Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. Juni 2007
Aktenzeichen: 21 W (pat) 345/04

(BPatG: Beschluss v. 28.06.2007, Az.: 21 W (pat) 345/04)

Tenor

Das Patent wird widerrufen.

Gründe

I Die Erteilung des am 11. Juli 2002 beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldeten Patents 102 31 230 mit der Bezeichnung "Wassersprühnebel-System zur Brandort-Lokalisierung" ist am 22. Juli 2004 veröffentlicht worden.

Der Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung (Merkmalsgliederung hinzugefügt) lautet:

M1 Wassersprühnebelanlage zur Brandeindämmung/Brandbekämpfung sowie Rauch- und Wärmebindung in unterirdischen Verkehrswegen, vorzugsweise in Tunneln oder ähnlichen Verkehrsanlagen, M2 welche mit Sprührohren, in denen Sprühdüsen vorgesehen und welche mit Löschwasserversorgungsleitungen verbunden sind, M3 die gleichfalls mit einem Meßsystem ausgebildet sind, M4 wobei über die Wassersprühnebelanlage Wassersprühnebeltröpfchen im Größenbereich von 0,05 mm bis 0,3 mm Durchmesser erzeugt werden, M5 die mit Wassersprühnebeldüsen bestückten Sprühköpfe (7) in Sprührohren (2) vorgesehen sind, M6 wobei die Sprührohre (2) parallel zur Fahrbahn angeordnet sind, M7 die Sprührohre (2) in den einzelnen Sektionen (6) über den Längsbereich eines Tunnels (1) in dessen Decken- und Seitenbereichen angeordnet sind M8 und mit einer Brandfrüherkennung (3) ausgebildet ist.

Gegen das Patent ist Einspruch erhoben worden mit der Begründung, sein Gegenstand beruhe im Hinblick auf den aus den Druckschriften D1: DE 195 14 923 C2 D2: DE 100 19 537 A1 D3: DE 201 15 134 U1 und D4: DE 100 37 921 A1 bekannten Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die Einsprechende macht ferner eine offenkundige Vorbenutzung des Streitpatentgegenstandes geltend, zu deren Nachweis sie auf das (undatierte) Dokument D5: Tunnelschutz-Ausbildung der Tunnelsektion; tyco, fire & security, Total Waltherverweist und Zeugenbeweis anbietet. Im Prüfungsverfahren sind die Entgegenhaltungen DE 199 34 118 C2 und EP 0 197 371 A1 in Betracht gezogen worden. Außerdem ist vom Senat in der mündlichen Verhandlung die Druckschrift D6: EP 1 103 284 A2 in das Verfahren eingeführt worden.

Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent aufrechtzuerhalten.

Sie vertritt die Auffassung, der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 sei neu und erfinderisch.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II 1) Da die Einspruchsfrist im vorliegenden Fall nach dem 1. Januar 2002 zu laufen begonnen hat und der Einspruch vor dem 1. Juli 2006 eingelegt worden ist, ist das Bundespatentgericht für die Entscheidung nach § 147 Abs. 3 PatG in der bis einschließlich 30. Juni 2006 gültigen Fassung zuständig. Ablauf und Aufhebung dieser befristeten Zuständigkeitsregelung durch das "Gesetz zur Änderung des patentrechtlichen Einspruchsverfahrens und des Patentkostengesetzes" vom 26. Juni 2006 stehen dem nicht entgegen. Dies folgt aus § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. §§ 17 Abs. 1 Satz 1 GVG, 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO und dem allgemeinen Rechtsgrundsatz der fortwirkenden Zuständigkeit "perpetuatio fori" (vgl. hierzu ausführlich BPatG Beschl. vom 19. Oktober 2006 - 23 W (pat) 327/04).

2) Das Streitpatent betrifft ein Wassersprühnebel-System zur Brandbekämpfung in unterirdischen Verkehrswegen wie Straßenverkehrs- und Eisenbahntunneln sowie Bergwerksanlagen (Streitpatentschrift Absatz [0001]).

Dem Streitpatent liegt die Aufgabe zugrunde, ein Wassersprühnebel-System zu entwickeln, das die Eigenschaften des Wassersprühnebels in der Weise ausnutzt, dass somit die Rauch- und Temperaturentwicklungen für eine bestimmte Zeit unter Kontrolle gehalten werden, dies bei einer möglichst höchst genauen Bestimmung des Brandortes (Absatz [0013]).

3) Der erteilte Patentanspruch 1 ist, wie der Senat im Einzelnen überprüft hat, in vielfacher Hinsicht unzulässig erweitert. Es kann jedoch dahinstehen, ob der - zweifelsohne gewerblich anwendbare - Streitpatentgegenstand eine ausreichende Stütze in der ursprünglichen Offenbarung findet oder nicht, denn dieser Gegenstand beruht jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns, der hier als ein mit der Entwicklung unterirdischer Brandbekämpfungs- und Ortungsanlagen befasster, berufserfahrener Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau zu definieren ist.

Aus der Entgegenhaltung D1 ist eine Wassersprühnebelanlage bekannt, von der sich der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 allenfalls durch das Merkmal M6 unterscheidet. Ansonsten offenbart die D1 (vgl. Spalte 1, Zeilen 3 bis 8 und 63 bis 68 sowie die Zusammenfassung) bereits eine für den Einsatz in unterirdischen Verkehrswegen vorgesehene Wassersprühnebelanlage [Merkmal M1], wobei mit Sprühdüsen versehene Sprührohre verwendet werden (Spalte 2, Zeilen 18 bis 23), die, ähnlich wie bei Sprinkleranlagen, mit Löschwasserversorgungsleitungen verbunden sind [Merkmal M2]. Ferner ist gemäß D1 (Spalte 2, Zeilen 13 bis 18 und 56 bis 59) ein Messsystem (detektierende Sensoren) vorhanden, welches eine Brandfrüherkennung erlaubt [Merkmale M3 und M8]. Das System ist in Sektionen über den Längsbereich des Tunnels (Spalte 3, Zeilen 1 bis 7) aufgeteilt [Merkmal M7]. Schließlich ist für den Durchmesser der Tröpfchen ein optimaler Bereich von 0.01 bis 0.1 mm angegeben [Merkmal M4] (siehe Spalte 3, Zeile 13 bis 15).

Was nun das noch verbleibende Merkmal M6 anbelangt, so lässt die Druckschrift D1 zwar offen, ob die Sprührohre dort parallel, senkrecht oder aber anderweitig zur Fahrbahn orientiert sind. Es liegt jedoch im Ermessen des zuständigen Fachmanns, den Verlauf der Sprührohre den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten anzupassen, die Rohre beispielsweise also dann parallel zur Tunnelfahrbahn verlaufen zu lassen, wenn mit vertretbarem Aufwand längere Tunnelsektoren überwacht und im Brandfall wirksam mit Löschmittel versorgt werden sollen. Dann nämlich bietet es sich dem Fachmann unmittelbar an, jeden Tunnelsektor mit einem längs verlaufenden, von einer einzigen, quer angeordneten Stichleitung versorgten Sprührohr auszustatten. Eine entsprechende Orientierung der Sprührohre ist dem Fachmann im Übrigen schon aus der einschlägigen Druckschrift D6 (vgl. insbesondere die Figur und die Beschreibung Absätze [0022] bis [0024]) bekannt. Auf diese Weise ist es bei der bekannten Anordnung möglich, auch längeren, in Sektoren unterteilten Tunnelstrecken mittels einer vergleichweise geringen Zahl quer laufender Zuleitungen effektiv Löschmittel zuzuführen. Nach alledem wird der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 dem Fachmann durch den Stand der Technik nahe gelegt.

Die Patentinhaberin hat die Relevanz der Druckschrift D6 in der mündlichen Verhandlung nicht bestritten. Sie hat jedoch, wie schon zuvor schriftsätzlich (vgl. die Eingabe vom 13. Januar 2005, Seite 2, vorletzter Absatz bis Seite 4, drittletzter Absatz), die Auffassung vertreten, die D1 beträfe aufgrund des dort vorgesehenen Tröpfchendurchmessers von 0.01 bis 0.1 mm - ebenso wie die übrigen, im Verfahren befindlichen Druckschriften - eine Wassernebelanlage. Beim Streitpatentgegenstand hingegen handle es sich um eine Wassersprühnebelanlage, deren Tröpfchendurchmesser 0.1 bis 0.4 mm betrage.

Dieser Argumentation vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Denn im erteilten Patentanspruch 1 ist nicht davon die Rede, dass die Tröpfchen einen Durchmesser von 0.1 bis 0.4 mm aufweisen sollen. Vielmehr ist ein Intervall von 0.05 bis 0.3 mm beansprucht, welches mit dem in D1 angegebenen Intervall überlappt. Insofern ist es aus Sicht des Senats völlig unerheblich, ob der Stand der Technik eine Wassersprühnebelanlage oder eine Wassernebelanlage offenbart. Denn folgt man der diesbezüglichen Definition entsprechend der von der Patentinhaberin wiedergegebenen Tabelle (Schriftsatz vom 13. Januar 2005, Seite 2, oben), so ist klar, dass durch das Streitpatent jedenfalls beide Varianten beansprucht werden.

4) Mit dem nicht bestandsfähigen Patentanspruch 1 fallen aufgrund der Antragsbindung die auf diesen rückbezogen Patentansprüche 2 bis 7.

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