Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. Februar 2002
Aktenzeichen: 11 W (pat) 47/01

(BPatG: Beschluss v. 21.02.2002, Az.: 11 W (pat) 47/01)

Tenor

Die Beschwerde der Patentinhaberin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Auf die am 6. Juli 1995 beim Patentamt eingereichte Patentanmeldung ist das Patent 195 24 612 mit der Bezeichnung "Verbindungselement" erteilt und die Erteilung am 21. Oktober 1999 veröffentlicht worden. Auf die Einsprüche der V... AG in S... (Einsprechende I) und der B... Vertriebs-Ges. mbH in W... (Einsprechende II) hat die Pa- tentabteilung 25 das Patent mit Beschluss vom 18. Mai 2001 widerrufen.

Zwar treffe es nicht zu, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldeunterlagen hinausgehe, weil der Fachmann die strittige Positionierung der Dichtung den ursprünglichen Unterlagen entnehme. Der Patentgegenstand beruhe aber gegenüber der DE 87 15 664 U1 (DS1) in Verbindung mit dem Auszug aus dem Verarbeiterhandbuch der Fa. Schuco Schuermann & Co. KG, Bielefeld, Bezeichnung "System AS / K 9434", Beschriftungsdatum 22. April 93 (DS2) nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Gegen diesen Beschluss hat die Patentinhaberin Beschwerde eingelegt.

Sie legt neue Patentansprüche 1 und 2 vor, wobei der geltende Anspruch 1 gegenüber der erteilten Fassung beschränkt ist und der geltende Anspruch 2 auf den erteilten Anspruch 3 zurückgeht. Sie macht geltend, dass der Gegenstand des nun einteiligen Anspruchs 1 neu und erfinderisch sei, weil aus der nächstkommenden DS1 kein Verbindungselement mit einem Hintergreifungsstück sowie daran angeordneter Dichtung zu entnehmen sei und der Fachmann durch die DS2, deren Vorveröffentlichung bestritten werde, aufgrund des dort fehlenden, erfindungsgemäßen Verbindungselements nicht zur Anordnung der Dichtung gemäß Anspruch 1 angeregt werde. Als unterstützende Anzeichen für erfinderische Tätigkeit verweist sie auf den wirtschaftlichen Erfolg des Patentgegenstands und den Zeitfaktor, weil die Fa. Schüco seit Jahren nur vom Erfindungsgegenstand abweichende Verbindungselemente gemäß DS2 angeboten habe.

Außerdem seien die Einsprüche nicht zulässig, weil die Vorveröffentlichung der DS2 nicht innerhalb der Einspruchsfrist nachgewiesen worden sei, was auch für die übrigen entgegengehaltenen Druckschriften der Fa. Schüco zuträfe. Da dieser Nachweis bisher nicht erbracht sei, seien diese Druckschriften nicht als Vorveröffentlichungen anzusehen. Abgesehen davon seien nur die DS1 und DS2 im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen, weil sich die Beschwerde gegen den Beschluss der Patentabteilung vom 18. Mai 2001 richte, in welchem nur diese beiden Druckschriften, nicht aber die übrigen im Prüfungs- und Einspruchsverfahren genannten Entgegenhaltungen zum Widerruf des Patents herangezogen worden seien.

Die Patentinhaberin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung übergebenen neuen Ansprüche 1 und 2, im übrigen mit den erteilten Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten.

Die Einsprechende I stellte den Antrag aus dem am 19. Oktober 2001 eingegangenen Schriftsatz vom 18.10.2001, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hat nach schriftlicher Ankündigung mit Schriftsatz vom 15. Februar 2002 an der mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen. Mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2001 hatte sie ihren Antrag damit begründet, dass der Patentgegenstand nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.

Die Einsprechende II beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie führt zur Begründung aus, der angegriffene Gegenstand sei gegenüber der DS1 nicht neu, zumindest beruhe er in Verbindung mit der DS2 nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Die Einsprüche seien zulässig, weil innerhalb der Einspruchsfrist alle Erfordernisse erfüllt worden seien. Für die Vorveröffentlichung der DS2 sei von der Einsprechenden I zudem Zeugenbeweis angeboten worden. Selbstverständlich seien auch im Beschwerdeverfahren alle im Prüfungs- und Einspruchsverfahren genannten Entgegenhaltungen zu berücksichtigen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

1.1. Die Beschwerde ist frist- und formgerecht eingelegt worden und auch im Übrigen zulässig. In der Sache bleibt sie jedoch ohne Erfolg.

1.2. Dem Beschwerdeverfahren liegt der gesamte im Rahmen des Einspruchsgrundes maßgebliche, im vorangegangenen Prüfungs- und Einspruchsverfahren eingeführte Stand der Technik zugrunde. Dieser wurde auch in der mündlichen Verhandlung aufgegriffen. Nach Schulte PatG, 6. Auflage, § 87 iVm vor § 34, Rdn 17, bezieht sich nämlich die zum Einspruchsgrund auch im Beschwerdeverfahren zutreffende Amtsermittlung auf die Feststellung sämtlicher für eine Entscheidung erheblichen Tatsachen, wie den Stand der Technik. Daher trifft die Meinung der Beschwerdeführerin nicht zu, im Beschwerdeverfahren seien nur die im Einspruchsbeschluss der Patentabteilung abgehandelten Druckschriften, zu berücksichtigen.

2. Die Einsprüche I und II waren unstrittig gemäß § 59/1 PatG frist- und formgerecht erhoben. Sie sind entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin auch ausreichend substantiiert und somit zulässig.

Beide Einsprüche sind gestützt auf den Widerrufsgrund der mangelnden Patentfähigkeit gemäß § 21 (1) 1 PatG. In ihren Einspruchsschriftsätzen, eingegangen am 20. Januar 2000 und 21. Januar 2000, führen die Einsprechenden I und II im Einzelnen aus, dass der Patentgegenstand nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe, weil er ausgehend von der den Oberbegriff des erteilten Anspruchs 1 bildenden DE 87 15 664 U1 (DS1) in Verbindung mit der US 3 851 420 A (Einsprechende I) bzw mit der DE 93 16 308 U1 (Einsprechende II) nahegelegen habe. Somit konnte die Patentabteilung ohne eigene Ermittlungen das Vorliegen des Widerrufsgrundes prüfen. Beide Einsprüche sind daher ausreichend substantiiert.

Der Einspruch II ist außerdem auf den Widerrufsgrund gemäß § 21 (1) 4 PatG gestützt, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldeunterlagen hinausgehe. Die Einsprechende II führt dazu in ihrem Einspruchsschriftsatz, eingegangen am 21. Januar 2000, ebenfalls im Einzelnen aus, dass im erteilten Anspruch 1 der die Positionierung der Dichtung betreffende Begriff "im Zwickelbereich" nicht ursprünglich offenbart sei. Auch diesbezüglich ist der Einspruch II ausreichend substantiiert.

Aus diesen Gründen sind die Einsprüche I und II zulässig. Der von der Beschwerdeführerin bestrittene Nachweis der Vorveröffentlichung der DS2, wie auch der übrigen entgegengehaltenen Druckschriften der Fa. Schüco kann daher hinsichtlich der Zulässigkeit der Einsprüche dahingestellt bleiben.

3. Die entgegengehaltenen Druckschriften der Fa. Schüco sind als vorveröffentlichter Stand der Technik anzusehen.

Die Beschwerdeführerin bestreitet dies, weil das aufgedruckte Datum und das Zeugenangebot als Nachweis für die Vorveröffentlichung nicht ausreichten. Die von den Einsprechenden vorgebrachten Angaben genügen jedoch für die Glaubhaftmachung der Vorveröffentlichung der entgegengehaltenen Druckschriften der Fa. Schüco. Im Einzelnen betrifft die DS2 einen Auszug aus dem Verarbeiterhandbuch der Fa. Schuco Schuermann & Co. KG, Bielefeld, Bezeichnung "System AS / K 9434" mit Beschriftungsdatum 22. April 93 im Beschriftungsfeld und darunter mit dem weiteren Datum Dezember 93, so dass von einer Herstellung im Jahr 1993 auszugehen ist, also fast zwei Jahre vor dem Anmeldetag des Streitpatents. Da Druckschriften dieser Art nach der Lebenserfahrung im Anschluss an die Herstellung auch verteilt werden, ist davon auszugehen, dass der auf der Druckschrift angegebene Zeitpunkt nahe der öffentlichen Zugänglichkeit ist, Schulte PatG, 6. Auflage, § 3, Rdn 67. Entsprechendes trifft auch für die übrigen entgegengehaltenen Druckschriften der Fa. Schuco zu, die Datumsangaben zwischen 1. März 1989 (E10) und 4. 95 (D9), also vor dem Anmeldetag des Streitpatents enthalten.

Dafür dass das Verarbeiterhandbuch DS2 für die Verteilung an die Öffentlichkeit, nämlich Verarbeiter, als Handwerker oder Bauherrn die gelieferte Türteile einbauen, bestimmt war, geben die Arbeitsanweisungen, zB an den perspektivischen Zeichnungen der Varianten 6.1 und 6.2 unter den Teile-Nr. 209 436 und 217 890 "Bürsten nach dem Anschrauben einsetzen", entsprechende Hinweise. Diese sind bei firmeninternen Schriften nicht notwendig und nicht üblich. Dies trifft auch auf den Ausschnitt der Schnittpunktübersicht K 9396 vom 15. Juli 91 (D6) zu, vgl zB die Arbeitsanweisung bei der Teile-Nr. 217 890 "Buersten nach dem Anschrauben einschieben".

Auch die zu DS2 beispielhaft genannte Teile-Nr. 209 436 spricht aufgrund ihrer Auflistung in dem Auszug der Preisliste der Fa. Schüco, gültig ab 1. März 1989 (E10), vgl rechte Spalte, 3. Position von unten, dafür, dass die in DS2 dargestellten Teile des Verbindungselementes keinen internen Stand der Technik bilden, sondern für den Verkauf, also die Öffentlichkeit bestimmt waren.

Darauf deuten auch die Bestellaufforderungen "Befestigungsschrauben... bitte gesondert bestellen" auf den Produkt-Informationsseiten der Fa. Schüco 02-85 mit Datum 9/91 (D7) sowie K3-71 von 4. 95 (D9) und der Aufdruck "Bestellkatalog Kunststoff-Systeme" ebenfalls auf D7 (siehe unten links) hin, weil Bestellhinweise sich an Kunden, also die Öffentlichkeit richten.

Auch Fotografien der Türschwellen-Anschlüsse 217 890 und 218 639 in D7 und D9 richten sich an Kunden und sprechen wegen ihrer Werbewirksamkeit für Veröffentlichung.

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Fa. Schüco um eine der führenden Firmen auf diesem Fachgebiet handelt. Deshalb ist davon auszugehen, dass deren genannte Druckschriften nach dem Druck, an die Öffentlichkeit verteilt und die in diesen Druckschriften gezeigten Produkte bestellt und geliefert wurden.

Aus diesen Gründen zählen die entgegengehaltenen Druckschriften der Fa Schüco, die DS2, D6, D7, D9 und E10, zum vorveröffentlichten Stand der Technik.

Ob dies auch auf die technische Zeichnung der Fa. Schüco "Türschwelle Endstück Zusammenstellung" vom 21. Mai 1991 (D8) zutrifft, kann dahingestellt bleiben, weil sie nur das in DS2, D6 und D7 bereits dargestellte Verbindungselement mit der Teile-Nr. 217 890 vergrößert wiedergibt.

Bei dieser Sachlage war der von der Einsprechenden I angebotene Zeugenbeweis entbehrlich.

III.

Die Einsprüche haben aus den nachstehend dargelegten Gründen zum Widerruf des Patents geführt.

Fachmann ist ein Konstrukteur mit Technikerausbildung, der einschlägige Kenntnisse und Erfahrungen im Bau von Türrahmen hat.

Der Erfindung liegt sinngemäß die Aufgabe zugrunde, ein Verbindungselement derart weiterzubilden, dass eine leichte und exakte Vor- bzw Montage zwischen einem Türrahmen und einer Türschwelle ermöglicht wird, wobei das Verbindungselement eine Möglichkeit bietet, den Dichtungsbereich zwischen Rahmenprofil und Schwelle zu überbrücken.

Der geltende, in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Anspruch 1 lautet:

"Verbindungselement (1) zur Herstellung einer Verbindung eines Rahmenprofils (5) mit einer Türschwelle (2) für Eck- oder Mittelprofile, welches als Winkel ausgebildet ist, wobei ein Schenkel (6) des Verbindungselements (1) horizontal verlaufend zwischen senkrechtem Rahmenprofil (5) und Türschwelle (2) liegt, und der dazu an einer Stirnseite rechtwinklig angeordnete Schenkel (9) in den außenliegenden Falz (8) oder in eine Kammer des Rahmenprofils (5) zur Festlegung greift, und an der anderen Stirnseite des horizontalen Schenkels (6) des Verbindungselements (1) ein in den innenliegenden Falz (12) des Rahmenprofils (5) eingreifendes vertikal verlaufendes Element in Form eines Hintergreifungsstücks (11) angeformt ist und an dem horizontal verlaufenden Schenkel (6) ein über das Hintergreifungsstück (11) hinausragender Bereich (19) angeformt ist, auf dem die Dichtungskante (20) des Rahmenprofils (5) zur formschlüssigen Auflage aufliegt und an dem Hintergreifungsstück (11) im unteren Eckbereich zur horizontal verlaufenden Türschwelle (2) eine Dichtung (13) in Form einer Bürste (14) angeordnet ist, wobei diese stirnseitig an dem Hintergreifungsstück (11) angeklebt oder gehaltert ist."

Diesem Anspruch 1 folgt der rückbezogene Anspruch 2.

1. Der geltende Anspruch 1 ist zulässig.

Der geltende Anspruch 1 ist aus den erteilten Ansprüchen 1 und 5 hergeleitet, die auf den ursprünglichen Ansprüchen 1, 2, 4 sowie 7 basieren. Der demgegenüber geänderte Begriff "im unteren Eckbereich" - statt des in der erteilten Fassung gewählten, hinsichtlich seiner Auslegung und ursprünglichen Offenbarung strittigen Begriffs "im Zwickelbereich" - ist in der Patentschrift, Sp 4, Z 13 und in der ursprünglichen Beschreibung S 6, Z 8, 9 vu, offenbart. Das bisher nicht beanspruchte Merkmal "zur formschlüssigen Auflage" ist in der Patentschrift, Sp 3, Z 58, und in der ursprünglichen Beschreibung S 5, Z 2 vu, offenbart.

Somit leitet sich der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 aus dem Inhalt der ursprünglichen Anmeldeunterlagen sowie der Streitpatentschrift her, weshalb er zulässig ist.

2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist zwar gegenüber der DE 87 5 664 U1 (DS1) wegen der Dichtungsanordnung am Hintergreifungsstück und gegenüber dem Auszug aus dem Verarbeiterhandbuch der Fa. Schüco Schuermann & Co. KG, Bielefeld, Bezeichnung "System AS / K 9434" (DS2) wegen des hinsichtlich der Anzahl der vertikalen Schenkel abweichenden Verbindungselements neu, was auch gegenüber allen weiteren im Verfahren genannten Druckschriften gilt, er beruht jedoch nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Die nächstkommende DS1, S 6, Z 9 - 26 iVm Fig 1 bis 3, beschreibt ein Verbindungsteil 1 streitpatentgemäß jeweils in Klammer: (Verbindungselement 1) zwischen einem als Schwellenprofil ausgebildeten ersten Rahmenteil 2 (Türschwelle 2) und einem den vertikalen Türholm bildenden zweiten Rahmenteil 5 (Rahmenprofil 5). Es ist wie das Verbindungselement nach Anspruch 1 als Winkel ausgebildet, der aus einem horizontalen Schenkel (Schenkel 6) mit zur Innenseite hin verlängerter Stützfläche 7' (Bereich 19) besteht und auf dem das zweite Rahmenteil 5 (Rahmenprofil 5) aufliegt. Zu seiner Festlegung sind sowohl an der außenliegenden Stirnseite vertikale Befestigungslaschen 10 (Schenkel 9) als auch an der innenliegenden Stirnseite eine weitere Befestigungslasche 10 (Hintergreifungsstück 11) am horizontalen Schenkel (Schenkel 6) des Verbindungsteils 1 (Verbindungselement 1) angeformt. Dieses Teil weist sowohl an seiner Stützfläche 7' (Bereich 19 mit Nut, s Fig 2) als auch an seiner innenliegenden Stirnseite jeweils eine Dichtungshaltenut 32 (Nut 16) auf, wobei in jeder dieser Nuten eine Dichtung bis an das erste Rahmenteil 2 (Türschwelle 2) heran gehaltert ist, S 3, Abs 3. Damit ist also - ebenfalls wie nach Anspruch 1 - im unteren Eckbereich zwischen dem zweiten Rahmenteil 5 (Rahmenprofil 5) und dem ersten Rahmenteil 2 (Türschwelle 2) eine Abdichtung vorgesehen.

Davon unterscheidet sich das Verbindungselement 1 nach Anspruch 1 lediglich dadurch, dass die Dichtung 13 bzw 14 an dem Hintergreifungsstück 11 angeordnet ist, wogegen die bekannte Dichtung nach der DS1 nicht an der, dem erfindungsgemäßen Hintergreifungsstück 11 entsprechenden, innenliegenden Befestigungslasche 10, sondern in der stirnseitigen daneben liegenden Dichtungshaltenut 32 angebracht ist. Dieser Unterschied stellt nur eine im konstruktiven Ermessen des Fachmannes liegende einfache bauliche Maßnahme dar, die nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht, weil der Fachmann dabei vor allem darauf achtet, die Dichtung im Eckbereich so nahe wie möglich am abzudichtenden Spalt zwischen Türrahmen und Schwelle anzuordnen, was in beiden Fällen möglich ist.

Überdies zeigen die als vorveröffentlicht anzusehenden (vgl Kap. II. 3.) entgegengehaltenen Druckschriften der Fa. Schüco, im Einzelnen die DS2 (Variante 6.2), die D6 (Zeichnung oben Mitte), die D7 (Foto) und die D8, jeweils mit der Teile-Nr. 217 890 Türschwellen-Anschlüsse mit Dichtungen, die den Eckbereich zwischen senkrechtem Rahmenprofil und Türschwelle abdichten. Weil diese bekannten Türschwellen-Anschlüsse wie der Gegenstand des Anspruchs 1 Verbindungselemente zwischen senkrechtem Rahmenprofil und Türschwelle mit einem vertikal verlaufenden Schenkel bzw Element in Form eines in den innenliegenden Falz des Rahmenprofils eingreifenden Hintergreifungsstückes darstellen, an welchem Dichtungen angeordnet sind, zieht der Fachmann sie bei der Lösung der Aufgabe als Anregung für die Abdichtung in Betracht. Dabei stört ihn nicht, dass im Unterschied zum erfindungsgemäßen Verbindungselement die von schuco keinen weiteren, gegenüberliegenden Schenkel aufweisen und der horizontal verlaufende Schenkel nicht als Auflage für das Rahmenprofil, sondern als Aufnahme für die Türschwelle ausgebildet sind, weil dies weder auf die Teilaufgabe einer leichten und exakten Vor- bzw Montage noch auf die weitere Teilaufgabe einer Abdichtung im Eckbereich von Rahmenprofil und Türschwelle einen Einfluss hat.

Selbst wenn das Hintergreifungsstück 11 gemäß dem Ausführungsbeispiel, Sp 3, Z 54 - 57, als "mit Teilbereichen übergreifend auf dem Rahmenprofil 5 aufliegend" ausgelegt wird, begründet dies kein erfinderisches Merkmal, weil für eine solche Ausgestaltung ebenfalls aus der DS2 entsprechende Hinweise zu entnehmen sind, wie der neben den Dichtungsnuten liegende, ebenfalls "übergreifend aufliegende Teilbereich" des Türschwellen-Anschlusses der Variante 6.2 zeigt.

Die beanspruchte Dichtung 13 ist in Form einer Bürste ausgebildet, wogegen die DS1 die Art der Dichtung offenläßt. Der Fachmann liest jedoch aufgrund seines Fachwissens in der DS1 bei dem Begriff Dichtung (BGH GRUR 95, 330 Elektrische Steckverbindung) alle gängigen Formen für solche Dichtungsanwendungen mit, also auch die Bürstenform, wie sie dem Fachmann aus den Unterlagen der Fa. Schüco, vgl in DS2 Teile-Nr. 217 890 und Teile-Nr. 209 436 bekannt sind. Die Verwendung von Bürsten zur Türabdichtung ist dem Fachmann also geläufig, so dass diese Dichtungsform im Anspruch 1 eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen kann.

Abgesehen davon, dass nach Anspruch 1 die Verwendung des Verbindungselementes 1 auch für "Mittelprofile", das Eingreifen des Schenkels 9 auch "in eine Kammer des Rahmenprofils 5" und die Befestigung der Bürste 14 auch durch Ankleben jeweils nur alternativ beansprucht sind, stellen diese Merkmale nur einfache konstruktive Maßnahmen dar, die der Fachmann bei Bedarf ohne erfinderisches Zutun ausführt.

Der Anspruch 1 hat somit keinen Bestand.

Die Beschwerdeführerin weist auf die horizontale Ausrichtung der Bürstendichtung hin, wogegen nach der DS1 die Dichtungshaltenuten 32 für vertikal verlaufende Dichtungen vorgesehen seien. Abgesehen davon, dass der DS1 keine konkrete Anordnung der Dichtung zu entnehmen und eine Abdichtung im Eckbereich zwischen Rahmenprofil und Türschwelle unabhängig von der Richtung der Haltenut möglich ist, lässt auch der Anspruch 1 die Ausrichtung der Dichtung offen. Lediglich das Ausführungsbeispiel, vgl Sp 3, Z 50 - 52 iVm Fig 1 sowie Pfeil 17, offenbart eine horizontale Ausrichtung der Bürste in der Nut 16. Eine solche entnimmt der Fachmann auch der DS2, Variante 6.1, Teile-Nr. 209 436, als horizontal angeordnete Bürstendichtungen. Daher begründet eine horizontale Dichtungsanordnung sofern sie beansprucht wäre, auch keine erfinderische Tätigkeit.

Die Beschwerdeführerin macht außerdem den wirtschaftlichen Erfolg ihres Produktes mit den Merkmalen des Anspruchs 1 geltend. Für wirtschaftlichen Erfolg sind neben der Produktgestaltung in der Regel zahlreiche andere Faktoren ausschlaggebend wie Preisgestaltung, Marktstellung usw, so dass dieses Indiz hier nicht überzeugen kann um Patentfähigkeit des Gegenstandes des Anspruchs 1 zu begründen.

Schließlich verweist die Beschwerdeführerin auf den langen Zeitraum, in dem die Fa. Schüco vor dem Anmeldetag des Streitpatents vom Gegenstand des Anspruchs 1 abweichende Verbindungselemente angeboten hat. Auch darin kann kein eine erfinderische Tätigkeit stützendes Indiz gesehen werden, weil auch das die erfindungsgemäße Aufgabe lösende Verbindungselement der Fa. Schüco gemäß DS2 mit anderem Aufbau offensichtlich den Bedarf befriedigte und darüber hinaus kein Bedarf für einen weiteren vertikalen außenliegenden Schenkel am Verbindungselement bestand.

3. Mit dem Anspruch 1 fällt auch der Anspruch 2, weil er Bestandteil des einzigen Antrags der Beschwerdeführerin ist. Somit kann dahingestellt bleiben, dass der Begriff "Verstärkung 15" im geltenden Anspruch 2 den ursprünglichen Unterlagen nicht zu entnehmen ist, wo von "Halterung 15" die Rede ist.

Dr. Henkel Hotz Harrer Schmitz Hu






BPatG:
Beschluss v. 21.02.2002
Az: 11 W (pat) 47/01


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