Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 20. März 2014
Aktenzeichen: IX ZB 288/11

(BGH: Beschluss v. 20.03.2014, Az.: IX ZB 288/11)

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten wird der Beschluss der Zivilkammer 82 des Landgerichts Berlin vom 28. September 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 8.926,78 € festgesetzt.

Gründe

I.

Ein Antrag der Gläubigerin auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin wurde durch das Insolvenzgericht zurückgewiesen, weil die dem Antrag zugrunde gelegte Forderung nicht hinreichend glaubhaft gemacht worden sei. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Gläubigerin blieb erfolglos. Die Schuldnerin ließ sich sowohl im Verfahren über den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens als auch im Beschwerdeverfahren anwaltlich vertreten.

Im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren beantragte die Schuldnerin die Festsetzung einer 1,0 Verfahrensgebühr für das Eröffnungsverfahren (Nr. 3313 VV RVG) und einer 0,5 Verfahrensgebühr für das Verfahren über die sofortige Beschwerde (Nr. 3500 VV RVG), berechnet jeweils nach der dem Eröffnungsantrag zugrunde gelegten Forderung in Höhe von 1.239.164,19 €.

Das Amtsgericht hat die der Schuldnerin von der Gläubigerin zu erstattenden Kosten antragsgemäß festgesetzt. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde wendet sich die Gläubigerin gegen die Annahme des Landgerichts, der Gegenstandswert bemesse sich nach der dem Eröffnungsantrag zugrunde gelegten Forderung.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 104 Abs. 3 Satz 1, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO, § 4 InsO) und auch im Übrigen zulässig (§ 575 ZPO, § 4 InsO). Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO, § 4 InsO).

1. Mit Recht hat das Beschwerdegericht erkannt, dass sich der Gegenstandswert für die Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren im Streitfall nicht nach der Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren richtet, sondern § 28 RVG einschlägig ist. Diese besondere Wertvorschrift steht der Anwendung von § 32 Abs. 1 RVG entgegen (KG, ZInsO 2013, 1541 Rn. 1; Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 21. Aufl., § 32 Rn. 2; Mayer/Kroiß/Kießling, RVG, 6. Aufl., § 32 Rn. 4; BeckOK-RVG/Sommerfeldt/Sommerfeldt, Stand 15. August 2012, § 32 Rn. 6; vgl. BGH, Beschluss vom 23. Januar 2003 - IX ZB 227/02, ZInsO 2003, 217 zu § 77 BRAGO).

2. Zu Unrecht hat allerdings das Beschwerdegericht die Frage des Werts für die Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren zum Gegenstand des Kostenfestsetzungsverfahrens nach den §§ 104 ff ZPO gemacht.

a) Im Kostenfestsetzungsverfahren wird lediglich geprüft, ob die geltend gemachten Kosten das diesem zugrundeliegende Verfahren betreffen, entstanden sind und notwendig waren (MünchKomm-ZPO/Schulz, 4. Aufl., § 104 Rn. 24; Musielak/Lackmann, ZPO, 10. Aufl., § 104 Rn. 5; Prütting/Gehrlein/ Schmidt, ZPO, 5. Aufl., § 104 Rn. 10; BeckOK-ZPO/Jaspersen, Stand 1. Januar 2014, § 104 Rn. 15). Die Wertfestsetzung, die für das Verfahren nach den §§ 104 ff ZPO Bindungswirkung entfaltet (OLG Düsseldorf, AGS 2010, 568, 569; MünchKomm-ZPO/Schulz, aaO Rn. 33; Prütting/Gehrlein/Schmidt, aaO Rn. 14; BeckOK-ZPO/Jaspersen, aaO Rn. 26), erfolgt in einem gesonderten Verfahren (§ 63 Abs. 2 GKG, § 33 RVG). Umfasst der Anspruch auf Kostenerstattung nicht nur Rechtsanwaltsgebühren, sondern auch verauslagte Gerichtskosten, und berechnen sich die Rechtsanwaltsgebühren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Wert, ist sowohl eine Wertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG als auch eine solche nach § 33 RVG erforderlich.

b) Ist über die für die Kostenerstattung maßgebliche Wertfestsetzung noch nicht rechtskräftig entschieden, fehlt es regelmäßig an einer Grundlage für die Durchführung des Verfahrens nach den §§ 104 ff ZPO (vgl. OLG Düsseldorf, aaO). Der mit der Bearbeitung des Kostenfestsetzungsantrags befasste Rechtspfleger muss das Verfahren daher entsprechend § 104 Abs. 3 Satz 2 ZPO, § 11 Abs. 4 RVG aussetzen, bis die fehlende Entscheidung ergangen ist. Auch das im Kostenfestsetzungsverfahren tätige Beschwerdegericht kann die ausstehende Wertfestsetzung nicht an sich ziehen, zumal dadurch ein vom Gesetzgeber ausdrücklich ausgeschlossener Rechtszug begründet würde. In den Verfahren für die Festsetzung des Gegenstandswerts findet eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes nicht statt (§ 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG; § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).

Von einer Aussetzung des Kostenfestsetzungsverfahrens kann nur abgesehen werden, wenn ein zur Wertfestsetzung führendes Verfahren noch nicht schwebt, sich die Durchführung eines solchen in bloßer Förmelei erschöpfen würde und es deshalb an einem Rechtsschutzbedürfnis hierfür fehlt (vgl. Dörndorfer in Binz/Dörndorfer/Petzold/Zimmermann, GKG, 2. Aufl., § 63 Rn. 7 mwN).

3. Nach diesen Grundsätzen hätte das Kostenfestsetzungsverfahren entsprechend § 104 Abs. 3 Satz 2 ZPO, § 11 Abs. 4 RVG bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Gegenstandswert für die Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren in dem dafür vorgesehene Verfahren ausgesetzt werden müssen. Weder war eine Wertfestsetzung nach § 33 RVG erfolgt noch war der festzusetzende Wert offenkundig und zwischen den Parteien unstreitig.

a) Nach § 33 Abs. 1 RVG setzt das Gericht des Rechtszugs den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf Antrag durch Beschluss fest. Jedenfalls an einem entsprechenden ausdrücklichen Antrag fehlt es. Die Schuldnerin hat lediglich die Kostenfestsetzung beantragt. In dem Antrag wird der Gegenstandswert allerdings beziffert. Es liegt nahe, dass hiermit schlüssig zugleich die Festsetzung des Gegenstandswerts in der genannten Höhe beantragt wird. Weder der funktionell zuständige Richter des Insolvenzgerichts (vgl. Gerold/Schmidt/Mayer, aaO § 33 Rn. 6; Schneider/Wolf/Thiel, RVG, 7. Aufl., § 33 Rn. 48) noch die mit der sofortigen Beschwerde gegen die Zurückweisung des Eröffnungsantrags befasste Kammer des Landgerichts haben bislang eine Festsetzung des Gegenstandswerts für die Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren vorgenommen. Festgesetzt wurde jeweils nur der Wert für die Gerichtsgebühren. Dass der für die Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren maßgebliche Wert nicht offenkundig ist, zeigen bereits die hierzu getroffenen Erwägungen des Beschwerdegerichts. Zudem ist er zwischen den Parteien streitig.

b) Vor der erneuten Entscheidung über die sofortige Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss wird das Beschwerdegericht deshalb das Verfahren nunmehr entsprechend § 104 Abs. 3 Satz 2 ZPO, § 11 Abs. 4 RVG auszusetzen haben, damit die zwischen den Parteien nur noch streitige Frage der Gegenstandswerts für die Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren für den jeweiligen Rechtszug geklärt werden kann.

Kayser Vill Lohmann Fischer Pape Vorinstanzen:

AG Berlin-Charlottenburg, Entscheidung vom 01.02.2011 - 36e IN 4268/09 -

LG Berlin, Entscheidung vom 28.09.2011 - 82 T 237/11 -






BGH:
Beschluss v. 20.03.2014
Az: IX ZB 288/11


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