Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 1. Februar 2010
Aktenzeichen: 2 Ws 55 - 58/10

(OLG Köln: Beschluss v. 01.02.2010, Az.: 2 Ws 55 - 58/10)

Tenor

Die Beschwerden

1) des Verteidigers Rechtsanwalt N. vom 15.01.2010 gegen

a) seine Beiordnung als Pflichtverteidiger des Angeklagten B. J. durch Beschluß des Vorsitzenden der 7. großen Strafkammer des Landgerichts A. vom 10.11.2009

b) die Ablehnung des Antrags auf Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers durch Beschluß des Vorsitzenden der 7. großen Strafkammer des Landgerichts Aachen vom 13.01.2010

2) des Verteidigers Rechtsanwalt B. vom 19.01.2010 gegen

a) seine Beiordnung als Pflichtverteidiger des Angeklagten A. J. durch Beschluß des Vorsitzenden der 7. großen Strafkammer des Landgerichts A. vom 10.11.2009

b) die Ablehnung des Antrags auf Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers durch Beschluß des Vorsitzenden der 7. großen Strafkammer des Landgerichts A. vom 13.01.2010

werden auf Kosten beider Beschwerdeführer verworfen

Gründe

I.

Gegen die wegen gewerbsmäßiger Bandenhehlerei unter Anklage stehenden Angeklagten B.J. und A.J. sowie weitere sechs Angeklagte findet seit dem 28.01.2010 vor der 7. großen Strafkammer des Landgerichts A. die Hauptverhandlung statt. Der Vorsitzende der Strafkammer hat mit Beschluß vom 10.11.2009 die bisherigen Wahlverteidiger der Angeklagten B. J. und A.J.- die Rechtsanwälte N. und B. - als deren Pflichtverteidiger bestellt. Mit Beschluß vom 13.01.2010 hat der Vorsitzende der Strafkammer die Anträge der beiden Angeklagten auf Bestellung je eines weiteren Pflichtverteidigers abgelehnt. Gegen diese Entscheidungen haben "der Verteidiger RA N." mit Schriftsatz vom 15.01.2010 und "der Verteidiger RA B." mit Schriftsatz vom 19.01.2010 Beschwerde eingelegt. Sie machen geltend, ihre Beiordnung nicht beantragt zu haben, und hätten ausdrücklich erklärt, zur Führung des Mandats nur als Wahlverteidiger bereit zu sein. Des ungeachtet gebiete der Umfang des Verfahrens die Bestellung eines verfahrenssichernden Pflichtverteidigers.

II.

Der Senat teilt die Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft, die die Rechtsmittel für unzulässig hält. Die Beschwerden sind von den Verteidigern im eigenen Namen eingelegt worden.

1. Soweit die Beiordnung als Pflichtverteidiger angefochten worden ist, hat der Senat bereits entschieden, dass ein Wahlverteidiger dadurch nicht beschwert und ein Rechtsmittel gegen seine Beiordnung unzulässig ist (Beschluß vom 06.03.2007 - 2 Ws 79+108/07).

Der Senat hat dort ausgeführt :

"Der beigeordnete Verteidiger kann seine Bestellung nicht mit der Beschwerde anfechten. Er kann allein nach § 49 Abs. 2 in Verb. mit § 48 Abs. 2 BRAO einen Antrag auf Entpflichtung stellen. Dafür müssen wichtige Gründe vorliegen, die gemäß der - eng auszulegenden - Bestimmung des § 48 Abs. 2 BRAO den Widerruf der Bestellung rechtfertigen. Das sind nur solche, die den Zweck der Pflichtverteidiger, dem Beschuldigten einen geeigneten Beistand zu sichern und den ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu gewährleisten, ernsthaft gefährden. (vgl. SK-Wohlers, StPO, § 141 Randnr. 27; Hartung-Lörcher a.a.O., § 49 Randnr. 9; LK-Lüderssen a.aO., § 142 Randnr. 31).

Solche Gründe sind nicht vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Rechtsanwälte sind gemäß § 49 Abs. 1 BRAO berufsrechtlich verpflichtet, die Verteidigung zu übernehmen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese "Indienstnahme Privater zu öffentlichen Zwecken" bzw. dieses "Sonderopfer des Strafverteidigers im öffentlichen Interesse" bestehen nicht (BVerfGE 39,238; BVerfG, 2 BvR 1520/01 vom 30.3.2004; Hartung-Lörcher, BRAO, 3.Aufl., § 49 Randnr. 3).

Unabhängig hiervon wird dem Beschwerdeführer kein "Sonderopfer" abverlangt. Er ist aufgrund der Pflichtverteidigerbestellung zu einer Verteidigung verpflichtet, die er aufgrund des ihm erteilten und fortbestehenden Wahlmandats ohnehin bereits zu führen hat und auf dieser Grundlage auch führen will. Über das Wahlmandat hinausgehende Pflichten werden ihm durch die Bestellung als Pflichtverteidiger nicht auferlegt. Da der Rechtsanwalt das Wahlmandat nicht niedergelegt hat, besteht es - anders als wenn dies wie im Regelfall im Zusammenhang mit der Pflichtverteidigerbestellung geschieht - fort."

Diese Grundsätze gelten auch im vorliegenden Fall.

2. Dem fügt der Senat - vorsorglich - hinzu, dass auch ein Rechtsmittel der Angeklagten nicht zulässig wäre.

Dazu ist in der Senatsentscheidung vom 06.03.2007 ausgeführt :

"Der Angeklagte selbst kann nicht dadurch beschwert sein, dass sein Wahlverteidiger zum Pflichtverteidiger bestellt wurde.

Der Angeklagte wird ungeachtet der Pflichtverteidigerbestellung unverändert von dem Verteidiger seines Vertrauens verteidigt, so dass seine entgegen § 142 Abs. 1 Satz 2 StPO unterbliebene Anhörung hier folgenlos bleibt. Es handelt sich nicht um den Fall einer sog. "aufgezwungenen Verteidigung", von der nur gesprochen werden kann, wenn dem Beschuldigten gegen seinen Willen ein Pflichtverteidiger neben seinem Wahlverteidiger bestellt wird. So liegt es hier nicht.

Pflichtverteidigung ist keine Verteidigung minderer Güte (vgl. BGH Urteil vom 4.7.01 - 2 StR 513/00 -). Wahl- und Pflichtverteidigung haben die gleiche Aufgabe und Funktion. Die Rechtsstellung des gewählten und des gerichtlich beigeordneten Verteidigers sind identisch (vgl BVerfG StV 01, 601; LR-Lüderssen, StPO, 25. Aufl., Vor § 137 Randnr. 161; einschränkend : nur für den Fall sog. "erbetener Wahlpflichtverteidigung" SK-Wohlers, StPO, Vor § 137 Randnr. 39 m.w.N.)

Das bestehende Wahlverteidigermandatsverhältnis wird durch die Pflichtverteidigerbestellung im vorliegenden Fall nicht berührt. Das Erlöschen der Verteidigervollmacht wird von der Rechtsprechung nur angenommen, wenn - wie im Regelfall, hier aber eben nicht - das Wahlmandat im Zusammenhang mit der Pflichtverteidigerbestellung niedergelegt wird (vgl BGH NStZ 91,94; KK-Laufhütte aaO, § 141 Randnr 1 m.w.N.)"

3. Die gegen die Ablehnung der Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers gerichteten Beschwerden sind ebenfalls unzulässig. Das folgt allerdings nicht bereits aus § 305 S. 1 StPO, weil die Bestimmung nach der Rechtsprechung des Senats die Anfechtbarkeit von Entscheidungen des Vorsitzenden außerhalb der Hauptverhandlung nicht ausschließt (vgl Senat 08.10.2002 - 2 Ws 500/02 -; 19.04.2004 - 2 Ws 162/04 -)

Dem Verteidiger steht aber insoweit kein eigenes Beschwerderecht zu (vgl Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl., § 141 Randnr. 10 m.w.N.).

4. Sofern - entgegen dem eindeutigen Wortlaut in den Beschwerdeschriften - davon ausgegangen würde, dass die Rechtsmitteleinlegung im Namen der jeweils vertretenen Angeklagten erfolgt sei, wären die Beschwerden jedenfalls in der Sache ohne Erfolg.

Nach der Rechtsprechung des Senats muß die Beiordnung eines weiteren Pflichtverteidigers durch ein unabwendbares Bedürfnis gerechtfertigt sein. Sie dient nicht der Ermöglichung einer wechselseitigen Vertretung oder der allgemeinen Entlastung des bereits bestellten Pflichtverteidigers. Dem Vorsitzenden des erkennenden Gerichts steht bei seiner Entscheidung gemäß § 140 Abs. 2 StPO ein weites Ermessen zu, das nur auf fehlerhafte Beurteilung hin überprüft werden kann. Ob die Voraussetzungen für die Beiordnung oder Ablehnung eines weiteren Pflichtverteidigers unzutreffend angenommen worden sind, unterliegt daher nicht der uneingeschränkten Überprüfung durch das Beschwerdegericht (Senat 19.04.2004 - 2 Ws 162/04 -; 03.11.2006 - 2 Ws 500/06 -).

An diesen Maßstäben gemessen ist die Entscheidung des Vorsitzenden nicht zu beanstanden. Dessen Einschätzung, der Verfahrensstoff könne auch von einem Verteidiger bewältigt werden, ist - trotz des nicht unbeträchtlichen Umfangs des Verfahrens - bei einer an der Aufgabe und Rechtsstellung des Verteidigers als eines Organs der Rechtspflege orientierten und auf Förderung des Verfahrens bedachten Führung der Verteidigung sachgerecht. Davon, dass die Verteidigung auch von einem Verteidiger geleistet werden kann, gehen offenbar auch sämtliche anderen Verteidiger aus. Nur für den Angeklagten K. ist ein weiterer Verteidiger zur Verfahrenssicherung bestellt worden, was seinen Grund in der Verhinderung des als Pflichtverteidiger beigeordneten Wahlverteidigers an mehreren der vorgesehenen Verhandlungstage hat. Das trifft auf die Rechtsanwälte N. und B. jedoch nicht zu. Auf diesen Unterschied hat der Vorsitzende der Strafkammer im Beschluss vom 13.01.2010 bereits hingewiesen.

Soweit Rechtsanwalt B. in seiner Beschwerde nunmehr ausführt, er stehe "ggfs nicht für alle Termine zur Verfügung" , vermag das ersichtlich die Beiordnung eines weiteren Pflichtverteidigers nicht zu begründen.






OLG Köln:
Beschluss v. 01.02.2010
Az: 2 Ws 55 - 58/10


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