Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. Mai 2011
Aktenzeichen: 24 W (pat) 30/10

(BPatG: Beschluss v. 11.05.2011, Az.: 24 W (pat) 30/10)

Tenor

Auf die Beschwerde der Markeninhaberin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patentund Markenamts vom 8. März 2007 und vom 24. Juli 2009 aufgehoben, soweit die Marke 304 66 511 wegen des Widerspruchs aus der Gemeinschaftsmarke 2 276 483 für folgende Dienstleistungen gelöscht worden ist:

"Bereitstellen von Informationen im Internet, Bereitstellung von Plattformen im Internet, Bereitstellung von Portalen im Internet, Betrieb von Chatlines, Chatrooms und Foren; Aktualisieren von Internetseiten, Beratung bei der Gestaltung von Homepages und Internetseiten, Dienstleistungen einer Datenbank, Gestaltung und Unterhalt von Websites für Dritte, Konzeptionierung von Webseiten, Nachforschungen, Recherchen in Datenbanken und im Internet für Dritte, redaktionelle Betreuung von Internetauftritten, Styling (industrielles Design), Vergabe und Registrierung von Domainnames."

Insoweit wird der Widerspruch zurückgewiesen.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die am 22. November 2004 als Wortmarke angemeldete Zahlist am 8. Juni 2005 unter der Nr. 304 66 511 für folgende Waren und Dienstleistungen in das Markenregister des Deutschen Patentund Markenamts eingetragen worden:

"25: Kopfbedeckungen;

38: Nachrichtenund Bildübermittlung mittels Computer, Bereitstellen von Internetzugängen, Bereitstellen von Informationen im Internet, Bereitstellung von Plattformen im Internet, Bereitstellung von Portalen im Internet, Betrieb von Chatlines, Chatrooms und Foren, E-Mail-Dienste, Weiterleiten von Nachrichten aller Art an Internetadressen (Webmessaging);

42: Zur-Verfügung-Stellen von Webspace (Webhosting), Aktualisieren von Computersoftware, Aktualisieren von Internetseiten, Beratung bei der Gestaltung von Homepages und Internetseiten, Beratung für Telekommunikationstechnik, Bereitstellung von Computerprogrammen in Datennetzen, Betrieb von Suchmaschinen für das Internet, Computersystemdesign, Datensicherung, Datenverwaltung auf Servern, Design von Computersoftware, Design von Homepages und Webseiten, Dienstleistungen einer Datenbank, EDV-Beratung, Erstellen von Webseiten, Gestaltung und Unterhalt von Websites für Dritte, Hardund Softwareberatung, Implementierung von EDV-Programmen in Netzwerken, Installieren von Computerprogrammen, Konfiguration von Computernetzwerken durch Software, Konvertieren von Computerprogrammen und Daten (ausgenommen physische Veränderung), Konzeptionierung von Webseiten, Kopieren von Computerprogrammen, Nachforschungen, Recherchen in Datenbanken und im Internet für Dritte, redaktionelle Betreuung von Internetauftritten, Serveradministration, Styling (industrielles Design), technische Beratung Vergabe und Registrierung von Domainnames, Vermietung und Wartung von Speicherplätzen zur Benutzung als Websites für Dritte (Hosting), Vermietung von Computersoftware, Vermietung von Speicherplatz im Internet, Vermietung von Webservern, Wartung von Internetzugängen, Zur-Verfügung-Stellen von Speicherkapazitäten zur externen Nutzung (Webhosting), Zurverfügungstellung von Speicherplätzen im Internet."

Die Veröffentlichung erfolgte am 8. Juli 2005.

Widerspruch erhoben ist u. a. aus der prioritätsälteren Gemeinschaftsmarke 2 276 483 (angemeldet am 27. Juni 2001 und eingetragen am 20. März 2003)

die u. a. für folgende Waren und Dienstleistungen Schutz genießt:

"9: Elektrische, fotografische, Film-, optische, Wäge-, Mess-, Signal-, Kontroll-, Rettungs-, Unterrichtsapparate und -instrumente; Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Bild, Ton und Daten; Magnetaufzeichnungsträger, Schallplatten, Kassetten, CDs, CD-ROMs, DVDs; Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate; Datenverarbeitungsgeräte; Computerhardware und -software;

25: Bekleidung; Kopfbedeckungen; Schuhwaren."

Seitens der Markenstelle für Klasse 42 ist die angegriffene Marke in einem ersten Beschluss vom 8. März 2007 wegen bestehender Verwechslungsgefahr gelöscht worden. Die Vergleichszeichen seien einander ähnlich; sie würden mit "sechsundvierzig" bzw. "vier, sechs" benannt. Die sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen lägen teils im Identitätsund teils im Ähnlichkeitsbereich (wird im Einzelnen näher ausgeführt).

Die im Einzelnen näher (u. a. mit Entscheidungen der Markenstelle in parallel anhängigen Widerspruchsverfahren) begründete Erinnerung der Markeninhaberin ist in einem zweiten Beschluss der Markenstelle vom 24. Juli 2009 zurückgewiesen worden. Die Erinnerungsprüferin -eine Beamtin des höheren Dienstes -ist der Auffassung, die sich gegenüberstehenden Marken seien einander verwechselbar ähnlich. Der klangliche Gesamteindruck der Widerspruchsmarke werde durch die Zahl "46" bestimmt; die graphische Gestaltung in Form der Kursivschrift blieben bei der phonetischen Wiedergabe unberücksichtigt. Für die Beurteilung der Warenund Dienstleistungsähnlichkeit sei von der Registerlage auszugehen. Die Waren "Kopfbedeckungen" seien identisch. Zwischen den Dienstleistungen der angegriffenen Marke in den Klassen 38 und 42 und einem Teil der Waren der jüngeren Marke in Klasse 9 (insbesondere "Datenverarbeitungsgeräte; Computerhardware und -software") bestehe -in unterschiedlichem Grade -Ähnlichkeit.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin. Sie stellt den Antrag, die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patentund Markenamts vom 8. März 2007 und vom 24. Juli 2009 aufzuheben und den Widerspruch aus der Gemeinschaftsmarke 2 276 483 zurückzuweisen.

Der Widersprechende stellt den Antrag, die Beschwerde der Markeninhaberin zurückzuweisen.

In der mündlichen Verhandlung am 22. Februar 2011 haben die Beteiligten ihre gegensätzlichen Standpunkte dargelegt.

Der Senat hat die Zustellung einer Entscheidung an Verkündungs Statt beschlossen.

Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Markeninhaberin ist nur teilweise -in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang -begründet; im Übrigen ist ihr wegen der Gefahr einer Verwechslung der sich gegenüberstehenden Marken im Verkehr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 125b MarkenG (wobei § 42 Abs. 2 Nr. 1 hier noch in der alten, bis zum 30. September 2009 gültigen Fassung anzuwenden ist; vgl. § 165 Abs. 2 MarkenG n. F.) der Erfolg zu versagen.

Ob Verwechslungsgefahr im Sinne dieser Vorschriften vorliegt, ist im Einzelfall unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Faktoren, insbesondere der Identitätbzw. Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen, des Schutzumfangs der Widerspruchsmarke, des Grades der Ähnlichkeit der Zeichen sowie der Art der Waren/Dienstleistungen und der bei der Auswahl und Auftragsvergabe zu erwartenden Aufmerksamkeit des beteiligten Verkehrs umfassend zu beurteilen (st. Rspr.; vgl. EuGH GRUR 1998, 387 -Sabèl/Puma; GRUR 2008, 343, Nr. 48 -BAINBRIDGE; BGH GRUR 2008, 903, Nr. 10 -SIERRA ANTIGUO; zur Wechselwirkung der genannten Einzelfaktoren s. auch Hacker in: Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 9 Rdn. 32, 33). Eine gänzlich fehlende Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen kann allerdings nicht durch die anderen Tatbestandsmerkmale der Verwechslungsgefahr ausgeglichen werden (EuGH GRUR 1998, 922 -Canon; vgl. auch Hacker in: Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rdn. 27, 57 m. w. Nachw.).

Beide sich gegenüberstehenden Zeichen verkörpern die Zahl 46, die jüngere Marke in normaler Schreibweise, die Widerspruchsmarke graphisch gestaltet, jedoch ohne sonderliche Verfremdung. Zumindest klanglich sind die Vergleichsmarken daher bei deutscher Aussprache -auf eine solche ist vorliegend auch bei der Widerspruchsmarke abzustellen -völlig identisch. Sie stimmen insoweit auch begrifflich überein.

Der Schutzumfang der Widerspruchsmarke mag -je nach Art der Waren und Dienstleistungen -unterschiedlich sein, wobei sich dieser Umstand aber letztlich nicht auf die Verwechslungsgefahr auswirkt. Ob "46" für Kopfbedeckungen -ebenso wie für sonstige Bekleidungsstücke und für Schuhe -eine Konfektionsgröße verkörpert, kann dahingestellt bleiben; denn selbst wenn man der Marke insoweit nur einen geringen Schutzumfang zubilligt, kann eine Verwechslungsgefahr angesichts der sonstigen maßgeblichen Faktoren -(klangliche) Zeichenund Warenidentität -hier nicht verneint werden. Dass die Zahl "46" für die Waren der Widerspruchsmarke in Klasse 9 eine sachbezogene Bedeutung hätte, ist seitens der Markeninhaberin nicht aufgezeigt worden und auch sonst in keiner Weise ersichtlich.

Gleichwohl ist die jüngere Marke nicht für sämtliche von ihr beanspruchten Dienstleistungen in den Klassen 38 und 42 zu löschen, weil diese im Verzeichnis der Widerspruchsmarke keine Entsprechung finden und auch zu den Waren in Klasse 9 nicht durchweg ähnlich sind.

Zwar ist die Annahme von Ähnlichkeit zwischen Waren und Dienstleistungen nicht grundsätzlich ausgeschlossen, jedoch ist wegen der unterschiedlichen Beschaffenheit von (körperlichen) Erzeugnissen und (nichtkörperlichen) Dienstleistungsangeboten schon im Regelfall nicht von einer besonderen Nähe auszugehen (Hacker in: Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rdn. 93 m. w. Nachw.). Was die Geräte zur Datenverarbeitung und -übertragung sowie Computerhardware und -software anbetrifft, für welche die Widerspruchsmarke u. a. Schutz genießt, so kommen diese heute auf so zahlreichen Gebieten des Geschäftslebens, der Technik, der Verwaltung und Rechtspflege, der Wissenschaft, des Gesundheitswesens usw. zum Einsatz, dass es keinesfalls gerechtfertigt erscheint, diese Waren mit sämtlichen Dienstleistungen, die (auch) unter Zuhilfenahme der elektronischen Datenverarbeitung und -übertragung erbracht werden, als ähnlich anzusehen (BGH GRUR 2004, 241 -GeDIOS; BPatGE 43, 115 = GRUR 2001, 518 -d3.net/d.3).

Diese Beurteilung gilt im Grundsatz auch auf den hier betroffenen Gebieten der Informationsvermittlung und Telekommunikation (vgl. auch EuGH GRUR Int. 2006, 49, Nr. 61 -MOBILIX) sowie des Internets, auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass derartige Dienstleistungen -jedenfalls, soweit sie auf das Internet bezogen sind -sich weitgehend erst entwickelt haben, nachdem die elektronische Datenübertragung ihren Durchbruch erzielt hat, und auf entsprechende Geräte sowie Software angewiesen sind. Um eine uferlose Ausdehnung des Ähnlichkeitsbereichs zwischen Waren und Dienstleistungen auf diesen Gebieten zu vermeiden, hält es der Senat für geboten, im Wesentlichen zwischen Dienstleistungen auf technischem Gebiet und solchen inhaltlicher Art zu differenzieren. Soweit Dienstleistungen in den Klassen 38 und 42, wie sie im vorliegenden Fall beansprucht werden, sich (vorwiegend) mit technischen Aspekten befassen (z. B. Entwicklung, Herstellung, Wartung von Datenverarbeitungsgeräten und Software bzw. Beratung in Bezug auf diese Erzeugnisse) ist von Ähnlichkeit auszugehen. Soweit es dagegen um das Bereitstellen inhaltlicher Informationen (zu beliebigen Themen) und von Diskussionsforen aller Art, Recherchedienstleistungen, die inhaltliche bzw. ästhetische Gestaltung von Internetauftritten usw. geht, ist mangels eines engen Bezugs zu den betreffenden Geräten die Annahme von Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit nicht geboten.

Ausgehend von diesen Überlegungen hat der Senat die aus der Beschlussformel ersichtliche Differenzierung getroffen, wobei er in Zweifelsfällen, auch unter Berücksichtigung der bisherigen, teilweise recht weit gehenden Bejahung einer Ähnlichkeit auf den betreffenden Sektoren in der Rechtsprechung des Bundespatentgerichts, von einem (überwiegend) technischen Charakter der betreffenden Dienstleistungen ausgegangen ist.

Für die Auferlegung von Verfahrenskosten (gem. § 71 Abs. 1 MarkenG) besteht kein Anlass.

Werner Richter Paetzold ist we-Viereckgen Urlaubs an der Unterschrift verhindert.

Wernerbr/Bb






BPatG:
Beschluss v. 11.05.2011
Az: 24 W (pat) 30/10


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