Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. September 2006
Aktenzeichen: 29 W (pat) 167/04

(BPatG: Beschluss v. 13.09.2006, Az.: 29 W (pat) 167/04)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die Eintragung der Wort-/Bildmarke Nr. 302 31 625 Grafikin den Farben Grün, Grau, Weiß und Schwarz für die Dienstleistungen der Klasse 38: Telekommunikation; Ausstrahlung von Fernsehprogrammen; Bereitstellung einer Hotline; Bereitstellung von Internet-Portalen für Dritte; Betrieb von Chatlines und Foren; Betrieb von Chatrooms; Dienstleistungen eines Internet-Providers, nämlich Bereitstellen von Informationen im Internet; Durchführung von Telefondiensten; Internet-Dienstleistungen, nämlich Bereitstellen von Informationen und Unterhaltungsprogrammen im Internet; Betrieb von Telekommunikationseinrichtungen zu einem weltweiten Computernetzwerk für die Herstellung von Bild- und Tonübertragungen mit Fernkommunikationsmitteln;

Klasse 41: Erziehung; Ausbildung; Animation durch audiovisuelle Angebote im Internet (Unterhaltung); Organisation und Durchführung von sportlichen und kulturellen Veranstaltungen; Betrieb einer interaktiven Website mit erotischen Inhalten;

Klasse 42: wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und Forschungsarbeiten und diesbezügliche Designerdienstleistungen; industrielle Analyse- und Forschungsdienstleistungen; Entwurf und Entwicklung von Computerhardware und -software; Rechtsberatung und -vertretung; Bereitstellung von erotischen Inhalten im Internet und über andere Fernkommunikationsmittel; Verpflegung; Webdesign; Dienstleistungen einer Datenbank, insbesondere Erstellen, Suchen, Sammeln, Speichern, Aktualisieren, Analysieren, Auswerten und Liefern von Daten; Aktualisieren von Internetseiten; Gestaltung und Unterhalt von Websites für Dritte; Lizenzierung von Software; Vermietung und Wartung von Speicherplätzen zur Benutzung als Websites für Dritte und Zurverfügungstellen von Webspace (Webhosting); Vermittlung und Vermietung von Zugriffszeiten zu Datenbanken und Websiteswurde Widerspruch erhoben aus der Wort-/Bildmarke 398 70 854 Grafikeingetragen am 3. Februar 1999 in den Farben Rot und Weiß für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen, u. a. für die Dienstleistungen der Klasse 38: Telekommunikation; Ausstrahlung und Weitersendung von Rundfunk- und Fernsehprogrammen; Ton- und Bildübertragung durch Draht-, Kabel- oder Satellitenfunk sowie durch ähnliche technische Einrichtungen; Sammeln und Liefern von Nachrichten und Informationen;

Klasse 41: Unterhaltung, insbesondere Rundfunk- und Fernsehunterhaltung; Produktion, Reproduktion, Vorführung und Vermietung von Filmen; Produktion und Reproduktion von Ton- und Bildaufnahmen auf anderen Bild- und/oder Tonträgern, Vorführung und Vermietung dieser Bild- und/oder Tonträger; Produktion und Gestaltung von Rundfunk- und Fernsehsendungen, insbesondere Rundfunk- und Fernsehunterhaltungssendungen; Betrieb und Vermietung von Studios einschließlich von Einrichtungen, Apparaten und Geräten für die Produktion von Filmen, Rundfunk- und Fernsehprogrammen; Organisation und Veranstaltung von Konzerten, Tourneen, Theateraufführungen, Tanz- und/oder Musikdarbietungen sowie Unterhaltungsshows; Organisation und Veranstaltung kultureller Aktivitäten und Wettbewerbe; Organisation von Messen und Ausstellungen zu wirtschaftlichen und Werbezwecken;

Klasse 42: Erstellung von Programmen für die Datenverarbeitung, Verwaltung und Verwertung von gewerblichen Schutzrechten und Urheberrechten, insbesondere Lizensierung und Lizenzvergabe, Vergabe von Sende- und Weitersende-, audiovisuellen, mechanischen und sonstigen Nutzungsrechten an Rundfunk- und Fernsehsendungen sowie sonstige Ton- und Bildproduktionen.

Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit Beschluss vom 1. Juni 2004 zurückgewiesen. Auch unter Berücksichtigung der teilweisen Dienstleistungsidentität und einer möglicherweise erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke für die Dienstleistung "Ausstrahlung von Fernsehprogrammen" halte die jüngere Marke den erforderlichen Abstand ein. Die Unterschiede im bildlichen Gesamteindruck der Marken seien offensichtlich. Eine Verwechslungsgefahr auf Grund des in beiden Marken übereinstimmenden Wortbestandteils "peep" komme nicht in Betracht, da der Bestandteil "PeepPhone" der angegriffenen Marke sich als einheitlicher Gesamtbegriff darstelle, der nicht allein durch den Bestandteil "Peep" geprägt werde. Ebenso wenig sei eine mittelbare Verwechslungsgefahr zu befürchten. Der Verkehr erfasse den Wortbestandteil "PeepPhone" der jüngeren Marke lediglich als Abwandlung des Begriffs "Peepshow" und nicht als Teil einer von der Widersprechenden begründeten Zeichenserie.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend, dass die angegriffene Marke im maßgeblichen Gesamteindruck allein von dem Wortbestandteil "Peep" geprägt werde. Der weitere Bestandteil "Phone" als eine für die in Rede stehenden Telefondienstleistungen glatt beschreibende Angabe trete demgegenüber völlig in den Hintergrund. Zu berücksichtigen sei außerdem die erhöhte Kennzeichnungskraft. Die mit der Widerspruchsmarke gekennzeichnete Fernsehsendung werde zwar nicht mehr produziert, aber noch als Wiederholung ausgestrahlt und außerdem interaktiv, z. B. in Form von DVDs, ausgewertet. Auf Grund der Bekanntheit der Widerspruchsmarke bestehe jedenfalls die Gefahr einer mittelbaren Verwechslung, denn der Verkehr erkenne in dem Bestandteil "peep" der angegriffenen Marke den Hinweis auf das Unternehmen der Widersprechenden.

In der mündlichen Verhandlung hat die Widersprechende den Widerspruch dahingehend eingeschränkt, dass er sich ausschließlich auf die von der Widerspruchsmarke erfassten Dienstleistungen der Klassen 38, 41 und 42 stützt.

Die Widersprechende beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Löschung der Marke anzuordnen.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie tritt der Beschwerde im Wesentlichen mit der Begründung entgegen, dass prägend für den Gesamteindruck der angegriffenen Marke allein die auffallenden grafischen Elemente seien. Der Wortbestandteil "PeepPhone" trete demgegenüber auf Grund des stark beschreibenden Anklangs nahezu vollständig in den Hintergrund.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Der Widerspruch ist von der Markenstelle zu Recht wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen worden (§ 42 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3, § 43 Abs. 2 S. 2 MarkenG).

1. Die Frage der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen den Beurteilungskriterien der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit, der Markenähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (vgl. EuGH GRUR 1998, 922, Rn. 17 ff. - Canon; BGH GRUR 2006, 60, 61 - coccodrillo). Nach diesen Grundsätzen muss im vorliegenden Fall die Verwechslungsgefahr verneint werden.

2. Für die Widerspruchsmarke ist von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft auszugehen. Eine durch intensive Benutzung gesteigerte Kennzeichnungskraft hat die Widersprechende nicht glaubhaft gemacht und ist für den Senat auch nicht ersichtlich.

2.1. Wesentliche Kriterien für die Beurteilung der Kennzeichnungskraft sind der von der Marke gehaltene Marktanteil, die Intensität, geografische Verbreitung und Dauer ihrer Benutzung für die eingetragenen Waren und Dienstleistungen, die für die Marke getätigten Werbeaufwendungen und der Anteil der Verkehrskreise, die mit der Marke gekennzeichnete Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennt (vgl. EuGH GRUR Int. 1999, 734 - Lloyd - Rn. 22 f.). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Feststellung der Kennzeichnungskraft ist der Anmeldetag der jüngeren Marke, wobei die erhöhte Kennzeichnungskraft auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch gegeben sein muss (vgl. BGH GRUR 2002, 1067, 1069 - DKV/OKV).

2.2. Unter Berücksichtigung dieser Kriterien lässt sich eine erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke nicht feststellen. Nach dem Vortrag der Widersprechenden wurde eine mit der Widerspruchsmarke gekennzeichnete Fernsehsendung im Zeitraum von 1995 bis 2000 ausgestrahlt und danach mehrfach wiederholt, zuletzt im Jahr 2004. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt wird die Sendung lediglich als DVD ausgewertet. Selbst wenn man mit der Widersprechenden davon ausgeht, dass die Sendung im Zeitpunkt ihrer Erstausstrahlung einen erheblichen Bekanntheitsgrad erreicht hat, lässt sich diesen Angaben nicht entnehmen, dass die Kennzeichnungskraft im Zeitpunkt der Anmeldung der jüngeren Marke im Jahr 2002 fortdauerte. Insbesondere fehlen Angaben zur Häufigkeit der Wiederholungssendungen und den dafür gemachten Werbeaufwendungen. Nicht zur Beurteilung herangezogen werden kann die Auswertung der Sendungen als DVD, denn die Widerspruchsmarke ist nur für Dienstleistungen im Bereich der Ausstrahlung und Produktion von Fernsehsendungen, nicht hingegen für Datenträger eingetragen.

3. Da Benutzungsfragen nicht zu erörtern waren, ist für die Beurteilung der Dienstleistungsähnlichkeit von der Registerlage auszugehen.

In beiden Verzeichnissen identisch enthalten sind die Dienstleistungen "Telekommunikation, Ausstrahlung von Fernsehprogrammen; Organisation und Durchführung kultureller Aktivitäten; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung". Inwieweit darüber hinaus eine Ähnlichkeit hinsichtlich der weiteren Dienstleistungen besteht, kann dahingestellt bleiben. Denn selbst im Bereich der identischen Dienstleistungen hält die angegriffene Marke unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke den erforderlichen Abstand ein.

4. Die Markenähnlichkeit ist anhand des Gesamteindrucks, den beide Marken hervorrufen, nach Schriftbild, Klang und Sinngehalt zu beurteilen, wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Abzustellen ist dabei auf die Wahrnehmung des angesprochenen Durchschnittsverbrauchers, der eine Marke regelmäßig in ihrer Gesamtheit erfasst und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (vgl. EuGH GRUR 2005, 1042, Rn. 28 - THOMSON LIFE; BGH GRUR 2006, 60, Tz. 17 - coccodrillo).

4.1. Die Zeichenunterschiede im schriftlichen Gesamteindruck der Marken sind offensichtlich. Auch eine klangliche Verwechslungsgefahr besteht nicht. Zwar orientiert sich das angesprochene Publikum bei Kombinationen von Wort- und Bildelementen regelmäßig am Wortbestandteil als der kürzesten Form der Benennung mit der Folge, dass sich für den klanglichen Zeichenvergleich die Bestandteile "PeepPhone" und "peep" gegenüberstünden. Dies gilt aber nicht, wenn der Wortbestandteil wegen seines unmittelbar beschreibenden Begriffsinhalts für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen schutzunfähig ist (vgl. BGH GRUR 2003, 1040, 1043 - Kinder; GRUR 2004, 778, 779 - URLAUB DIREKT). Dies ist hier der Fall.

Nach der Internetrecherche des Senats ist der Begriff "peepphone" zur Bezeichnung von Telefonsexdienstleistungen mit Live-Bildern gebräuchlich. Diese beschreibende Bedeutung wird im Gesamteindruck der jüngeren Marke sowohl durch den Bildbestandteil als auch durch den zusätzlichen Textbestandteil "Hören und gleichzeitig sehen" verstärkt. Das angesprochene Publikum erfasst den Wortbestandteil "PeepPhone" der angegriffenen Marke in Verbindung mit den beanspruchten Dienstleistungen daher als reinen Sachhinweis und hat folglich keine Veranlassung, sich bei der Benennung der Marke an diesem Bestandteil zu orientieren.

4.2. Aus denselben Gründen ist der Bestandteil "PeepPhone" auch nicht geeignet, den Gesamteindruck der jüngeren Marke in einer Weise zu prägen, die eine Verwechslungsgefahr mit der Widerspruchsmarke begründen könnte. Im Übrigen kommt eine Gefahr von Verwechslungen trotz des in beiden Marken identisch enthaltenen Wortelements "Peep" selbst dann nicht in Betracht, wenn man dem Bestandteil "PeepPhone" in der angegriffenen Marke eine prägende Wirkung zubilligen würde. Denn die angesprochenen Verkehrskreise erfassen das Wort "PeepPhone", das in der Wortbildung und Begrifflichkeit stark an den bekannten Ausdruck "Peepshow" angelehnt ist, als einheitlichen Gesamtbegriff ohne darin die Widerspruchsmarke als selbständig kennzeichnendes Element wahrzunehmen.

5. Auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt der einer Serienzeichenbildung ist zu verneinen. Diese Art der Verwechslungsgefahr kommt nur dann in Betracht, wenn die Vergleichszeichen in einem Bestandteil übereinstimmen, den der Verkehr als Stammbestandteil einer Zeichenserie erkennt und deshalb Zeichen, die mit demselben Bestandteil gebildet sind, dem Zeicheninhaber zuordnet (vgl. BGH GRUR 2002, 542, 544 - BIG). Erforderlich ist daher eine Gewöhnung des Verkehrs an eine entsprechende Zeichenserie. Eine solche hat die Widersprechende aber nicht vorgetragen und ist für den Senat auch nicht ersichtlich.

6. Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst (§ 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG).






BPatG:
Beschluss v. 13.09.2006
Az: 29 W (pat) 167/04


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