Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. Oktober 2002
Aktenzeichen: 14 W (pat) 71/01
(BPatG: Beschluss v. 22.10.2002, Az.: 14 W (pat) 71/01)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I Mit dem angefochtenen Beschluß vom 3. August 2001 hat die Patentabteilung 45 des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent 41 27 317 mit der Bezeichnung
"Einrichtung zum Behandeln von Substraten"
widerrufen.
Dem Beschluß liegen die erteilten Patentansprüche 1 bis 9 zugrunde, von denen Anspruch 1 wie folgt lautet:
"Einrichtung zum Behandeln von Substraten aus einem Plasma, mit wenigstens einer Anode, einer Kathode und einer elektrischen Gleichstrom-Spannungsquelle, die impulsweise an die Anoden-Kathoden-Strecke anschließbar ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Dauer der Spannungsimpulse und/oder der Abstand zwischen den Impulsen regelbar ist."
Zum Wortlaut der Ansprüche 2 bis 9 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
Der Widerruf ist im wesentlichen damit begründet, der auf die Firmenschrift MAGTRON aktuell, Ausgabe 3, 7/90 gestützte Einspruch sei zulässig und die Einrichtung nach Patentanspruch 1 gegenüber dem durch diese Entgegenhaltung belegten Stand der Technik nicht neu.
Trotz seiner Kürze lasse der fristgerecht eingegangene Einspruchsschriftsatz zweifelsfrei erkennen, dass damit der vollständige Widerruf des Streitpatents angestrebt werde, weil allein die Überschrift "EINSPRUCH" keine andere Auslegung zulasse und der vorletzte Satz des Einspruchsschriftsatzes alle Patentansprüche einschließe. Dass sich der Einspruch dabei auf § 21 Abs 1 Satz 1 in Verbindung mit § 3 Abs 1 oder § 4 PatG stütze, ergebe sich konkludent aus der Tatsache, dass nur eine einzige Druckschrift, nämlich die Firmenschrift MAGTRON aktuell, Ausgabe 3, 7/90, angezogen sei.
Entgegen der Auffassung der Patentinhaberin sei der Einspruch auch mit Gründen versehen und ausreichend substantiiert, weil er sich - obwohl die Merkmale "Anode" und "Kathode" an keiner Stelle ausdrücklich erwähnt seien - mit allen den Hauptanspruch des Streitpatents tragenden Merkmalen auseinandersetze. Durch den Verweis auf Bild 1 der Entgegenhaltung in Verbindung mit der Aufzählung allgemein bekannter PVD- bzw CVD-Verfahren im Absatz oberhalb dieses Bildes sei aus fachmännischer Sicht offensichtlich, dass es sich bei der in Bild 1 dargestellten und bezeichneten Beschichtungsvorrichtung um eine Vakuumkammer für eine Plasma-Oberflächenbehandlung handle, die mit üblichen Elektroden ausgestattet sei, die je nach Polung der - ebenfalls in Bild 1 dargestellten - Stromzuführung als Anode oder Kathode wirken würden. Der zuständige Fachmann - im vorliegenden Fall ein Beschichtungsingenieur mit einschlägiger Berufserfahrung auf dem Gebiet der Vakuum-Oberflächenbehandlungstechnik - brauche keine näheren Erläuterungen zu den in ihrer Funktion grundsätzlich bekannten Einzelteilen derartiger Vorrichtungen. Vielmehr erkenne der Fachmann auf Anhieb, dass es sich bei den in Bild 1 dargestellten Einbauten um Elektroden handele, die je nach Polung als Anode oder Kathode wirken würden. Zu den übrigen Merkmalen des Hauptanspruchs habe die Einsprechende - von der Patentinhaberin unbestritten - im Einzelnen Stellung genommen und den Bezug zwischen dem Hauptanspruch und der Firmenschrift hergestellt. Hinzu komme, dass es sich bei dem hier relevanten Teil der Entgegenhaltung um eine kurze, dh zweieinhalb Spalten umfassende Veröffentlichung handle, deren wesentlicher technischer Inhalt aus dem Schaltschema in Bild 1 hervorgehe. Die textlichen Erläuterungen der Fachbegriffe und Funktionen richteten sich eher an den interessierten Laien und seien für den Fachmann von nachgeordnetem Interesse, weshalb eine genauere Angabe von Textstellen im Einspruchsschriftsatz entbehrlich sei. Zudem seien die relevanten Teile in Bild 1 - zumindest im Aktenexemplar lesbar - beschriftet. Es bedürfe auch keiner Merkmalsanalyse im Einspruchsschriftsatz, um den Zulässigkeitskriterien des PatG zu genügen. Die Firmenschrift sei trotz des Einwandes der Patentinhaberin als öffentliche Druckschrift anzusehen, weil einerseits der Druckvermerk "michael binder, BDW werbeberatung 7/90" und andererseits die Angaben auf der Titelseite "Ausgabe 3, 7/90; Die MAGTRON-Einweihungsfete am 13. Juni 1990 in Ottersweier:" für einen Druck im Juli 1990, dh mehr als ein Jahr vor dem Anmeldetag des Streitpatents sprächen. Die Firmenschrift sei somit zweifelsfrei nicht während der Einweihungsfeier verteilt worden, sondern allenfalls nachträglich "als Trostpflaster und Bildnachlese für alle Daheimgebliebenen", wie auch im vorletzten Satz auf der Deckblattseite erwähnt. Nach ständiger Rechtsprechung wie BPatGE 32, 109 und der Lebenserfahrung sei bei derartigen, der Werbung dienenden Firmenschriften davon auszugehen, dass sie zum Zwecke der Verteilung an Kunden und Interessenten hergestellt seien und zeitnah nach dem Druck auch zur Verteilung gelangen würden. Einer Einvernahme der von der Einsprechenden angebotenen Zeugen habe es daher nicht bedurft.
In der Firmenschrift sei unter der Überschrift "Gepulste Stromquellen - der Trumpf der plasmagestützten Oberflächentechnik" in Bild 1 eine als Beschichtungskammer bezeichnete Behandlungskammer dargestellt, die, wie aus der Überschrift bzw der Beschreibung oberhalb des Bildes hervorgehe, im Übereinstimmung mit dem betreffenden Merkmal des Hauptanspruchs des Streitpatents zur Durchführung von Plasmaverfahren geeignet sei. Diese in Bild 1 dargestellte Beschichtungskammer verfüge über zwei gegenüberliegende Elektroden, die mittels Polwender (links neben der Beschichtungskammer angeordnet) anodisch oder kathodisch schaltbar seien. Weiterhin sei im linken Teil von Bild 1 eine als Netzgerät bezeichnete Gleichstrom-Spannungsquelle dargestellt. Diese Gleichstromquelle sei weiterhin nach Bild 1 über eine als MAGPULS bezeichnete Einrichtung und den Polwender mit einer Elektrode und der Beschichtungskammer verbunden. Da es sich bei MAGPULS um einen Pulserzeuger handle, seien auch diese weiteren Merkmale des Oberbegriffs vorbeschrieben. Zusätzlich gehe aus Bild 1 der Entgegenhaltung hervor, dass ein Prozessrechner vorgesehen sei, der zur Überwachung und Regelung der Prozessparameter, insbesondere Pulslänge und/oder Pulsfrequenz diene. Aus alledem ergebe sich, dass aus der Firmenschrift (1) alle Merkmale des Patentanspruchs 1 des Streitspatents im Zusammenhang bekannt seien.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin, mit der sie ihr Patentbegehren nach Hauptantrag auf der Grundlage der erteilten Patentansprüche 1 bis 9, hilfsweise mit Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag I vom 1. Juli 2002, weiter hilfsweise mit Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II vom 1. Juli 2002 und weiter hilfsweise mit Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag III, überreicht in der mündlichen Verhandlung, jeweils mit der Maßgabe, daß im kennzeichnenden Teil anstatt des Bestandteils "und/oder" das Wort "und" gesetzt wird.
Die Fassung des Anspruchs 1 nach Hauptantrag ergibt sich mit dieser Maßgabe unmittelbar aus dem vorstehenden erteilten Patentanspruch 1.
Der geltende Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag I unterscheidet sich vom Anspruch 1 nach Hauptantrag durch die Einfügung der Angabe "zur Einstellung einer Beschichtungsrat auf einem Substrat" nach "dadurch gekennzeichnet, daß".
Der den Hilfsantrag II zugrundeliegende Anspruch 1 lautet:
"Einrichtung zum Behandeln von Substraten aus einem Plasma, mit wenigstens einer Anode, einer Kathode und einer elektrischen Gleichstrom-Spannungsquelle, die impulsweise an die Anoden-Kathoden-Strecke anschließbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Dauer der Spannungsimpulse und der Abstand zwischen den Impulsen regelbar ist, wobei der Abstand zwischen zwei Spannungsimpulsen wenigstens tz + tp beträgt, wobei tz die nach dem Einschalten einer Versorgungsspannung erforderliche Zeit zum Zünden eines Plasmas und tp die Plasma-Entstehungszeit ist."
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag III hat folgenden Wortlaut:
"Einrichtung zum Behandeln von Substraten aus einem Plasma, mit wenigstens einer Anode, einer Kathode und einer elektrischen Gleichstrom-Spannungsquelle, die impulsweise an die Anoden-Kathoden-Strecke anschließbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass
(a) die Dauer der Spannungsimpulse und der Abstand zwischen den Impulsen regelbar ist;
(b) das Substrat (10) relativ zu einer Kathode bewegbar ist und
(c) der Abstand zwischen zwei Spannungsimpulsen wenigstens tz + tp beträgt, wobei tz die nach dem Einschalten einer Versorgungsspannung erforderliche Zeit zum Zünden des Plasmas und tp die Plasma-Entstehungszeit ist."
Die Patentinhaberin hält den Einspruch weiterhin für unzulässig und die entgegengehaltene Firmenschrift, sollte sie vom Senat als öffentliche Druckschrift gewertet werden, für nicht patenthindernd. Über die Regelung des Abstandes zwischen den Impulsen sei diesem Dokument nichts zu entnehmen. Der Pulsbetrieb erfolge auch nicht zur Einstellung einer Beschichtungsrate auf einem Substrat, sondern zur Vermeidung bzw Abschaltung von Arcs. Die Erkenntnis, zwischen zwei Spannungsimpulsen einen Mindestabstand von tz + tp festzulegen, wobei tz die nach den Einschalten einer Versorgungsspannung erforderliche Zeit zum Zünden eines Plasmas und tp die Plasma-Entstehungszeit sei, sei aus dem Stand der Technik nicht abzuleiten, die Fachwelt habe diese Parameter überhaupt nicht berücksichtigt. Eine relative Bewegung des Substrates zur Kathode gemäß Merkmal b) des Hauptanspruchs nach Hilfsantrag III bzw die Beschichtung in Durchlaufanlagen sei zwar als bekannt einzuräumen. Dies gelte aber nicht für den Pulsbetrieb, der eine nicht vorhersehbare, besonders vorteilhafte Betriebsweise ermögliche.
Die Patentinhaberin beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und den Einspruch als unzulässig zu verwerfen.
Sie beantragt ferner, das Patent mit den geltenden Unterlagen aufrechtzuerhalten mit der Maßgabe, daß im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 anstatt des Bestandteils "und/oder" das Wort "und" gesetzt wird (Hauptantrag), hilfsweisedas Patent aufrechtzuerhalten mit Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag I vom 1. Juli 2002, im übrigen wie Hauptantrag, weiter hilfsweisedas Patent aufrechtzuerhalten mit Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II vom 1. Juli 2002, im übrigen wie Hauptantrag, weiter hilfsweisedas Patent aufrechtzuerhalten mit Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag III, überreicht in der mündlichen Verhandlung, im übrigen wie Hauptantrag, jeweils mit der Maßgabe, daß in den Ansprüchen 1 der Hilfsanträge I bis III anstatt des Bestandteils "und/oder" das Wort "und" gesetzt wird.
Die Einsprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie tritt dem Vorbringen der Patentinhaberin in allen Punkten entgegen und verweist zum Merkmal b) des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag III auf DE 32 48 121 A1.
Wegen weiterer Einzelheiten des schriftlichen Vorbringens wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II Die Beschwerde der Patentinhaberin ist zulässig; sie konnte jedoch nicht zum Erfolg führen.
1. Bezüglich der Zulässigkeit des Einspruchs macht sich der Senat die Begründung des angefochtenen Beschlusses zu eigen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen und von Schreibarbeit verwiesen wird. Der Senat vermag insbesondere keine Anhaltspunkte zu erkennen, warum vorliegend der bei Firmenprospekten typische Normalfall einer alsbaldigen Verteilung an interessierte Kunden nicht gegeben gewesen sein soll (BPatGE 38, 206). Hierzu ist auch von der Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung nichts mehr vorgetragen worden.
2. Die Einrichtung nach Anspruch 1 gemäß Hauptantrag ist nicht mehr neu.
Bild 1 der entgegengehaltenen Firmenschrift zeigt schematisch den Aufbau einer Einrichtung zum Behandeln von Substraten aus einem Plasma, vgl hierzu die Aufzählung der bisher bekannten Verfahren oberhalb von Bild 1 sowie die folgenden Abschnitte "Plasma€", "Plasma gefällig€" und "Plasma im Griff!". Rechts in Bild 1 ist eine Beschichtungskammer mit zwei gegenüberliegenden Elektroden dargestellt und links ein Netzgerät mit Minus- und Pluspol, die über MAGPULS (einen elektronischen Leistungsschalter, vgl re Sp unter "MAGPULS") und einen Polwender mit der Beschichtungskammer verbunden sind. Damit sind für den Fachmann, der sich nach ständiger Rechtsprechung nicht an die in einer Entgegenhaltung konkret verwendeten Worte klammert, vgl Schulte PatG 6 Aufl § 3 Rdn 104, ohne weiteres erkennbar bei der Anordnung gemäß Bild 1 eine Anode, eine Kathode und eine elektrische Gleichstrom-Spannungsquelle, die impulsweise an die Anoden-Kathoden-Strecke anschließbar ist, vorhanden.
Im unterhalb der Beschichtungskammer angeordneten Kasten sind unter dem Begriff "Prozeßrechner" einige Prozeßgrößen zur "Überwachung/Regelung" aufgeführt, darunter Pulslänge und Pulsfrequenz. Die Pulslänge, die in Bild 2 der Entgegenhaltung zwischen den mit 3 und 4 charakterisierten Zeitwerten eingetragen ist, entspricht vollständig dem Merkmal "Dauer der Spannungsimpulse". Mit der Pulsfrequenz ist der Kehrwert der Zeitspanne von Einschalten eines Impulses bis zum Einschalten des darauffolgenden Impulses definiert und damit zwangsläufig diese gesamte Zeitspanne aus Beschichtungszeit (oder Sputterzeit) tan und Nichtbeschichtungszeit taus (iSv Sp 3 Z 41 bis 49 der Streitpatentschrift) vom Zünden des einen Impulses zum Zünden des folgenden Impulses. Ist nun - gemäß Bild 1 - sowohl die Pulslänge (tan) als auch die Zeitspanne von Beginn eines Impulses bis zum Beginn des folgenden Impulses (tan + taus) regelbar, so ist damit physikalisch zwangsläufig auch die Regelung der Größe taus verbunden, die im Anspruch 1 "als Abstand zwischen den Impulsen" bezeichnet ist. Physikalisch führt es zum identischen Ergebnis, ob die Größen tan und taus als Variable behandelt werden oder die Größen tan und tan + taus, denn durch zwei dieser Größen ist jeweils auch die dritte definiert.
Der Ersatz des Bestandteils "und/oder" im kennzeichnenden Teil des erteilten Anspruchs 1 durch das Wort "und" führt somit zu keiner anderen Beurteilung der Neuheit als im angefochtenen Beschluß.
3. Die zusätzliche Angabe "zur Einstellung einer Beschichtungsrate auf einem Substrat" nach "dadurch gekennzeichnet, daß" kann der Einrichtung nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag I nicht zur Neuheit verhelfen.
Es ist nämlich weder ersichtlich noch von der Patentinhaberin dargelegt worden, daß die Angabe dieses Verwendungszwecks eine, wenn auch nur geringfügige - gegenständliche Veränderung der beanspruchten Einrichtung erfordern würde (vgl BGH GRUR 1991, 436 (3.Ls) - Befestigungsvorrichtung II; GRUR 1979, 149 - Schießbolzen).
Eine Umdeutung des Sachanspruchs als Verfahrensanspruch könnte an dieser Beurteilung nichts ändern, weil sich die Einstellung der Beschichtungsrate infolge der Regelung von Dauer der Spannungsimpulse und Abstand zwischen den Impulsen bei ansonsten unveränderten Prozeßparametern zwangsläufig ergeben muß.
4. Auch der Einrichtung nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II kann die Neuheit selbst dann nicht zuerkannt werden, wenn die eigentlich die Betriebsweise betreffende Maßgabe, daß der Abstand zwischen zwei Spannungsimpulsen tz + tp beträgt, wobei tz die nach dem Einschalten einer Versorgungsspannung erforderliche Zeit zum Zünden eines Plasmas und tp die Plasma-Entstehungszeit ist, zur Beurteilung der Patentfähigkeit herangezogen wird.
Nach dem erteilten Anspruch 4 ist diese Bemessungsregel mit einer Zeitspanne von etwa 1 µs bis 12 µs erfüllt. Genau in diese Zeitspanne fallen aber die aus Bild 2 der Entgegenhaltung ableitbaren Abstände zwischen zwei Impulsen. Die jeweiligen Nichtbeschichtungszeiten vor dem 1., 2., 4., 5. und 6. Impuls dieser Abbildung liegen bei ca 1/3 der auf der Zeitachse eingetragenen Unterteilungen von 20 µs, somit bei rund 7 µs. Nach der einschlägigen Rechtsprechung ist daher die Einstellungsregel für den Abstand zwischen zwei Spannungsimpulsen neuheitsschädlich vorweggenommen, auch wenn sie nur unerkannt eingehalten worden ist (BGH, GRUR 1986, 163 - Borhaltige Stähle; GRUR 1982, 610 - Langzeitstabilisierung).
Entgegen der Auffassung der Patentinhaberin trifft es auch nicht zu, daß Bild 2 nur eine Aufeinanderfolge von Arcs betrifft. Die Arc-Abschaltung mit MAGPULS ist in der Position 2 des Bildes illustriert, der zugehörige Arc-Beginn in Position 1. Beides betrifft nur den Verlauf des zweiten Impulses; bei dem vorhergehenden Impuls wie bei den vier nachfolgenden tritt - für den Fachmann ersichtlich - keine Arc-Bildung mit einem Kammerstrom über 60 A auf.
5. Die Einrichtung gemäß Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag III ist aufgrund des mit b) bezeichneten Merkmals neu, denn der in Rede stehenden Firmenschrift ist weder unmittelbar noch mittelbar ein Hinweis auf ein (während der Plasmabehandlung) relativ zu einer Kathode bewegbares Substrat zu entnehmen.
Im Durchlaufverfahren betriebene Plasmabehandlungseinrichtungen mit einem relativ zur Kathode bewegbaren Substrat sind aber allgemein bekannt, wie beispielsweise durch die von der Einsprechenden entgegengehaltene DE 32 48 121 A1 belegt und auch von der Patentinhaberin eingeräumt wird.
Ein nicht vorhersehbares besonders vorteilhaftes Zusammenwirken des Durchlaufverfahrens mit dem aus der Firmenschrift bekannten regelbaren Pulsbetrieb hat die Patentinhaberin nicht überzeugend darlegen können. Die Beschreibungsteile in Sp 2 Z 5 bis 13 und Sp 3 Z 55 bis 64 der Streitpatentschrift, welche die Patentinhaberin in diesem Zusammenhang besonders herausgestellt hat, besagen lediglich, daß die Beschichtungsrate von der Substratvorschubgeschwindigkeit unabhängig ist, die Sputterkathode in einen geeigneten Betriebszustand zu bringen ist und die Nichtbeschichtungszeit der Substratvorschubgeschwindigkeit anzupassen ist. Dies sind aber Erkenntnisse bzw Maßnahmen, die dem Fachmann - einem Beschichtungsingenieur mit einschlägiger Berufserfahrung auf dem Gebiet der Vakuum-Oberflächenbehandlungstechnik (vgl S 5 Abs 2 des angefochtenen Beschlusses) - geläufig bzw im Rahmen seines Fachkönnens zu bewerkstelligen sind. Die zu erzielenden Beschichtungsergebnisse können unter Berücksichtigung der bekannten Vorteile des Durchlaufverfahrens (vgl hierzu S 4 Abs 2 der DE 32 48 121 A1) einerseits und der ebenfalls bekannten Vorteile des regelbaren Pulsbetriebs andererseits nicht als unerwartet oder überraschend gelten; eine sachgerechte Abstimmung des Pulsbetriebs auf die Substratvorschubgeschwindigkeit ist für den erwähnten zuständigen Fachmann unerläßlich.
Eine Einrichtung mit sämtlichen Merkmalen des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag III ergibt sich somit in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik und ist somit mangels erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig.
6. Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag, Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag I, Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag II sowie Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag III können daher wegen fehlender Patentfähigkeit keinen Bestand haben.
Die weiterverfolgten Unteransprüche müssen das Schicksal des jeweiligen Hauptanspruchs teilen, da über jeden der Anträge nur insgesamt entschieden werden kann.
Bei dieser Sachlage war die Beschwerde zurückzuweisen.
Moser Wagner Harrer Feuerlein Pü
BPatG:
Beschluss v. 22.10.2002
Az: 14 W (pat) 71/01
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