Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. Juni 2009
Aktenzeichen: 33 W (pat) 108/07
(BPatG: Beschluss v. 09.06.2009, Az.: 33 W (pat) 108/07)
Tenor
Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.
BPatG 152
Gründe
I.
Die Bezeichnung Turbo P.O.S.T.
ist am 27. Februar 2006 für folgende Waren und Dienstleistungen zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden:
Klasse 16: Papier, Pappe (Karton), und Waren aus diesen Materialien, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind, Broschüren, Flyer, Plakate; Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit es nicht in anderen Klassen enthalten ist; Verpackungshüllen und -Taschen aus Papier und Kunststoff, soweit nicht in anderen Klassen enthalten;
Klasse 35: Verteilung von Werbeprospekten, Drucksachen und Werbeartikeln;
Klasse 39: Beförderung von Gütern, Verpackung und Lagerung von Waren; Zustellung von Briefen, Paketen, Geld und Wertgegenständen; Abholen von Briefen, Paketen, Geld und Wertgegenständen; Lagerung von Briefen, Paketen und Wertgegenständen; termingebundene Zustellung und Abholung von Briefen, Paketen, Geld und Wertgegenständen; Verpacken von Briefen, Paketen und Wertgegenständen; Postfachservice, Postund Kurierdienstleistungen.
Die Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patentund Markenamts hat durch Beschluss eines Beamten des höheren Dienstes die Markenanmeldung wegen fehlender Schutzfähigkeit zurückgewiesen. Nach Auffassung der Markenstelle fehlt der angemeldeten Marke jegliche Unterscheidungskraft, da sie allein eine sachbezogene Angabe enthalte. Der Begriff "Turbo" habe sich als Modewort für "schnell, leistungsfähig, wirksam" etabliert. Der Verkehr verstünde "Turbo" nicht ausschließlich als Ausdruck turbinenähnlicher Geschwindigkeiten, sondern als werbeübliche Übertreibung. Der Begriff "Post" weise auf die Beförderung von Sendungen hin. Die Punkte zwischen den Buchstaben (P.O.S.T.) seien werbeüblich und veränderten den Aussagegehalt nicht. Der Verkehr werde die angemeldete Gesamtbezeichnung im Zusammenhang mit allen beanspruchten Waren und Dienstleistungen als werbemäßige Anpreisung dahingehend verstehen, dass es sich um solche Waren und Dienstleistungen handele, die mit einer besonders effizienten, also schnellen Post zu tun haben. Dies treffe auch auf alle Waren und Dienstleistungen zu, die einen schnellen Versand ermöglichen, z. B. für den Versand vorgefaltete Kartons, vorher angebrachte Adressaufkleber. Die Waren "Broschüren, Flyer und Plakate" eigneten sich dazu, Gebühren und Versandmodalitäten zu erläutern. Ob auch ein Freihaltungsbedürfnis gegeben sei, könne angesichts der fehlenden Unterscheidungskraft dahingestellt bleiben.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, die beantragt, den angefochtenen Beschluss der Markenstelle des Deutschen Patentund Markenamts aufzuheben.
Die Markenstelle habe keinen Nachweis erbracht, dass die angemeldete Bezeichnung zur Beschreibung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen dienen könne. Zu berücksichtigen sei, dass der Verkehr nicht zu einer analysierenden Betrachtungsweise neige. Der Begriff "Turbo" würde als Modewort für "schnell" oder "zügig" im Übrigen nicht mehr so gebraucht werden wie noch in den 90er Jahren. Der Begriff "Turbo" werde vom Verkehr vermehrt rein technisch in Zusammenhang mit Automobilbau (Turbolader), technischen Anlagen (Turbine) und Computerprogrammen (Turbo Pascal) verstanden. Es gebe ferner keine Ansatzpunkte dafür, der angemeldeten Marke die Unterscheidungskraft abzusprechen. Auch wenn der Begriff "Turbo" im Sinne der Steigerung eines bestimmten Zustandes zu verstehen sei, so würde der Verbraucher lediglich eine vage Darstellung im Sinne von "gesteigerte Post" erhalten. Die Unschärfe im Bedeutungsgehalt wirke schutzbegründend. Postdienstleistungen könnten nicht in der Geschwindigkeit erbracht werden, die der Verbraucher mit "Turbo" in Verbindung bringe. Auch die Waren und Dienstleistungen "Verpackungsmaterialien, Flyer, Broschüren, Plakate" und speziell die "Lagerung von Briefen, Paketen und Wertgegenständen" könnten nicht mit "schnell" in Verbindung gebracht werden.
Mit begründetem Bescheid vom 5. Mai 2009 ist die Anmelderin unter Vorlage von umfangreichem Recherchematerial darauf hingewiesen worden, dass die Beschwerde nach vorläufiger Auffassung des Senats keine Aussicht auf Erfolg hat, weil der angemeldeten Marke jedenfalls die Unterscheidungskraft fehlt. Ohne in der Sache weiter vorzutragen, hat die Anmelderin daraufhin um Beschlussfassung gebeten. Ein Antrag auf mündliche Verhandlung ist nicht gestellt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin hat in der Sache keinen Erfolg. Die angemeldete Marke ist wegen fehlender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintragung als Marke ausgeschlossen. Die Anmeldung war deshalb von der Markenstelle zu Recht zurückgewiesen worden.
Bei der Beurteilung von Schutzhindernissen ist maßgeblich auf die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise abzustellen, wobei dies alle Kreise sind, in denen die fragliche Marke Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann. Dabei kommt es auf die Sicht des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers im Bereich der einschlägigen Waren und Dienstleistungen an (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 8 Rdn. 23 ff.). Von den streitgegenständlichen Waren und Dienstleistungen aus den Klassen 16, 35 und 39 werden zum größten Teil die allgemeinen Verkehrskreise angesprochen. Teilweise richtet sich das Dienstleistungsangebot auch an Firmen und Gewerbetreibende soweit es z. B. um die "Verteilung von Werbeprospekten, Drucksachen und Werbeartikeln" geht.
Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr, d. h. dem normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der maßgeblichen Waren oder Dienstleistungen, als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Produkte zu gewährleisten (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428, 429 f. (Nr. 30, 31) "Henkel"; GRUR 2004, 943, 944 (Nr. 23, 24) "SAT.2"; BGH GRUR 2006, 850, 854 (Nr. 17) "FUSSBALL WM 2006"). Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen, denen der Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Produkten lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl. BGH 2006, 850, 854 (Nr. 19) "FUSSBALL WM 2006"; EuGH GRUR 2004, 674, 678 (Nr. 86) "Postkantoor"). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchte Ware oder Dienstleistung zwar nicht unmittelbar betreffen, mit denen aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird (BGH -FUSSBALL WM 2006 a. a. O.).
Soweit die angemeldete Wortfolge für Dienstleistungen der Klasse 35 und 39 geschützt werden soll, steht der dienstleistungsbeschreibende Sinngehalt der Wortfolge derart im Vordergrund, dass der Verkehr darin schon deshalb keinen betrieblichen Herkunftshinweis erkennt.
Die angemeldete Bezeichnung setzt sich aus den Bestandteilen "Turbo" und "P.O.S.T." zusammen. Der Begriff "Turbo" wird entgegen der Auffassung der Anmelderin auch heute noch über seine ursprünglich rein technische Bedeutung im Sinne einer nach dem Turbinenprinzip arbeitenden Vorrichtung hinaus in der Umgangssprache als Synonym für "schnell, leistungsstark und wirksam" verwendet, insbesondere als Wortbildungselement im Zusammenhang mit weiteren Wortbestandteilen (vgl. dazu auch BGH GRUR 1995, 410, 411 "Turbo"). Lexikalisch lassen sich Begriffe wie "Turbo-Marketing" (Strategie der Tempoführerschaft durch Verkürzung der Innovationszyklen), "Turbo-Optionsschein" und "Turbo-Zertifikat" (besonders riskante Form der Geldanlage mit großer Hebelwirkung) und Turbokapitalismus (entfesselter bzw. schrankenloser Kapitalismus) nachweisen (siehe dazu die Belege Bl. 56/66 d. A., die der Anmelderin mit Bescheid vom 05. Mai 2009 als Anlage 1 übersandt worden waren). Das Wortbildungselement "Turbo" wird aber auch im Zusammenhang mit besonders leistungsstarken Computern (Turbocomputer) und im Zusammenhang mit leistungsfähigen Tieren und Pflanzen (Turbo-Kuh, Turbo-Schwein, Turbo-Lachs, Turbo-Weizen, Turbo-Kartoffel, Turbo-Reis oder Turbo-Tomaten) verwendet (siehe dazu die Belege Bl. 67/78 d. A., die der Anmelderin mit Bescheid vom 05. Mai 2009 als Anlage 2 übersandt worden waren). Auch in anderen Bereichen wird dieses Wortbildungselement zur Bezeichnung schneller Dienstleistungen oder sonstiger leistungsfähiger wirksamer Angebote oder Verfahren verwendet, wie z. B. bei Begriffen wie Turbo-Kredit für Handwerker-Sofortkredit; Turbo-Diät für eine besonders schnell wirkende Diät oder Turbo-Abitur für ein Abitur, das bereits nach einen kürzeren Schuldauer abgelegt werden kann (siehe dazu die Belege Bl. 79/85 d. A., die der Anmelderin mit Bescheid vom 05. Mai 2009 als Anlage 3 übersandt worden waren). Angesichts der Vielfalt der Bereiche, in denen der aus der Technik stammende Begriff "Turbo" verwendet wird, erscheint eine entsprechend werbendbeschreibende Verwendung in nahezu allen Bereichen möglich, soweit es nur um Leistungsstärke oder Schnelligkeit geht. So hat auch der Bundesgerichtshof zu dem Wortbildungselement "Turbo" festgestellt, dass es in zahlreichen, auf unterschiedliche Lebensbereiche bezogenen Wortverbindungen gebraucht wird, ohne dass bei den einzelnen Begriffskombinationen eine bestimmte Systematik oder eine sachliche Beschränkung zu erkennen wäre (vgl. auch BGH GRUR 1995, 410, 411 "Turbo").
Der Begriff "Post" bezeichnet zum einen die Einrichtung, die Briefe, Pakete, Päckchen und andere Waren befördert und zustellt, und zum anderen die beförderten und zugestellten Güter selbst, z. B. Briefe, Karten, Pakete und Päckchen (vgl. BGH GRUR 2008, 798, 799 (Nr. 19) "POST"; siehe dazu auch Wikipedia, Die freie Enzyklopädie im Internet). Die Verfremdung des Markenbestandteils "P.O.S.T." mit den Punkten nach jedem Einzelbuchstaben wirkt nicht schutzbegründend, da die Bezeichnung "Post" hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt und insbesondere im Zusammenhang mit dem weiteren Markenbestandteil "Turbo" einen sinnvollen und naheliegenden Gesamtbegriff ergibt (vgl. zu dieser speziellen, nur im Einzelfall zutreffend zu beurteilenden Problematik der Untergliederung eines Wortes mit Punkten Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 8 Rdn. 100 mit zahlreichen Nachweisen).
Der Verkehr wird im Zusammenhang mit "Post"-Dienstleistungen den Begriff "Turbo-Post" nur im werbendbeschreibenden Sinne als besonders leistungsstarke bzw. schnelle Post auffassen und nicht als betrieblichen Herkunftshinweis. Dies gilt ohne weiteres für alle beanspruchten Dienstleistungen, bei denen es sich im weitesten Sinne um "Postdienstleistungen" handelt. Dies gilt auch für die Dienstleistungen "Lagerung von Briefen, Paketen und Wertgegenständen", weil auch diese Leistungen Teil einer schnellen und leistungsstarken Gesamtpostdienstleistung sein können. "Postsendungen, die nicht zugestellt werden können, werden bis zur Abholung gelagert. Je schneller und leistungsfähiger ein Postdienst als solcher ist, desto früher bzw. schneller ist auch die Abholung möglich. Damit ist ein hinreichend enger beschreibender Zusammenhang hergestellt.
Entsprechendes gilt für die Waren der Klasse 16, die allesamt im Zusammenhang mit Postdienstleistungen stehen, weil diese Waren beim Postversand Verwendung finden können oder wie "Broschüren, Flyer und Plakate" als Werbematerial selbst typischer Gegenstand von Postwurfsendungen sind. Hier ist -wie bereits ausgeführt -zu berücksichtigen, dass die Unterscheidungskraft auch solchen Angaben fehlt, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchte Ware oder Dienstleistung zwar nicht unmittelbar betreffen, mit denen aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird (vgl. BGH 2006, 850, 854 (Nr. 19) "FUSSBALL WM 2006"; EuGH GRUR 2004, 674, 678 (Nr. 86) "Postkantoor").
In diesem Zusammenhang darf die Verständnisfähigkeit des Verkehrs nicht zu gering veranschlagt werden (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 8 Rdn. 260, Rdn. 62 -65 mit weiteren zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen), zumal er daran gewöhnt ist, in der Werbung ständig mit neuen Begriffen konfrontiert zu werden, durch die ihm lediglich sachbezogene Informationen in einprägsamer Form übermittelt werden sollen.
Bender Kätker Knoll Cl
BPatG:
Beschluss v. 09.06.2009
Az: 33 W (pat) 108/07
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