Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. Februar 2004
Aktenzeichen: 25 W (pat) 83/02
(BPatG: Beschluss v. 26.02.2004, Az.: 25 W (pat) 83/02)
Tenor
Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke gegen den Beschluss der Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts vom 27. November 2001 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Das Zeichenist am 23. Juni 1998 unter der Nummer 398 14 553.9 für die Dienstleistungen "ärztliche Versorgung" in das Markenregister eingetragen worden.
Dagegen hat die Inhaberin der ua ebenfalls für die Dienstleistungen "ärztliche Versorgung" geschützten und seit 12. August 1996 eingetragenen Marke Nr 396 07 291 Widerspruch eingelegt.
Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 27. November 2001 durch einen Beamten des höheren Dienstes die Eintragung der Marke Nr 398 14 553 wegen des Widerspruchs aus der Marke 396 07 291 gelöscht.
Ausgehend von normaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sowie Identität der Dienstleistungen sei eine Verwechslungsgefahr gegeben. Die angegriffene Marke werde von dem Wortbestandteil "Viamedia" geprägt. Die Vergleichszeichen stimmten in den ersten sieben von acht Buchstaben überein. Der einzige Unterschied zum Widerspruchszeichen bestehe am ohnehin weniger beachteten Wortende zwischen dem Vokal "a" und dem Konsonanten "c", welche unbetont an dieser Stelle häufig überhört oder verschluckt würden. Eine klangliche Verwechslungsgefahr sei nicht mehr auszuschließen. In schriftbildlicher Hinsicht dürfte der Unterschied bei Wiedergabe in Normalschrift vom Verkehr kaum bemerkt werden.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat dagegen Beschwerde eingelegt, ohne einen ausformulierten Antrag zu stellen.
Sie hat zunächst die Einrede mangelnder Benutzung nach § 43 Abs 1 S 1 MarkenG erhoben, sich aber dazu auf den Hinweis des Senats, dass die ausdrücklich gemäß § 43 Abs 1 Satz 1 MarkenG erhobene Nichtbenutzungseinrede nicht wirksam sei, nicht mehr geäußert.
In der Sache ist sie der Auffassung, dass bei Anlegung eines durchschnittlichen Maßstabs, der auf der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft des Widerspruchszeichens beruhe, keine Verwechslungsgefahr bestehe. Die angegriffene Marke, unter deren Namen in Hamburg ein Institut für aktives Gesundheitsmanagement betrieben werde, welches sich als Privatambulanz für Sucht und Stress etabliert habe, sei in der Klasse 42 eingetragen. Es gehe um die ambulante Betreuung einer kleinen Zielgruppe, wobei eine Verabreichung von Medikamenten nicht vorgesehen sei. Insoweit bestünden keine Berührungspunkte mit der Widerspruchsmarke, weil unter dieser Marke Medikamente vertrieben würden. Außerdem bestünde auch aufgrund der geringen Größe des Instituts keine Verwechslungsgefahr. Strengere Anforderungen an die Kennzeichnungskraft der Marke seien nicht zu stellen. Bei der Klasse 42 handele es sich um eine sogenannte Auffangklasse. Sie decke ein wesentlich breiteres Spektrum ab als andere Klassen. Die Untergruppierung "ärztliche Versorgung, Gesundheits- und Schönheitspflege" sei in Deutschland mit großer Häufigkeit vertreten. Dies relativiere die Anforderungen an die Kennzeichnungskraft. Eine Verwechslungsgefahr sei nicht begründet, da die hinter den beiden Marken stehenden Markeninhaber völlig unterschiedliche Bereiche der ärztlichen Versorgung abdeckten. Bei der Inhaberin der Widerspruchsmarke "VIA-MEDIC" handele es sich um ein Privatinstitut zur Erforschung hormonell bedingter Stoffwechselstörungen. Aufgrund der unterschiedlichen Tätigkeitsbereiche bestünden keine Berührungspunkte. Die angesprochenen Personengruppen seien unterschiedlich und auch die weite örtliche Distanz spreche gegen eine Verwechslungsgefahr.
Die graphische Gestaltung sei völlig unterschiedlich und auch in phonetischer Hinsicht ergäben sich deutliche Unterschiede. Es entspreche ständiger Rechtsprechung, dass der Verkehr meist nicht nach dem Namen des Herstellers unterscheide, sondern seine Aufmerksamkeit auf die sonstigen Merkmale richte. Der Gesamteindruck lasse eine Unterschiedlichkeit erkennen. Im Übrigen könne im medizinischen Bereich nicht von einer Neigung des Verkehrs ausgegangen werden, sich nur eines von mehreren unterscheidungskräftigen Zeichenbestandteilen zu bedienen.
Die Widersprechende, die ebenfalls keinen Antrag gestellt hat, trägt vor, die Widerspruchsmarke werde laufend benutzt. Sie weist dazu auf ihren Internetauftritt hin. Es sei irrelevant, wo und in welchem Umfang die Markeninhaberin ansässig sei und auch die Größe der Institute müsse außer Acht bleiben. Die Unterschiede in den Marken seien nur marginal. Im Übrigen verweist sie auf den Beschluss der Markenstelle vom 27. November 2001.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke hat in der Sache keinen Erfolg.
Die Markenstelle hat zutreffend eine Verwechslungsgefahr (§ 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG) bejaht.
Die in der Eingabe vom 7. März 2002 ausdrücklich nach § 43 Abs 1 S 1 MarkenG erhobene Einrede mangelnder Benutzung der Widerspruchsmarke ist unzulässig, da zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke die Widerspruchsmarke noch keine fünf Jahre eingetragen war. Den Beteiligten ist dies auch bereits mit Schreiben vom 27. September 2002 mitgeteilt worden. Da im Beschwerdeschriftsatz eindeutig nur für den Zeitraum vor Eintragung der jüngeren Marke eine Benutzung der Widerspruchsmarke in Frage gestellt wird, ist für den nach § 43 Abs 1 S 2 MarkenG maßgeblichen Zeitraum eine rechtserhaltende Benutzung nicht bestritten. Für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist daher die Registerlage, wonach beide Marken für die identischen Dienstleistungen "ärztliche Versorgung" Schutz haben, maßgebend.
Für die Prüfung der Ähnlichkeit bzw Identität der sich gegenüberstehenden Dienstleistungen kommt es nicht darauf an, ob die Beteiligten derzeit in unterschiedlichen Bereichen der ärztlichen Versorgung tätig sind und die Firmen unterschiedliche Personen und Gebiete versorgen. Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat ihr Dienstleistungsverzeichnis nicht auf Dienstleistungen beschränkt, die sie derzeit tatsächlich erbringt, sondern die Marke hat für den gesamten Oberbegriff Schutz, und bei der Widerspruchsmarke ist mangels einer zulässigen Nichtbenutzungseinrede ebenfalls von den eingetragenen Dienstleistungen auszugehen. Auch gilt der Schutz für die gesamte Bundesrepublik Deutschland.
Ausgehend von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und identischen Dienstleistungen ist ein deutlicher Markenabstand erforderlich, um Verwechslungen bei den angesprochenen Verkehrskreisen, zu denen insbesondere auch Laien gehören, zu verhindern. Den Ausführungen der Inhaberin der angegriffenen Marke zur Auswirkung der Häufigkeit der Dienstleistungen "ärztliche Versorgung, Gesundheits- und Schönheitspflege" in Deutschland vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Vielmehr ist registerrechtlich davon auszugehen, dass die Marke für identische Dienstleistungen verwendet werden könnten und daher auch ein deutlicher Zeichenabstand erforderlich ist, um Verwechslungen zu verhindern.
Zumindest in klanglicher Hinsicht reichen die Unterschiede hierfür nicht aus, auch wenn im Gesundheitsbereich mit einer größeren Aufmerksamkeit der angesprochenen Verkehrskreise zu rechnen ist. Bei der klanglichen Wiedergabe der vorliegenden Zeichen spielt die graphische Gestaltung der Marken keine Rolle. Die Lautfolgen "viamedia" und "viamedic" stimmen in sieben von acht Lauten überein. Der einzige Unterschied befindet sich am Wortende, das meist weniger beachtet wird als der Zeichenanfang, zumal weite Verkehrskreise den letzten Laut unbetont sprechen. Auch wenn der Vokal "a" und der Konsonant "c" deutlich unterschiedlich klingen, haben diese Unterschiede im Gesamtklangbild ein zu geringes Gewicht, um Verwechslungen infolge Verhörens auszuschließen. Die Zeichen sind relativ lang, da sie vier bzw fünf Sprechsilben aufweisen. Bei der Länge der Zeichen genügt der einzige Unterschied im letzten und zudem meist unbetonten Laut nicht, die Zeichen hinreichend auseinander zu halten, zumal das Wortende oft nicht sehr akzentuiert ausgesprochen wird.
Ob die Marken auch in schriftbildlicher Hinsicht ähnlich sind, wobei die graphische Ausgestaltung möglicherweise eine Rolle spielen könnte, da bei der schriftbildlichen Ähnlichkeit die visuelle Wahrnehmung der Zeichen maßgeblich ist (vgl Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl, § 9 Rdn 207), kann dahingestellt bleiben, da selbst eine lediglich in klanglicher Hinsicht bestehende Verwechslungsgefahr genügt, um dem Widerspruch stattzugeben (vgl Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl, § 9 Rdn 170).
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass, (§ 71 Abs 1 MarkenG).
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BPatG:
Beschluss v. 26.02.2004
Az: 25 W (pat) 83/02
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