Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. September 2006
Aktenzeichen: 29 W (pat) 114/04
(BPatG: Beschluss v. 27.09.2006, Az.: 29 W (pat) 114/04)
Tenor
Die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 17. Juli 2003 und 15. März 2004 werden aufgehoben.
Gründe
I.
Die Wortmarke 302 18 187 Junior Erlebnisweltsoll nach einer Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses nur mehr für die Waren und Dienstleistungen der Klasse 9: Unbespielte Magnetaufzeichnungsträger, insbesondere Compact-Discs, unbespielte Videobänder;
Klasse 35: Werbung, insbesondere Werbe- und Verkaufsförderungsmaßnahmen für Verlagserzeugnisse auf Ausstellungen, Messen sowie in Jugendhäusern und Schulen, einschließlich von Werbe- und Verkaufsförderungsmaßnahmen für Verlagserzeugnisse im Rahmen von Haustürgeschäften; Vermittlung von Werbe- und Verkaufsförderungsmaßnahmen, Durchführung von Verkaufsförderungsmaßnahmen, nämlich Verteilen von Werbematerial; Werbemittlung, Geschäftsführung, Marketing; Marktforschung und Marktanalyse sowie Markenuntersuchung und Markenanalysein das Markenregister eingetragen werden.
Die Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung des Zeichens mit Erstbeschluss vom 17. Juli 2003 insgesamt zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Erinnerung vom 29. Juli 2003 wurde mit Beschluss vom 15. März 2004 ebenfalls zurückgewiesen. Mit der angemeldeten Wortfolge "Junior Erlebniswelt" verbinde der angesprochene deutsche Verkehrskreis lediglich die nahe liegende Bedeutung, "dass Jugendliche nach ihrem Geschmack in ihre Erlebniswelt eintauchen können". Dem Zeichen werde daher nur eine unmittelbar beschreibende Sachangabe entnommen, nicht aber ein betriebsbezogener Herkunftshinweis. Darüber hinaus bestehe ein Freihaltebedürfnis, da die Wortbestandteile des angemeldeten Zeichens bereits beschreibend benutzt würden.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde vom 1. April 2004 trägt die Anmelderin vor, die Markenstelle gelange nur deshalb zu einer fehlenden Schutzfähigkeit, da sie in analysierender Weise die Bestandteile des angemeldeten Zeichens betrachte. In seiner Gesamtheit sei der Begriff lexikalisch nicht nachweisbar und habe in mehrfacher Hinsicht einen vieldeutigen Bedeutungsgehalt. Insbesondere im Hinblick auf die angemeldeten Waren und Dienstleistungen fehle es am unmittelbaren Bezug. Die Kombination "Junior" und "Erlebniswelt" sei bereits aufgrund des beziehungslosen Nebeneinander von zwei Substantiven sprachlich nicht korrekt und lasse den Sinnzusammenhang offen. Es könne daher weder ein Freihaltebedürfnis wegen eventueller Mitbewerber noch eine fehlende Unterscheidungskraft angenommen werden. Nach gängiger Praxis des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt werde im Übrigen sowohl "Junior" als auch "Erlebniswelt" in unterschiedlichen Kombinationen für schutzfähig erachtet.
Die Anmelderin beantragt daher (Bl. 5 d. A.), die angefochtenen Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts aufzuheben.
Das Ergebnis der vom Senat durchgeführten Recherche zur beschreibenden Verwendung der Wortfolge "Junior Erlebniswelt" sowie deren beider Bestandteile wurde der Anmelderin übersandt.
II.
Die Beschwerde ist gem. § 66 Abs. 1 und 2 MarkenG zulässig und nach der Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses auch in der Sache begründet. Für die noch verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen ist die angemeldete Marke weder als beschreibende Angabe noch auf Grund fehlender Unterscheidungskraft von der Eintragung ausgeschlossen (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG).
1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Die Hauptfunktion der Marke besteht nämlich darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (st. Rspr.; EuGH GRUR 2006, 229 - Rn. 27 ff. - BioID; GRUR 2004, 1027 - Rn. 42 ff. - DAS PRINZIP DER BEQUEM-LICHKEIT; BGH GRUR 2005, 257 - Bürogebäude; BGH GRUR 2003, 1050 - Cityservice; BGH GRUR 2001, 1153, 1154 - antiKALK). Da nur das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab zugrunde zu legen, d. h. jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard). Für die noch beanspruchten Waren und Dienstleistungen verfügt die angemeldete Wortfolge über das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft.
1.1. Das angemeldete Zeichen "Junior Erlebniswelt" setzt sich aus dem Begriff "Junior" für "Jugendlicher, Heranwachsender" (Duden - Das Fremdwörterbuch, 8. Auflage 2005 [CD-ROM]) und dem Begriff "Erlebniswelt" zusammen. In der Werbesprache drückt das Wort "Erlebnis-" dabei in Bildung mit Substantiven aus, dass etwas als aufregendes Erlebnis empfunden wird: z. B "Erlebnisbad", "Erlebniseinkauf" (Duden - Deutsches Universalwörterbuch, 5. Auflage 2003 [CD-ROM]). Die "Erlebniswelt" ist daher ein schlagwortartiger Hinweis auf einen Mikrokosmos, der in der Regel noch näher thematisch bestimmt wird, in dem Aufregendes erlebt werden kann. So gibt es in der "Erlebniswelt Fußball - Rund ums Leder" Spielwaren, die sich mit Fußball beschäftigen (www.holzspielzeugdiscount.de/EM010907--TIPP-KICK-Junior-Cup.html).
Die "Liliput Erlebniswelt" (http://erlebniswelt.liliput.ch/ausfluege.aspx€ChoiceId-=Comment) bietet 104 Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche. Auf der "INTERMOT Köln" eröffnet sich eine "völlig neue Erlebniswelt" für Motorradfahrer (http://www.motul.de/i/nws/new.php). Die "TOWABU Indoor-Erlebniswelt" in Bremen bietet Eltern und Kindern eine Auswahl an Beschäftigungen bei jedem Wetter (www.familienkoultur.de/sport_spiel/seite_8.html). Die Google-Recherche nach dem Stichwort: "junior erlebniswelt" hat weitere thematische Treffer für eine "Erlebniswelt Renaissance", "Erlebniswelt Natur und Technik", "Erlebniswelt Veranstaltungen", "eine Erlebniswelt für Kinder im Internet", "Erlebniswelt Internet ins Haus" usw. ergeben. Hotels werben mit der "Bade-Erlebniswelt" (http://www.ottoreisen.de/angebote/furstenhof.aspx) oder der "eigenen Erlebniswelt für Kinder" (www.railtours.at/application/index.cfm).
Zudem kennt der Verkehr eine spezielle "Erlebniswelt dieser Frauen" (www.uniprotokolle.de/foren/viewt/53525,0.html), aber auch eine "männliche Erlebniswelt" (www.qualitychannel.de) und eine "Erlebniswelt für Kinder" (s. o.), daher erschließt sich ihm ohne weiteres, dass es auch eine Erlebniswelt für Jugendliche oder Heranwachsende, nämlich Junioren, geben kann. "Junior" in einer anderen Bedeutung ist in der Zusammensetzung daher nicht nahe liegend.
1.2. Das angemeldete Zeichen "Junior Erlebniswelt" ist unterscheidungskräftig, da das Gesamtzeichen - für die noch beanspruchten Waren und Dienstleistungen - weder unmittelbar beschreibend ist noch ihm eine im Vordergrund stehende Sachaussage zugeordnet werden kann. Nach der Recherchelage ergibt sich insoweit eine rein werbende oder beschreibende Verwendung nämlich nur für diejenigen Waren oder Dienstleistungen, die sich thematisch und inhaltlich mit einer "Junior Erlebniswelt" beschäftigen können. Aufgrund der ihm bekannten o. g. Beispiele wird sich das Publikum daher nur im Zusammenhang mit Waren, die sich an Kinder und Jugendliche als Zielgruppe richten und ihnen eine bestimmte Gefühlswelt vermitteln wollen, seien es Computerspiele, Lernsysteme oder konventionelles Spielzeug, oder Dienstleistungen wie Erlebnisparks, kulturelle oder sonstige Veranstaltungen, eine Vorstellung hinsichtlich des Begriffsinhalts der angemeldeten Marke bilden können.
1.2.1. Dies gilt allerdings nicht für Waren und Dienstleistungen, die üblicherweise nicht nach ihrem thematischen Inhalt beschrieben werden. "Unbespielte Magnetaufzeichnungsträger, insbesondere Compact-Discs, unbespielte Videobänder" gehören zu dem Kreis der Waren, die mangels eines entsprechenden Inhalts mit der angemeldeten Wortfolge nicht beschrieben werden können. Ein Produktbezug zwischen dem angemeldeten Zeichen und der beanspruchten Ware kann damit nicht hergestellt werden. Der Verkehr wird daher in der Angabe "Junior Erlebniswelt" keinen Sachhinweis, sondern nur einen Hinweis auf einen bestimmten Hersteller sehen.
1.2.2. Die Dienstleistungen "Werbung, insbesondere Werbe- und Verkaufsförderungsmaßnahmen für Verlagserzeugnisse auf Ausstellungen, Messen sowie in Jugendhäusern und Schulen, einschließlich von Werbe- und Verkaufsförderungsmaßnahmen für Verlagserzeugnisse im Rahmen von Haustürgeschäften; Vermittlung von Werbe- und Verkaufsförderungsmaßnahmen, Durchführung von Verkaufsförderungsmaßnahmen, nämlich Verteilen von Werbematerial; Werbemittlung, Geschäftsführung, Marketing; Marktforschung und Marktanalyse sowie Markenuntersuchung und Markenanalyse" werden von Privatpersonen oder Institutionen erbracht, die ihre Dienstleistung unter dem Namen einer natürlichen Person, ggf. auch mit einem beschreibenden Zusatz, oder einer Phantasiebezeichnung erbringen wie z. B. A... GmbH, B... GmbH oder C... GmbH bzw. D..., E... oder F... AG. Sie benennen in der Regel aber ihre Dienstleistung nicht nach dem speziellen Segment, für das sie erbracht werden soll, da ihre Tätigkeit breiter angelegt und nicht auf einen spezifischen Produktbereich eingeschränkt ist.
2. Der angemeldeten Wortfolge kommt nach den vorgenannten Ausführungen keine beschreibende Bedeutung zu. Damit ist das Zeichen auch nicht freihaltebedürftig, da die Gefahr einer Monopolisierung einer für Wettbewerber erforderlichen Bezeichnung nicht besteht.
BPatG:
Beschluss v. 27.09.2006
Az: 29 W (pat) 114/04
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