Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. Januar 2005
Aktenzeichen: 32 W (pat) 425/02

(BPatG: Beschluss v. 19.01.2005, Az.: 32 W (pat) 425/02)

Tenor

Die Beschwerde des Markeninhabers wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Wortmarke

"EUROPOLY"

ist für die Waren

"Mittel zur Körper- und Schönheitspflege; Parfums; Parfümeriewaren; Hemden; Anzüge; Konfektionskleidung; Trikotkleidung; Mäntel; Trikots; Mäntel (pelzgefüttert); Damenkleider; Jacken; Sportschuhe; Spielzeug; Sportschläger; Spiele elektronisch; Turn- und Gymnastikgeräte; Brettspiele; Beförderung von Personen mit Omnibussen; Veranstaltung von Kreuzfahrten; Veranstaltung von Reisen und Ausflugsfahrten; Buchung von Reisen; Beförderung von Reisenden; Beförderung von Personen mit Eisenbahnen; Beförderung von Personen mit Schiffen; Beförderung von Personen mit Flugzeugen; Betrieb von Vergnügungsparks; Unterhaltung; Veranstaltungen von Wettbewerben (Erziehung und Unterhaltung); Betrieb von Varietetheatern; Produktion von Shows; Betrieb von Sportanlagen; Betrieb von Spielcasinos; Betrieb von Clubs (Unterhaltung oder Unterricht); Betrieb von Discotheken; Glücksspiele; Betrieb von Golfplätzen; Durchführung von Live-Veranstaltungen; Veranstaltungen sportlicher Wettkämpfe; Veranstaltungen von Schönheitswettbewerben; Veranstaltungen von Lotterien; Veranstaltungen von Unterhaltungsshows; Betrieb von Spielhallen; Zimmervermittlung (Hotels; Pensionen); Verpflegung von Gästen in Cafes; Verpflegung von Gästen in Cafeterias; Betrieb von Hotels; Verpflegung von Gästen in Restaurants; Zimmerreservierung in Pensionen; Zimmerreservierung in Hotel; Zimmerreservierung"

am 7. März 2000 eingetragen worden.

Dagegen hat die Inhaberin der für die Waren

"Seifen, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, insbesondere Haarpflegemittel, Hautpflegemittel, nichtmedizinische Zahncremes; Wasch- und Bleichmittel, Mittel zum Spülen für Geschirr und Wäsche, Fleckenentfernungsmittel, Putz- und Poliermittel, Reinigungsmittel für Glas, Kunststoff und lackierte Oberflächen; Desinfektionsmittel"

eingetragenen Wortmarke 1 148 378

"POLY"

und der u.a. für die Waren

"Mittel zum Pflegen, Reinigen und Tönen, Blondieren, Festigen und dauerhaften Formverändern (Wellen) der Haare"

registrierten EU- Marke 68 973

"POLY"

Widerspruch erhoben.

Mit Beschluss vom 17. September 2002 hat die mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts die teilweise Löschung der angegriffenen Marke wegen bestehender Verwechslungsgefahr mit den widersprechenden Marken hinsichtlich der Waren

"Mittel zur Körper- und Schönheitspflege; Parfüm; Parfümeriewaren"

angeordnet.

Ausgehend von überwiegend identischen oder hochgradig ähnlichen Waren sowie normaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke hielten die Marken in klanglicher Hinsicht nicht den zum Ausschluß einer Verwechslungsgefahr erforderlichen deutlichen Abstand voneinander ein. Der angesprochene Verkehr, dem das Kürzel "Euro" als europaweite Verbreitung der Waren bzw eine europaweite Geschäftstätigkeit geläufig sei, werde seine Aufmerksamkeit verstärkt dem weiteren, mit den Widerspruchsmarken übereinstimmenden Wortteil "Poly" zuwenden.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Inhabers der angegriffenen Marke. Nach seiner Auffassung besteht zwischen den Marken keine Verwechslungsgefahr iSd § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.

Die angegriffene Marke weiche von den Widerspruchsmarken als zweisilbiges Wort deutlich erkennbar ab. Auch sei Europoly eine eigenständige Marke, die nicht nur für Ausfuhrartikel auf dem europäischen Markt gedacht sei. Bekannte nationale Marken, zu denen auch die Widerspruchsmarken gehörten, seien in ihrer Marktdurchdringung nicht auf den nationalen Markt beschränkt, sondern operierten in ganz Europa und sogar weltweit. Es bestehe daher für den Verbraucher kein Anlass, in der Ergänzung "euro-" einen Hinweis auf die internationale Verwendung einer nationalen Marke zu sehen.

Es könne zwar denkbar sein, dass im Geschäftsverkehr Parfüms/Parfümeriewaren der Gruppe der Mittel zur Körper- und Schönheitspflege zugeordnet würden. Nach der internationalen Warenklassifikation hätten aber beide Kategorien unterschiedliche Basisnummern und seien daher keine identischen Waren. Hilfsweise bestehe die Bereitschaft die Waren der angegriffenen Marke "Mittel zur Körper- und Schönheitspflege" durch den Zusatz "ausgenommen Haarpflegemittel und nichtmedizinische Cremes" einzuschränken.

Er stellt den (sinngemäßen) Antrag, den angegriffenen Beschluß aufzuheben und den Widerspruch zurückzuweisen.

Die Widersprechende beantragt (sinngemäß), die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie beruft sich zur Begründung im wesentlichen auf die Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss. Ergänzend verweist sie auf die Entscheidung des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt vom 22.12.2003, in der unter den gleichen Voraussetzungen wie im vorliegenden Fall die Verwechslungsgefahr der sich gegenüberstehenden Marken festgestellt worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde des Inhabers der angegriffenen Marke hat in der Sache keinen Erfolg. Auch nach Auffassung des Senats besteht zwischen den Marken Verwechslungsgefahr iSd Bestimmung des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.

Die Frage der Verwechslungsgefahr ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit die Identität oder Ähnlichkeit der zum Vergleich stehenden Marken sowie der von den Marken erfaßten Waren oder Dienstleistungen. Darüber hinaus ist die Kennzeichnungskraft der älteren Marke und - davon abhängig - der dieser im Einzelfall zukommende Schutzumfang in die Betrachtung mit einzubeziehen. Dabei impliziert der Begriff der Verwechslungsgefahr eine gewisse Wechselwirkung zwischen den genannten Faktoren (vgl. ua EuGH GRUR 1998, 387, 389 (Nr. 22) "Sabèl/Puma"; GRUR Int 2000, 899, 901 (Nr. 40) "Marca/Adidas"; BGH GRUR 2002, 626, 627 "IMS"; WRP 2004, 763, 764 "dcfix/CD-FIX"; GRUR 2004, 598, 599 "Kleiner Feigling").

Die Waren, hinsichtlich derer der angefochten Beschluss die teilweise Löschung der jüngeren Marken angeordnet hat, sind einerseits (Mittel zur Körper- und Schönheitspflege) identisch mit den Waren der Widerspruchsmarken, andererseits (Parfüms, Parfümeriewaren) liegen sie im engeren Ähnlichkeitsbereich.

Die vom Inhaber der angegriffenen Marke vorgeschlagene Einschränkung würde letztlich die Identität der Waren, nicht jedoch den engeren Ähnlichkeitsbereich aufheben und damit zu keiner anderen rechtlichen Würdigung führen. Im übrigen ist fraglich, ob sog. Disclaimer noch zulässig sind (vgl. EuGH GRUR 2004, 674 - Postkantoor, Nrn. 113-117).

Die Widerspruchsmarken sind zwar dem Verkehr weitgehend als griechische Vorsilbe in zahlreichen fremdsprachlichen Wortzusammensetzungen in der Bedeutung "viel-" bekannt. Im vorliegenden Fall darf aber nicht übersehen werden, dass es sich bei der EU-Marke der Widersprechenden um eine Marke handelt, die auf dem Sektor der Haarpflegemittel einen erhöhten Bekanntheitsgrad und damit auch eine überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft aufweist.

Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr im Hinblick auf die aufgezeigte Wechselbeziehung zwischen den jeweiligen kollisionsrelevanten Faktoren sind daher strenge Anforderungen an den von Marken einzuhaltenden Abstand zu stellen. Den danach erforderlichen deutlichen Abstand der Marken erachtet der Senat als nicht gewahrt. Die Marken unterliegen der sog. assoziativen Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 letzter Halbsatz.

Diese Regelung im Markengesetz hat im wesentlichen diejenigen Verwechslungsfälle einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung zugeführt, die vor der Einführung des Gesetzes von der von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes entwickelten mittelbaren Verwechslungsgefahr umfasst waren. Danach setzt die Annahme einer mittelbaren Verwechslungsgefahr voraus, dass die beteiligten Verkehrskreise zwar die Unterschiede zwischen den Vergleichszeichen erkennen und somit keinen unmittelbaren Verwechslungen unterliegen, gleichwohl einen in beiden Marken übereinstimmend enthaltenen Bestandteil als Stammzeichen des Inhabers der älteren Marke werten, diesem Stammbestandteil also für sich schon die maßgebliche Herkunftsfunktion beimessen und deshalb die übrigen (abweichenden) Markenteile nur noch als Kennzeichen für bestimmte Waren oder Dienstleistungen aus dem Geschäftsbereich der älteren Marke ansehen (vgl. BGH GRUR 1999, 240,241 STEPHANSKRONE).

Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der Markeninhaber den Verkehr bereits durch die Benutzung mehrerer eigener entsprechend gebildeter Serienmarken an diesen Stammbestandteil gewöhnt hat, wenn es sich bei dem Element um einen sonst mit erhöhter Verkehrsgeltung ausgestatteten Bestandteil handelt oder wenn sonstige Umstände (zB die Art der abweichenden Markenteile) diesen Schluss aufdrängen.

Die Widersprechende verwendet ihre Marke "POLY" als Schlüsselwort einer die verschiedensten Zusätze umfassenden Markenserie. Dies hat sie durch die Vorlage einer umfangreichen Liste der von ihr benutzten "Poly-Marken" untermauert. Nicht zuletzt aus diesem Umstand ergibt sich, dass die Widerspruchsmarken zumindest auf dem Gebiet der Haarpflegemittel eine erhöhte Verkehrsgeltung erlangt haben.

Selbst wenn unterstellt werden könnte, dass - wie der Markeninhaber ausführt - Marken mit dem Bestandteil "Euro-" in verschiedener Art eingetragen sind und darin keineswegs immer der Hinweis auf die europaweite Verwendung einer nationalen Marke gesehen werden kann, wird doch ein erheblicher Teil der beteiligten Verkehrskreise den in beiden Marken übereinstimmend enthaltenen Bestandteil "Poly" als Stammzeichen der Inhaberin der älteren Marke werten, diesen Stammbestandteil also für sich schon die maßgebliche Herkunftsfunktion beimessen und durch diesen Umstand dazu neigen, den Zusatz in der jüngeren Marke "Euro-" lediglich als Hinweis auf "europaweite" Verwendung zu sehen.

Für eine Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 71 Abs. 1 MarkenG besteht keine Veranlassung.

Viereck Müllner Kruppa Hu






BPatG:
Beschluss v. 19.01.2005
Az: 32 W (pat) 425/02


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