Landgericht Münster:
Urteil vom 24. August 2011
Aktenzeichen: 026 O 55/11
(LG Münster: Urteil v. 24.08.2011, Az.: 026 O 55/11)
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, geschäftlich handelnd Werbung per Email an solche Adressaten zu versenden, die nicht zuvor eine ausdrückliche Einwilligung in den Erhalt erteilt haben.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, es zu unterlassen, geschäftlich handelnd im Zusammenhang mit dem Abschluss von Finanzsanierungsverträgen die Korrespondenz wie Anlage 1 zur Klageschrift zu verwenden.
Für jeden Fall zukünftiger schuldhafter Zuwiderhandlung gegen eines der vorstehenden Unterlassungsgebote wird der Beklagten ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 500.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten angedroht, wobei die Ordnungshaft am Geschäftsführer der Beklagten zu vollziehen ist.
Die Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin 208,65 € nebst 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.05.2011 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von des jeweils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 20 % vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die Beklagte befasst sich mit der Vermittlung von Krediten und Finanzdienstleistungen.
Am 09.03.2011 erhielt eine Mitarbeiterin des Klägers über dessen e-Mail Anschrift ein Angebot auf Abschluss eines Finanzsanierungsvertrages, ohne in dessen Erhalt zuvor eingewilligt oder dieses angefordert zu haben. Die e-Mail enthält auf Blatt 1 in Fettdruck in der ersten Zeile den Passus " Genehmigung in Höhe von 100.000,- €", im weiteren Text wird u.a. ausgeführt, der genehmigte Finanzsanierungsvertrag stehe mit einem Vertragsvolumen von 100.000,- €, einer monatlichen Rate von 686,03 € sowie einer Laufzeit von 156 Monaten zur sofortigen Verfügung. Wegen der Einzelheiten wird auf die e-Mail vom 09.03.2011 (Anlage 1 zur Klageschrift) Bezug genommen.
Bei dem Kläger handelt es sich um die X. Er hat die vorstehende e-Mail mit Schreiben vom 15.03. und 13.04.2011 als irreführend beanstandet - die Formulierungen suggerierten eine Kreditzusage - sowie deren Zusendung entgegen § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG gerügt und die Beklagte erfolglos zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
1.
es zu unterlassen, geschäftlich handelnd Werbung per e-Mail an solche Adressaten zu versenden, die nicht zuvor eine ausdrückliche Einwilligung in deren Erhalt erklärt haben,
ferner,
2.
es zu unterlassen, geschäftlich handeln im Zusammenhang mit dem Abschluss von Finanzsanierungsverträgen die Korrespondenz wie Anlage 1 der Klageschrift zu verwenden,
3.
für jeden Fall zukünftiger schuldhafter Zuwiderhandlung gegen eines der vorstehenden Unterlassungsgebote wird der Beklagten ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 500.000,- € ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten angedroht, wobei die Ordnungshaft am Geschäftsführer der Beklagten zu vollziehen ist,
4.
an den Kläger 208,65 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor:
Sie habe unter dem 08.03.2011 unter dem Namen der klägerischen Mitarbeiterin eine Kundenanfrage erhalten. Diese stamme zwar nicht aus dem Hause des Klägers bzw. seiner Mitarbeiterin, sondern sei über eine dynamische IP-Adresse erfolgt; zu welchem Internetanschluss diese gehöre sei nicht zu ermitteln. Da entsprechender Missbrauch für sie nicht vermeidbar sei, hält die Beklagte für einen derartigen Erstkontakt die Vorschrift des § 7 Abs. 3 Nr. 1 UWG für entsprechend anwendbar. Die Angaben in ihrer e-Mail hält sie nicht für irreführend; aus Blatt 2 sei ersichtlich, dass Vertragsgegenstand die Auftragserteilung zur Vermittlung einer Finanzsanierung sei. Dies ergebe sich auch aus ihren AGB.
Die Abmahngebühren hält die Beklagte für übersetzt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Klage ist am 26.05.2011 zugestellt worden.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
A.
Der Kläger ist als rechtsfähiger Verband zur Förderung gewerblicher Interessen gemäß § 8 Abs. 3 Nr.2 UWG klagebefugt.
B.
In der Sache stehen dem Kläger die Unterlassungsansprüche aus den §§ 3, 5 Abs. 1, 7 Abs. 2 Nr. 3, 8 Abs. 1, Abs. 3 UWG zu.
I.
Die unaufgeforderte Zusendung der streitgegenständlichen Werbe e-Mail verstößt gegen § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG, wonach bei der Zusendung von Werbung per elektronischer Post die ausdrückliche vorherige Einwilligung des Adressaten erforderlich ist.
Im vorliegenden Fall genügt zunächst die eng am Gesetzeswortlaut angelehnte Antragsformulierung dem Erfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, da der Wortlaut des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG selbst hinreichend konkret und eindeutig gefasst ist.
Unstreitig hat die Beklagte die e-Mail vom 09.03.2011 an die Mitarbeiterin der Klägerin zu Werbezwecken übersandt, ohne dass hierfür deren ausdrückliche vorherige Einwilligung vorlag. Dass die Beklagte im Hinblick auf die von ihr vorgetragene dynamische IP-Adresse meint, einen entsprechenden Missbrauch bei Erstkontakt nicht verhindern zu können und deswegen § 7 Abs. 3 UWG für anwendbar hält, vermag die Kammer nicht zu überzeugen. Es entspricht höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass für eine vorherige Einwilligung im Sinne des § 7 Abs. 2 UWG der Werbende die Darlegungs- und Beweislast trägt. Dabei muss die Einwilligung selbst konkret in der Person des elektronisch Angeschriebenen vorliegen. Für den Nachweis des Einverständnisses ist die Einverständniserklärung zu dokumentieren in der Form, dass sie gespeichert wird und jederzeit ausgedruckt werden kann (vgl. BGH, Urt. vom 10.02.2011, I ZR 164/09, DB 2011, 1857 ff.). All dies liegt nicht vor. Will die Beklagte den ihr obliegenden Erfordernissen des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG nachkommen, muss sie durch ein entsprechendes Verfahren sicherstellen, dass sie nachweisen kann, dass eine vorherige Einwilligung vorliegt und diese von dem angeschriebenen Verbraucher stammt. So ist es der Beklagten beispielsweise unbenommen, sich jederzeit etwaige Erstanfragen per e-Mail bestätigen zu lassen und das vorherige Einverständnis vor Zusendung ihrer Angebote einzuholen. Bedient sich ein Werbender dieses sog. Doubleoptin
-Verfahrens ist nach Eingang der Bestätigung in der Regel davon auszugehen, dass der Antrag tatsächlich von der angegebenen Adresse stammt. Hat der Verbraucher dann zudem sich mit der Übersendung von Werbung einverstanden erklärt, ist auch den Erfordernissen des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG hinreichend Rechnung getragen. Mit dem vorgenannten Doubleoptin-Verfahren steht jedenfalls dem Werbenden ein Verfahren zur Verfügung, welches den von der Beklagten in Bezug genommenen missbräuchlichen Erstkontakt wirkungsvoll verhindern kann.
II.
Auch der Inhalt der e-Mail vom 09.03.2011 verstößt gegen lauterkeitsrechtliche Grundsätze, da er zur Täuschung geeignete Angaben enthält und damit gegen das Irreführungsverbot des § 5 Abs. 1 UWG verstößt.
Dabei ist zunächst der diesbezügliche Antrag des Klägers einschränkend dahin auszulegen, dass Unterlassung der eigentlichen Sachkorrespondenz, nicht aber der der e-Mail vom 09.03.2011 beigefügten allgemeinen Geschäftsbedingungen begehrt wird.
Inhaltlich ist bei der Beurteilung, ob Werbeangaben irreführend sind, die Sicht eines durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers maßgebend, der die Werbung mit einer der Situation entsprechend angemessenen Aufmerksamkeit zur Kenntnis nimmt (BGH, Urt. vom 02.10.2003, I ZR 252/01). Im vorliegenden Fall richten sich die streitgegenständlichen Angebote der Beklagten - wie sie selbst vorträgt - an " im Kreditvermittlungsbereich nicht vermittelbare Kunden ", m.a.W., überwiegend an Personen in finanzschwachen Verhältnissen oder mit finanziellen Problemen, in Situationen jedenfalls, die eine Kreditaufnahme zu normalen Konditionen erheblich erschweren oder unmöglich machen. Die von der Beklagten in ihrem Schreiben gewählten Formulierungen sind - insbesondere bei vorstehendem Personenkreis - geeignet die Vorstellung hervorzurufen, es handle sich nicht etwa um die Vermittlung zu einem Finanzvermittler - wie tatsächlich angeboten -, sondern um die Vermittlung eines Kredites. Das Schreiben bezieht sich in Fett- und Großdruck auf eine "Genehmigung in Höhe von 100.000,- €" und postuliert ebenfalls drucktechnisch hervorgehoben die "verbindliche Zusage" eines "genehmigten Finanzsanierungsvertrages". Sodann wird mit der Bezeichnung eines Vertragsvolumens, der Angabe von monatlichen Tilgungsraten, einer Laufzeit sowie der Möglichkeit von Sonderzahlungen exakt das sprachliche Repertoire verwandt, das dem Durchschnittsverbraucher aus Kreditverträgen bekannt ist und das er entsprechend mit Kreditverträgen in Verbindung bringt. Auch das Wort "Finanzsanierung" ist geeignet, bei dem angesprochenen ohnehin eher schwach kreditfähigen Verbraucher, für den das Angebot eine Lösung seiner Schwierigkeiten anzubieten scheint, die Vorstellung einer Finanzsanierung durch Kreditvergabe
hervorzurufen. Nach diesem Verständnis sind die Werbeaussagen irreführend, da die Klägerin gerade keinen Kredit verschafft oder vermittelt, wie erst bei genauem Durchlesen ihrer AGB in § 1 deutlich wird. Zwar dürften die beanstandeten e-Mail-Aussagen nicht geeignet sein, sämtliche Interessenten irrezuführen: sorgfältig und gründlich auch sämtliche allgemeine Geschäftsbedingungen lesende Interessenten werden erkennen, dass gerade kein Kredit vermittelt, sondern lediglich die Vermittlung zu einem Finanzsanierer angeboten wird. Dies schließt die Anwendung des Irreführungsverbotes jedoch nicht aus. Die beanstandete Korrespondenz enthält zwar ausdrücklich keine unrichtigen Tatsachenbehauptungen, sie ist nach Wortwahl und Gestaltung jedoch darauf angelegt, die Vorstellung einer Kreditbeschaffung zu erzeugen und den angesprochenen Verbraucher durch diese irrige Vorstellung zu veranlassen, das Angebot der Beklagten anzunehmen. Gerade ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen " nicht Kreditvermittelbaren", also finanzschwachen Interessenten wird durch Wortwahl und Aufmachung das irrige Verständnis einer Kreditvergabe entwickeln und nicht erwarten, dass an anderer Stelle - nämlich in den kleingedruckten AGB - dieses durch Angabe des tatsächlichen (abweichenden) Vertragsgegenstandes korrigiert wird.
Das Verbot, bei Abschluss von Finanzsanierungsverträgen die streitgegenständliche Korrespondenz zu verwenden, ist auch verhältnismäßig; die Beklagte kann durch eine andere Fassung ihrer Werbung die Irreführungsgefahr ohne weiteres vermeiden.
Die Androhung der Ordnungsmittel beruht auf § 890 Abs. 2 ZPO.
D.
Der Anspruch auf Zahlung der Abmahngebühren folgt aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG. Die Abmahnungen vom 15.03. und 13.04.2011 waren berechtigt; die Zuerkennung der geltend gemachten Pauschale von 195,- € zuzgl. 7 % MWSt = 208,65 € entspricht ständiger Rechtsprechung (vgl. Köhler-Bornkamm, 28. Aufl. 2010, § 12 Rdn. 1.98 m.w.N.).
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs.1, 288 Abs. 1 BGB.
E.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.
LG Münster:
Urteil v. 24.08.2011
Az: 026 O 55/11
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