Landgericht Kiel:
Urteil vom 15. Oktober 2010
Aktenzeichen: 14 O 57/10

(LG Kiel: Urteil v. 15.10.2010, Az.: 14 O 57/10)

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 123.773,54 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02. Juli 2009 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Beklagten wird die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vorbehalten.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt im Wege des Urkundsprozesses Verurteilung der Beklagten zur Leistung einer ihr mit Schreiben vom 21.12.2008, Anlage K 5, zugesagten €Sonderzahlung€.

Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Klägerin, damals noch firmierend als ..., schloss am 14.11.1997 mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der ..., einen frühestens zum 31.12.2007 kündbaren Vertrag über die Begründung einer stillen Gesellschaft. Danach beteiligte sich die Klägerin mit einer stillen Einlage von 3,4 Mio. DM an der Rechtsvorgängerin der Beklagten. Nach § 2 Ziff. 1 des Vertrages sollte sie für jedes Geschäftsjahr eine Vergütung von 7,12 % des Einlagenennbetrages erhalten. Die Vergütung sollte jeweils zum 02.07. des Folgejahres fällig sein. Nach § 2 Ziff. 5 des Vertrages sollte der Anspruch auf die Vergütung entfallen, wenn und soweit durch sie ein Bilanzverlust entstehen oder erhöht würde. Nach § 3 des Vertrages sollte sie an einem Jahresfehlbetrag im Verhältnis des Buchwerts ihrer stillen Einlage zum gesamten in der Bilanz ausgewiesenen haftenden Eigenkapital der Bank teilnehmen. Wegen aller Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarungen wird auf die Anlage K 1 Bezug genommen.

Nachdem sich im Zuge der Finanzmarktkrise 2008 abzeichnete, dass die Beklagte für dieses Jahr einen erheblichen Jahresfehlbetrag ausweisen würde, fand am 19.12.2008 eine außerordentliche Hauptversammlung ihrer Aktionäre statt, bei der das gesamte stimmberechtigte Kapital vollständig vom Versammlungsleiter, Herrn ..., vertreten war. Der Vorsitzende erläuterte, dass mit Sparkassen, Landesbanken und Versicherungen eine Vielzahl von stillen Gesellschaftsverträgen geschlossen worden sei, die die Klausel enthielten, wonach die Gesellschaft für Geschäftsjahre, in denen sie einen Jahresfehlbetrag ausweise, keine Vergütung zu erbringen habe. Da die Gesellschaft für 2008 vermutlich einen Jahresfehlbetrag ausweisen werde, sei sie somit vertraglich zur Zahlung einer Gewinnbeteiligung nicht verpflichtet. In der Niederschrift über die Hauptversammlung, Anlage K 8, heißt es auszugsweise:

€Ein Ausfall der Bedienung 2008 hätte für die Bank einen erheblichen Reputationsverlust zur Folge, der nicht auf den Kreis der stillen Gesellschafter beschränkt bliebe. Vielmehr hätte ein Ausfall der Bedienung 2008 angesichts der aktuellen Finanzmarktkrise und des eingetretenen Vertrauensverlustes in das Finanzmarktsystem unmittelbar existenzbedrohende Bedeutung für die Gesellschaft: 95 % des langfristigen Refinanzierungsvolumens der Bank wurden im Geschäftsjahr 2008 im Inland aufgenommen. Davon entfallen allein auf den Sparkassensektor 31 % und auf Versicherungen 17 %. Diese sowie die weiteren inländischen Refinanzierungspartner sind für die Bank daher nicht verzichtbar. Würde die Bedienung 2008 ausfallen, so wäre zudem damit zu rechnen, dass sich das Rating der Bank schnell weiter verschlechtert. Dieser Umstand würde nicht nur die Refinanzierungskosten signifikant erhöhen, sondern könnte auch zu einem €Default-Ereignis führen, das die Gesellschaft wegen der dann eintretenden Fälligkeiten von Verträgen, die an das Rating der Gesellschaft gekoppelt sind, an den Rand ihrer Zahlungsfähigkeit bringen würde.

Nach Abwägung aller Umstände und in Kenntnis der Teilgewinnabführungsverträge sollen die stillen Gesellschafter daher für das Geschäftsjahr 2008 auch für den Fall bedient werden, dass die Bank einen Jahresfehlbetrag ausweist. Dafür ist ein Kapital von bis zu EUR 64 Mio. aufzuwenden. Dieser Betrag ist darstellbar, ohne das Grundkapital der Bank anzugreifen und ohne die wirtschaftliche Existenz der Bank oder die Erfüllung sonstiger Verpflichtungen zu gefährden.

Dies soll dabei nicht über eine Änderung der betreffenden Stillen Gesellschaftsverträge erfolgen, sondern durch eine freiwillige Sonderzahlung der ..., die ihre Grundlage nicht in den Stillen Gesellschaftsverträgen findet, sondern diese nur berücksichtigt (€Sonderzahlung 2008€). Dabei ist der Kreis der Empfänger auf die stillen Gesellschafter beschränkt, deren Verträge eine Gewinnbeteiligungs-Klausel vorsehen und die nicht zum Kreis der Aktionäre der ... zu zählen sind.€

Dem folgend beschloss die Hauptversammlung der Beklagten einstimmig die Ermächtigung des Vorstandes zur Leistung einer freiwilligen Sonderzahlung an die stillen Gesellschafter bis zu einem Betrag von zusammen 64 Mio. € sowie eine Änderung der Teilgewinnabführungsverträge (stillen Gesellschaftsverträge) dahingehend, dass eine Verlustzuweisung 2008 nicht stattfinden sollte.

Mit dem o. g. Schreiben vom 21.12.2008 bestätigte die Beklagte daraufhin der Klägerin, dass die Vergütung für die stille Einlage für das Geschäftsjahr 2008 €trotz des derzeit zweifelsohne schwierigen Markumfeldes€ in voller Höhe ausgezahlte werde. Sie werde ihr in der vertraglich vereinbarten Höhe im Wege einer Sonderzahlung am vertraglich vereinbarten Fälligkeitstag zufließen, sofern die ... für das Geschäftsjahr 2008 einen Jahresfehlbetrag ausweise und eine Vergütungszahlung aus diesem Grunde entsprechend den vertraglichen Vergütungsregelungen ganz oder teilweise entfallen würde. Sie übersandte der Klägerin zugleich einen Änderungsvertrag, in dem die Verlustbeteiligung der Einlage für 2008 einmalig ausgesetzt wurde. Diesen Vertrag unterzeichnete die Klägerin am 23.12.2008. Er wurde, nachdem die Hauptversammlung der Beklagten ihm zugestimmt hatte, im Handelsregister eingetragen.

Der Jahresfehlbetrag der Beklagten belief sich für das Jahr 2008 auf über 3 Mrd. €. Zur Stabilisierung ihrer Eigenkapitalausstattung und der erforderlichen Rekapitalisierung stellten ihre größten Anteilseigner, die Stadt ... sowie das Land ..., insgesamt 3 Mrd. € neues Kapital im Wege einer Kapitalerhöhung sowie eine Garantie bis zu 10 Mrd. € zur Verfügung. Diese Maßnahmen meldete Deutschland als dringende Rettungsbeihilfe zur Wahrung der finanziellen Stabilität bei der Europäischen Kommission nach den Beihilfevorschriften des EG-Vertrages an.

Mit Schreiben vom 15.05.2009, Anlage K 9, teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie werde die Sonderzahlung nicht leisten, nachdem Vertreter der Kommission zum Ausdruck gebracht hätten, dass die freiwillige Bedienung der stillen Einlagen eine schwere Belastung für das Beihilfeverfahren darstellen würde.

Die zugesagte Sonderzahlung, deren Höhe sich unstreitig auf den zuerkannten Betrag beläuft, verfolgt die Klägerin nunmehr im Wege des Urkundsprozesses. Sie vertritt die Ansicht, es handele sich bei dem Schreiben der Beklagten vom 21.12.2008 um eine selbständige Garantie bzw. ein abstraktes Schuldversprechen. Möglichen Einwendungen der Beklagten gegen die Wirksamkeit der Zusage stehe jedenfalls der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen. Denn die Zahlungsgarantie sei von der Rechtsabteilung der Beklagten aktiv mitgestaltet worden.

Die Klägerin beantragt

- wie erkannt €

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hilfsweise beantragt sie,

ihr die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vorzubehalten.

Sie vertritt die Ansicht, in dem Schreiben vom 21.12.2008 sei ein Schenkungsangebot zu sehen, das zur Wirksamkeit notariell hätte beurkundet werden müssen. Sie habe die in Aussicht gestellte Bedienung der Gewinnbeteiligung ohne jegliche Gegenleistung und damit unentgeltlich gewährt. Es habe sich nicht um eine €causa societatis€ eingegangene Verpflichtung gehandelt. Wenn man aber hiervon ausgehe, so liege ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis vor, weil ein Zusammenhang mit den Vergütungsverhältnissen aus den Verträgen über die stillen Gesellschaften bestehe. Dann aber liege eine Änderung der Teilgewinnabführungsverträge vor, die der Zustimmung der Hauptversammlung und der Eintragung in das Handelsregister bedurft hätte. Die Vornahme einer Sonderzahlung verstoße zudem gegen § 301 AktG. Auch die Auflösung €anderer Gewinneinlagen€ i. S. d. § 301 Satz 2 AktG hätte nicht genügt, um den Jahresfehlbetrag zu begleichen. Schließlich stehe ihr ein Leistungsverweigerungsrecht aufgrund grober Inäquivalenz zu. Denn die Europäische Kommission habe die Beihilfe nur für einen befristeten Zeitraum unter dem Vorbehalt weitergehender Prüfung genehmigt, um die Insolvenz der Beklagten zu verhindern. Vertreter der Kommission hätten aber in verschiedenen Gesprächen unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, die Leistung der Einlagenverzinsung u. a. an die Klägerin werde dazu führen, dass die Genehmigung der staatlichen Beihilfen nicht erteilt werde. Wenn die Beihilfe letztlich untersagt würde, würde dies zu ihrer Insolvenz führen.

Wegen aller Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist in zulässiger Weise im Urkundsverfahren erhoben und € unter Vorbehalt der Ausführung der Rechte der Beklagten im Nachverfahren € auch begründet.

Dies ergibt sich € nach § 313 Abs. 3 ZPO kurz zusammengefasst € aus folgenden Erwägungen:

Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung des Betrages von 123.773,54 € ergibt sich aus dem Schreiben vom 21.12.2008 in Verbindung mit § 780 BGB.

In diesem Schreiben liegt nach Auffassung der Kammer die Offerte eines selbständigen abstrakten Schuldversprechens i. S. d. § 780 BGB, das die Klägerin durch schlüssiges Verhalten angenommen hat, indem sie nach Erhalt dieses Schreibens den ihr gleichzeitig übersandten Änderungsvertrag betreffend die Verlustbeteiligung unterzeichnet und zurückgesandt hat.

Ein selbständiges Schuldversprechen liegt dann vor, wenn die mit ihm übernommene Verpflichtung von ihrem Rechtsgrund, das heißt von ihren wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhängen, gelöst und allein auf den im Versprechen zum Ausdruck gekommenen Leistungswillen des Schuldners gestellt werden soll (BGH NJW 2008, 1589; weitere Nachweise aus der Rechtsprechung bei Palandt-Sprau, BGB, 69. Aufl. § 780 Rn 1a).

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Denn aus den Formulierungen der Beklagten im Schreiben vom 21.12.2008, insbesondere den Wendungen €bestätigen wir Ihnen hiermit, dass wir trotz des derzeit zweifelsohne schwierigen Marktumfeldes die Vergütung für Ihre Stille/n Einlage/n für das Geschäftsjahr 2008 in voller Höhe auszahlen€€ und €Die Vergütung für die Stille/n Einlage/n in der vertraglich vereinbarten Höhe wird Ihnen im Wege einer Sonderzahlung am vertraglich vereinbarten Fälligkeitstag zufließen€ ergibt sich zweifelsfrei, dass die Beklagte ein verbindliches Zahlungsversprechen gerade losgelöst von den Verträgen über die stillen Einlagen eingehen wollte, aus denen sich angesichts der konkreten Sachlage für das Jahr 2008 kein Zahlungsanspruch ergeben hätte.

Der Einordnung als abstraktes Schuldversprechen steht die oben zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 14.01.2008 entgegen der Ansicht der Beklagten nicht entgegen. Ob es sich um ein abstraktes oder um ein sog. deklaratorisches Schuldanerkenntnis handelt, dessen Zweck darin besteht, eine bestehende Schuld lediglich zu bestätigen und ein bestehendes Schuldverhältnis insgesamt oder in einzelnen Beziehungen dem Streit oder der Ungewissheit zu entziehen, ist jeweils durch Auslegung zu ermitteln, die alle Umstände des Falles berücksichtigen muss. In dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall hatte der dortige Beklagte, Vorstandsmitglied eines Vereins, eine Zusage zur Finanzierung vom Verein geschlossener Arbeitsverträge erteilt, um die von einzelnen Vorstandsmitgliedern erhobenen Beanstandungen gegen sein vorangegangenes Tun (Abschluss der Arbeitsverträge ) zu entkräften. Weil der dortige Beklagte das Zahlungsversprechen erteilt hatte, um den Streit über diesen Punkt zu beenden und Schadensersatzansprüche gegen sich abzuwenden, ist der Bundesgerichtshof von einem deklaratorischen Schuldanerkenntnis ausgegangen. Vorliegend jedoch gab es keinen Streit zwischen den Parteien, der durch die Erklärung der Beklagten hätte beendet werden sollen. Die Voraussetzungen, unter denen die vertraglich geschuldete Vergütung zu zahlen war, waren völlig eindeutig und wurden auch von niemandem in Zweifel gezogen. Die Beklagte wollte sich erklärtermaßen gerade losgelöst von den vertraglichen Vereinbarungen, die hier für das Jahr 2008 einen Zahlungsanspruch der Klägerin nicht hätten begründen können, zu der Erbringung der Sonderzahlung verpflichten.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist das Schuldversprechen nicht etwa wegen Verstoßes gegen die Formvorschrift des § 518 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam, weil es nicht notariell beurkundet wurde. Das Schuldversprechen wurde nämlich nicht €schenkweise€ im Sinne dieser Vorschrift erteilt.

Eine Schenkung i. S. d. § 516 BGB liegt nur dann vor, wenn beide Teile darüber einig sind, dass die Zuwendung unentgeltlich erfolgt. Die Unentgeltlichkeit ist stets nach der objektiven Sachlage zu beurteilen, muss aber von den Vertragsparteien subjektiv auch gewollt sein. €Unentgeltlich€ ist eine Leistung zwar dann, wenn sie unabhängig von einer Gegenleistung erfolgt. Eine solche Gegenleistung muss jedoch nicht zwangsläufig Geldwert haben oder vermögensrechtlich sein, sondern kann auch immaterieller Art sein. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung, der die Kammer insoweit folgt, ist anerkannt, dass freiwillige Leistungen eines Gesellschafters an seine Gesellschaft regelmäßig nicht unentgeltlich in diesem Sinne sind, sondern vor dem Hintergrund versprochen bzw. erbracht werden, die Gesellschaft zu stärken und damit die durch die Mitgliedschaft vermittelte Vermögenslage zu verbessern, sog. Zuwendungen €causa societatis€ (vgl. BGH aaO. sowie ZEV 2006, 320). Dies muss aber umgekehrt ebenso für Zuwendungen der Gesellschaft an die Gesellschafter gelten, die ihren Hintergrund ebenfalls im Gesellschaftsverhältnis haben (vgl. Münchner Kommentar zum BGB-Koch, 5. Aufl. § 516 Rn . 98). Es ist kein sachlicher Grund erkennbar, dieses Verhältnis anders zu beurteilen.

Gemessen hieran war das von der Beklagten der Klägerin gegenüber abgegebene Zahlungsversprechen nicht unentgeltlich i. S. d. § 516 BGB. Denn aus dem Protokoll über die Hauptversammlung vom 19.12.2008 folgt eindeutig, dass die Beklagte ihre stillen Gesellschafter mit Hilfe der versprochenen Sonderzahlungen an sich binden und €bei der Stange halten€ wollte, weil sie auf sie als Refinanzierungspartner angewiesen war. Sie wollte damit zugleich einen Reputationsverlust vermeiden, der nach ihrer damaligen Einschätzung nicht auf den Kreis der stillen Gesellschafter beschränkt geblieben wäre, vielmehr dazu hätte führen können, dass sich ihr Rating verschlechterte und eine Refinanzierung zumindest deutlich erschwert werden würde. Dies ist eine typische Zuwendung €causa societatis€, deren Zweck gerade in der Stärkung der stillen Gesellschaft und dadurch vermittelt auch der Beklagten selbst lag.

Entgegen der Ansicht der Beklagten liegt auch kein Verstoß gegen die Vorschriften der §§ 293 ff, 295 AktG vor.

Allerdings handelt es sich bei der stillen Beteiligung nach ganz herrschender Meinung um einen Teilgewinnabführungsvertrag und damit um einen Unternehmensvertrag i. S. d. § 292 Abs. 1 Ziffer 2 AktG (vgl. die Nachweise im Münchner Kommentar zum AktG-Altmeppen, 2. Aufl. § 292 Rn 65). Ein solcher Teilgewinnabführungsvertrag unterliegt grundsätzlich den Formvorschriften der §§ 293, 294 AktG, d. h., er muss schriftlich geschlossen werden und bedarf der Zustimmung der Hauptversammlung sowie der Eintragung in das Handelsregister. Dasselbe gilt nach § 295 AktG für Änderungen eines Unternehmensvertrages, worunter jede Vereinbarung über die Modifikation des Vertragsinhalts zu verstehen ist, die noch während der Vertragslaufzeit wirksam werden soll (vgl. Münchner Kommentar-Altmeppen aaO. § 295 Rn 3). Ob im Einzelfall ein Änderungsvertrag oder ein weiterer, rechtlich selbständiger Vertrag vorliegt, ist aber eine Auslegungsfrage, wobei in erster Linie der Parteiwille maßgebend ist (vgl. BGH NJW 1999, 575).

Vorliegend haben die Parteien eine Änderung des Vertrages über die stille Gesellschaft in Bezug auf die Vergütungsregelung zweifelsfrei nicht beabsichtigt. Vielmehr zeigt das Protokoll der Hauptversammlung eindeutig und unmissverständlich, dass die Verpflichtung zur Leistung der Sonderzahlungen € im Gegensatz zu der Änderung der Regelungen über die Verlustzuweisungen € gerade nicht durch eine Änderung der jeweiligen Verträge über die stillen Gesellschaften, sondern durch Eingehung einer selbständigen, von einem Schuldgrund losgelösten Zahlungsverpflichtung erfolgen sollte. Entgegen der Ansicht der Beklagten liegt auch keine direkte Verknüpfung mit den Vergütungsansprüchen aus den Verträgen über die stillen Gesellschaften vor. Vielmehr sollten die Sonderzahlungen nur und gerade dann geleistet werden, wenn nach den Verträgen über die stillen Gesellschaften keine Vergütung geschuldet wurde, dann aber eben losgelöst von diesen Verträgen.

In dieser Vorgehensweise liegt auch keine unzulässige Umgehung des § 295 AktG, der das Zustimmungserfordernis für Änderungen von Unternehmensverträgen regelt.

Ob eine unzulässige Umgehung einer gesetzlichen Norm vorliegt, beurteilt sich nach Sinn und Zweck dieser Norm. Will diese nur einen bestimmten Weg zur Erreichung eines an sich zulässigen Erfolgs verbieten, ist das den gleichen Erfolg auf andere Weise herbeiführende Geschäft wirksam. Es ist dagegen unwirksam, wenn es den verbotenen Erfolg durch Verwendung von Gestaltungsmöglichkeiten zu erreichen sucht, die (scheinbar) nicht von der Verbotsnorm erfasst werden (vgl. die Nachweise aus der Rechtsprechung bei Palandt-Ellenberger aaO. § 134 Rn 28).

Durch das Zustimmungserfordernis des § 295 AktG auch für Änderungen eines bestehenden Unternehmensvertrages soll verhindert werden, dass im Wege der Änderung ein Vertragsinhalt durchgesetzt wird, dem die Hauptversammlung beim Abschluss des Vertrages nicht zugestimmt hat und auch nicht zugestimmt hätte (vgl. Münchner Kommentar zum AktG-Altmeppen aaO. § 295 Rn 1 m. w. N.). Da die Hauptversammlung den Vorstand aber einstimmig ermächtigt hat, die abstrakten Zahlungsversprechen einzugehen, ist nicht erkennbar, inwieweit der Schutzzweck des § 295 AktG verletzt sein könnte.

Auch einen Verstoß gegen § 301 AktG oder eine unzulässige Umgehung dieser Vorschrift vermag die Kammer in dem abstrakten Schuldversprechen nicht zu sehen.

Eine unmittelbare Anwendung des § 301 AktG, der die Art und Weise der Gewinnabführung regelt, scheidet aus, weil es hier nicht um die Verteilung von Gewinnen, sondern um die Eingehung eines abstrakten Schuldversprechens geht, dessen Erfüllung allenfalls einen etwa zu verteilenden Gewinn schmälern könnte.

Aber auch eine unzulässige Umgehung dieser Vorschrift liegt nicht vor. § 301 AktG bezweckt die Kapitalerhaltung im Interesse der Gesellschaft und ihrer Gläubiger. Das Kapital wäre gefährdet, wenn die Gesellschaft kraft Vertrags mehr Gewinn abführen müsste, als sie aktienrechtlich als Jahresüberschuss ausweisen darf, und es deshalb ständig zu Verlustzuweisungen käme (vgl. Hüffer, AktG, 5. Aufl. § 301 Rn 1). Es soll zudem keine Abführungspflicht für Beträge bestehen, die nach § 302 Abs. 1 AktG wieder auszugleichen wären (Münchner Kommentar zum AktG-Altmeppen aaO. § 301 Rn 3). Dagegen will die Vorschrift nicht etwa generell verhindern, dass aus anderen Rechtsgründen Zahlungen an Dritte geleistet werden, auch wenn diese im Ergebnis dazu führen, dass keine ausschüttungsfähigen Gewinne mehr entstehen.

Gegen den vorstehend wiedergegebenen Zweck des § 301 AktG verstößt das vorliegende Zahlungsversprechen nicht. Denn damit verfolgte die Beklagte in jedenfalls aus damaliger Sicht nachvollziehbarer und vertretbarer Weise gerade nicht eine Gefährdung oder Aushöhlung des Kapitals, sondern im Gegenteil den Schutz und Erhalt der Gesellschaft. Es sollte verhindert werden, dass zu einem relativ frühen Zeitpunkt der Finanzkrise und der sich daraus ergebenden wirtschaftlichen Probleme der Beklagten deren Reputation geschädigt und damit künftig absehbar notwendig werdende Refinanzierungen durch Dritte gefährdet oder wesentlich erschwert werden würden. Jedenfalls aus der damaligen Sicht der Beklagten war dies eine zumindest vertretbare Entscheidung im Gesellschaftsinteresse, die gänzlich andere Zwecke verfolgte als die Verteilung € absehbar nicht zu erzielender € Gewinne. Dass durch diese Entscheidung Gläubigerinteressen tangiert sein könnten, ist nicht ersichtlich, zumal ausreichende Reserven vorhanden waren, um den Jahresfehlbetrag auszugleichen.

Für das Bestehen eines Leistungsverweigerungsrechts fehlt es bislang an jeglichem konkreten Sachvortrag der Beklagten. Welches entscheidungsbefugte Mitglied der Europäischen Kommission wem gegenüber erklärt haben soll, die Beihilfe werde nicht genehmigt werden, wenn die Leistung der Einlagenverzinsung u. a. an die Klägerin erfolgte, hat die Beklagte nicht dargelegt. Darüber hinaus aber fehlt es auch an jeglichem konkreten Sachvortrag dazu, dass eine derartige negative Entscheidung über die Beihilfe tatsächlich existenzbedrohende Bedeutung hätte.

Die Höhe des der Klägerin zuerkannten Betrages ergibt sich aus dem mit der Beklagten geschlossenen Vertrag vom 14.11.1997.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 288 BGB.

Der Beklagten war nach § 599 Abs. 1 ZPO die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vorzubehalten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 4, 711 ZPO.






LG Kiel:
Urteil v. 15.10.2010
Az: 14 O 57/10


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