Bundesarbeitsgericht:
Urteil vom 20. März 2014
Aktenzeichen: 2 AZR 1071/12
(BAG: Urteil v. 20.03.2014, Az.: 2 AZR 1071/12)
Verurteilungen, die im Bundeszentralregister getilgt sind, braucht ein Stellenbewerber auf die pauschale Frage nach dem Vorliegen von Vorstrafen auch dann nicht anzugeben, wenn er sich um eine Stelle im Justizvollzugsdienst bewirbt.
Tenor
Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 10. Oktober 2012 - 5 Sa 389/12 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Anfechtung und einer ordentlichen Kündigung ihres Arbeitsvertrags.
Der im Mai 1982 geborene, verheiratete Kläger bewarb sich Mitte Januar 2010 um eine Stelle im allgemeinen Vollzugsdienst des beklagten Landes. Zu den angeforderten Bewerbungsunterlagen gehörte die formularmäßige "Erklärung über Straftaten". Der Kläger gab an, er sei nicht vorbestraft; gegen ihn sei auch kein gerichtliches Strafverfahren und kein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft anhängig oder innerhalb der letzten drei Jahre anhängig gewesen.
Im Rahmen eines Verfahrens zur Eignungsfeststellung wurde er erneut um Auskunft über gerichtliche Bestrafungen und gegen ihn geführte Ermittlungsverfahren gebeten. Der Kläger äußerte sich wie zuvor. Unter dem 28. April 2010 wurde auf seinen Namen ein Führungszeugnis zur Vorlage bei einer Behörde ausgestellt. Es enthielt keinen Eintrag.
Am 1. Juni 2010 wurde dem Kläger eine "Erklärung über Vorstrafen und anhängige Strafverfahren bei Einstellungen durch eine Justizvollzugsbehörde" vorgelegt. Er versicherte mit seiner Unterschrift, dass er "nicht gerichtlich bestraft" und gegen ihn "ein gerichtliches Strafverfahren oder ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft nicht anhängig" sei. Er bestätigte außerdem, darüber belehrt worden zu sein, dass er alle noch nicht getilgten oder nicht tilgungsreifen strafgerichtlichen Verurteilungen anzugeben und nach § 53 Abs. 2 iVm. § 41 Abs. 1 Nr. 1 BZRG auch über diejenigen Verurteilungen Auskunft zu geben habe, die nicht in ein Führungszeugnis oder nur in ein solches für Behörden aufzunehmen seien. Laut des Protokolls über ein Gespräch vom gleichen Tage erklärte bzw. bestätigte der Kläger außerdem: "Gegen mich ist weder ein Strafverfahren noch ein Ermittlungsverfahren anhängig oder in den letzten drei Jahren anhängig gewesen. Auf die möglichen Folgen, die sich aus dem Verschweigen solcher Verfahren ergeben könnten, bin ich hingewiesen worden".
Noch am 1. Juni 2010 unterzeichneten die Parteien einen Arbeitsvertrag. Seitdem ist der Kläger beim beklagten Land als Justizvollzugsbediensteter tätig. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft vertraglicher Bezugnahme der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der für das beklagte Land geltenden Fassung Anwendung.
Im Rahmen einer Sicherheitsüberprüfung nach § 9 SÜG NRW erfuhr das beklagte Land, dass der Kläger im Juli 2003 zu einer Jugendstrafe von sechs Monaten wegen Körperverletzung und Betrugs verurteilt worden war. Die Vollstreckung der Strafe war zur Bewährung ausgesetzt worden. Zudem wurde bekannt, dass gegen ihn in den Jahren 2007 bis 2009 - teils aufgrund einer Selbstanzeige - acht Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Körperverletzung, Diebstahl, Hausfriedensbruch, Betrug, Beleidigung und gefährliche Körperverletzung geführt worden waren. Sechs Verfahren waren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. In zwei Verfahren war eine Einstellung nach § 153 Abs. 1 StPO erfolgt; die Geschädigten waren auf den Privatklageweg verwiesen worden. Die letzte Einstellungsverfügung datiert vom 24. August 2009.
Mit Schreiben vom 17. Dezember 2010 kündigte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis der Parteien - nach Beteiligung des Personalrats - ordentlich zum 31. Januar 2011. Mit Schreiben vom 19. Januar 2011 focht es den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung an. Im Termin der Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht am 20. Januar 2011 erklärte es - mündlich - die Anfechtung des Vertrags ein weiteres Mal.
Der Kläger hat sich gegen die Anfechtung und - fristgerecht - gegen die Kündigung gewandt. Er hat die Auffassung vertreten, ein Anfechtungsgrund liege nicht vor. Er sei nicht verpflichtet gewesen, das beklagte Land über seine Vorstrafe und die Ermittlungsverfahren zu unterrichten. Die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt und auch deshalb unwirksam, weil es an einer ordnungsgemäßen Beteiligung des Personalrats fehle.
Der Kläger hat zuletzt beantragt
1.
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 17. Dezember 2010 nicht aufgelöst worden ist;
2.
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die am 20. Januar 2011 erklärte Anfechtung, noch durch die schriftliche Anfechtungserklärung vom 19. Januar 2011 aufgelöst worden ist;
3.
für den Fall des Obsiegens mit den Anträgen zu 1. und 2. das beklagte Land zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens als JVA-Bediensteter zu im Übrigen unveränderten Bedingungen weiter zu beschäftigen;
4.
für den Fall des Unterliegens mit den Anträgen zu 1. oder 2. das beklagte Land zu verurteilen, ihm ein endgültiges Zeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat geltend gemacht, es habe den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung wirksam angefochten. Der Kläger habe bewusst falsche Angaben zu Vorstrafen und gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren gemacht. Bei wahrheitsgemäßer Erklärung wäre er nicht eingestellt worden. Vorschriften des Bundeszentralregistergesetzes einschließlich dort bestimmter Tilgungsfristen für strafgerichtliche Verurteilungen hätten ihrem Auskunftsverlangen nicht entgegengestanden. Die Kündigung sei wirksam. Der Kläger habe Fragen zu seiner Person in einem für seine Beschäftigung elementaren Bereich falsch beantwortet. Das habe dem Arbeitsverhältnis die Vertrauensgrundlage entzogen. Zugleich habe er sich damit für eine Tätigkeit im allgemeinen Justizvollzugsdienst als ungeeignet erwiesen. In diesem Bereich sei es unerlässlich, dass Arbeitnehmer in Offenheit und Ehrlichkeit Beispiele gäben und bereit seien, eigene Fehler und Schwächen einzugestehen. Abgesehen davon seien die gegen den Kläger geführten Ermittlungsverfahren in Anbetracht ihrer Anzahl und der ihnen zugrundeliegenden Tatvorwürfe Beleg für seine charakterliche Ungeeignetheit. Der Personalrat sei ordnungsgemäß beteiligt worden und habe der Kündigung zugestimmt.
Die Vorinstanzen haben den Klageanträgen zu 1. bis 3. stattgegeben. Mit seiner Revision begehrt das beklagte Land weiterhin, die Klage abzuweisen.
Gründe
Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klageanträge zu 1. und 2. - in der gebotenen Auslegung - zu Recht als zulässig und begründet angesehen. Die Hilfsanträge sind dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen.
I. Die Feststellungsbegehren des Klägers sind zulässig. Sie sind als einheitlicher Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG anzusehen.
1. Der Antrag zu 2. ist dem Kündigungsschutzantrag nach § 4 Satz 1 KSchG nachgebildet und hat zwei punktuelle Streitgegenstände. Ein solcher Antrag ist grundsätzlich nur bei einer Kündigungsschutzklage im Anwendungsbereich des § 4 bzw. § 13 Abs. 1 KSchG zulässig (BAG 10. November 2011 - 6 AZR 357/10 - Rn. 13 mwN, BAGE 139, 376; vgl. ferner 21. November 2013 - 2 AZR 474/12 - Rn. 29).
2. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Antrag enthalte bei sachgerechtem Verständnis eine allgemeine Feststellungsklage iSv. § 256 Abs. 1 ZPO. Er sei auf die - unbedingte - Feststellung des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz gerichtet.
3. Die Auslegung des Landesarbeitsgerichts lässt außer Acht, dass die Frage, ob die Anfechtung berechtigt war und zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt hat, vom Streitgegenstand der Kündigungsschutzklage mit umfasst ist. Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, der Kläger habe neben dem Kündigungsschutzantrag nach § 4 Satz 1 KSchG zusätzlich eine eigenständige allgemeine Feststellungsklage iSv. § 256 Abs. 1 ZPO erheben wollen. Dafür bestand kein Bedürfnis (ähnlich BAG 27. September 2012 - 2 AZR 838/11 - Rn. 11).
a) Gegenstand einer Kündigungsschutzklage nach § 4 Satz 1 KSchG ist das Begehren festzustellen, dass "das Arbeitsverhältnis" durch die konkrete, mit der Klage angegriffene Kündigung zu dem in ihr vorgesehenen Termin nicht aufgelöst worden ist. Die betreffende Feststellung erfordert nach dem Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung eine Entscheidung über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung. Mit der Rechtskraft des der Klage stattgebenden Urteils steht deshalb regelmäßig zugleich fest, dass jedenfalls bei Zugang der Kündigung ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden hat, das nicht schon zuvor durch andere Ereignisse aufgelöst worden ist (BAG 26. September 2013 - 2 AZR 682/12 - Rn. 18; 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 13 mwN). Von dem Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG ist auch die Frage umfasst, ob das Arbeitsverhältnis am vorgesehenen Auflösungstermin noch bestanden hat und nicht durch einen während der Kündigungsfrist eingetretenen Umstand aufgelöst worden ist (BAG 12. Mai 2011 - 2 AZR 479/09 - Rn. 18; 5. Oktober 1995 - 2 AZR 909/94 - zu II 1 der Gründe, BAGE 81, 111).
b) Demgegenüber ist Gegenstand der allgemeinen Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO die Frage, ob das Arbeitsverhältnis über den durch die Kündigung bestimmten Auflösungstermin hinaus bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz fortbestanden hat (im Einzelnen BAG 26. September 2013 - 2 AZR 682/12 - Rn. 31; 13. März 1997 - 2 AZR 512/96 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 85, 262). Die Klage soll, soweit sie neben der Klage gemäß § 4 Satz 1 KSchG erhoben wird, klären, ob das Arbeitsverhältnis aufgrund von Beendigungstatbeständen aufgelöst worden ist, die vom Streitgegenstand der Kündigungsschutzklage nicht erfasst sind (vgl. BAG 26. September 2013 - 2 AZR 682/12 - aaO; 12. Mai 2005 - 2 AZR 426/04 - zu B I 2 der Gründe).
c) Hat der Arbeitgeber neben einer ordentlichen Kündigung die Anfechtung des Arbeitsvertrags erklärt, hängt der Erfolg der Kündigungsschutzklage auch von der Wirksamkeit der Anfechtung ab, wenn diese - ihre Berechtigung unterstellt - auf einen Zeitpunkt wirkt, der vor dem Auflösungstermin der Kündigung liegt. Ob die Anfechtung durchgreift ist deshalb in aller Regel schon im Rahmen des Kündigungsschutzantrags zu überprüfen (vgl. BAG 12. Mai 2011 - 2 AZR 479/09 - Rn. 19).
d) So liegt der vorliegende Fall. Das Kündigungsschutzbegehren des Klägers kann nur Erfolg haben, wenn die Anfechtung des Arbeitsvertrags nicht durchgreift. Andernfalls hätte diese das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Kündigungsfrist aufgelöst.
aa) Das Landesarbeitsgericht hat zwar nicht ausdrücklich festgestellt, wann dem Kläger die Anfechtungserklärung vom 19. Januar 2011 zugegangen ist. Darauf kommt es angesichts der am 20. Januar 2011 erneut verlautbarten Erklärung aber nicht an. Spätestens an diesem Tag ist die Anfechtung iSv. § 143 BGB "erfolgt". Wäre sie berechtigt, wäre die Kündigungsschutzklage schon deshalb abzuweisen, weil am 31. Januar 2011 - dem maßgebenden Kündigungstermin - zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis mehr bestanden hätte. Das gilt unabhängig davon, ob der Anfechtung Wirkung "ex nunc" beizulegen wäre oder ob diese auf den Zeitpunkt einer Anfang Dezember 2010 erfolgten Freistellung des Klägers und einer damit einhergehenden "Außerfunktionsetzung" des Arbeitsverhältnisses zurückwirken würde (vgl. dazu BAG 12. Mai 2011 - 2 AZR 479/09 - Rn. 19; 20. Mai 1999 - 2 AZR 320/98 - BAGE 91, 349).
bb) Der Erklärung im Schreiben vom 19. Januar 2011, der Arbeitsvertrag werde "zusätzlich und höchst vorsorglich" angefochten, kann nicht entnommen werden, das beklagte Land habe von seinem Gestaltungsrecht nur für den Fall der Unwirksamkeit der Kündigung Gebrauch machen und/oder seiner Erklärung Wirkung lediglich für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist beilegen wollen. Einer solchen Bewertung steht die am 20. Januar 2011 erneut und - soweit ersichtlich - vorbehaltslos verlautbarte Anfechtungserklärung entgegen. Dies konnte der Kläger nur so verstehen, dass es dem beklagten Land darum ging, sobald als möglich eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu erreichen.
e) Danach ist das Feststellungsbegehren als einheitlicher Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG zu verstehen. Selbst wenn der Kläger hinsichtlich der Anfechtung eine allgemeine Feststellungsklage hätte erheben wollen, wäre diese unter die - zulässige - Rechtsbedingung gestellt, dass über die Berechtigung der Anfechtung nicht bereits im Rahmen des Kündigungsschutzantrags zu entscheiden ist.
II. Die Kündigungsschutzklage ist begründet. Das beklagte Land hat den Arbeitsvertrag nicht wirksam angefochten (1.). Die ordentliche Kündigung vom 17. Dezember 2010 ist unwirksam (2.). Soweit das Arbeitsgericht und - ihm folgend - das Landesarbeitsgericht festgestellt haben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Anfechtungserklärungen nicht aufgelöst worden ist, kommt ihren Entscheidungen keine eigenständige Wirkung zu.
1. Die Kündigungsschutzklage war nicht deshalb abzuweisen, weil zwischen den Parteien am 31. Januar 2011 kein Arbeitsverhältnis mehr bestanden hätte. Das beklagte Land war nicht zur Anfechtung des Arbeitsvertrags berechtigt.
a) Die Anfechtung war trotz der Kündigungserklärung nicht ausgeschlossen (BAG 12. Mai 2011 - 2 AZR 479/09 - Rn. 40; 16. Dezember 2004 - 2 AZR 148/04 - zu B II 1 a der Gründe). Beide Gestaltungsrechte bestehen grundsätzlich nebeneinander (vgl. BAG 6. September 2012 - 2 AZR 270/11 - Rn. 46 mwN).
b) Eine arglistige Täuschung iSv. § 123 Abs. 1 BGB liegt nicht vor.
aa) Die falsche Beantwortung einer dem Arbeitnehmer bei der Einstellung zulässigerweise gestellten Frage kann den Arbeitgeber nach § 123 Abs. 1 BGB dazu berechtigen, den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten, wenn die Täuschung für dessen Abschluss ursächlich war (BAG 6. September 2012 - 2 AZR 270/11 - Rn. 24; 7. Juli 2011 - 2 AZR 396/10 - Rn. 16).
bb) Der Arbeitgeber darf beim Arbeitnehmer bei der Anbahnung des Arbeitsverhältnisses Informationen zu Vorstrafen einholen, wenn und soweit die Art des zu besetzenden Arbeitsplatzes dies "erfordert", dh. bei objektiver Betrachtung berechtigt erscheinen lässt. Auch die Frage nach noch laufenden Straf- oder Ermittlungsverfahren kann - je nach den Umständen - zulässig sein (BAG 6. September 2012 - 2 AZR 270/11 - Rn. 24; 27. Juli 2005 - 7 AZR 508/04 - zu I 1 b bb (1) der Gründe, BAGE 115, 296; 20. Mai 1999 - 2 AZR 320/98 - zu B I 1 b cc der Gründe, BAGE 91, 349). Eine Einschränkung des Fragerechts kann sich insbesondere aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Bewerbers, speziellen datenschutzrechtlichen Bestimmungen und den dabei zu berücksichtigenden Wertentscheidungen des BZRG ergeben (BAG 6. September 2012 - 2 AZR 270/11 - aaO; 21. Februar 1991 - 2 AZR 449/90 - zu II 1 b der Gründe; zur Frage nach eingestellten Ermittlungsverfahren vgl. BAG 15. November 2012 - 6 AZR 339/11 - Rn. 14 ff., BAGE 143, 343). Entsprechendes gilt, soweit dem Arbeitnehmer bei der Einstellung vom künftigen Arbeitgeber vorformulierte Erklärungen abverlangt werden, die sich auf Vorstrafen und/oder staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren beziehen (für Erklärungen zur "Verfassungstreue" eines Bewerbers vgl. BAG 12. Mai 2011 - 2 AZR 479/09 - Rn. 45).
cc) Das Verschweigen von Tatsachen, nach denen nicht gefragt wurde, stellt nur dann eine Täuschung dar, wenn hinsichtlich dieser Tatsachen eine Offenbarungspflicht besteht. Eine solche Pflicht ist an die Voraussetzung gebunden, dass die betreffenden Umstände entweder dem Bewerber die Erfüllung seiner vorgesehenen arbeitsvertraglichen Leistungspflicht von vornherein unmöglich machen oder doch seine Eignung für den in Aussicht genommenen Arbeitsplatz entscheidend berühren (BAG 6. September 2012 - 2 AZR 270/11 - Rn. 25; 12. Mai 2011 - 2 AZR 479/09 - Rn. 41; jeweils mwN).
dd) Arglistig ist die Täuschung, wenn der Täuschende weiß oder billigend in Kauf nimmt, dass seine Behauptungen nicht der Wahrheit entsprechen und deshalb oder mangels Offenbarung bestimmter Tatsachen irrige Vorstellungen beim (künftigen) Arbeitgeber entstehen oder aufrechterhalten werden. Fahrlässigkeit - auch grobe Fahrlässigkeit - genügt insoweit nicht. Die Beweislast für das Vorliegen von Arglist trägt der Arbeitgeber. Dass es sich hierbei um eine innere Tatsache handelt, steht dem nicht entgegen (BAG 6. September 2012 - 2 AZR 270/11 - Rn. 26; 12. Mai 2011 - 2 AZR 479/09 - Rn. 43; jeweils mwN).
ee) Danach hat der Kläger das beklagte Land nicht arglistig getäuscht, weil er angegeben hat, er sei nicht vorbestraft und nicht "gerichtlich bestraft". Die Verurteilung aus dem Jahr 2003 war im Bundeszentralregister getilgt, als er sich beim beklagten Land bewarb. Der Kläger musste die an ihn gerichteten Fragen und erbetenen Erklärungen nicht so verstehen, dass er Auskunft auch über tilgungsreife oder getilgte Vorstrafen geben sollte. Unabhängig davon hatte das beklagte Land kein berechtigtes Interesse an der Offenbarung entsprechender Verurteilungen.
(1) Nach § 53 Abs. 1 BZRG darf sich der Verurteilte gegenüber Behörden und Privatpersonen als unbestraft bezeichnen und braucht den der Verurteilung zugrunde liegenden Sachverhalt nicht zu offenbaren, wenn die Verurteilung nicht in das Führungszeugnis oder nur in ein Führungszeugnis für Behörden nach § 32 Abs. 3, Abs. 4 BZRG aufzunehmen (§ 53 Abs. 1 Nr. 1 BZRG) oder wenn sie zu tilgen ist (§ 53 Abs. 1 Nr. 2 BZRG).
(2) Gemäß § 53 Abs. 2 BZRG kann sich der Verurteilte zwar - falls er hierüber belehrt wurde - gegenüber Gerichten oder Behörden nicht auf seine Rechte aus § 53 Abs. 1 Nr. 1 BZRG berufen, soweit diese einen Anspruch auf unbeschränkte Auskunft haben. Die Ausnahme vom sog. Verschweigerecht bezieht sich nach der klaren gesetzlichen Vorgabe aber nur auf die von Abs. 1 Nr. 1 der Vorschrift erfassten Sachverhalte, nicht auf Verurteilungen iSv. § 53 Abs. 1 Nr. 2 BZRG, dh. auf tilgungsreife oder bereits getilgte Vorstrafen. Um eine solche Verurteilung handelt es sich hier. Das Amtsgericht Köln hatte gegen den Kläger am 29. Juli 2003 eine Jugendstrafe von sechs Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verhängt. Die Verurteilung unterlag gemäß § 46 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c BZRG einer Tilgungsfrist von fünf Jahren. Diese Frist war zu Beginn des Bewerbungsverfahrens verstrichen. Die Vorstrafe war überdies bereits aus dem Register entfernt (§ 45 Abs. 2 BZRG). Sie unterlag damit auch nicht mehr einer unbeschränkten Auskunft iSv. § 41 Abs. 1 Nr. 1 BZRG, die Justizvollzugsbehörden für Zwecke des Strafvollzugs einschließlich der Überprüfung aller im Strafvollzug tätigen Personen beanspruchen können (vgl. Hase BZRG § 41 Rn. 1).
(3) Demnach hat der Kläger hinsichtlich der fraglichen Verurteilung selbst dann keine falsche Auskunft erteilt, wenn man die in einigen Fragen des beklagten Landes vorgenommene zeitliche Einschränkung auf die "letzten drei Jahre" unberücksichtigt lässt. Ein Bewerber, der allgemein nach "Vorstrafen" oder "gerichtlichen Bestrafungen" befragt wird, darf regelmäßig davon ausgehen, dass der zukünftige Arbeitgeber das Verschweigerecht achten will und sich die Frage/erbetene Erklärung auf den Umfang der Auskunftspflicht beschränkt. Bezüglich der Bewerbung des Klägers ist davon umso mehr auszugehen, als das beklagte Land ihn im Rahmen der erbetenen Erklärung vom 1. Juni 2010 ausdrücklich auf die Regelungen des BZRG, einschließlich des reklamierten "erweiterten Auskunftsrechts", hingewiesen hat.
(4) Im Übrigen ist ein schutzwürdiges berechtigtes Interesse des beklagten Landes, Auskunft über getilgte oder tilgungsreife Verurteilungen zu erhalten, nicht zu erkennen.
(a) Das sich aus der Vertrags- und Abschlussfreiheit ableitende Fragerecht des Arbeitgebers ist zivilrechtlich durch den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers begrenzt. Der Ausgleich der widerstreitenden Interessen erfolgt im Rahmen der sich aus § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2 und § 242 BGB ergebenden vorvertraglichen Pflichten (vgl. Riesenhuber NZA 2012, 771, 772 f.).
(b) Datenschutzrechtliche Bestimmungen, wie sie in §§ 179 ff. StVollzG, im BDSG und im DSG NRW normiert sind, konkretisieren und aktualisieren den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Sie regeln, in welchem Umfang im jeweiligen Anwendungsbereich der Gesetze Eingriffe in diese Rechtspositionen zulässig sind (BAG 15. November 2012 - 6 AZR 339/11 - Rn. 16, BAGE 143, 343). Liegt keine Einwilligung des Betroffenen vor, ist die Datenverarbeitung nur zulässig, wenn eine ihrerseits verfassungsgemäße Rechtsvorschrift sie erlaubt. Fehlt es an der erforderlichen Ermächtigungsgrundlage oder liegen deren Voraussetzungen nicht vor, ist die Erhebung, Verarbeitung und/oder Nutzung personenbezogener Daten verboten. Das gilt für Datenerhebungen nach dem BDSG und DSG NRW ebenso wie für Erhebungen im Bereich des Strafvollzugs (zu Letzterem vgl. Calliess/Müller-Dietz StVollzG 11. Aufl. § 179 Rn. 2). Für Beschäftigte, zu denen nach § 3 Abs. 11 Nr. 1, Nr. 7 BDSG und § 29 Abs. 1 Satz 1 DSG NRW neben Arbeitnehmern auch Bewerber zählen, enthalten § 32 Abs. 1 BDSG und § 29 Abs. 1 DSG NRW einen solchen Erlaubnistatbestand. Danach dürfen personenbezogene Daten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist. Die Regelungen schließen nicht automatisierte Datenerhebungen ein (BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 546/12 - Rn. 24; 15. November 2012 - 6 AZR 339/11 - aaO). Nach § 179 Abs. 1 StVollzG darf die Vollzugsbehörde personenbezogene Daten erheben, soweit deren Kenntnis für den ihr nach dem Gesetz aufgegebenen Vollzug der Freiheitsstrafe erforderlich ist. Gemäß § 179 Abs. 2 Satz 1 StVollzG sind personenbezogene Daten bei dem Betroffenen zu erheben. Daten über Personen, die nicht Gefangene sind, dürfen ohne ihre Mitwirkung bei Personen oder Stellen außerhalb der Vollzugsbehörde nur erhoben werden, wenn sie ua. für die Sicherheit der Anstalt unerlässlich sind und die Art der Erhebung schutzwürdige Interessen der Betroffenen nicht beeinträchtigt.
(c) Es kann dahinstehen, ob die bereichsspezifischen Regelungen in §§ 179 ff. StVollzG auch den Beschäftigtendatenschutz umfassen und in ihrem Anwendungsbereich die allgemeinen Regelungen im BDSG und DSG NRW verdrängen. "Erforderlich" iSv. § 179 Abs. 1 StVollzG und § 32 Abs. 1 BDSG bzw. § 29 Abs. 1 DSG NRW ist die Informationsgewinnung nur, wenn ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers an der Beantwortung seiner Fragen bzw. der sonstigen Informationsbeschaffung besteht und das Interesse des Arbeitnehmers an der Geheimhaltung der Daten das Interesse des Arbeitgebers an ihrer Erhebung nicht überwiegt (BAG 15. November 2012 - 6 AZR 339/11 - Rn. 22, BAGE 143, 343). Davon ist auf der Grundlage sämtlicher hier in Betracht zu ziehenden Ermächtigungsgrundlagen nur dann auszugehen, wenn die nachgefragten Umstände für die Bewertung der Eignung des Beschäftigten von maßgebender Bedeutung sind (vgl. BAG 15. November 2012 - 6 AZR 339/11 - Rn. 28, aaO). Deshalb darf der Arbeitgeber bei der Einstellung in der Regel nur nach "einschlägigen", dh. hinsichtlich der Eignung für einen ins Auge gefassten künftigen Aufgabenbereich relevanten Vorstrafen fragen (BAG 6. September 2012 - 2 AZR 270/11 - Rn. 28).
(d) Handelt es sich um Bewerbungen für Tätigkeiten im öffentlichen Dienst, sind bei der vorzunehmenden Abwägung die Vorgaben aus Art. 33 Abs. 2 GG zu berücksichtigen. Geeignet im Sinne der Bestimmung ist nur, wer dem angestrebten Amt in körperlicher, psychischer und charakterlicher Hinsicht gewachsen ist. Zur Eignung gehören die Fähigkeit und innere Bereitschaft, die dienstlichen Aufgaben nach den Grundsätzen der Verfassung wahrzunehmen, insbesondere die Freiheitsrechte der Bürger zu wahren und rechtsstaatliche Regeln einzuhalten (BAG 15. November 2012 - 6 AZR 339/11 - Rn. 22, BAGE 143, 343; 27. Juli 2005 - 7 AZR 508/04 - zu I 1 b bb (1) der Gründe, BAGE 115, 296).
(e) In Anbetracht dessen erscheint es erwägenswert, den öffentlichen Arbeitgeber als berechtigt anzusehen, Bewerber für eine Tätigkeit im Justizvollzugsdienst ohne gegenständliche Einschränkung nach Vorstrafen zu fragen. Strafrechtliche Verurteilungen sind unabhängig von dem ihnen zugrunde liegenden Delikt geeignet, Zweifel an der Rechtstreue und damit der Eignung des Bewerbers zu begründen. Das gilt allerdings nur für Verurteilungen, die nicht bereits der Tilgung unterliegen. Ein berechtigtes und schutzwürdiges Interesse des beklagten Landes, vom Kläger auch Auskunft über getilgte und zu tilgende Vorstrafen zu erlangen, ist nicht zu erkennen.
(aa) Hinsichtlich getilgter oder tilgungsreifer Verurteilungen steht dem Betroffenen nicht nur das "Verschweigerecht" aus § 53 Abs. 1 Nr. 2 BZRG zu. Er kann sich außerdem auf § 51 Abs. 1 BZRG berufen. Danach darf dem Betroffenen die Tat und die Verurteilung im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht zu seinem Nachteil verwertet werden, wenn die Eintragung über die Verurteilung im Strafregister getilgt worden oder zu tilgen ist. Auf diese Weise soll der Verurteilte vom Strafmakel befreit und seine Resozialisierung gefördert oder manifestiert werden (Kuhn JA 2011, 855, 856). Das Verbot erfasst alle Bereiche des Rechtslebens (Hase BZRG § 51 Rn. 2). Es ist auch im privatrechtlichen Bereich zu achten.
(bb) Zwar sieht das Gesetz in § 52 Abs. 1 Nr. 4 BZRG eine Ausnahme vom Vorhalte- und Verwertungsverbot vor, wenn die Einstellung des Betroffenen in den öffentlichen Dienst sonst zu einer erheblichen Gefährdung der Allgemeinheit führen würde. Das erweitert aber nicht dessen Auskunftspflicht. Dem öffentlichen Arbeitgeber wird vielmehr nur die Möglichkeit eingeräumt, die Verurteilung in Fällen zu berücksichtigen, in denen ihm getilgte oder tilgungsreife Verurteilungen auf andere Weise als durch eine Registerauskunft bekannt geworden sind, und auch dies nur wenn schwerwiegende Gründe vorliegen. Die Begrenzung der Offenbarungspflichten des Betroffenen durch das "Verschweigerecht" gemäß § 53 BZRG wird hierdurch nicht berührt (BeckOK StPO/Bücherl BZRG § 52 Rn. 7; Hase BZRG § 52 Rn. 2).
(cc) Eine Verpflichtung, Angaben zu getilgten Strafen zu machen, ergibt sich nicht aus dem Gesetz über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Landes Nordrhein-Westfalen (SÜG NRW). Im Rahmen einer einfachen Sicherheitsüberprüfung gemäß § 9 SÜG NRW, wie sie beim Kläger offenbar durchgeführt wurde, hat der Beschäftigte lediglich anhängige Straf- und Disziplinarverfahren anzugeben (§ 14 Abs. 1 Nr. 16 SÜG NRW). Das sieht das beklagte Land offenbar selbst nicht anders. Es beruft sich für das reklamierte - weitergehende - Auskunftsrecht nicht auf die fragliche Vorschrift.
(dd) Es spricht einiges dafür, angesichts der in §§ 51 bis 53 BZRG getroffenen Wertentscheidungen des Gesetzgebers ein berechtigtes und schutzwürdiges Interesse auch des öffentlichen Arbeitgebers, beim Stellenbewerber Informationen über getilgte oder tilgungsreife Vorstrafen einzuholen, generell zu verneinen (zur Verpflichtung des öffentlichen Arbeitgebers, ein Strafurteil aus den Personalakten zu entfernen, soweit die Verurteilung im BZRG gelöscht ist vgl. BAG 9. Februar 1977 - 5 AZR 2/76 -). Selbst unterstellt, in den Fällen des § 51 Abs. 1 Nr. 4 BZRG käme ein Fragerecht in Betracht, ist zu berücksichtigen, dass eine Gefährdung der Allgemeinheit nicht allein auf das Vorliegen einer Verurteilung als solche gestützt werden kann (BeckOK StPO/Bücherl BZRG § 52 Rn. 7; Hase BZRG § 52 Rn. 5). Daraus folgt zumindest das Erfordernis, eine Frage oder erbetene Erklärung sachlich auf Taten oder Deliktsbereiche zu begrenzen, die potentiell geeignet erscheinen, eine Ausnahme vom Verbot des § 51 Abs. 1 BZRG zu rechtfertigen. Dem genügt das Ersuchen des beklagten Landes nicht. Es hat seine Frage gegenständlich nicht eingeschränkt. Im Übrigen erscheint es ausgeschlossen, aus einer gegen den Kläger verhängten Jugendstrafe auf eine Gefährdung der Allgemeinheit iSv. § 52 Abs. 1 Nr. 4 BZRG zu schließen.
ff) Eine Verpflichtung des Klägers, die Verurteilung von sich aus zu offenbaren, bestand nicht. Das folgt aus seinem Verschweigerecht und dem zu seinen Gunsten bestehenden Verbot des § 51 Abs. 1 BZRG.
gg) Der Kläger hat das beklagte Land nicht dadurch iSv. § 123 Abs. 1 BGB arglistig getäuscht, dass er die gegen ihn geführten, im Zeitpunkt der Bewerbung bereits eingestellten Ermittlungsverfahren verschwieg.
(1) Soweit dem Arbeitgeber - je nach den Umständen - das Recht zugebilligt wird, Stellenbewerber nach laufenden Ermittlungsverfahren zu fragen, beruht dies auf der Erwägung, dass die Verfahren Zweifel an der Eignung und Zuverlässigkeit des Bewerbers für den konkreten Arbeitsplatz und die Besorgnis begründen können, er werde die in Aussicht genommene Stelle womöglich nicht antreten können, zumindest in seiner Verfügbarkeit eingeschränkt sein (vgl. BAG 6. September 2012 - 2 AZR 270/11 - Rn. 28; 20. Mai 1999 - 2 AZR 320/98 - zu B I 1 b cc der Gründe, BAGE 91, 349; ErfK/Preis 14. Aufl. § 611 Rn. 281; Joussen NZA 2012, 776, 777; Linnenkohl AuR 1983, 129).
(2) Dagegen hat auch der öffentliche Arbeitgeber grundsätzlich kein berechtigtes Interesse, den Bewerber unspezifiziert nach eingestellten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren zu fragen (BAG 15. November 2012 - 6 AZR 339/11 - Rn. 17 ff., BAGE 143, 343). Dies folgt aus der in § 53 BZRG iVm. § 41 Abs. 1 BZRG getroffenen Wertentscheidung des Gesetzgebers. Dass die Bestimmungen auf Ermittlungsverfahren nicht unmittelbar anwendbar sind, steht dieser Bewertung nicht entgegen.
(a) Eingestellte Ermittlungsverfahren sind nicht in das Zentralregister einzutragen. Sie zählen demnach nicht zu den Verfahren, über die Gerichte und Behörden nach § 41 Abs. 1 BZRG uneingeschränkt Auskunft verlangen können. Ohne Schuldnachweis ist es nicht vertretbar, den Betroffenen mit den möglichen nachteiligen Folgen einer Eintragung zu belasten (BAG 15. November 2012 - 6 AZR 339/11 - Rn. 25 mwN, BAGE 143, 343). Besteht ein Verschweigerecht bereits in den von § 53 BZRG ausdrücklich geregelten Fällen, gilt dies umso mehr, wenn nach Vorgängen gefragt wird, die von vornherein nicht in ein Führungszeugnis aufzunehmen sind und über die auch den in § 53 Abs. 2, § 41 Abs. 1 BZRG genannten Stellen keine Auskunft erteilt wird (BAG 15. November 2012 - 6 AZR 339/11 - aaO; Schaub/Linck 15. Aufl. § 26 Rn. 35).
(b) Dabei ist unerheblich, welcher Sachverhalt den Ermittlungen zugrunde lag. Endet ein Strafverfahren durch Einstellung nach §§ 153 ff. StPO, steht der Betroffene weiter unter dem Schutz der Unschuldsvermutung (für eine Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO vgl. BVerfG 19. Dezember 1983 - 2 BvR 1731/82 - zu II 3 b (2) der Gründe; Moldenhauer in Karlsruher Kommentar zur StPO 7. Aufl. § 170 Rn. 18). Diese gilt zwar auch während noch laufender Ermittlungsverfahren. Doch steht für deren Dauer nicht fest, ob dem Arbeitnehmer das Verschweigerecht aus § 53 BZRG auch künftig noch zukommt (BAG 15. Dezember 2012 - 6 AZR 339/11 - Rn. 26, BAGE 143, 343; 27. Juli 2005 - 7 AZR 508/04 - zu I 1 b bb (2) der Gründe, BAGE 115, 296).
(c) Dem Recht, über eingestellte Ermittlungsverfahren zu schweigen, steht nicht entgegen, dass bei Einstellungen nach §§ 153 ff. StPO der Straftatverdacht nicht zwingend ausgeräumt sein muss und deshalb Nachteile durch ein solches Verfahren nicht schlechthin zu unterbleiben haben. Bei Einstellungen nach § 170 Abs. 2 Satz 1 StPO tritt ein Strafklageverbrauch sogar überhaupt nicht ein - das Verfahren kann jederzeit auch bei gleicher Sach- und Rechtslage wieder aufgenommen werden (BAG 29. September 2011 - 2 AZR 674/10 - Rn. 35; 5. April 2001 - 2 AZR 217/00 - zu II 2 c der Gründe; Moldenhauer in Karlsruher Kommentar zur StPO 7. Aufl. § 170 Rn. 23 mwN). Dennoch überwiegt auch in diesem Fall das Recht des Betroffenen, sich nicht offenbaren zu müssen, das Informationsinteresse des Arbeitgebers. Es kommt hinzu, dass Ermittlungsverfahren, die mangels hinreichenden Anlasses zur Erhebung der öffentlichen Klage eingestellt wurden, typischerweise keine geeignete Grundlage für eine Beurteilung der Eignung des Bewerbers bieten. Entsprechendes gilt, wenn die Verfahren auf den Privatklageweg verwiesen wurden. Der Arbeitgeber hat kein schützenswertes Interesse, den Bewerber nach Ermittlungsverfahren zu befragen, in deren Verlauf die Ermittlungsbehörden einen hinreichenden Tatverdacht oder angesichts geringer Schuld ein öffentliches Interesse an einer Strafverfolgung nicht erkannt haben. Für sicherheitsempfindliche Tätigkeiten gilt, wie die Wertungen in § 9 SÜG NRW zeigen, nichts anderes.
c) Das beklagte Land war zur Anfechtung des Arbeitsvertrags nicht wegen des Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Klägers nach § 119 Abs. 2 Alt. 1 BGB berechtigt. Zwar kann eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung die Anfechtung wegen Irrtums in sich schließen. Dem Anfechtenden ist es dann grundsätzlich nicht verwehrt, sich nachträglich auf diesen Grund zu berufen (BAG 6. September 2012 - 2 AZR 270/11 - Rn. 38 mwN). Voraussetzung ist aber, dass auch die Frist des § 121 Abs. 1 BGB gewahrt ist. Die Anfechtung muss in den Fällen des § 119 BGB ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen, sobald der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Das ist hier nicht geschehen. Das beklagte Land hat das Arbeitsverhältnis der Parteien am 17. Dezember 2010 wegen des Verschweigens einer Vorstrafe und mehrerer Ermittlungsverfahren ordentlich gekündigt. Die auf die nämlichen Gründe gestützte Anfechtung des Arbeitsvertrags hat es erst einen Monat später erklärt. Dies war - auch mit Blick auf eine ihm einzuräumende Überlegungsfrist - nicht mehr unverzüglich, ohne dass geklärt werden müsste, zu welchem genauen, allemal aber vor der Kündigung liegenden Zeitpunkt ihm die maßgebenden Tatsachen bekannt geworden waren. Darauf, ob die behauptete Unzuverlässigkeit des Klägers und eine ihm zugeschriebene "Gewalttätigkeit" verkehrswesentliche Eigenschaften einer Person sein können, kommt es nicht an.
2. Die Kündigung vom 17. Dezember 2010 ist sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG und deshalb unwirksam.
a) Das Kündigungsschutzgesetz findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung. Dieses bestand bei Zugang der Kündigung schon länger als sechs Monate iSv. § 1 Abs. 1 KSchG; der betriebliche Geltungsbereich des Gesetzes nach § 23 Abs. 1 KSchG ist eröffnet.
b) Die Kündigung ist nicht durch Gründe im Verhalten des Klägers bedingt. Dieser hat seine vorvertraglichen Aufklärungspflichten nicht verletzt.
c) Die Kündigung ist ebenso wenig durch Gründe in der Person des Klägers bedingt.
aa) Hat sich der Arbeitnehmer außerdienstlich strafbar gemacht, kann dies Zweifel an seiner Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit begründen. Das außerdienstliche Verhalten kann - abhängig von seiner Funktion - dazu führen, dass dem Arbeitnehmer künftig die Eignung für die Erledigung seiner Aufgaben fehlt. Ob daraus ein in der Person liegender Kündigungsgrund folgt, hängt von der Art des Delikts und der konkreten Aufgabenstellung des Arbeitnehmers ab. So können außerdienstlich begangene Straftaten eines mit hoheitlichen Aufgaben betrauten Arbeitnehmers auch dann zu einem Eignungsmangel führen, wenn es an einem unmittelbaren Bezug zum Arbeitsverhältnis fehlt (BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 583/12 - Rn. 14; 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 24, BAGE 132, 72). Das gilt grundsätzlich auch für ein Verhalten vor Begründung des Arbeitsverhältnisses, wenn es die Eignung des Arbeitnehmers tatsächlich (noch) berührt.
bb) Das beklagte Land hat sich für einen Eignungsmangel des Klägers nicht auf die gegen ihn verhängte Jugendstrafe berufen. Sie wäre in der Tat ungeeignet, einen solchen Mangel zu begründen.
cc) Das beklagte Land stützt die Kündigung auf den Gegenstand der gegen den Kläger geführten Ermittlungsverfahren. Sein Vorbringen rechtfertigt die Kündigung nicht. Das gilt auch angesichts seiner Behauptung, der Kläger habe sich in einem Fall selbst angezeigt und dabei angegeben, er habe seine Ehefrau wiederholt körperlich verletzt und sie in der gemeinsamen Wohnung eingesperrt.
(1) Das beklagte Land durfte diese Erkenntnisse zwar verwerten. Sein Vortrag ist aber nicht hinreichend substantiiert. Um darzulegen, der Kläger sei wegen dieses Verhaltens für eine Tätigkeit im Strafvollzugsdienst ungeeignet, reicht es nicht aus, auf einzelne nicht weiter aufgeklärte Umstände zu verweisen und das Verhalten pauschal, ohne konkrete Angaben zur Tatzeit und zum Tathergang zu umschreiben.
(2) Das beklagte Land hat zudem den fraglichen Sachverhalt dem Personalrat nicht unterbreitet. Es hat diesem im Rahmen der schriftlichen Unterrichtung nach § 74 Abs. 1 PersVG NRW lediglich mitgeteilt, der Kläger habe im Verlauf des Bewerbungsverfahrens falsche Angaben gemacht; der Verstoß gegen die Wahrheitspflicht stelle einen schweren Vertrauensbruch dar und sei als arglistige Täuschung zu werten. Zum Gegenstand der Ermittlungsverfahren hat es - so sein Vorbringen - "in Ergänzung" des Unterrichtungsschreibens "dem Personalrat weitere Einzelheiten (...) mitgeteilt". Um welche "Einzelheiten" es sich dabei handelte, hat es nicht vorgetragen. Dies bedeutet zwar nicht notwendig, dass die Beteiligung des Personalrats fehlerhaft war. Die Mängel in der Unterrichtung verwehren es dem beklagten Land jedoch, sich auf das den Ermittlungsverfahren zugrunde liegende Verhalten des Klägers eigenständig zu berufen (vgl. dazu BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 41 mwN).
III. Der Antrag des Klägers auf Weiterbeschäftigung für die Dauer des Verfahrens ist dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen. Der Kündigungsrechtsstreit ist rechtskräftig abgeschlossen.
IV. Ebenso wenig war über den Antrag auf Erteilung eines Endzeugnisses zu entscheiden. Er ist zwar in die Revision gelangt (vgl. BAG 16. März 2010 - 3 AZR 594/09 - Rn. 75 mwN, BAGE 133, 289). Er wurde aber nur für den Fall des Unterliegens mit dem Feststellungsbegehren gestellt.
V. Als unterlegene Partei hat das beklagte Land gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Kreft
Rachor
Berger
Perreng
Wolf
BAG:
Urteil v. 20.03.2014
Az: 2 AZR 1071/12
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