Bundespatentgericht:
Beschluss vom 2. Juli 2000
Aktenzeichen: 30 W (pat) 157/99

(BPatG: Beschluss v. 02.07.2000, Az.: 30 W (pat) 157/99)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. Januar 1999 aufgehoben, soweit der Widerspruch aus der Marke 1 034 558 zurückgewiesen worden ist.

Wegen der Gefahr von Verwechslungen der angegriffenen Marke mit der Marke 1 034 558 wird die Löschung der angegriffenen Marke 2 905 814 angeordnet.

Gründe

I.

In das Markenregister eingetragen ist unter der Rollennummer 2 905 814 das Wort Cerebrosanals Kennzeichnung für die Waren

"pharmazeutische Erzeugnisse".

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der rangälteren Marke 1 034 558 CEREVISAN, die eingetragen ist für

"Hefepräparate (pharm.)".

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat eine Verwechslungsgefahr verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Zwar könnten die Marken zur Kennzeichnung identischer Waren verwendet werden, im Gesundheitsbereich werde aber auch vom Laienpublikum im allgemeinen eine etwas gesteigerte Aufmerksamkeit im Umgang mit den Produkten aufgewendet. Der Bestandteil CERE weise auf den Indikationsbereich Gehirn hin, werde bei der Bezeichnung entsprechender Präparate häufig verwendet und trete bei der Gegenüberstellung der beiden Marken deshalb eher in den Hintergrund. Die Abweichungen im übrigen seien aber ausreichend, um einen unterschiedlichen Gesamteindruck der Marken zu bewirken.

Die Widersprechende hat Beschwerde eingelegt. Selbst wenn man davon ausgehe, daß die Zeichenanfänge CERE und die Zeichenendungen SAN ein gewisses Maß an beschreibenden Charakter hätten, so reiche die Abweichung im Mittelteil der Markenworte nicht aus, um bei identischen Waren den angesprochenen allgemeinen Verkehrskreisen eine Verwechslungsgefahr auszuschließen.

Die Widersprechende hat keinen förmlichen Antrag gestellt, der Markeninhaber hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Ergänzend wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie auf den patentamtlichen Beschluß Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache Erfolg. Zwischen den Marken besteht Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG, so daß die Löschung der jüngeren Marke anzuordnen ist.

Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr bedeutet eine Gewichtung der in Wechselwirkung zueinander stehenden maßgeblichen Faktoren, insbesondere der Markenähnlichkeit, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren und der Kennzeichnungskraft der älteren Marke (st Rspr, zB BGH, MarkenR 2000, 130 - comtes/ComTel). Können mit den Marken wie hier identische Waren gekennzeichnet werden und werden diese Waren von den allgemeinen Verkehrskreisen gekauft, so bedarf es entweder eines deutlichen Markenabstandes oder sonstiger Umstände, zB eines geringen Schutzumfangs der Widerspruchsmarke, damit eine Verwechslungsgefahr verneint werden kann. Die Widerspruchsmarke CEREVISAN ist angelehnt an die lateinische Bezeichnung für Bierhefe, nämlich Saccharomyces Cerevisiae einem Pilz, der in der Medizin und Homöopathie genutzt wird. Aufgrund des hohen Vitamin B-Anteils wird Bierhefe in Fertigarzneien zB bei Appetitlosigkeit, Vitamin B-Mangel in der Schwangerschaft und bei chronischen Formeln von Akne und Furunkeln angewendet (vgl Thiele, Handlexikon der Medizin, Studienausgabe L-Z, 1982 Pschyrempel, Wörterbuch Naturheilkunde und alternative Heilverfahren, S 36, 89). Die Endung "-san" wird wegen ihres Hinweises auf "Gesundheit" im weitesten Sinne in Kennzeichnungen der Warenklasse 5 häufig verwendet und ist daher kaum kennzeichnungskräftig. Trotz dieser beschreibenden Anklänge erscheint das Gesamtzeichen noch hinreichend phantasievoll, um damit gekennzeichnete Waren von solchen anderer Unternehmen zu unterscheiden.

Aus keinen der Warenverzeichnisse ergeben sich verwechslungsmindernde Umstände, wie zB eine Apotheken- oder Rezeptpflicht, so daß die Waren den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher ansprechen (BGH MarkenR 2000, 140 - ATTACHÉ/TISSERAND). Bei Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist somit auf diesen abzustellen und es kommt entscheidend darauf an, wie die beiden Marken auf ihn wirken. Der Durchschnittsverbraucher nimmt eine Marke regelmäßig als Ganzes wahr und achtet nicht auf die verschiedenen Einzelteile. Ob beschreibende Anklänge dazu führen, daß diese auch wegen ihrer häufigen Verwendung eher in den Hintergrund treten und die übrigen Markenteile verstärkt im Gedächtnis bleiben, kann nur für solche Bestandteile gelten, deren beschreibender Inhalt vom Durchschnittsverbraucher auch erkannt wird. Davon kann schon beim lateinischen Wort cerevisia nicht ausgegangen werden, erst recht nicht bei dessen unvollständiger Wiedergabe in der Widerspruchsmarke. Ebensowenig dürfte dem Verbraucher der Bestandteil "Cerebr" als Wortteil in pharmazeutischen Kennzeichnungen mit der Bedeutung "Gehirn" (lat: cerebrum) geläufig sein: Er wird diese beschreibenden Hinweise auf die Indikation bzw Inhaltsstoffe in den beiden Marken deshalb bei der Unterscheidung nicht zu Hilfe nehmen können. Für ihn stehen vielmehr die Marken Cerebrosan und Cerevisan - als Phantasiewörter - in ihrer Gesamtheit gegenüber. Hier aber fällt die völlige Übereinstimmung in den ersten beiden Silben und der letzten Silbe ins Gewicht, denn es ist häufig der "Wortrahmen", der bei der Erinnerung an eine in ihrer Bedeutung unbekannte Kennzeichnung beim Wiedererkennen hilft. Die Abweichung in der Wortmitte (bro bzw vi) erscheint zwar aufgrund der unterschiedlichen Vokale zunächst bedeutsam, der dadurch bedingte Abstand verringert sich jedoch, wenn man bedenkt, daß in der Erinnerung Übereinstimmungen regelmäßig ein stärkeres Gewicht haben als Abweichungen. Da es sich noch dazu bei beiden Produkten um relativ niedrigpreisige und auch in der Selbstbedienungsdrogerie angebotene Hefepräparate handeln kann, die ohne größere Überlegung zur Unterstützung des allgemeinen Wohlbefindens erworben werden, reicht dieser Abstand nicht aus, um Verwechslungen im rechtserheblichen Ausmaß hinreichend sicher auszuschließen.

Die Beschwerde hat deshalb Erfolg.

Eine Kostenauferlegung ist nicht veranlaßt.

Dr. Buchetmann Winter Schwarz-Angele Hu






BPatG:
Beschluss v. 02.07.2000
Az: 30 W (pat) 157/99


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