Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. Oktober 2002
Aktenzeichen: 7 W (pat) 11/02
(BPatG: Beschluss v. 09.10.2002, Az.: 7 W (pat) 11/02)
Tenor
Die Beschwerde der Einsprechenden I wird zurückgewiesen.
Gründe
I Die Beschwerde der Einsprechenden I ist gegen den Beschluß der Patentabteilung 13 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 11. Oktober 2001 gerichtet, mit dem das Patent 43 19 269 nach Prüfung der auf den Einspruchsgrund der fehlenden Patentfähigkeit gestützten zwei Einsprüche in vollem Umfang aufrechterhalten wurde.
Im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt sind zum Stand der Technik folgende Druckschriften berücksichtigt worden:
1. deutsche Patentschrift 31 28 523 2. deutsche Offenlegungsschrift 41 40 668 3. deutsche Offenlegungsschrift 33 09 854 4. deutsche Offenlegungsschrift 24 52 854 5. österreichische Patentschrift 372 162 6. US-Patentschrift 38 45 748 7. europäische Offenlegungsschrift 0 569 721 8. deutsche Patentschrift 42 39 173 9. britische Patentschrift 925 937 10. deutsche Patentschrift 737 042.
Der Patentanspruch 1 des angefochtenen Patents lautet:
"Einspritzleitungsanschluß mit einer Kraftstoffleitung, die sich zum Zuführen von Kraftstoff zum Düsenhalter einer in einem Zylinderkopf angeordneten Einspritzdüse durch einen im Zylinderkopf ausgebildeten Kanal erstreckt, der eine ein Mehrfaches seines Durchmesser betragende Länge besitzt, wobei die Kraftstoffleitung von einem mit einem Gewinde versehenen Überwurfelement umschlossen ist, das am Eintrittsbereich des Kanals verschraubt ist und eine Kraft ausübt, durch die eine am stromabwärts liegenden Ende der Kraftstoffleitung vorgesehene Dichtfläche zur Erzielung einer dichten Verbindung an eine Anlagefläche des Düsenhalters angedrückt wird, dadurch gekennzeichnet, daß das Überwurfelement mit seiner Andruckfläche unmittelbar auf eine an der Kraftstoffleitung ausgebildete Druckaufnahmefläche einwirkt, die von der Dichtfläche der Kraftstoffleitung einen in etwa der Länge des Kanals entsprechenden Abstand aufweist."
Laut Beschreibung (Sp 1 Z 49 bis 56 iVm Z 3 bis 6) soll die Aufgabe gelöst werden, einen Einspritzleitungsanschluß der im Oberbegriff des Anspruchs 1 genannten und aus der US-Patentschrift 3 845 748 bekannten Art so weiter zu bilden, daß mit einem geringen konstruktiven Aufwand eine einfache, mit großer Zuverlässigkeit zu druckdichten Verbindungen führende Montierbarkeit gewährleistet ist.
Die Ansprüche 2 bis 8 sind auf Merkmale gerichtet, mit denen der Gegenstand des Anspruchs 1 weiter ausgebildet werden soll.
Die Beschwerdeführerin macht geltend, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 des angefochtenen Patents gegenüber dem Stand der Technik nach der europäischen Offenlegungsschrift 0 569 727 nicht neu sei, zumindest aber nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Sie beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Der Patentinhaber beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen und das Patent aufrechtzuerhalten in der erteilten Fassung, hilfsweise nach Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag vom 19. März 1998.
Er vertritt die Auffassung, daß der Gegenstand des angefochtenen Patents eine patentfähige Erfindung darstelle.
Wegen des Wortlauts des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag wird auf die Akten verwiesen.
II Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, in der Sache jedoch nicht gerechtfertigt.
Der Gegenstand des angefochtenen Patents stellt eine patentfähige Erfindung iSd PatG § 1 bis § 5 dar.
1. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist gegenüber dem aufgezeigten Stand der Technik neu.
In der US-Patentschrift 3 845 748 - von dem daraus bekannten Stand der Technik geht die Lehre des Streitpatents aus (Streit-PS Sp 1 Z 3 bis 6) - ist ein Einspritzleitungsanschluß beschrieben, bei dem eine Kraftstoffleitung durch einen im Zylinderkopf einer Einspritz-Brennkraftmaschine ausgebildeten Kanal bis zu einem Düsenhalter geführt ist, um diesem Kraftstoff zuzuführen. Die Länge des Kanals beträgt ein Mehrfaches seines Durchmessers. Die Kraftstoffleitung weist an ihrem dem Düsenhalter zugewandten Ende eine Dichtfläche auf, die gegen eine korrespondierende Dichtfläche am Düsenhalter angedrückt wird. Dies geschieht mittels einer die Kraftstoffleitung umschließenden Überwurfmutter, die in das vom Düsenhalter entfernte Ende des Kanals eingeschraubt ist und über ein die Kraftstoffleitung umschließendes Distanzrohr und einen Kragen auf die Rückseite der am Ende der Kraftstoffleitung ausgebildete Dichtfläche drückt (Fig 2, Sp 3 Z 10 bis 31). Von dieser bekannten Einrichtung unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 des angefochtenen Patents durch das in seinem kennzeichnenden Teil angegebenen Merkmal.
In der europäischen Offenlegungsschrift 0 569 727 ist ebenfalls ein Einspritzleitungsanschluß für eine Einspritz-Brennkraftmaschine mit einem Düsenhalter im Zylinderkopf beschrieben. Auch dort führt ein Kanal von einer Außenfläche des Zylinderkopfes zu einer quer dazu verlaufenden Bohrung, in welcher der Düsenhalter eingesetzt ist. In den Kanal ist ein Rohrstutzen eingesetzt, der an seinem dem Düsenhalter zugewandten Ende mit einer Dichtfläche an einer Gegendichtfläche des Düsenhalters anliegt und mittels einer in das äußere Ende des Kanals eingeschraubten Überwurfmutter gegen den Düsenhalter gedrückt wird. Die Überwurfmutter greift in der Nähe des äußeren Endes des Kanals an einer Schulter eines Bundes am Rohrstutzen an. Der Rohrstutzen ragt mit seinem äußeren Ende ein Stück über die Überwurfmutter nach außen. Dort ist mit einer weiteren Überwurfmutter ein Zulaufrohr für Kraftstoff angeschlossen.
Hiervon unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 des angefochtenen Patents dadurch, daß die Kraftstoffleitung selbst durch den Kanal im Zylinderkopf bis zum Düsenhalter geführt ist und nicht an einen in den Zylinderkopf eingesetzten Rohrstutzen angeschlossen ist. Der Rohrstutzen kann auch nicht mit der Kraftstoffleitung des Gegenstands des angefochtenen Patents gleichgesetzt werden. Zwar dient auch er der Leitung von Kraftstoff, nämlich vom sogenannten Zulaufrohr zum Düsenhalter, er stellt aber eine gesonderte Anschlußarmatur dar, die zusätzlich zur Kraftstoffleitung, in der Entgegenhaltung Zulaufrohr genannt, erforderlich ist. Ein solcher Rohrstutzen ist mit der Kraftstoffleitung des Gegenstands des Streitpatents eindeutig nicht gemeint. Diese entspricht vielmehr eher dem Zulaufrohr der Entgegenhaltung. Der Fachmann, als welcher hier ein Maschinenbauingenieur mit Erfahrungen auf dem Gebiet der Brennkraftmaschinen anzusehen ist, versteht unter einer Kraftstoffleitung eine Leitung, die den Kraftstoff von einer Quelle, zB einer Kraftstoffpumpe oder einem Verteiler, zum Orte des Verbrauchs führt. Diese Auffassung wird durch die Beschreibung und die Zeichnung, die zur Auslegung der Ansprüche heranzuziehen sind, gestützt, denn die Lehre des Streitpatents geht aus von einer Einrichtung mit einer derartigen Kraftstoffleitung und bezweckt eine einfachere Ausbildung von deren zylinderkopfseitigem Ende.
Ein Einspritzleitungsanschluß mit den im Anspruch 1 des angefochtenen Patents angegebenen Merkmalen ist unbestritten auch aus keiner der übrigen im Verfahren befindlichen Druckschriften bekannt.
2. Der Gegenstand des Anspruchs 1, dessen gewerbliche Anwendbarkeit nicht in Zweifel steht, ist auch das Ergebnis einer erfinderischen Tätigkeit.
Bei sämtlichen als bekannt aufgezeigten Einspritzleitungsanschlüssen weist die eigentliche Kraftstoffleitung an ihrem Ende eine Verdickung oder ein Anschlußstück (DE 31 28 523 C1) auf, an dem um die Austrittsöffnung herum eine Dichtfläche und auf dessen Rückseite um die Kraftstoffleitung herum eine Schulter ausgebildet sind. Die Kraft zum dichten Andrücken der Dichtfläche an eine entsprechende Gegenfläche wird auf die Schulter ausgeübt. Dichtfläche und Schulter sind in unmittelbarer Nähe zueinander an der gleichen Verdickung ausgebildet. Eine Anregung dazu, diese Flächen räumlich auseinander zu ziehen und die Schulter bzw Druckaufnahmefläche an der Kraftstoffleitung in einem beträchtlichen Abstand von der Dichtfläche anzuordnen, findet der Fachmann im aufgezeigten Stand der Technik nicht.
Beim aus der europäischen Offenlegungsschrift 0 569 727 bekannten Rohrstutzen liegt zwar die Schulter, auf die die zum dichten Anpressen des Rohrstutzens an dem Düsenhalter erforderliche Kraft ausgeübt wird, in einem beträchtlichen Abstand von der Dichtfläche. Bei dem Rohrstutzen handelt es sich aber um eine gesonderte Armatur, die jedenfalls in der Ausbildung gemäß der Zeichnung als Drehteil ausgebildet ist und die den Fachmann nicht an eine Leitung denken läßt. So sind schon die dargestellten Wandstärken größer als der Durchmesser der am hinteren Ende des Rohrstutzens angeschlossenen Kraftstoffleitung (Zulaufrohr). Im Gegensatz zur Kraftstoffleitung, an der herkömmlicherweise nach Abtrennen eines Stücks der benötigten Menge an den Enden Verdickungen zum Anschließen der Leitung an Armaturen angestaucht werden, wird der Rohrstutzen - davon wird jedenfalls der Fachmann ausgehen - aus einem zylindrischen Teil durch Bohren und Drehen hergestellt, wodurch sich ganz andere Gestaltungsmöglichkeiten ergeben. Als Vorbild für die Gestaltung einer Leitung wird ihn der Fachmann nicht hernehmen.
Der Inhalt der übrigen Entgegenhaltungen geht über den aus den vorstehend genannten Druckschriften bekannten Stand der Technik nicht hinaus. Sie haben demzufolge in der mündlichen Verhandlung auch keine Rolle mehr gespielt.
Der Senat kann sich auch nicht der Auffassung anschließen, daß der Vorschlag, die Druckaufnahmefläche in einiger Entfernung von der Dichtfläche an der Kraftstoffleitung anzuordnen, nur deshalb vor dem Anmeldetag des angefochtenen Patents noch nicht gemacht worden sei, weil eine solche Lösung ohne zusätzliche Maßnahmen zur Stabilisierung der Kraftstoffleitung zwischen der Druckaufnahmefläche und der Dichtfläche, wie sie zB in den Ansprüchen 6 und 7 des Streitpatents vorgeschlagen seien, nicht funktioniere. Von einem solchen Mangel der Funktionsfähigkeit kann jedenfalls generell nicht ausgegangen werden. Zwar werden bei bestimmten Brennkraftmaschinen in jüngster Zeit sehr hohe Kraftstoffdrücke erreicht, die demzufolge auch eine sehr hohe Andrückkraft zum dichten Anschließen der Kraftstoffleitung erfordern. Es gibt aber auch Anwendungen mit niedrigeren Kraftstoffdrücken, zB bei Benzinmotoren mit Direkteinspritzung. Zumindest bei diesen ist von einer Funktionsfähigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 des angefochtenen Patents auszugehen. Der Fachmann hätte daher den Einfall, eine Kraftstoffleitung so auszubilden, wie es nunmehr im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 des angefochtenen Patents spezifiziert ist, nicht deshalb unterdrückt, weil er die Lösung grundsätzlich nicht für funktionsfähig gehalten hätte.
Bei dieser Sachlage hat der Anspruch 1 Bestand. Das gleiche gilt für die auf den Anspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 8, die auf Merkmale zur Weiterbildung des Gegenstands des Anspruchs 1 gerichtet sind.
Dr. Schnegg Eberhard Köhn Dr. Pösentrup Fa
BPatG:
Beschluss v. 09.10.2002
Az: 7 W (pat) 11/02
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