schlussvergütung in Höhe der halben garantierten Gewinnbeteiligung, das sind 1,75 DM pro Stück bei Abwicklung per 30. Juni, bzw. eine Schlussvergütung in Höhe der vollen garantierten Gewinnbeteiligung, das sind 3,50 DM pro Stück bei Abwicklung per 31. Dezember.
5. Kündigung
Ein Kündigungsrecht steht den Inhabern der NGS und der X AG aus wichtigem Grund zu mit der Folge, dass die X AG zum Rückkauf der NGS berechtigt und bei Kündigung des Inhabers verpflichtet ist. Ein wichtiger Grund ist u.a. in folgenden Fällen gegeben:
a) Ausscheiden der Gesellschaft, bei der der Inhaber der NGS beschäftigt ist, aus dem X-Konzern durch Veräußerung, Verschmelzung mit oder Eingliederung in eine andere Gesellschaft oder auf sonstige Weise,
b) Verschmelzung der X AG mit einer anderen Gesellschaft oder deren Eingliederung in eine andere Gesellschaft,
...
Der Rückkauf infolge Kündigung wird in der gleichen Weise abgewickelt wie der Rückkauf von NGS auf Verlangen des Inhabers bzw. der Rückfall der NGS (siehe dazu Ziff. 3 und 4).
6. Rechte im Falle der Liquidation oder Auflösung der X AG
Im Falle der Liquidation oder Auflösung der X AG erhalten die Inhaber der NGS nach Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft, aber vor Rückzahlungen an die Aktionäre, den Nennwert ihrer NGS erstattet.
Wegen aller Einzelheiten wird auf die nach Beendigung der Ausgabe von NGS im Jahr 2000 neu gefassten NGS-Bedingungen (FG-Akte Bl. 73) und ebenso auf die für die Jahre 1980 bis 1999 geltenden - auch Regelungen zum Bezugsrecht enthaltenden und deshalb anders nummerierten - Fassungen (FG-Akte Bl. 74 bis 93) Bezug genommen.
Im Jahr 2006 unterbreitete die X AG mit Schreiben vom 5. Mai 2006 (FG-Akte Bl. 70 f.) dem Kläger - wie auch den anderen Inhabern - ein Angebot zum Rückkauf der NGS. Für den X-Konzern seien im Herbst 2006 entscheidende Veränderungen geplant. Es sei vorgesehen, die O-Sparte von X als selbständiges börsennotiertes Unternehmen zu etablieren. Die T-Sparte werde möglicherweise mit einer veränderten Aktionärsstruktur in die Zukunft gehen. Das Konzept der NGS sei es gewesen, dass Mitarbeiter der deutschen Gesellschaften aus verschiedenen Unternehmensbereichen NGS der Konzernholding beziehen und durch die Bindung an die Dividende am Gewinn des Konzerns teilhaben konnten. Wenn es den Konzern in der bisherigen Form nicht mehr gebe, verliere dieses Konzept seine wesentliche Grundlage. In den NGS-Bedingungen sei vorgesehen, dass die X AG die NGS aus wichtigem Grund kündigen könne. Die Auflösung des Konzerns könne ein solch wichtiger Grund sein. Bei Umsetzung der Konzernveränderungen müsse demnach mit einer Kündigung der NGS durch die X AG gerechnet werden. Zudem sei offen, welche Dividende zukünftig Maßstab für die Gewinnbeteiligung sein könne. Daher habe der Vorstand mit Zustimmung des Konzernbetriebsrats einen Rückkauf der NGS zu für die Inhaber attraktiven Bedingungen beschlossen. Danach biete die X AG für jeden NGS neben der Auszahlung des Nominalwerts in Höhe von 25,60 EUR/Stück eine Verzinsung von 19,80 EUR für 2006 sowie eine Einmalzahlung in Höhe des dreifachen Nominalwerts in Höhe von 76,80 EUR an. Dies entspreche einer Verzinsung der NGS für 10 Jahre zu einem Zinssatz von 30 % p.a. (ohne Abzinsung).
Die Auszahlung erfolge in zwei Tranchen:
im August oder September 2006Nominalbetrag NGSdie Ausschüttung für das erste Halbjahr 200650 % des dreifachen Nominalwertsim Januar 200750 % des dreifachen Nominalwerts
Das Angebot sei bis zum 30. Juni 2006 befristet. Die NGS-Bedingungen vom Stand September 2000 würden dahingehend abgeändert werden, dass ab dem 1. Juli 2006 die Gewinnbeteiligung entfalle und nur noch die Mindestverzinsung von 7 % p.a. gewährt werde. Sollte das Rückkaufangebot nicht angenommen werden, müsste damit gerechnet werden, dass die NGS im zweiten Halbjahr 2006 oder im ersten Halbjahr 2007 gekündigt würden. Zudem wies die X AG darauf hin, dass der Abfindungsbetrag wie die jährliche Gewinnbeteiligung als Kapitaleinkünfte zu versteuern sei.
Der damalige Vorstandsvorsitzende der X AG, Herr Y, wies im Schreiben vom 12. Juli 2006, dritter Absatz (FG-Akte Bl. 68), an den Kläger des Verfahrens Az. 3 K 1151/09 darauf hin, es sei ein attraktives Ablösungsmodell gefunden worden, das von einer unterstellten Verzinsung für die nächsten 10 Jahre von 30 % pro anno ausgeht.
Die Höhe der Zahlung an den Kläger für den Fall der Annahme des Angebots berechnete die X AG wie folgt:
Anzahl NGSNominalwert der NGS in EURGewinnbeteiligung 1. Halbjahr 2006 in EURAbfindungsbetrag in EURGesamtbetrag289 7.398,40 EUR5.722,20 EUR22.195,20 EUR35.315,80 EUR
Hiervon werde im Jahr 2006 ein Teilbetrag von 24.218,20 EUR und im Jahr 2007 der Restbetrag von 11.097,60 EUR, das ist die Hälfte des Abfindungsbetrags, ausbezahlt.
Der Kläger nahm das Angebot mit Schreiben vom 8. Mai 2006 an (vgl. ESt-Akte 2006 Bl. 41).
Die Auszahlungen der Teilbeträge erfolgten im Jahr 2006 (24.218,20 EUR) und im Januar 2007 (11.097,60 EUR).
Insgesamt löste die X AG 309.395 NGS ab und wandte hierfür einen Abfindungsbetrag in Höhe von 23,8 Mio. EUR zusätzlich zum Nominalwert auf. Den Abfindungsbetrag verbuchte sie unter Sonstige betriebliche Aufwendungen.
Im Dezember 2006 veräußerte die X AG die T-Sparte an die dänische Z-Gruppe.
Der Einkommensteuererklärung 2006 fügte der Kläger eine Jahresbescheinigung der A Bank über Kapitalerträge und Veräußerungsgeschäfte aus Finanzanlagen vom 8. Februar 2007 bei, in der steuerpflichtige Zinsen und andere Erträge (ohne Dividenden) aus Wandelanleihen und Gewinnobligationen in Höhe von 28.264,20 EUR sowie eine anzurechnende Kapitalertragsteuer (25 %) von 7.066,05 EUR und Solidaritätszuschläge (5,5 % v. 7.066,05 EUR =) 388,63 EUR hierzu bescheinigt wurden.
In einem Begleitschreiben zur Einkommensteuererklärung 2006 vom 31. Mai 2007 (ESt-Akte 2006 Bl. 31 f.) erläuterte der Kläger, dass sich der bescheinigte Betrag der steuerpflichtigen Einnahmen von 28.264,20 EUR wie folgt zusammensetze:
BruttoGewinnbeteiligung 20065.722,20 EUR1. Hälfte des Abfindungsbetrags11.097,60 EURGewinnbeteiligung 200511.444,40 EURSumme 28.264,20 EUR
Der Kläger führte hierzu weiter aus, dass sich die von ihm in den Jahren 1980 bis 2000 erworbenen NGS mit mindestens 7 % jährlich verzinsten. Außerdem sei darüber hinaus jährlich eine weit höhere Verzinsung erzielt worden, die von der Höhe der Dividende der X AG abhängig gewesen sei. Die A Bank habe den Abfindungsbetrag von 11.097,60 EUR - ebenso wie die in 2007 ausbezahlte 2. Hälfte von 11.097,60 EUR - unzutreffend als gem. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG steuerpflichtige Marktrendite bescheinigt. Da die NGS eine jährlich zu versteuernde Emissionsrendite aufwiesen, sei die Bescheinigung der A Bank unter Beachtung des BFH-Urteils vom 13. Dezember 2006 VIII R 6/05, BStBl II 2007, 571 unzutreffend.
Das beklagte Finanzamt folgte dieser Argumentation nicht und erfasste im Einkommensteuerbescheid 2006 vom 29. November 2007 den Gesamtbetrag von 28.264,20 EUR unter Anrechnung der einbehaltenen Steuern als steuerpflichtige Einnahmen aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG).
In gleicher Weise verfuhr es im Einkommensteuerbescheid 2007 vom 21. Juli 2008, in dem es die in 2007 ausbezahlte 2. Hälfte des Abfindungsbetrags - entsprechend der Steuerbescheinigung der A Bank vom 8. Februar 2008 - als steuerpflichtige Einnahmen aus Kapitalvermögen behandelte.
Die Einsprüche vom 8. Dezember 2007 (betreffend Einkommensteuer 2006) und vom 14. August 2008 (betreffend Einkommensteuer 2007) wies das Finanzamt nach Einholung einer Stellungnahme der Oberfinanzdirektion (Verfügung vom 31. Juli 2008 - S 225.2 B - St 134) mit Einspruchsentscheidungen vom 10. Februar 2009 als unbegründet zurück. Es führte im Wesentlichen aus, gem. § 20 Abs. 2 Satz Nr. 1 EStG i.V. mit § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG gehörten zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch besondere Entgelte und Vorteile, die neben den in § 20 Abs. 1 EStG bezeichneten Einnahmen gewährt würden. Auf die Bezeichnung der Erträge komme es nicht an. Die Vorschrift sei weit auszulegen und erfasse alle Vermögensmehrungen, die bei wirtschaftlicher Betrachtung ein Entgelt für die Kapitalüberlassung darstellten. Die X AG hätte die NGS bei Veräußerung der T-Sparte kündigen können. In diesem Fall hätte die X AG nur den Nominalbetrag der NGS bezahlen müssen. Der darüber hinaus vergütete Abfindungsbetrag stelle damit eine Entschädigung für die künftig entgehenden Einnahmen aus Kapitalvermögen dar.
In ihrer am 4. März 2009 bei Gericht eingegangenen Klage beziehen sich die Kläger in ihrer Argumentation weiterhin auf das Urteil des BFH vom 13. Dezember 2006 VIII R 6/05, BStBl II 2007, 571, das eine Versteuerung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c, § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG nach der Marktrendite für solche Finanzinnovationen ablehne, bei denen eine hinreichend klare Abgrenzung zwischen Ertrags- und Vermögensebene möglich sei. Dies sei hier der Fall, da sich die NGS mit mindestens 7 % verzinsten und darüber hinaus noch eine zusätzliche Verzinsung erzielt worden sei, die von der Dividende der X AG abhängig gewesen sei. Hierbei handele es sich um die sog. Emissionsrendite. Da eine Trennung zwischen Nutzungsentgelt und Kursgewinn ohne großen Aufwand möglich sei, sei der Abfindungsbetrag als Gewinn aus einem privaten Veräußerungsgeschäft nach Ablauf der einjährigen Spekulationsfrist nicht steuerpflichtig (§ 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG). Die X AG habe den über den Nominalwert hinausgehenden Betrag unter Sonstige betriebliche Aufwendungen und nicht unter Zinsen und ähnliche Aufwendungen in ihrer Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesen. Dies zeige, dass auch die X AG nicht von zusätzlichen Zinszahlungen ausgegangen sei. Eine Verbuchung des Mehrbetrags als Anschaffungskosten sei nicht möglich gewesen, da die NGS untergegangen seien. Im Übrigen sei die steuerliche Behandlung des Klägers nicht von der steuerlichen Behandlung bei der X AG abhängig.
Die Kläger beantragen sinngemäß, den Einkommensteuerbescheid 2006 vom 29. November 2007 sowie den Einkommensteuerbescheid 2007 vom 21. Juli 2008 in der Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 10. Februar 2009 abzuändern und die Einnahmen aus Kapitalvermögen in den Jahren 2006 und 2007 um jeweils 11.097,60 EUR niedriger anzusetzen.
Das FA beantragt, die Klage abzuweisen.
Ergänzend zur Einspruchsentscheidung führt es aus, das BFH-Urteil in BStBl II 2007, 571 betreffe die steuerliche Beurteilung von Kursgewinnen aus Down-Rating-Anleihen und damit aus verzinslichen Schuldverschreibungen. Solche lägen aber im Streitfall nicht vor. Vielmehr handele es sich um Genussrechte. Die von den Klägern angeführte Behandlung der Zahlungen durch die X AG als Sonstige betriebliche Aufwendungen bestätige die bisherige steuerliche Beurteilung des FA. Die X AG habe die NGS zum Nennwert zurückgenommen, damit seien keine Anschaffungskosten entstanden. Die X AG habe die gezahlten Abfindungen, die einen künftigen Verlust von Verzinsung und Gewinnbeteiligung ausgleichen sollten, dementsprechend den sofort abziehbaren Aufwendungen zugerechnet.
Die Beteiligen haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (vgl. FG-Akte Bl. 95 und 99).
Dem Gericht lagen bei seiner Entscheidung die den Streitfall betreffenden Steuerakten des FA (1 Bd. Rechtsbehelfsakten; 1 Bd. Einkommensteuerakten) sowie Kopien aus der Gerichtsakte Az. 3 K 1151/09 vor (vgl. FG-Akte Bl. 67 -93).
Gründe
Im Einverständnis mit den Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).
Die Klage ist unbegründet.
Der von der X AG an den Kläger gezahlte Abfindungsbetrag führt zu steuerpflichtigen Einkünften aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 i.V. mit § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG in der in den Streitjahren gültigen Fassung. Danach gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art, wenn die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung zugesagt oder gewährt worden ist, auch wenn die Höhe des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt. Dies gilt unabhängig von der Bezeichnung und der zivilrechtlichen Ausgestaltung der Kapitalanlage (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG). Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören auch besondere Entgelte oder Vorteile, die neben den in den § 20 Abs. 1 und 2 EStG bezeichneten Einnahmen oder an deren Stelle gewährt werden (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG).
1. Genussrechte begründen im Gegensatz zu Anteilen keine mitgliedschaftlichen Rechte, sondern stellen lediglich Gläubigerrechte auf schuldrechtlicher Grundlage dar. Es handelt sich um ein Dauerschuldverhältnis eigener Art (BGH-Urteile vom 5. Oktober 1992 II ZR 172/91, BGHZ 119, 305; vom 21. Juli 2003 II ZR 109/02, BGHZ 156, 38). Der Unterschied zu den Mitgliederrechten besteht darin, dass Genussrechte ausschließlich Vermögensrechte gewähren. Sie umfassen keine Mitverwaltungsrechte, insbesondere vermitteln sie kein Stimmrecht.
2. Steuerrechtlich ist zu unterscheiden zwischen Genussrechten, die einen Beteiligungscharakter aufweisen, und Genussrechten, denen lediglich Obligationscharakter zukommt. Genussrechte führen zu Bezügen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, wenn mit ihnen das Recht auf Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös verbunden ist (Genussrecht mit Beteiligungscharakter; BFH-Urteile vom 19. Januar 1994 I R 67/92, BStBl II 1996, 77; vom 14. Juni 2005 VIII R 73/03, BStBl II 2005, 861). Beide Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Fehlt eine der beiden Voraussetzungen, sind die Bezüge nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG anzusetzen (Genussrecht mit Obligationscharakter; Intemann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Kommentar, Stand: 09/2010, § 20 EStG Anm. 56).
a) Im vorliegenden Streitfall gewährten die NGS zwar eine Beteiligung am Gewinn der X AG. Allerdings vermittelten sie keine Beteiligung an einem etwaigen Liquidationserlös. Eine Beteiligung am Liquidationserlös liegt dann vor, wenn das Genussrechtskapital zuzüglich der anteiligen stillen Reserven zurückzuzahlen ist. Allein die Vereinbarung, dass das Genussrechtskapital erst nach der Befriedigung der übrigen Gesellschaftsgläubiger zurückzuzahlen ist (sog. Nachrangvereinbarung), verleiht dem Genussrecht allerdings noch keinen Beteiligungscharakter (vgl. BFH-Urteil vom 14. Juni 2005 VIII R 73/03, BStBl II 2005, 861). Demzufolge unterliegen die im vorliegenden Streitfall zu beurteilenden NGS nicht der Vorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, da mit ihnen nicht das Recht am Liquidationserlös der X AG verbunden war. Die Inhaber der NGS hatten im Falle der Liquidation der X AG nach Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft, aber vor Rückzahlungen an die Aktionäre, lediglich Anspruch auf Erstattung des Nennwerts ihrer NGS (vgl. Nr. 6 der NGS-Bedingungen 2000).
b) Nach den NGS-Bedingungen gewährte jeder NGS im Nennwert von 50 DM dem Inhaber einen Anteil am Gewinn der X AG in Höhe des Betrages, den die Gesellschaft als Dividende (einschließlich eines eventuell ausgeschütteten Bonus) auf 10 Stückaktien mit einem rechnerisch anteiligen Betrag des Grundkapitals von 2,56 EUR je Aktie bezahlt, mindestens aber 3,50 DM pro NGS für ein Geschäftsjahr. Die hieraus resultierenden jährlichen Erträge aus den NGS sind gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG steuerpflichtig, auch wenn das Entgelt der Höhe nach von einem ungewissen Ereignis abhängig war, nämlich der Höhe der Dividendenzahlungen an die Aktionäre (vgl. hierzu auch FG München, Urteil vom 29. März 2011, 12 K 3991/09, EFG 2011, 1522; Az. BFH: VIII R 20/11). Die Steuerpflicht der jährlichen Gewinnanteile ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
c) Entgegen der Auffassung des Klägers führen aber nicht nur die jährlichen Gewinnbeteiligungen, sondern auch der von der X AG gezahlte Abfindungsbetrag zu steuerpflichtigen Einkünften aus Kapitalvermögen.
Die Vorschrift des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG, nach der zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch besondere Entgelte oder Vorteile gehören, die neben den in den § 20 Abs. 1 und 2 EStG bezeichneten Einnahmen oder an deren Stelle gewährt werden, stellt den Umfang der von § 20 Abs. 1 EStG erfassten Einnahmen klar (BFH-Urteil vom 11. Februar 1981 I R 98/76, BFHE 133, 35, BStBl II 1981, 465). Sie bewirkt, dass alles, was für die Nutzung von Kapital gewährt wird, zu den Einnahmen aus Kapitalvermögen gehört. Dabei kommt es weder auf die Bezeichnung der Erträge noch darauf an, ob sie in offener oder verschleierter Form gewährt werden. Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören vielmehr alle Vermögensmehrungen, die bei wirtschaftlicher Betrachtung Entgelt für die Kapitalnutzung sind (vgl. BFH-Urteil vom 13. Oktober 1987 VIII R 156/84, BStBl II 1988, 252). Nach der Rechtsprechung des BFH führt auch die Abfindung an einen typisch stillen Gesellschafter, die den Nennbetrag der Einlage übersteigt, grundsätzlich zu Einkünften aus Kapitalvermögen i.S. von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG (vgl. BFH-Urteil vom 14. Februar 1984 VIII R 126/82,BFHE 141, 124, BStBl II 1984, 580). Wenn der Geschäftsinhaber als Abfindung mehr bezahlt als den Nennbetrag der Einlage, so geschieht dies regelmäßig nicht, um damit einen höheren Wert" der Einlage abzugelten, sondern um dem stillen Teilhaber ein zusätzliches Entgelt für die Überlassung der Einlage zu gewähren.
So verhält es sich auch bei dem im vorliegenden Streitfall zu beurteilenden Abfindungsbetrag für die Ablösung der NGS.
aa) Da die NGS nach den hierzu geregelten Ausgabebedingungen dem Kläger - wie allen anderen Inhabern auch - über die jährliche Gewinnbeteiligung hinaus keine Teilhabe an der Wertentwicklung des Unternehmens vermitteln sollten, gibt es keinen Anlass für die Annahme, dass mit der Abfindung gleichwohl eine während der Inhaberschaft des Klägers eingetretene Wertsteigerung der NGS ganz oder teilweise habe vergütet werden sollen.
Im Falle der Liquidation oder Auflösung der X AG sollte höchstens der Nennwert der NGS erstattet werden (Nr. 6 der NGS-Bedingungen 2000). Auch im Falle von Rückfällen bzw. Rückkäufen hatte die X AG lediglich den Nennwert der NGS zu vergüten (Nr. 3 der NGS-Bedingungen 2000). Dementsprechend konnte eine Abfindung der vorliegend streitbefangenen Art nicht beanspruchen, wer vor dem 30. Juni 2006 aus den Diensten der X AG (etwa durch Tod) ausgeschieden war. Vielmehr war die Fortdauer des Beschäftigungsverhältnisses bis zu diesem Zeitpunkt als Bedingung für den Fortbestand der NGS (Nr. 3 Abs. 2 der NGS-Bedingungen 2000) Voraussetzung für die mit dem Rückkaufangebot verbundene Abfindung. Das wird im Schreiben der X AG vom 5. Mai 2006 (dort im zweiten Absatz auf der zweiten Seite, FG-Akte Bl. 71) ausdrücklich hervorgehoben. Wer am 31. Mai 2006 - aus welchen Gründen auch immer - aus dem Konzern ausschied oder schon früher ausgeschieden war, verlor seine NGS auch dann ohne eine über deren Nennwert hinausgehende Abfindung, wenn er seinerzeit schon seit mehr als 20 Jahren Inhaber der NGS gewesen sein sollte. Dies zeigt, dass die von den Klägern postulierte Vorstellung von einem sich parallel zum Unternehmenswert der X-Konzerngesellschaften entwickelnden Kurswert der NGS verfehlt ist.
Gegen die Annahme, die Abfindung habe dessen ungeachtet eine Wertsteigerungskomponente, sprechen aber nicht nur die in den Ausgabebedingungen getroffenen Regelungen, sondern vor allem auch die Parameter zur Bemessung des Abfindungsbetrags. Wäre mit der Abfindung die Abgeltung einer Wertsteigerung bezweckt gewesen, dann würde nach der Überzeugung des Senats in ihre Berechnung nämlich auch ein Faktor einbezogen worden sein, der eine - mindestens pauschale - Orientierung an der während der Dauer des Bestands des jeweiligen NGS eingetretenen Wertentwicklung erkennen lässt. Daran fehlt es indessen. Der Abfindungsbetrag betrug vielmehr für alle NGS unterschiedslos jeweils das Dreifache ihres Nennwerts, welcher sich im gesamten Zeitraum von 1980 bis 2000 stets auf 50 DM belaufen hatte. Auch darin erweist sich, dass es bei der Abfindung nicht darum ging, die Inhaber der NGS an einer während ihrer Besitzzeit eingetretenen Entwicklung des Unternehmenswerts teilhaben zu lassen. Anderenfalls wären im Jahr 1980 erworbene NGS nicht mit dem gleichen Betrag abgefunden worden wie die im Jahr 2000 erworbenen NGS. Dass die Entwicklung des Unternehmenswerts des X-Konzerns im Zeitraum von 1980 bis 2006 nicht derjenigen in der Zeit von 2000 bis 2006 entspricht, liegt auf der Hand.
Die Bemessung der Abfindung für die Rückgabe der NGS und die zu deren Begründung von der X AG gegebenen Erläuterungen lassen nach Auffassung des Senats vielmehr hinreichend deutlich werden, dass mit der Abfindung ein zusätzliches Entgelt für die Überlassung von Kapital gewährt wurde.
Die X AG hat in ihrem Schreiben an die Inhaber der NGS vom 5. Mai 2006 die Höhe der Abfindung nicht nur als einen Betrag in Höhe des dreifachen Nominalwerts bezeichnet; sie hat in diesen Zusammenhang auch ausdrücklich einen Bezug zur Rendite einer Kaitalüberlassung auf Zeit hergestellt, indem sie darauf hingewiesen hat, dass der Abfindungsbetrag einer Verzinsung der NGS für 10 Jahre zu einem Zinssatz von 30 % p. a. entspreche (vgl. FG-Akte Bl. 70 f.). Dass damit nicht nur auf eine mehr oder weniger zufällige Korrelation hingewiesen, sondern der in die Zukunft gerichtete Zweck der Abfindung zum Ausdruck gebracht werden sollte, wird im dritten Absatz des Schreibens des damaligen Vorstandsvorsitzenden der X AG, Herr Y, an den Kläger des Verfahrens 3 K 1151/09 vom 12. Juli 2006 offenbar, wenn es dort heißt, es sei ein attraktives Ablösungsmodell gefunden worden, das von einer unterstellten Verzinsung für die nächsten 10 Jahre von 30 % pro anno ausgeht. Dass die streitbefangene Abfindung nicht mehr für eine künftige Kapitalüberlassung geschuldet sein sollte, steht ihrer Qualifizierung als besonderes Entgelt oder besonderen Vorteil im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht entgegen. Wie nicht zuletzt auch die - die Steuerpflicht nicht begründende, sondern voraussetzende - Regelung des § 24 Nr. 1 EStG zeigt, gehören zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 1 EStG gerade auch Entschädigungen, die als Ersatz für (künftig) entgehende Einnahmen gewährt werden, Zahlungen also, die - wie die vorliegend zu beurteilende Abfindung - im Grenzbereich von Einkunftserzielung und deren Beendigung geleistet werden.
bb) Weder die Länge des für die Bemessung der Abfindung zugrunde gelegten Zeitraums (weitere 10 Jahre) noch die Höhe der angesetzten jährlichen Verzinsung (von 30 %) zwingen zu der Annahme, die Zahlung sei - aus der maßgeblichen Sicht des Gläubigers - für etwas anderes geleistet worden denn als Ersatz für in der Zukunft entgehende (steuerpflichtige) Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG.
Zwar hätte im Falle des Vorliegens eines Kündigungsgrundes im Sinne der Ziffer 5 der NGS-Bedingungen 2000 die durch den Erwerb der NGS begründete - auf unbestimmte Dauer erfolgte - Kapitalüberlassung schon vor Ablauf weiterer 10 Jahre ihr Ende finden können. Ungeachtet dessen, dass die X AG in ihren Schreiben an die Inhaber der NGS vom Frühjahr 2006 die Möglichkeit einer kurzfristigen Kündigung nach dem 30. Juni 2006 angedeutet hatte, war seinerzeit jedoch noch offen, ob und ggf. wann eine Situation entstehen würde, die sie zu einer Kündigung aus wichtigem Grund gegenüber allen Inhabern von NGS (insbesondere auch gegenüber dem Kläger) berechtigte. Auch war der Ansatz von 30 % des eingesetzten Kapitals pro Jahr für die abzufindenden künftigen Gewinnbeteiligungsansprüche zwar hoch, zumal wenn man berücksichtigt, dass ausweislich des vorletzten Absatzes im Schreiben der X AG vom 5. Mai 2006 aufgrund einer Änderung der Regelungen zu Ziffer 4 der Ausgabebedingungen künftig nur noch mit einer Verzinsung von 7 % gerechnet werden konnte. Im Vergleich zu den in der Vergangenheit mit den NGS erzielten Renditen (für das Jahr 2005 waren dies nach den Angaben des Klägers im Schriftsatz vom 20. Juni 2009 immerhin 154,7 %; für die erste Hälfte des Jahres 2006 wurde den Inhabern der NGS ausweislich des Schreibens der X vom 5. Mai 2006 die gleiche Rendite nochmals vergütet) nimmt sich die Verzinsung mit 30 % jedoch eher bescheiden aus.
cc) Selbst wenn die Höhe der Abfindung auch durch das Interesse der X AG beeinflusst gewesen sein sollte, die aus ihrer Sicht ungünstige Finanzierung des Konzerns mittels NGS zu beenden, stünde dies ihrer Qualifizierung als - steuerpflichtigen - Kapitalertrag im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 EStG nicht entgegen. Insofern wäre die Sachlage vergleichbar mit der im BFH-Urteil vom 11. Januar 2005 IX R 67/02 (BFH/NV 2005, 1044) - wenngleich für Vermietungseinkünfte - entschiedenen Konstellation. Auch dort hatte nämlich der Empfänger der Abfindung diese erhalten, weil seinem Vertragspartner die Fortsetzung der Rechtsbeziehung für die gesamte vertraglich vereinbarte Dauer lästig geworden war, ohne dass der BFH wegen dieser Motivation den Charakter der Zahlung als - steuerpflichtige - Entschädigung für (künftig) entgehende Einnahmen in Frage gestellt hätte. Dementsprechend ist auch hinsichtlich der Beurteilung von Abfindungen wegen Auflösung eines Arbeitsverhältnisses als steuerbare sonstige Bezüge im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG - soweit ersichtlich - nie die Frage aufgeworfen worden, ob die Abfindung deshalb gezahlt worden ist, weil die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber lästig gewesen wäre. Soweit das FG Niedersachsen in seinem Urteil vom 1. Dezember 2005 11 K 127/03 (DStRE 2006, 1517; rkr.) dies in Bezug auf Abfindungen im Zusammenhang mit der Beendigung einer typisch stillen Gesellschaft anders beurteilt hat, folgt der Senat dem nicht.
3. An der Steuerpflicht gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG i.V. mit § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG ändert auch die Einführung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG mit Wirkung ab 1. Januar 1994 durch das Gesetz zur Bekämpfung des Missbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts (Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz - StMBG) vom 21. Dezember 1993 (BGBl I 1993, 2310) nichts (gleicher Auffassung FG München, Urteil vom 29. März 2011 12 K 3991/09, EFG 2011, 1522; Az. BFH: VIII R 20/11).
a) Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch Einnahmen aus der Veräußerung oder Abtretung von Schuldverschreibungen, Schuldbuchforderungen und sonstigen Kapitalforderungen, soweit sie der rechnerisch auf die Besitzzeit entfallenden Emissionsrendite entsprechen. Haben die Wertpapiere und Kapitalforderungen keine Emissionsrendite oder weist der Steuerpflichtige sie nicht nach, gilt der Unterschied zwischen dem Entgelt für den Erwerb und den Einnahmen aus der Veräußerung, Abtretung oder Einlösung als Kapitalertrag (sog. Marktrendite; § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG).
Nach der Rechtsprechung des BFH, der der Senat folgt, ist eine Besteuerung nach der Marktrendite gem. § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG allerdings nur für solche Wertpapiere gerechtfertigt, die eine Verbindung von Erträgen aus der Kapitalnutzung durch entgeltliche Überlassung und der Ausschöpfung der Werthaltigkeit des Kapitals beinhalten. Die - bis zur Einführung der Abgeltungssteuer ab dem Jahr 2009 durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 (BGBl I 2007, 1912) - systematisch gebotene Abschöpfung nur des Kapitalnutzungsentgelts kann in derartigen Fällen nicht gewährleistet werden, weil es nicht von der Wertentwicklung abgrenzbar ist. Es ist demnach eine tatbestandsmäßige Eingrenzung der von § 20 Abs. 2 Satz 1 EStG erfassten Finanzinnovationen geboten. Der Tatbestand der sonstigen Kapitalforderungen, bei denen die Höhe der Erträge von einem ungewissen Ereignis abhängt (fehlende Emissionsrendite, § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c, d EStG), ist als sachgerechte gesetzliche Typisierung gerade solcher Anlagen einzuordnen, bei denen ihrer Ausgestaltung nach Nutzungsentgelt und Kursgewinn rechnerisch nicht abgrenzbar sind (vgl. zur weiteren Begründung ausführlich BFH-Urteil vom 13. Dezember 2006 VIII R 6/05, BFHE 216, 606, BStBl II 2007, 571).
b) Bei den hier zu beurteilenden NGS handelte es sich allerdings - worauf der Kläger zutreffend hinweist - nicht um eine derartige Anlageform. Denn nach den NGS-Bedingungen bestand für die Anleger nicht die Möglichkeit der Realisierung von Wertsteigerungen. Es war vielmehr lediglich eine jährliche Gewinnausschüttung verbunden mit einer Mindestverzinsung geregelt. Die Problematik der fehlenden Abgrenzbarkeit von Nutzungsentgelt und Kursgewinn stellte sich demzufolge nicht. Zudem sind die in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG getroffenen Regelungen nicht auf Erträge aus Genussrechten im Sinne des § 43 Abs. 1 Nr. 2 EStG anzuwenden (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 5 EStG). Hiermit sind Genussrechte angesprochen, die nicht in § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannt sind, also solche, die - wie die im Streitfall zu beurteilenden - unter die Vorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG fallen (FG München, Urteil vom 29. März 2011 12 K 3991/09, EFG 2011, 1522; Az. BFH: VIII R 20/11; Harenberg/Irmer, in: Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 43 EStG Anm. 40).
Daraus folgt jedoch entgegen der Ansicht des Klägers nicht, dass nur die laufende Gewinnbeteiligung als steuerpflichtiger Kapitalertrag zu erfassen wäre. Vielmehr sind nach der Vorschrift des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG, die im Zuge der Einführung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG keine Einschränkung erfahren hat, auch besondere Entgelte oder Vorteile als Einkünfte aus Kapitalvermögen anzusehen, wenn sie für die Überlassung des Kapitals zur Nutzung geleistet werden. Diese Voraussetzung ist bei dem hier zu beurteilenden Abfindungsbetrag erfüllt (vgl. oben unter 2.c).
4. Wollte man hingegen - abweichend von den vorstehenden Ausführungen - die Auffassung vertreten, mit dem Zufluss der Abfindungsteilbeträge beim Kläger sei keiner der in § 20 EStG normierten Tatbestände verwirklicht worden, dann entfiele damit indessen noch nicht die Steuerbarkeit dieser Zahlungen. Es wäre dann nämlich von Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit auszugehen. Denn die streitbefangene Abfindung war (jedenfalls mittelbar) auch durch sein Arbeitsverhältnis veranlasst.
Die Möglichkeit, NGS zu erwerben und so in den Besitz dieser hochrentierlichen Kapitalanlagen zu gelangen, hatten nur bestimmte aktive Mitarbeiter des X-Konzerns (vgl. Nr. 2 der NGS-Bedingungen 2000); überdies war die Dauer der Inhaberschaft an den NGS - von Ausnahmen beim Eintritt in den Ruhestand nach mehr als 10 Jahre währender Beschäftigung im Konzern abgesehen - auch an die Fortdauer der Arbeitnehmereigenschaft im Konzern geknüpft (vgl. Nr. 6 Abs. 2 der NGS-Bedingungen 2000). Der Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis findet überdies in den Mitwirkungsrechten des Konzernbetriebsrats ihren Ausdruck (vgl. Nr. 10 der NGS-Bedingungen 2000). Er tritt zwar im sachlichen Anwendungsbereich der Tatbestände des § 20 EStG in den Hintergrund, wird dadurch aber nicht aufgehoben. Erhalten (aktive oder ehemalige) Arbeitnehmer aufgrund des ihnen ermöglichten Erwerbs von NGS Sonderzahlungen, die von den Tatbeständen des § 20 EStG nicht erfasst werden, können diese deshalb - steuerbare und auch steuerpflichtige - Bezüge aus einer Beschäftigung im privaten Dienst im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG darstellen.
Verneinte man die Anwendbarkeit des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG auf die von der X AG für die freiwillige Einlösung der NGS gewährten Abfindungen deshalb, weil diese in ihrer Höhe über eine angemessene Abgeltung von in der Zukunft noch zu erwartenden Renditen der NGS hinausgingen, zumal die von der X AG in ihrem Schreiben vom 5. Mai 2006 angekündigte - und später auch realisierte - Umstrukturierung des Konzerns ihr ohnehin eine baldige abfindungslose Kündigung zahlreicher NGS ermöglicht haben würde, dann wäre zu fragen, was Anlass für die großzügige Dotierung der Abfindungen war. Außer dem für die Annahme von Einkünften aus Kapitalvermögen unerheblichen (vgl. dazu 2. c. cc) Grund der möglichst reibungslosen Beendigung einer unvorteilhaften - weil für die Aktionäre teuren - Finanzierung bliebe als plausibles Motiv nur noch die zufriedenstellende Berücksichtigung von Arbeitnehmerbelangen. Ganz offensichtlich war der X AG daran gelegen, ihren Mitarbeitern (nur solche waren zum Erwerb von NGS berechtigt) einen Ausgleich dafür anzubieten, dass aufgrund einer Neuausrichtung der Unternehmenspolitik die bisherige Form der Mitarbeitergewinnbeteiligung beendet und damit zwangsläufig mit dem Erwerb von NGS verbundene langfristige Renditeerwartungen enttäuscht werden würden. Ohne dass es für diese Beurteilung noch darauf ankäme, wird angemerkt, dass die X AG in der Vergangenheit den über 7 % per anno hinausgehenden Teil der Gewinnbeteiligung als Personalaufwand angesehen und verbucht hatte (vgl. die Angaben in ihrem unter www......pdf abrufbaren Geschäftsbericht für 2004 auf Seite 116).
5. Das FA hat in Bezug auf die nach den vorstehenden Ausführungen steuerbaren Einkünfte zutreffend keine ermäßigt zu besteuernden außerordentlichen Einkünfte gem. § 24 Nr. 1 i.V. mit § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG angenommen.
Nach der Rechtsprechung des BFH, der der Senat folgt, sind außerordentliche Einkünfte solche, deren Zufluss in einem Veranlagungszeitraum zu einer für den jeweiligen Steuerpflichtigen im Vergleich zu seiner regelmäßigen sonstigen Besteuerung einmaligen und außergewöhnlichen Progressionsbelastung führen. Diese abzumildern ist der Zweck der Billigkeitsregelung des § 34 Abs. 1 und 2 Nr. 2 EStG (vgl. die ständige Rechtsprechung, BFH-Urteil vom 4. März 1998 XI R 46/97, BFHE 185, 429, BStBl II 1998, 787, m.w.N.). Diese - veranlagungszeitraumbezogen betrachtet - begünstigende Behandlung von zusammengeballt zugeflossenen Einnahmen, deren Zufluss sich beim jeweiligen Steuerpflichtigen nach dessen regelmäßiger Einkünftesituation normalerweise auf mehrere Jahre verteilt hätte (vgl. BFH-Urteil in BFHE 185, 429, BStBl II 1998, 787), verwirklicht - veranlagungszeitraumübergreifend betrachtet - eine gleichmäßige progressive Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Dementsprechend sind solche Entschädigungen als außerordentliche Einkünfte zu behandeln, deren zusammengeballter Zufluss zu einer Ausnahmesituation in der Progressionsbelastung des jeweiligen Steuerpflichtigen führt. Typischerweise liegt sie nicht vor, wenn eine einheitliche Entschädigungsleistung in mehreren Veranlagungszeiträumen zufließt; indes kann eine nur geringfügige Teilleistung in dem dem Zuflussjahr der Hauptentschädigungsleistung vorangegangenen Veranlagungszeitraum dieser Ausnahmesituation mit ihrem Bedarf nach der von § 34 EStG bezweckten Progressionsabmilderung entsprechen (vgl. BFH-Urteil vom 26. Januar 2011 IX R 20/10, BFHE 232, 471, BFH/NV 2011, 1056).
Im vorliegenden Streitfall wurde der Abfindungsbetrag jedoch in zwei gleich hohen Teilzahlungen verteilt auf die Veranlagungszeiträume 2006 und 2007 geleistet. Damit liegen mangels Zusammenballung von Einnahmen keine außerordentlichen Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 1 und 2 Nr. 2 EStG vor. Es kann damit offen bleiben, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 24 Nr. 1 Buchst. a bzw. Buchst. b EStG erfüllt wären.
Nach allem ist die Klage abzuweisen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO).
FG Baden-Württemberg:
Urteil v. 13.12.2011
Az: 11 K 1189/09
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