Finanzgericht Münster:
Urteil vom 15. Dezember 2010
Aktenzeichen: 8 K 1543/07 E
(FG Münster: Urteil v. 15.12.2010, Az.: 8 K 1543/07 E)
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
Der angefochtene ESt-Ànderungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Kl. nicht in ihren Rechten.
Der Bekl. hat zutreffend die im Streitjahr vereinnahmten 200.000,00 DM bei der Ermittlung des Gewinnes aus der selbständigen Tätigkeit der Klin. in voller Höhe erfasst.
Nach § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG, der mit § 250 Abs. 2 HGB übereinstimmt, sind Einnahmen vor dem Abschlussstichtag als Rechnungsabgrenzungsposten auf der Passivseite auszuweisen, soweit sie Ertrag für eine bestimmte Zeit nach diesem Zeitpunkt darstellen. Diese Vorschriften sollen gewährleisten, dass ein vom Steuerpflichtigen vorab vereinnahmtes Entgelt entsprechend dem Realisationsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 2. HS, Nr. 5 Handelsgesetzbuch (HGB)) erst dann - durch Auflösung des Rechnungsabgrenzungspostens - erfolgswirksam wird, wenn er seine noch ausstehende Gegenleistung erbracht hat (vgl. BFH, Urteile vom 09.12.1993 IV R 130/91, BStBl II 1995, 202 und vom 23.02.2005 I R 9/04, BStBl II 2005, 481; BFH, Beschluss vom 17.04.2007 IV B 91/06, BFH/NV 2007, 1853). Gewinne dürfen erst berücksichtigt werden, wenn sie am Abschlussstichtag durch Umsatzakte realisiert sind (vgl. BFH, Urteil vom 24.07.1996 I R 94/95, BStBl II 1997, 122 und vom 23.02.2005 I R 9/04, BFHE 209, 248, BStBl II 2005, 481). Mit der bezeichneten Zielrichtung betreffen Rechnungsabgrenzungen typischerweise Vorleistungen eines Vertragspartners im Rahmen eines gegenseitigen Vertrages im Sinne der §§ 320 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), wenn sie auch nicht auf synallagmatisch schuldrechtliche Leistungen beschränkt sind (vgl. BFH, Urteile in BStBl II 1997, 122 und in BStBl II 2005, 481; Weber-Grellet, in: Schmidt, Einkommensteuergesetz, 29. Aufl., § 5 EStG, Rn. 241 ff.; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 2004, § 5 EStG, Rn. 1937). Dabei kann die zu berücksichtigende Gegenleistung auch in einem Dulden oder Unterlassen bestehen (vgl. FG Köln, Urteil vom 20.05.2009 5 K 2907/07, EFG 2009, 1369).
In Hinblick auf die für eine Rechnungsabgrenzung erforderliche zeitliche Zuordnung des Entgelts ("bestimmte Zeit") muss die noch ausstehende Gegenleistung des Steuerpflichtigen aber zeitbezogen oder periodisch aufteilbar sein (vgl. Bauer, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, 2004, § 5 EStG, Rn. F 97). Dies setzt eine zumindest qualitativ gleich bleibende Dauerverpflichtung voraus (vgl. BFH-Urteile vom 20.05.1992 X R 49/89, BStBl II 1992, 904; vom 10.09.1998 IV R 80/96, BStBl II 1999, 21 und in BStBl II 2005, 481), die einem "Wertverzehr" unterliegt (vgl. BFH, Urteil vom 18.12.2002 I R 17/02, BStBl II 2004, 126, m.w.N.).
Da das bezogene Entgelt am jeweiligen Bilanzstichtag nur insoweit abzugrenzen ist, als es Ertrag für eine bestimmte Zeit "nach diesem Zeitpunkt" darstellt, muss darüber hinaus seitens des Steuerpflichtigen eine Verpflichtung zu einer nach diesem Bilanzstichtag (zumindest zeitanteilig) noch zu erbringenden Gegenleistung bestehen. Im Hinblick auf eine bereits vollzogene Leistung kann eine Rechnungsabgrenzung nicht erfolgen (BFH-Urteile in BStBl II 1995, 202 und in BStBl II 2005, 481).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann für die streitigen Zahlungen kein passiver Rechnungsabgrenzungsposten gebildet werden. Der streitgegenständliche Vertrag ist nicht als Lizenzvertrag sondern als Rechtskaufvertrag zu werten mit der Folge, dass die zu erbringende Hauptleistung - Einräumung des Patenrechts - im Veranlagungszeitraum 2000 erfolgte. Für die Bildung eines passiven Rechnungsabgrenzungspostens ist kein Raum, da die Kl. im Jahr 2000 den sich aus der Veräußerung ergebenden Gewinn realisiert hat.
Ob ein Kaufvertrag oder ein Lizenzvertrag vorliegt, richtet sich nicht nach den von den Vertragspartnern verwendeten Ausdrücken, sondern nach dem Gesamtinhalt der Vereinbarung. Wenn dem Erwerber nicht das unbeschränkte Verfügungsrecht über das lizenzierte Recht eingeräumt worden ist, liegt kein Kaufvertrag vor. Für die Auslegung des Vertrages als Patentkauf oder als Lizenzgewährung ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise maßgebend.
Unter einem Lizenzvertrag im engeren Rinne versteht man einen Vertrag, in dem der Inhaber eines gewerblichen Schutzrechtes als Lizenzgeber gegenüber einem Dritten (Lizenznehmer) die Benutzung eines geschützten Rechts (z. B. Patent, Warenzeichen etc.) auf Zeit gegen Entgelt gewährt. Der Vertrag enthält in der Regel Nebenabreden. Bürgerlichrechtlich ist der Lizenzvertrag nicht geregelt, sondern bildet einen Vertrag eigener Art (vgl. Weidenkaff in Palandt, 68. Aufl. 2009, Einführung vor § 581 BGB, RdNr. 7). Je nach Ausgestaltung des Lizenzvertrages enthält dieser Elemente des Kauf-, Miet- und/oder Gesellschaftsvertrages oder aber des Pachtvertrages (Bundesgerichtshof - BGH -, Urteil vom 11.06.1970, DB 1970, 1435). Bei der Vergabe einer ausschließlichen Lizenz kommt nach herkömmlicher Ansicht ein pachtähnlicher Vertrag mit starkem kaufrechtlichen Einschlag zustande (vgl. Harke, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 581 BGB, Rn. 18). Maßgebliche Unterscheidung ist, ob die Óberlassung des Rechts für immer oder auf Zeit erfolgt und ob die Parteien in diesem zweiten Teil damit rechnen, dass das Recht nach Ablauf der Vertragszeit oder nach dem ersten ordentlichen Kündigungstermin noch werthaltig ist. Gilt es den Parteien danach als wertlos oder ist es von vornherein für immer überlassen, liegt ein Rechtskauf vor.
Die Lizenz kann einfach oder ausschließlich sein. Bei der einfachen Lizenz behält der Lizenzgeber das Recht, das Schutzrecht auch anderen Personen zur Nutzung zu überlassen; bei der ausschließlichen Lizenz ist nur der Lizenznehmer zur Nutzung und zur Geltendmachung des Schutzrechtes gegen Dritte berechtigt. Von Bedeutung für die bilanzielle Behandlung ist, ob die Einräumung des Nutzungsrechts zeitlich befristet oder auf Dauer erfolgt bzw. ob nach Ablauf des Lizenzvertrages noch Verwertungsmöglichkeiten von wirtschaftlicher Relevanz verbleiben (vgl. Wallis, in: Hermann/Heuer/Raupach, § 5 EStG, RdNr. 1201). Während beim Lizenzvertrag nur die Verwertung oder Nutzung gestattet ist, nicht jedoch das Recht selbst übertragen wird, erfordert die Annahme eines Rechtskaufs, dass das Recht voll oder wenigstens im wesentlichen Umfang und endgültig übergehen soll (vgl. Weidenkaff, in: Palandt, 68. Aufl., 2009, Einf. vor § 433 BGB, Rn. 22). Ein Veräußerungsgeschäft im Sinne eines Rechtskaufs liegt dann vor, wenn die rechtsförmliche Nutzungsüberlassung wirtschaftlich eine Veräußerung des Schutzrechtes bildet. Das kann der Fall sein, wenn das Schutzrecht für die gesamte Schutzdauer exklusiv überlassen ist, so dass bei Vertragsablauf nichts mehr zurückzugeben ist (vgl. BFH-Urteil vom 25.10.1963 IV 429/62, BStBl. III 1964, 44, BFHE 78, 107).
Eine zeitliche Óberlassung ist nicht gegeben, wenn das Nutzungsrecht dem Berechtigten mit Gewissheit endgültig verbleibt oder ein Rückfall des Rechtskraft Gesetzes oder kraft Vertrages nicht in Betracht kommt. Eine zeitlich begrenzte Óberlassung von Rechten ist jedoch zu bejahen, wenn bei Abschluss des Vertrags ungewiss ist, ob und wann die Rechtsüberlassung endet (vgl. BFH-Beschluss vom 22.01.1988, 111 B 9/87, BStBl. II 1988, 537 m. w. N.). Die Frage, ob es sich um eine zeitlich begrenzte oder um eine endgültige Óberlassung an Rechten handelt, ist nach dem Vertrag zu beurteilen. Denn dieser Vertrag ist die Rechtsgrundlage für die Óberlassung der Rechte und damit auch maßgeblich für die Rechtsnatur der Óberlassung (vgl. BFH-Urteil vom 07.12.1977 I R 54/74, BStBl. II 1978, 355). Die Óberlassung eines Rechtes ist nicht zeitlich begrenzt, wenn es dem Berechtigten endgültig verbleibt; soweit und solange sein Verbleib beim Berechtigten hingegen ungewiss ist, etwa weil das Recht an den Óbertragenen zurückfallen kann, liegt eine zeitlich begrenzte Óberlassung vor (vgl. Urteil des BFH vom 23.05.1979 I R 163/77, BFHE 128, 213, BStBl. II 1979, 757 m. w. N.). Auch wenn nur der Nutzungsberechtigte die Voraussetzung für den Rückfall herbeiführen kann, führt die Möglichkeit des Rückfalls zur Annahme einer zeitlich begrenzten Óberlassung (vgl. BFH-Urteil vom 07.12.1977 I R 54/75, BFHE 124, 175, BStBl. II 1978, 355). Dies gilt auch, wenn der mögliche ersatzlose Rückfall Sanktion für die Nichterfüllung einer Vertragspflicht ist (BFH-Beschluss vom 22.01.1988 III B 9/87, BFHE 152, 539, BStBl. II 1988, 537).
Unter Beachtung der vorgenannten Rechtsgrundsätze steht nach Auffassung des erkennenden Senats die Lizenzvereinbarung vom 02.11.2000 wirtschaftlich der Veräußerung des Rechts gleich. Die AG erhält durch den Vertrag die Möglichkeit, das Patent wirtschaftlich in Gänze für ihre Zwecke zu verwenden. Ihr wurde von der Klin. das Schutzrecht für die gesamte Schutzdauer exklusiv überlassen. Zwar ist die Lizenz zeitlich befristet. Das Lizenzrecht ist für die gesamte Dauer des Patents eingeräumt und endet - genauso wie der nicht verlängerbare Patentschutz - am 27.11.2017. Nach dem Ende der Vertragszeit verbleibt nichts bei der AG, da das Patent nach Ablauf der vertraglichen Laufzeit wirtschaftlich aufgebraucht ist. Aus diesem Grunde kann an die Klin. am Ende der Vertragslaufzeit wirtschaftlich auch kein Recht zurückfallen.
Der abgeschlossene Vertrag enthält auch keine Rückfallklausel zugunsten der Klin. Es ist lediglich die Vereinbarung eines außerordentlichen Kündigungsrechts für den Fall der Nichtigkeitserklärung des Patentes vereinbart worden. Zu beachten ist jedoch, dass selbst für den Fall, dass das Patentrecht nichtig ist, die bereits gezahlten Beträge von der Klin. nicht zurückzuzahlen sind. Aus wirtschaftlicher Sicht trägt die AG das Risiko der Wirksamkeit des Patentrechts und schuldet die Zahlung von 200.000,00 DM auch dann, wenn ihr kein Schutzrecht zusteht.
Die von den Kl. geäußerte Auffassung, es läge ein Dauerschuldverhältnis vor, weil im Falle einer Pflichtverletzung das Vertragsverhältnis nach §§ 314, 326 BGB gekündigt werden kann - und somit ungewiss ist, ob das Recht bei der AG verbleibt - beruht auf einem Zirkelschluss. Denn die Anwendung der vorgenannten gesetzlichen Regelungen setzt gerade voraus, dass ein Dauerschuldverhältnis vorliegt. Ob ein Dauerschuldverhältnis vorliegt oder nicht, ist gerade die zu entscheidende Frage. Diese Frage kann nicht dadurch beantwortet werden, dass ein Dauerschuldverhältnis unterstellt wird, um in den Anwendungsbereich der §§ 314, 326 BGB zu gelangen und die sich aus der Anwendung der Normen ergebenden Folgen - Ungewissheit über den endgültigen Verbleib des Schutzrechtes - als Indiz für das Vorliegen eines Dauerschuldverhältnisses anzusehen.
Entgegen der Ansicht der Kl. spricht die Vergütungsklausel nicht gegen das Vorliegen einer Veräußerung eines Rechts. Ein Kauf liegt auch dann vor, wenn ein Teil des Kaufpreises als fester Betrag und der andere Teil als jährliche Mindestlizenz zu zahlen ist (vgl. Ullmann, in: Beck´scher Kurzkommentar zum Patentgesetz und Gebrauchsmustergesetz, 9. Aufl., § 15 PatG, Rn. 13 m.w.N.; RG, Bl. 11, 250).
Der Einordnung des streitgegenständlichen Vertrages als Kaufvertrag steht die Regelung des Art. 8 des Vertrages nicht entgegen. Die Berechtigung zur Eintragung der Lizenz lässt weder auf das Vorliegen eines Dauerschuldverhältnisses schließen noch bewirkt es, dass aus wirtschaftlicher Sicht die AG das Patent ausschließlich - unter Ausschluss der Klin. - für sich verwenden darf.
Entgegen der Ansicht des Bekl. ist der Wille der Klin., bei Vertragsschluss einen Lizenzvertrag und keinen Kaufvertrag zu schließen, nicht unbeachtlich. Will ein Vertragspartner einen Kaufvertrag, der andere Vertragspartner aber einen Lizenzvertrag abschließen, so liegt ein (versteckter) Dissens vor. Mangels übereinstimmenden Rechtsbindungswillens kommt in einem solchen Fall der Vertrag zivilrechtlich nicht zustande. Im vorliegenden Fall kann die Frage nach der Einigung unbeantwortet bleiben, da nach § 39 AO für steuerliche Zwecke allein die wirtschaftliche Betrachtung maßgeblich ist. Aus wirtschaftlicher Sicht ist der AG das Patenrecht übertragen worden. Die AG ist in der Lage über Herstellung, Gebrauch und Vertrieb der Erfindung der Klin. zu bestimmen. Zudem darf die Lizenznehmerin weitere Lizenzrechte an andere vergeben, ohne Rücksprache mit der Lizenzgeberin halten zu müssen. Selbst für den Fall, dass das Patent auf andere Gebiete als die Bundesrepublik Deutschland erweitert wird, gehen nach Art. 6 des Vertrages die erworbenen Nutzungs- und Vertriebsrechte auf die AG über. Weiterhin spricht die Exklusivität der Lizenz für die wirtschaftliche Óbertragung des Patents.
Für die Auslegung des streitgegenständlichen Vertrages als Kaufvertrag spricht zudem die im Vertrag von den Parteien gewählte Wortwahl. Entscheidend für das Vorliegen eines Kaufvertrages ist nach Ansicht des Senates die gewählte Formulierung in Art. 9 des Patentlizenzvertrages. Hiernach ist die Lizenznehmerin im Falle der Auflösung berechtigt, das Patent an Dritte zu veräußern. Eine solche Verkaufsberechtigung würde nicht bestehen und die Vertragsbeteiligten hätten dies auch nicht vereinbart, wenn nicht zumindest die wirtschaftliche Óbertragung des Patentrechts - und nicht nur Einräumung einer Lizenz - beabsichtigt worden wäre. Auch im Art. 6 des Lizenzvertrages wird von der Óbertragung der Rechte gesprochen.
Zwar ist im Zweifel nur die Bestellung eines Benutzungsrechts und nicht die volle Óbertragung als gewollt anzusehen, da der Erfinder oder Patentinhaber im Falle der Einräumung eines Rechts in der Regel von seinem Recht so wenig wie möglich aufgeben will (BGH 1 AZR 171/63, Urteil vom 01.10.1963). Nach den vorgenannten Ausführungen verbleiben beim erkennenden Senat keine Zweifel, dass die Vertragsparteien die Óbertragung gewollt haben.
Eine andere Beurteilung des Rechtsstreits ergibt sich auch nicht daraus, dass die AG sich verpflichtete, das Patentrecht zu nutzen. Diese vertragliche Vereinbarung hat nach Auffassung des erkennenden Senats den Zweck, die getroffene umsatzabhängige Vergütung für die Kl. sicherzustellen. Es lag im wirtschaftlichen Interesse der Kl., dass die AG das (erworbene) Patentrecht nutzt. Eine für die Bildung eines passiven Rechnungsabgrenzungspostens notwendige noch ausstehende Gegenleistung durch die Kl. wird durch die Nutzungsverpflichtung der AG nicht generiert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da Revisionsgründe nicht vorliegen.
FG Münster:
Urteil v. 15.12.2010
Az: 8 K 1543/07 E
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