Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. Mai 2010
Aktenzeichen: 25 W (pat) 52/09
(BPatG: Beschluss v. 07.05.2010, Az.: 25 W (pat) 52/09)
Tenor
1.
Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patentund Markenamts vom 7. August 2007 und vom 30. Mai 2008 aufgehoben, soweit der Widerspruch hinsichtlich der Waren "Zuckerwaren" zurückgewiesen worden ist. Wegen des Widerspruchs aus der Marke 304 28 989 wird die Löschung der Marke 305 33 010 für diese Waren angeordnet.
2.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Wortmarke Nimm 2 Fruchtpopsist am 5. August 2005 unter der Nr. 305 33 010 für folgende Waren der Klasse 30 in das Markenregister eingetragen worden:
"Zuckerwaren, Schokolade und Schokoladewaren, feine Backwaren". Dagegen hat die Inhaberin der prioritätsälteren Markefruitpop, die für die folgenden Waren der Klassen 29, 32 und 33
"Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten (Gelees), Konfitüren, Fruchtmus; Eier, Milch und Milchprodukte; Speiseöle und -fette; Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken; alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)"
im Markenregister unter der Nr. 304 28 989 eingetragen ist, Widerspruch erhoben.
Die Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patentund Markenamts hat durch zwei Beschlüsse vom 7. August 2007 und vom 30. Mai 2008, von denen einer im Erinnerungsverfahren erging, den Widerspruch zurückgewiesen.
Nach der Auffassung der Markenstelle könne eine Verwechslungsgefahr im Sinne der §§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 42 Abs. 2 MarkenG nicht festgestellt werden. Bei geringer bis durchschnittlicher Warenähnlichkeit wiesen die Marken in ihrer Gesamtheit keine Ähnlichkeit auf. Obwohl das Ende der angegriffenen Marke klanglich mit dem Ende der Widerspruchsmarke übereinstimme, seien die Wortanfänge, Klangfolgen und Wortlängen unterschiedlich. Aufgrund der unterschiedlichen Länge beider Marken liege auch keine schriftbildliche Ähnlichkeit vor. Weiterhin seien die Marken auch begrifflich nicht ähnlich. "Fruchtpops" sei für alle Waren des Verzeichnisses der angegriffenen Marke unmittelbar beschreibend. Aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen könne daher die angegriffene Marke in ihrer Gesamtheit nicht von diesem Bestandteil geprägt werden. Wegen der eingeschränkten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und mangels einer selbständig kennzeichnenden Stellung der übernommenen Marke in der jüngeren Marke könne auch keine Markenusurpation angenommen werden.
Hiergegen wendet sich die von der Widersprechenden am 26. Juni 2008 erhobene Beschwerde.
Sie ist der Auffassung, dass in hohem Maße Verwechslungsgefahr bestehe. Die Widerspruchsmarke besitze mindestens normale Kennzeichnungskraft. Insbesondere sei der Wortteil "pop" keine beschreibende Angabe für eine bestimmte Warenart. In Alleinstellung habe dieser Begriff vielmehr in der englischen Sprache die gleiche Bedeutung wie in der deutschen Sprache (Popmusik etc.). Die angegriffene Marke sei von ihrer Bedeutung her als Imperativ aufzufassen; mithin sei hier der Bestandteil "Fruchtpops" das einzig prägende Markenwort. Zumindest sei insoweit von einer selbständig kennzeichnenden Stellung dieses Bestandteils innerhalb der angegriffenen Marke auszugehen. Auch sei eine hinreichende Warenähnlichkeit gegeben.
Die Beschwerdeführerin beantragt, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patentund Markenamts vom 30. Mai 2008 aufzuheben und der Anmeldemarke die Eintragung zu versagen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie teilt die Erwägungen der Markenstelle. Ferner trägt sie vor, die Bezeichnung "fruitpops" sei auch nach dem Sachvortrag der Beschwerdeführerin kennzeichnungsschwach. Die im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke enthaltenen Produkte könnten überwiegend mit Zerealien (insoweit sei dem Bestandteil "pop" eine beschreibende Bedeutung zuzuschreiben) hergestellt werden, bei der angegriffenen Marke träfe dies sogar auf alle Produkte zu. Auch für Getränke sei "Pop" beschreibend, weil dieser Begriff in der englischen und amerikanischen Umgangssprache für süße Getränke (= Limo) stehe. Ferner sei der Bestandteil "nimm 2" der angegriffenen Marke kein an die Verbraucher gerichteter Imperativ, sondern weise auf den Betrieb der Beschwerdegegnerin hin. Der Bestandteil "nimm 2" sei eine seit Jahrzehnten durchgesetzte Marke mit überragendem Bekanntheitsgrad, wozu sie auf Vertriebsund Umsatzzahlen und von ihr getätigte Marketingund Mediaaufwendungen verweist. Letztlich bestreitet sie die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die verfahrensgegenständlichen Beschlüsse der Markenstelle, auf die Schriftsätze der Beteiligten und den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und teilweise begründet. Entgegen der Auffassung der Markenstelle ist zwischen den gegenüberstehenden Marken hinsichtlich der Ware "Zuckerwaren" Verwechslungsgefahr gegeben (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG). Daher war die Löschung der angegriffenen Marke gemäß §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 43 Abs. 2 Satz 1 MarkenG insoweit anzuordnen. Hinsichtlich der weiteren Waren der angegriffenen Marke hat die Markenstelle eine Verwechslungsgefahr in Bezug auf die Widerspruchsmarke jedoch zutreffend verneint, so dass insoweit der Widerspruch gemäß §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 43 Abs. 2 Satz 2 MarkenG zu Recht zurückgewiesen worden ist.
Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (EuGH GRUR 2006, 237, 238 -PI-CASSO; GRUR 1998, 387, 389 f. -Sabèl/Puma). Ihre Beurteilung bemisst sich insbesondere nach der Identität oder Ähnlichkeit der Waren, der Identität oder Ähnlichkeit der Marken und dem Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Diese Faktoren sind zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr (vgl. BGH GRUR 2008, 258 - INTERCONNECT/T-InterConnect; BGH MarkenR 2009, 399 - Augsburger Puppenkiste; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 9, Rdnr. 32).
1.
Für die Frage der Warenähnlichkeit ist von der Registerlage auszugehen. Zwar hat die Markeninhaberin die Benutzung der Widerspruchsmarke durch die Widersprechende bestritten. Gegen die Widerspruchsmarke ist aber nach deren Eintragung ein Widerspruch erhoben worden. Das betreffende Widerspruchsverfahren ist am 19. April 2006 abgeschlossen worden. Damit beginnt gemäß § 26 Abs. 5 MarkenG die fünfjährige Benutzungsschonfrist des § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG nicht bereits mit der Eintragung der Widerspruchsmarke, sondern erst zu diesem Zeitpunkt. Diese Frist ist daher noch nicht abgelaufen, so dass die Einrede der Nichtbenutzung in Bezug auf die Widerspruchsmarke keine rechtlichen Wirkungen entfalten kann.
2.
Eine relevante Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren kann angenommen werden, wenn diese unter Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen, insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebsoder Erbringungsart, ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte oder anderer, für die Frage der Verwechslungsgefahr wesentlicher Gründe, so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus denselben oder ggf. wirtschaftlich verbundenen Unternehmen (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 9 Rdnr. 49 m. w. N.). Hiervon ausgehend können sich die gegenüberstehenden Marken auf Waren begegnen, die teils in einem engen, im übrigen aber in einem mittleren Ähnlichkeitsbereich stehen.
a) Eine hochgradige Ähnlichkeit ist zwischen der Ware "Zuckerwaren" der angegriffenen Marke und den Waren "Gallerten (Gelees), Konfitüren, Fruchtmus" zu bejahen. Unter Zuckerwaren fallen zahlreiche unterschiedliche Lebensmittel, die durch den Zusatz von Zucker der üblichen Zuckerarten, aber auch durch Süßstoffe, Zuckeralkohole oder andere süße Zutaten meist einen ausgeprägt süßen Geschmack haben (vgl. http://www.waswiressen.de/abisz/zuckerwaren/php). Sie können gerade auch mit Früchten oder Fruchtzusätzen zubereitet sein. Auch Gelee-Erzeugnisse wie z. B. Gelee-Früchte oder kandierte Früchte oder andere kandierte Pflanzenteile sind den Zuckerwaren zuzuordnen (vgl. http://www.waswiressen.de/abisz/zuckerwaren/php). Von der Zusammensetzung und ihrer Beschaffenheit, aber auch von ihren Vertriebswegen her weisen somit Gallerten (Gelees), Konfitüren und auch Fruchtmus auf der einen und Zuckerwaren auf der anderen Seite weitgehende Überschneidungen auf. Es handelt sich zudem um Lebensmittel, die nicht als Grundnahrungsmittel, sondern entweder als eine reine "Nascherei" oder in Verbindung mit anderen Nahrungsmitteln konsumiert werden. Insgesamt liegt damit für den Verkehr, hier insbesondere die Endverbraucher, die Annahme einer gemeinsamen betrieblichen Herkunft besonders nahe.
b) Eine mittlerer Grad an Warenähnlichkeit ist zwischen den vorgenannten Waren der Widerspruchsmarke und der Ware "feine Backwaren" der angegriffenen Marke gegeben. Feine Backwaren werden zwar aus Teigen oder Massen durch Backen, Rösten, Trocknen und ähnliche Verfahren hergestellt, enthalten aber mehr als 10 % Fett und Zucker auf 90 Teile Getreide (vgl. http://www.waswiressen.de/abisz/backwaren/php). Da gerade im Bereich der Feinbackwaren, so z. B. bei Blätterteiggebäck oder Plunder, Konfitüren und Fruchtmus als wichtige, geschmackgebende Bestandteile verwendet werden, weisen diese Waren mit "feinen Backwaren" Überschneidungen auf, die insgesamt die Bejahung einer mittleren Warenähnlichkeit rechtfertigen, auch wenn die Vergleichswaren häufig nicht in denselben Produktionsstätten hergestellt werden.
c) Eine vergleichbare, mittlere Ähnlichkeit ist auch zwischen den Waren "Schokolade und Schokoladenwaren" der angegriffenen Marke und den Waren "Milch und Milchprodukte" der Widerspruchsmarke gegeben. Bei Schokoladenwaren ist die Beimengung von Milchprodukten oder Milchpulver insbesondere bei der Herstellung von Milchschokolade und weIßer Schokolade üblich und produkttypisch. Umgekehrt ist die Zugabe von Schokolade bei Milch-(Mix-)Getränken eine übliche Zubereitungsart. Diese Waren weisen damit ebenfalls Überschneidungen auf, die sie als jedenfalls ohne weiteres ähnlich erscheinen lassen (vgl. auch BGH GRUR 2007, 1066, Tz. 22 -Kinderzeit).
d) Die Waren der angegriffenen Marke weisen zu allen weiteren Waren der Widerspruchsmarke einen insgesamt erheblich weiteren Abstand auf, sofern überhaupt noch eine Warenähnlichkeit gegeben ist.
3.
Soweit es um die Waren der Widerspruchsmarke geht, die für die Frage der Warenähnlichkeit und der Verwechslungsgefahr vorliegend relevant sind, nämlich "Gallerten (Gelees), Konfitüren, Fruchtmus" und "Milch und Milchprodukte", weist die Widerspruchsmarke eine zumindest durchschnittliche Kennzeichnungskraft auf. Insoweit kann jedenfalls nicht von einer verminderten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ausgegangen werden.
Der Wortteil "Fruit" gehört zum Grundwortschatz der englischen Sprache; ihm wird vom Verkehr auch in Deutschland ohne weiteres die Bedeutung "Frucht" zugeschrieben. "Pop" hat in der englischen Sprache -auch ohne den Zusatz "soda" -u. a. die Bedeutung "Limonade, Brause" (vgl. Langenscheidt/Collins, Großwörterbuch Englisch, 2008, S. 634 und Pons, Großwörterbuch Englisch, Neubearb. 2007, S. 731). Insoweit kann nicht mehr von einem in Deutschland unbekannten Begriff der englischen Sprache ausgegangen werden. Dies zeigt der bereits verbreitete Begriff "Alkopops", der für limonadenhaltige Getränke mit Alkoholzusatz verwendet wird und in diesem Sinn in Deutschland weit verbreitet ist. Allerdings hat dieser Begriff, der mit "fruchthaltiger Brause" umschrieben werden könnte, nur in Bezug auf einen Teil der Waren der Widerspruchsmarke eine beschreibende Bedeutung, und zwar bei den Waren "Fruchtgetränke und Fruchtsäfte". Diese Waren sind allerdings für die Frage der Verwechslungsgefahr im vorliegenden Fall nicht relevant. Hinsichtlich der Waren "Gallerten (Gelees), Konfitüren, Fruchtmus" und "Milch und Milchprodukte" weist das Markenwort "fruitpop" hingegen keine relevanten warenbeschreibenden Bezüge auf. Es beschreibt weder die Beschaffenheit noch Eigenschaften dieser Waren.
4.
Unter Berücksichtigung der hochgradigen Ähnlichkeit hinsichtlich der Ware "Zuckerwaren" der angegriffenen Marke mit den vorgenannten relevanten Waren der Widerspruchsmarke und der jedenfalls insoweit vorliegenden durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke hält die angegriffene Marke den gegenüber der Widerspruchsmarke gebotenen Abstand insoweit nicht ein.
Die Ähnlichkeit von Wortzeichen ist anhand des klanglichen und des schriftbildlichen Eindrucks sowie des Sinngehalts zu ermitteln, wobei für die Annahme einer Verwechslungsgefahr bereits die hinreichende Übereinstimmung in einer Hinsicht genügen kann (st. Rspr., vgl. z. B. BGH GRUR 2010, 235 Tz. 18 - AIDA/AIDU m. w. N.). Bei der Prüfung der Zeichenähnlichkeit ist zudem der das Kennzeichenrecht beherrschende Grundsatz zugrunde zu legen, dass es auf den Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Zeichen ankommt (vgl. BGH AIDA/AIDU a. a. O.).
a) Zwar weisen die gegenüberstehenden Marken in ihrer Gesamtheit schon allein aufgrund des Bestandteils "nimm 2" der angegriffenen Marke klanglich und schriftbildlich gravierende Unterschiede auf. Allerdings kann eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne gegeben sein, wenn in einer zusammengesetzten jüngeren Marke ein Bestandteil eine selbständig kennzeichnende Stellung hat und wenn wegen der Übereinstimmung dieses Bestandteils mit der älteren Marke bei den angesprochenen Kreisen der Eindruck erweckt wird, dass die fraglichen Waren und Dienstleistungen aus wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammen (EuGH GRUR 2005, 1042 ff. -THOMSON LIFE; BGH GRUR 2008, 905 -PANTOHEXAL). Dies ist in Bezug auf den Bestandteil "Fruchtpops" der angegriffenen Marke zu bejahen, soweit es um die Ware "Zuckerwaren" geht.
b) Der Bestandteil "nimm 2", der sowohl in Alleinstellung, als auch als Bestandteil einer Reihe weiterer Marken registriert ist, ist als Serienzeichen anzusehen. Dieses Zeichen hat -ungeachtet seines Aussagegehalts als bloße Aufforderung mit Mengenangabe -auch eine erhöhte Verkehrsbekanntheit gerade im Segment "Süßwaren". Die Markeninhaberin hat -insoweit von der Widersprechenden nicht bestritten -vorgetragen, dass sie mit der Marke "nimm 2" gekennzeichnete Produkte in der Größenordnung von ca. ... Mio. Tonnen und mit einem Um satz von ... Mio. € jährlich vertreibt und hierfür ... Mio. € Marketingund ... Mio. € Mediakosten jährlich aufwendet. Die hohe Präsenz der Marke "nimm 2" im Segment "Süßwaren" ist dem Senat, dessen Mitglieder als Endverbraucher auch Zielgruppe des intensiven Marktauftritts der Markeninhaberin ist, auch bekannt.
Es muss daher davon ausgegangen werden, dass relevanten Teilen des Verkehrs das Zeichen "nimm 2" als Marke oder auch als Stammbestandteil einer Serie von Marken bekannt ist. Für die Annahme einer selbständig kennzeichnenden Stellung und einer daraus resultierenden Verwechslungsgefahr kann es jedoch gerade sprechen, wenn ein mit einer älteren Marke übereinstimmender Bestandteil identisch oder ähnlich in eine komplexe Marke aufgenommen wird, in der er neben einem Unternehmenskennzeichen oder Serienzeichen eine selbstständig kennzeichnende Stellung behält, und wenn wegen der Übereinstimmung dieses Bestandteils mit der älteren Marke bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck hervorgerufen wird, dass die fraglichen Waren oder Dienstleistungen aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (EuGH GRUR 2005, 1042, Tz. 30 ff. -THOMSON LIFE; BGH GRUR 2008, 258, Tz. 33 -INTERCONNECT/-T-INTERCONNECT). Im vorliegenden Fall wird der Verkehr neben dem ihm bekannten oder zumindest als solchen erkennbaren (Stamm-) Bestandteil "nimm 2" in dem weiteren Bestandteil "Fruchtpops" eine eigenständigen Produkthinweis sehen, zumal die Verbindung eines produktbezogenen Zeichens mit dem Stammbestandteil einer Zeichenserie insbesondere auch im Bereich der Nahrungsund Lebensmittel bei deren Kennzeichnung üblich ist. Insoweit kommt dem Bestandteil "Fruchtpops" innerhalb der angegriffenen Marke eine selbständig kennzeichnende Stellung zu.
Diese wirkt vorliegend auch kollisionsbegründend. Zwar ist -anders als bei den relevanten Marken bzw. deren Bestandteilen bei BGH GRUR 2008, 905, 908 [Tz. 37] -Panto ./. Pantohexal -der Bestandteil "Fruchtpops" mit der älteren Marke "fruitpop" nicht vollständig identisch. Eine völlige Identität der Vergleichsmarken bzw. ihrer relevanten Bestandteile ist für eine Kollisionswirkung von Markenbestandteilen aber auch nicht zu fordern, sondern es kann auch eine hochgradige Ähnlichkeit insoweit bereits ausreichen (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 9, Rdnr. 355).
Dies ist hier der Fall. Die Vergleichsbezeichnungen "Fruchtpops" und "fruitpop" weisen sowohl klanglich als auch begrifflich starke Übereinstimmungen auf. So ist in klanglicher Hinsicht durch die Vokalfolge "ch" in der angegriffenen Marke eine kaum merkliche Abweichung zur Aussprache der Widerspruchsmarke gegeben, die insbesondere bei schneller Aussprache nahezu verschwimmt. Gleiches gilt auch in Bezug auf das Plurals am Ende des Bestandteils "Fruchtpops". Da "Fruchtpops" zudem als eine eingedeutschte Version des aus der englischen Sprache abgeleiteten Begriffs "fruitpop" ist, werden ihm die Verkehrskreise auch überwiegend den gleichen, wie oben dargelegten Begriffsgehalt zuordnen. Bei einer derart hochgradigen Ähnlichkeit des insoweit relevanten Bestandteils der jüngeren mit der älteren Marke ist diesem Bestandteil dann auch eine selbständig kollisionsbegründende Stellung zuzumessen. Dann ist auch die Gefahr gegeben, dass der Verkehr angesichts dieser hochgradigen Ähnlichkeit die Vergleichsmarken bzw. ihrer selbständig kennzeichnenden Bestandteile und der hochgradigen Ähnlichkeit der Waren "Gallerten (Gelees), Konfitüren, Fruchtmus" mit der Ware "Zuckerwaren" auf eine identische betriebliche Herkunft schließt.
Es ist hierbei auch nicht zu fordern, dass sich die Vergleichsmarken auf identischen Waren begegnen. Eine hochgradige Warenähnlichkeit als ausreichend erachtet werden (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 9, Rdnr. 358 m. w. N.).
Nach alledem war der Beschwerde in Bezug auf die Ware "Zuckerwaren" stattzugeben, so dass insoweit die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben waren und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen war.
5. Hinsichtlich der übrigen Waren der angegriffenen Marke, nämlich "Schokolade und Schokoladewaren, feine Backwaren" ist eine Verwechslungsgefahr zwischen den gegenüberstehenden Marken jedoch nicht gegeben.
a) Die selbständig kennzeichnende Stellung des Bestandteils "Fruchtpops" der angegriffenen Marke wirkt insoweit nicht kollisionsbegründend, um eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne annehmen zu können. Denn in Bezug auf diese Waren kann nicht von einer hochgradigen Ähnlichkeit zu den Waren der Widerspruchsmarke ausgegangen werden; sondern nach dem oben gesagten nur von einer mittleren Warenähnlichkeit. Anders als bei identischen oder hochgradig ähnlichen Waren ist dies aber für die Annahme einer eine Verwechslungsgefahr begründenden Kollisionslage als nicht (mehr) ausreichend zu erachten (vgl. dazu auch Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 9, Rdnr. 358 m. w. N.). Denn die eine Verwechslungsgefahr begründende Markenähnlichkeit aufgrund der selbständig kennzeichnenden Stellung eines Markenbestandteils stellt eine Ausnahme vom Prinzip dar, dass die Vergleichsmarken in ihrer Gesamtheit gegenüber zu stellen sind.
Dann aber ist es auch geboten, nicht jede Warenähnlichkeit bereits als ausreichend zu erachten, sondern eine hochgradige Warenähnlichkeit für das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr zu fordern. Bei der notwendigen Gesamtbetrachtung aller maßgebenden Umstände unter Einbeziehung des insoweit gegebenen Warenabstands -anders als z. B. bei EuGH GRUR 2005, 1042, Tz. 37 -THOMSON LIFE, wo es um identische Waren ging -und unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Widerspruchsmarke und der selbständig kennzeichnende Bestandteil in die angegriffenen Marke -anders als bei EuGH GRUR 2005, 1042, -THOMSON LIFE und BGH GRUR 2008, 905, 908 -Panto ./. Pantohexal -nicht identisch aufgenommen wurde, kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass zwischen den Vergleichsmarken keine Verwechslungsgefahr besteht, soweit es um die Waren "Schokolade und Schokoladewaren, feine Backwaren" der angegriffenen Marke geht.
b) Auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt einer Markenserie liegt in Bezug auf die vorgenannten Waren nicht vor. Der Bestandteil "Fruchtpops" der angegriffenen Marke kann nicht als Teil einer von der Widerspruchsmarke abgeleiteten Markenserie erachtet werden. Insbesondere handelt es sich bei der Widerspruchsmarke um ein Zeichen, das -soweit ersichtlich -nicht in Zusammenhang mit anderen Bestandteilen verwendet wird und seinerseits nicht auf einen Stammbestandteil einer Markenserie hinweist.
Nach alledem ist hinsichtlich der weitergehenden Waren der Widerspruchsmarke keine Verwechslungsgefahr gegeben, so dass die Beschwerde insoweit zurückzuweisen war.
6. Zur Auferlegung von Kosten bestand gemäß § 71 Abs. 1 MarkenG kein Anlass.
Knoll Merzbach Metternich Hu
BPatG:
Beschluss v. 07.05.2010
Az: 25 W (pat) 52/09
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