Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 28. November 2002
Aktenzeichen: 4 U 129/02

(OLG Hamm: Urteil v. 28.11.2002, Az.: 4 U 129/02)

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 24. Juli 2002 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen teilweise abgeän-dert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken im Internet für das Arzneimittel C1 zu werben, insbe-sondere wenn dies mit der Ankündigung geschieht:

"Denker- und Zornesfalten sowie Krähenfüße lassen sich sehr wirkungsvoll mit C1 glätten. In geübter Hand werden ausgewählte Muskeln durch Ein-spritzen der Substanz stillgelegt und die Mimik damit bewußt modelliert. Die über einen längeren Zeitraum durch stärkere Mimik entstandenen Falten glätten sich innerhalb weniger Tage. Diese Wirkung kann bis zu 12 Monaten anhalten und durch erneutes Einspritzen mehrfach verlängert werden, bis die Muskeln durch die permanente Stilllegung ihre eigentliche Aufgabe "verlernt" haben."

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 1/4 und die Beklagte 3/4 .

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte betreibt Privatkliniken für Beauty-Chirurgie. Sie warb Ende Januar 2002 auf ihrer Internet-Seite (Bl.8) wie folgt:

"C2, kurz: C1 *

Denker- und Zornesfalten sowie Krähenfüße lassen sich sehr wirkungsvoll mit C1 glätten. In geübter Hand werden ausgewählte Muskeln durch Einspritzen der Substanz stillgelegt und die Mimik damit bewusst modelliert. Die über einen längeren Zeitraum durch stärkere Mimik entstandenen Falten glätten sich innerhalb weniger Tage. Diese Wirkung kann bis zu 12 Monaten anhalten und durch erneutes Einspritzen mehrfach verlängert werden, bis die Muskeln durch die permanente Stilllegung ihre eigentliche Aufgabe "verlernt" haben."

* C2: Substanz, die eine lähmende Wirkung auf den Muskel hat.

Aus dem Bakteriengift Botulinum stellt die amerikanische Firma B aus J das Präparat C1 her, das in Deutschland von N1 vertrieben wird und bei dem es sich um ein verschreibungspflichtiges Medikament aus dem Bereich der Muskelrelaxantia handelt.

Die Klägerin sieht in der Internetwerbung der Beklagten eine nach § 10 Abs. 1 HWG verbotene Publikumswerbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel. Sie hat geltend gemacht, dass C1 ein Medikament mit erheblichen Nebenwirkungen sei, dass nur in Kliniken oder von Fachärzten der Nervenheilkunde und Augenheilkunde angewandt werden dürfe. Für eine Faltenbehandlung sei es nicht vorgesehen. Die Werbung gehe auf das eigentliche Anwendungsgebiet nicht ein und setze sich mit keinerlei Risiken auseinander. Sie fördere damit den Einsatz des Mittels.

Die Klägerin hat beantragt,

1) die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen

Verkehr zu Wettbewerbszwecken im Internet oder sonst werblich

außerhalb der Fachkreise für eine Faltenbehandlung mittels

C2 bzw. C1 zu werben, insbesondere wenn dies

mit der Ankündigung geschieht:

"Denker- und Zornesfalten sowie Krähenfüße lassen sich sehr

wirkungsvoll mit C1 glätten. In geübter Hand werden ausgewählte

Muskeln durch Einspritzen der Substanz stillgelegt und die Mimik

damit bewusst modelliert.

Die über einen längeren Zeitraum durch stärkere Mimik entstandenen

Falten glätten sich innerhalb weniger Tage. Diese Wirkung kann bis

zu 12 Monaten

anhalten und durch erneutes Einspritzen mehrfach verlängert werden,

bis die Muskeln durch die permanente Stilllegung ihre eigentliche

Aufgabe "verlernt" haben,"

2) für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen dieses Verbot der

Beklagten ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise

Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an

ihrem Vorstand, anzudrohen,

3) die Beklagte ferner zu verurteilen, an sie 175,06 EUR nebst Zinsen

hieraus in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechts-

hängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat geltend gemacht, dass sie als Klinik grundsätzlich berechtigt sei, für ihre Leistungen zu werben. Mit der dabei erfolgten Benennung des Medikaments C1 habe sie nicht gegen § 10 HWG verstoßen. C1 sei in diesem Zusammenhang schon nicht als Arzneimittel anzusehen, weil es in der Klinik nur als kosmetisches Mittel eingesetzt und auch nur so beworben werde. Es handele sich auch nicht um eine Absatzwerbung, sondern um die Vorstellung einer von verschiedenen Behandlungsmethoden der Faltenbehandlung im Internet, wobei die interessierten Verbraucher in der Bezeichnung "C1" die Behandlungsweise sehen würden und nicht das Medikament. Bei der Art der Behandlung mit dem Mittel komme weder eine Selbstmedikation in Betracht noch ein unsachgemäßer Umgang mit dem zu kontrollierenden Medikament.

Das Landgericht hat die Klage insgesamt zugesprochen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Die Beklagte greift das Urteil mit der Berufung an. Sie bezieht sich auf ihren erstinstanzlichen Vortrag zur fehlenden Arzneimitteleigenschaft von C1 und zur fehlenden Absatzförderung. Sie stellt erneut durch Sachverständigengutachten unter Beweis, dass "C1" von den maßgeblichen schönheitsbewussten Verbrauchern als Gattungsbegriff für eine bestimmte Form der Stirnfaltenglättung, aber nicht als Produktname eines Mittels verstanden werde. Die Beklagte macht insbesondere auch geltend, dass das Landgericht nicht in hinreichender Form festgestellt habe, dass der angebliche Verstoß gegen das HWG auch einen Verstoß gegen § 1 UWG darstelle. Der BGH habe sich mittlerweile von dem früher vertretenen Grundsatz gelöst, dass solche Verstöße gegen wertbezogene Bestimmungen im Arznei- und Heilmittelwerberecht per se sittenwidrig seien, wie sich insbesondere aus seiner Entscheidung abgedruckt in GRUR 1999, 1128 ff - "Hormonpräparate" ergebe. Auch bei Gefährdungen der Gesundheit der Verbraucher müsse mit dem Verstoß eine nennenswerte Beeinflussung des Wettbewerbs verbunden sein und damit auch ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs. Die Beklagte habe sich selber darstellen, aber nicht den Absatz von "C1" fördern wollen. Es seien ihre Grundrechte aus Art. 12 und 5 GG besonders zu beachten, die ihre werbende Außendarstellung schützen würden. Angaben über Besonderheiten ihrer Berufsausübung seien ihr erlaubt, sofern sie in sachlicher Form erfolgten und nicht irreführend seien. Hier sei die Behandlung sachlich beschrieben, Hinweise auf Risiken und Nebenwirkungen von C1 habe sie dabei nicht erteilen müssen.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass es der Beklagten

zu untersagen ist, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken

im Internet für das Arzneimittel C1 zu werben, wenn dies mit der

Ankündigung geschieht, die schon bisher Gegenstand des

Unterlassungsantrages war.

Die Klägerin macht weiterhin geltend, dass "C1" die vom BGH aufgestellten Kriterien für ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel erfülle. Auf die individuelle Zweckbestimmung der Beklagten komme es nicht an. Im übrigen stelle auch die konkrete Art der Anwendung des Mittels als kosmetisches Mittel eine Beeinflussung von körperlichen Funktionen dar. Die Beklagte verkürze Sinn und Zweck des § 10 HWG. Es solle auch verhindert werden, dass sich Verbraucher intensiv um ihnen durch Werbung bekannt gewordene verschreibungspflichtige Arzneimittel bemühten und die Ärzte zur Verschreibung drängten. Die Beklagte könne auch nicht damit gehört werden, dass sie "C1" als eine bestimmte Verfahrensweise beworben habe und nicht als Arzneimittel. Es gebe für den Verkehr keine besondere Art der Faltenbeseitigung dieses Namens. Es gehe bei der Behandlung allein darum, dass das Mittel angewendet, nämlich gespritzt werde. Das zeigten auch die von der Beklagten selbst vorgelegten Presseberichte, die diesem Verkehrsverständnis entsprächen. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass sie nur zulässige Firmenwerbung betreibe. Bei der beanstandeten Werbung gehe es nahezu allein um das ausdrücklich erwähnte Arzneimittel. Es sei schon zweifelhaft, ob die namentliche Nennung des Mittels für eine sachgerechte Aufklärung über die Behandlungsmethode notwendig gewesen sei. Es fehle aber jedenfalls an einer vollständigen und nicht nur einseitigen Information über das Präparat, die über Vor- und Nachteile aufkläre. Die Beklagte verstoße auch gegen § 1 UWG. § 10 HWG diene mit dem Schutz der Volksgesundheit einem überragenden Gemeingut und sei deshalb eine wertbezogene Vorschrift. Selbst wenn besondere Fallgestaltungen eine Prüfung des Gesamtverhaltens des Gesetzesverletzers auf seine Sittenwidrigkeit hin gebieten könnten, gehe es hier um einen "normalen Verstoß" gegen § 10 HWG, der den Vorwurf des wettbewerbswidrigen Verhaltens rechtfertige.

Vorsorglich stützt die Klägerin ihren Unterlassungsanspruch auch noch auf eine Verletzung des § 3 a HWG in Verbindung mit § 1 UWG. Es handele sich hier um eine Werbung für ein Arzneimittel in Bezug auf weitergehende Indikationen, die vom arzneimittelrechtlichen Zulassungsstatus nicht gedeckt seien.

Gründe

Die Berufung ist unbegründet, nachdem die Klägerin ihren Unterlassungsantrag zu Ziffer 1 im Hinblick auf den Verbotsumfang des § 10 Abs. 1 HWG eingeschränkt hat. Der jetzt noch geltend gemachte Unterlassungsanspruch bezogen auf die Werbung mit dem Arzneimittel "C1" im Internet steht der Klägerin nach § 10 Abs. 1 HWG in Verbindung mit § 1 UWG zu. Der Anspruch auf Zahlung der Abmahnkosten ist gleichfalls nach Grund und Höhe gerechtfertigt. Insoweit besteht kein Streit zwischen den Parteien.

1) Der beanstandete Internetauftritt der Beklagten stellt einen Verstoß gegen § 10 Abs. 1 HWG dar, weil es sich insofern um eine verbotene Absatzwerbung für das verschreibungspflichtige Arzneimittel "C1" handelt. Dies gilt unabhängig davon, in welcher Erscheinungsform dafür geworben wird, insbesondere ob das Mittel positiv herausgestellt wird. Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob und wie die Beklagte ihre Aktivitäten im Bereich der Faltenbehandlung bewerben darf.

a) Nach § 10 Abs.1 HWG darf für verschreibungspflichtige Arzneimittel nur bei Ärzten, Zahnärzten, Tierärzten, Apothekern und Personen, die mit diesem Arzneimittel erlaubterweise Handel treiben, geworben werden. Eine Werbung für ein solches Mittel im Internet, die sich eindeutig auch an Adressaten wendet, die nicht zu diesem Kreis gehören, der noch enger als der der Fachkreise des § 2 HWG ist, ist damit verboten.

b) "C1" ist ein von der Firma B hergestelltes und von der Firma N1 in Deutschland vertriebenes verschreibungspflichtiges Arzneimittel, auch wenn es von der Beklagten zu kosmetischen Zwecken eingesetzt wird. Nach der Definition des Arzneimittels in Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 65 / 65 / EWG, die inhaltsgleich mit der Definition in der Nachfolgerichtlinie 2000 / 83 / EG ist und die zur Abgrenzung von Lebensmitteln auch in die Verordnung 178 / 2002 / EG vom 28. Januar 2002 über das Lebensmittelrecht aufgenommen worden ist, sind Arzneimittel "alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die als Mittel zur Heilung oder Verhütung menschlicher oder tierischer Krankheiten bezeichnet werden;" sowie "alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die dazu bestimmt sind, im oder am menschlichen oder tierischen Körper zur Erstellung einer ärztlichen Diagnose oder zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der menschlichen oder tierischen Körperfunktionen angewandt zu werden." Bei der ersten Gruppe handelt es sich um Präsentationsarzneimittel, bei der zweiten um Funktionsarzneimittel. Ein solches Funktionsarzneimittel ist "C1", weil es auch nach dem Vortrag der Beklagten eine Substanz enthält, die eine lähmende Wirkung auf Muskeln im Gesichtsbereich hat. Es ist damit ein Mittel, das auch durch chemische Stoffe physiologische Wirkungen im Körper entfaltet (BGH GRUR 2002, 910, 912 -Muskelaufbaupräparate). Der Umstand, dass diese Wirkungen von der Beklagten im kosmetischen Bereich eingesetzt werden, macht "C1" nicht zu einem kosmetischen Mittel im Sinne des § 4 Abs. 1 LMBG, das dazu bestimmt ist, äußerlich angewandt zu werden.

c) Der Internetauftritt der Beklagten bezieht sich auch auf das vorgenannte Arzneimittel "C1" und nicht etwa auf ein Faltenglättungsverfahren gleichen Namens. Entgegen der Auffassung der Beklagten sieht der Verkehr in "C1" ganz überwiegend keinen Gattungsbegriff für ein bestimmten Verfahren zur Glättung von Stirnfalten. Der durchschnittlich interessierte und verständige, in diesem Fall auch durchschnittlich aufmerksame Verbraucher weiß vielmehr zu unterscheiden zwischen dem Arzneimittel "C1" und seinem hiesigen Anwendungszweck, nämlich der Faltenglättung. Ein solches Verkehrsverständnis ergibt sich insbesondere schon aus den vom Beklagten selbst vorgelegten Presseartikeln (Bl. 58 bis 113). Bei diesen insgesamt 51 Artikeln wird in 38 Fällen "C1" als "Mittel" oder "Medikament" oder "Produkt" unter Hinweis auf Fragen der Zulassung in den USA oder auf den Hersteller oder neben anderen Botulinum-Toxin -Produkten wie E und N2 bezeichnet. Rund 75 % der Presseberichte weisen somit auf "C1" als ein Arzneimittel hin, das zur Faltenglättung eingesetzt wird. Besonders deutlich wird das in einem Artikel aus der Zeitschrift X mit der Überschrift "M" (Bl.96), wo im einzelnen auf die Werbestrategie des Herstellers für das Präparat "C1" hingewiesen und dabei ausdrücklich auch auf das Werbeverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel Bezug genommen wird, das eine Werbung unmittelbar bei den Ärzten erforderlich mache.

d) In der Nennung des beim Publikum danach bekannten Arzneimittels "C1" bei seinem Namen liegt auch in einer Information für Schönheitschirurgie grundsätzlich eine unzulässige Publikumswerbung im Sinne des § 10 Abs. 1 HWG, wenn damit eine Absatzwerbung für das Arzneimittel verbunden ist (vgl. BGH GRUR 1999, 1128, 1130 -Hormonpräparate). Einer solchen Absatzwerbung steht insbesondere nicht entgegen, dass die Beklagte in erster Linie eine Werbung für die Klinik und die dort angewandten Verfahren bezweckt haben mag. Es reicht aus, wenn sie auch für das Mittel werben wollte. Davon ist nach der Auffassung des Senats hier auszugehen.

aa) Ziel einer Absatzwerbung ist eine Beeinflussung des Werbeadressaten zum Zwecke einer entsprechenden Meinungsbildung und/oder Verhaltensänderung in Bezug auf das beworbene Arzneimittel und damit dessen Förderung (vgl. Doepner, HWG, 2. Auflage, § 1 Rdn.12). Produktbezogene Aussagen sind heilmittelrechtlich Werbung, wenn sie darauf angelegt sind, die Aufmerksamkeit der angesprochenen Verkehrskreise zu erregen, deren Interesse zu wecken und damit den Absatz von Waren zu fördern (BGH GRUR 1995, 612, 613 -Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie). Die Aussagen über "C1" im Internetauftritt der Beklagten erfüllen diese Voraussetzungen. Unschädlich ist dabei, dass sie nicht reklamehaft wirken, sondern auf die entsprechende klinische Behandlung mit dem Mittel bezogen und damit sachbezogen sind. Werbung im vorgenannten Sinn ist nämliche auch eine objektive, sachliche Information über das Arzneimittel, die nicht vom Hersteller, sondern von einem sachverständigen Dritten stammt. Der Verkehr versteht jedenfalls im Gesundheitsbereich Werbung keinesfalls nur als einseitige, reklamehafte oder auch sonst besonders anpreisende Darstellung, sondern erwartet von ihr auch eine gewisse sachliche Information (BGH -Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie, a.a.O.).

bb) Mit den Werbeaussagen zu "C1" im Internet verfolgt die Beklagte auch die Absicht, den Absatz dieses Mittels zu fördern. Der Absatz des Mittels "C1" ist unlösbar verbunden mit der von der Beklagten gewünschten Förderung der damit bewirkten "Faltenglättung". Sie selbst setzt das Mittel im Rahmen ihrer Behandlung ein und ist schon deshalb an dem Vertrieb interessiert. Denn mit jedem Einsatz der von ihr ebenso benannten Behandlungsmethode erhöht die Beklagte gleichzeitig auch den eigenen Absatz des Mittels. Diesen und den damit verbundenen Umsatz will sie jedenfalls auch fördern, so dass die darauf gerichtete Absicht nicht völlig hinter anderen Beweggründen wie der Werbung für das entsprechende Verfahren zurücktreten kann.

e) Die Bewerbung des Arzneimittels führt auch dazu, dass gegen den Normzweck des § 10 Abs. 1 HWG verstoßen wird. Nach diesem soll unter anderem ausgeschlossen werden, dass es den angesprochenen Verkehrskreisen möglich wird, bei einem Arzt auf die Verschreibung eines verschreibungspflichtigen Mittels zu drängen, auch wenn in Zusammenhang mit solchen Mitteln die Gefahr einer Selbstmedikation keine große Rolle spielen kann. Durch die hiesige Werbung wird die Nachfrage nach der Anwendung von "C1" in einer Weise geweckt, die nicht allein von der Beklagten befriedigt werden kann. Dies führt gerade zu den unerwünschten Anfragen nach dem verschreibungspflichtigen Arzneimittel auch bei anderen Ärzten aus dem Bereich der Schönheitsmedizin.

f) Schließlich begegnet ein solches Verbot der Heilmittelwerbung auch keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Eine Einschränkung der Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG und der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, weil die heilwerbemittelrechtlichen Bestimmungen die Gesundheit der Bevölkerung und damit ein Gemeinschaftsgut von hohem Rang schützen (BGH -Hormonpräparate, a.a.O. S.1131). Dabei darf die Einschränkung allerdings im Einzelfall nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zwecken des Gesundheitsschutzes stehen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bewirkt, dass Einschränkungen der Berufsfreiheit nur dann mit Art. 12 GG vereinbar sind, wenn sie vernünftigen Zwecken des Gemeinwohls dienen und die Berufstätigen, hier die Beklagte, nicht unzumutbar belasten. Hier liegt eine erhebliche Beeinträchtigung des Gemeinwohls, aber keine unzumutbare Belastung der Beklagten vor. Die Verbraucher geraten in die nicht unerhebliche Gefahr, dahin beeinflusst zu werden, sich nach "C1" und damit einem muskellähmenden Nervengift zu erkundigen, mit dem bei falscher Anwendung erheblicher und dauerhafter Schaden angerichtet werden kann. Die Beklagte kann das Verfahren dagegen dem Publikum vorstellen, ohne auf "C1" hinzuweisen. Es ist gerade nicht zutreffend, dass die Behandlungsmethode nicht anders als mit "C1" bezeichnet wird und bezeichnet werden kann. In einer Einladung der F für "Neue Entwicklungen in der ästhetischen Chirurgie", die die Beklagte selbst vorgelegt hat, wird für einen Vortrag über die entsprechende Behandlung der Titel "C3" und für das Thema der Diskussion darüber "C2" verwandt (Bl.166/167).

2) Der Verstoß der Beklagten gegen Bestimmungen des HWG ist hier auch sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG, weil die heilmittelwerberechtlichen Normen das Wettbewerbsverhalten im Markt der Heilmittel im Interesse der Gesundheit des Einzelnen und der Gesundheitsbelange der Allgemeinheit regeln ( Doepner, a.a.O. Einl. 41 am Ende). Eine Verletzung solcher Normen indiziert immer noch die Unlauterkeit, ohne dass es der Feststellung weiterer Unlauterkeitsmerkmale bedarf (BGH , a.a.O. -Muskelaufbaupräparate S. 915). Die Rechtsprechung hat zwar in jüngerer Zeit auch in diesem Bereich Ausnahmen zugelassen, wenn ganz besondere Umstände wie die geringe Gefahr einer Beeinträchtigung des Wettbewerbs aufgrund der speziellen Art des Normverstoßes und die Wahrnehmung berechtigter Interessen (BGH GRUR -Hormonpräparate, a.a.O. S.1138) oder die fehlende Sittenwidrigkeit wegen einer Spende zu einem guten Zweck (BGH GRUR 2000, 237 -Giftnotruf-Box) gegeben waren. An solchen Umständen fehlt es hier, wenn man eine Gesamtwürdigung des Verhaltens der Beklagten vornimmt. Die Beklagte handelte im Rahmen der Förderung eigenen und fremden Wettbewerbs mittels einer verbotenen produktbezogenen Absatzwerbung. Sie hat bei der Werbung bewusst an den geläufigen Begriff "C1" angeknüpft, der das Mittel repräsentiert. Das widerspricht auch dem Normzweck des § 10 Abs. 1 HWG, der -wie schon ausgeführt worden ist- gerade eine solche Absatzwerbung beschränken soll, um sicherzustellen, das ein Arzneimittel nicht besonders herausgestellt und es damit den Verbrauchern ermöglicht wird, die Ärzte auf die Verschreibung bestimmter Arzneimittel zu drängen. Dem kann die Beklagte hier nicht entgegenhalten, dass sie berechtigte Interessen der Verbraucher wahrgenommen hat. Allein die Erwähnung des Mittels bewirkt keine Aufklärung der Verbraucher über die gesundheitlichen Gefahren bei seiner Verwendung.

3) Weil die verbotene Werbung den sensiblen Bereich der Volksgesundheit betrifft, stellt sie sich schon deshalb im Regelfall auch als eine wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr.2 UWG dar (vgl. dazu BGH NJW 1998, 822, 823 -Professorenbezeichnung in der Arztwerbung III).

4) Ob sich ein Unterlassungsanspruch im vorliegenden Fall auch aus § 3 a HWG ergeben könnte, kann dahin stehen. Dagegen spricht, dass mit dem Sachvortrag dazu ein neuer Streitgegenstand in den Prozess eingeführt würde. Eine solche Klageänderung kann nach § 533 Abs. 2 ZPO schon nicht zugelassen werden.

Dem Antrag der Beklagten, die Revision zuzulassen, war nicht zu entsprechen.

Die in § 543 Abs.2 ZPO genannten Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind im vorliegenden Fall nicht gegeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 269 Abs.3, 97 Abs.1 ZPO. In der Beschränkung des Unterlassungsantrags liegt eine teilweise Klagerücknahme. Die "Antragskorrektur" diente in diesem Falle nicht allein einer Klarstellung des mit dem Antrag verfolgten Begehrens, sondern das Verbot wurde durch sie auch materiell begrenzt, weil es nun nicht mehr die Werbung für die Faltenbehandlung zum Gegenstand hat.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr.10,

711, 713 ZPO.






OLG Hamm:
Urteil v. 28.11.2002
Az: 4 U 129/02


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