Oberlandesgericht Stuttgart:
Urteil vom 21. August 2008
Aktenzeichen: 2 U 41/08

(OLG Stuttgart: Urteil v. 21.08.2008, Az.: 2 U 41/08)

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 17.04.2008 - 17 O 69/08 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

(1) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.000,-- EUR nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus ab dem 20.11.2007 zu bezahlen.

(2) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 6.000 EUR

Tatbestand

I.

1. Zum erstinstanzlichen Vorbringen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Zusammengefasst:

Die Beklagte, die ein Autohaus betreibt, hatte 2002 in Zeitungsanzeigen eine größere Zahl von gebrauchten Kraftfahrzeugen inseriert, ohne auf den gewerblichen Charakter der Angebote hinzuweisen. Auf Abmahnung der Klägerin vom 12.09.2002 (Anlage K 08, Bl. 34) hin schlossen die Parteien am 20.09.2002 einen Unterlassungsvertrag (Anlage K 02, Bl. 13), in dem sich die Beklagte verpflichtete, es künftig im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken zu unterlassen, €in Zeitungsanzeigen für den Verkauf von Gebrauchtfahrzeugen zu werben, ohne auf die Gewerblichkeit oder die Gewerbsmäßigkeit des Angebots hinzuweisen€ und für jeden Fall der Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe von 1.500 EUR zu bezahlen. Weiter heißt es in der Unterlassungserklärung: €Eine solche Vertragsstrafe ist allerdings dann nicht zu zahlen, wenn der Unterzeichner durch Vorlage von Kaufverträgen, Steuerbescheiden u. ä. den Nachweis erbringt, dass das angebotene Fahrzeug tatsächlich längerfristig in seinem Privatvermögen stand und auf den Unterzeichner zugelassen war.€

Im Juni 2007 inserierte die Beklagte im Internetportal €autoscout24.de€ vier Fahrzeuge unter der Rubrik €Nur Privatangebote€, ohne auf den gewerblichen Charakter des Angebots zum Verkauf hinzuweisen.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dadurch sei die vereinbarte Vertragsstrafe in vier Fällen verwirkt, auch wenn bei den streitgegenständlichen Internetanzeigen ein anderes Werbemedium verwendet worden sei. Im Kern sei ein gleichartiger Wettbewerbsverstoß gegeben. Die Formulierung €in Zeitungsanzeigen€ sei lediglich deshalb aufgenommen worden, weil bei einer Unterlassungserklärung nur die konkret begangene Handlung erfasst werden könne.

Demgegenüber ist die Beklagte der Meinung gewesen, sie habe sich nur wegen Anzeigen in Zeitungsannoncen unterworfen. Eine Auslegung dahin, dass sich die Unterlassungserklärung auch auf Werbung im Internet erstrecke, sei angesichts des Wortlauts nicht möglich. Die gesetzlichen Informationspflichten würden sich beim Medium Internet auch von denen bei Zeitungsanzeigen unterscheiden.

2. Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die streitgegenständliche Werbung falle nicht unter das Vertragsstrafeversprechen.

Ein solches sei nach §§ 133, 157 BGB auszulegen, da die Parteien bei der Gestaltung von dessen Inhalt frei und nicht an die konkrete Verletzungsform oder eine bestimmte Verletzungshandlung gebunden seien. Die für die Auslegung eines Unterlassungstitels heranzuziehenden Grundsätze seien infolgedessen hier nicht maßgeblich.

Der von der Klägerin vorgegebene Wortlaut der Unterlassungsverpflichtung vom 20.09.2002 betreffe nach dem Wortlaut eindeutig nur Wettbewerbsverstöße in Zeitungsanzeigen. Die Klägerin hätte es in der Hand gehabt, das Vertragsstrafeversprechen allgemein auf Werbeanzeigen für Gebrauchtfahrzeuge zu erstrecken. Eine Auslegung dahin, dass sich das Versprechen auch auf Verstöße in Internetportalen beziehen solle, sei nicht möglich. Die Umstände, die damals zum Abschluss des Unterlassungsvertrags geführt hätten, rechtfertigten dies ebenso wenig wie dessen Sinn und Zweck.

3. Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie die erstinstanzlich verfolgten Ansprüche auf Zahlung der Vertragsstrafe weiterverfolgt.

Soweit sich die Berufung zunächst auch gegen die Abweisung des Anspruchs auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten (Klagantrag Ziff. 2) richtete, ist sie von der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 14.08.2008 zurückgenommen worden (Protokoll S. 2).

Die Klägerin meint, das Landgericht habe zwar zutreffend erkannt, dass die Unterlassungsverpflichtungserklärung vom 20.09.2002 nach Maßgabe der §§ 133, 157 BGB auszulegen sei, es habe aber wesentliche Umstände außer Acht gelassen, deren Berücksichtigung zu einer anderen Auslegung geführt hätte.

Die Klägerin habe aufgrund der Unterzeichnung der Unterlassungserklärung davon ausgehen dürfen, dass die Beklagte den im Abmahnschreiben vom 12.09.2002 konkretisierten Vorwurf des wettbewerbswidrigen Verhaltens akzeptiere. In diesem sei aber klargestellt worden, dass der Kennzeichnungspflicht für gewerbliche Angebote grundsätzliche Geltung zukomme, so dass der Beklagten bewusst gewesen sein müsse, dass die bereits erfolgten Wettbewerbsverstöße lediglich beispielhaft beanstandet werden sollten.

Bei der Auslegung der Unterlassungserklärung sei nach Treu und Glauben vom mutmaßlichen Parteiwillen redlicher, wettbewerbskonform agierender Parteien auszugehen. Eine willkürliche Ausnahme im Hinblick auf eine bestimmte Verbreitungsform wie etwa das Internet wäre aber für solche nicht akzeptabel gewesen und hätte von den Parteien auch nicht im Weg einer Sondervereinbarung legalisiert werden können. Damit könne nicht von einem dahingehenden Parteiwillen ausgegangen werden.

Die allein am Wortlaut orientierte Auslegung des Landgerichts verletze das Gebot interessengerechter Auslegung: Da die strafbewehrte Unterlassungserklärung aus der Sicht des Gläubigers dazu diene, einen gerichtlichen Unterlassungstitel zu ersetzen, werde in der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Recht davon ausgegangen, dass es im Allgemeinen weder dem Interesse des Gläubigers noch den Interessen des Schuldners entspreche, durch die Unterlassungsverpflichtung schlechter gestellt zu werden als durch ein entsprechendes Urteil, da sonst erhebliche Wertungswidersprüche entstünden. Eine vertragliche strafbewehrte Unterlassungserklärung könne ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie sich über den Wortlaut hinaus auf alle im Kern gleichartigen Verletzungsformen erstrecke, die dem Charakteristischen der verletzenden Handlung entsprächen, weshalb konsequenterweise ein Unterlassungsvertrag über die konkrete Verletzungshandlung hinaus auch auf kerngleiche Verletzungsformen i. S. d. Kernbereichstheorie auszudehnen sei.

Inhaltlicher Kern der vorliegenden Unterwerfungserklärung sei es jedoch gewesen, bei an eine breite Öffentlichkeit gerichteten Kfz-Verkaufsanzeigen von vornherein offenzulegen, dass es der potentielle Kaufinteressent nicht mit einem Privatmann, sondern mit einem professionellen Kfz-Handel zu tun hat.

Aus der der Unterwerfung zugrunde liegenden Abmahnung habe sich auch ergeben, dass das entscheidende Kriterium nicht die Verbreitung in klassischen Printmedien, sondern die Erkennbarkeit der gewerblichen Tätigkeit des Anbieters generell sei. Der Beklagten habe daher bei Abgabe der Unterlassungserklärung bewusst gewesen sein müssen, dass derartige Wettbewerbsverstöße generell zu unterbleiben hätten.

Die Anwendung der Kerntheorie führe hier dazu, dass konsequenterweise Internetangebote und traditionelle Zeitungsannoncen im Kern gleichartige Verstöße darstellten, zumal hier vor der Abmahnung vom 12.09.2002 der Klägerin von im Kern gleichartigen Wettbewerbsverstößen, etwa im Internet, noch nichts bekannt gewesen sei. Der eigentliche Zweck der Unterlassungsverpflichtung, den Verbraucher vor Irreführung sowie Mitbewerber vor unlauterer Konkurrenz und damit die Lauterkeit des Handelsverkehrs zu schützen, ändere sich in keiner Weise dadurch, dass für die Werbung statt einem Printmedium das Internet verwendet werde.

Dem Abmahnenden sei es nicht zuzumuten, neben konkret erfolgten Verletzungshandlungen von vornherein alle nur denkbaren Variationen in eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungs-Erklärung aufzunehmen.

Die nun beanstandeten Anzeigen seien auch wettbewerbswidrig. Nur rein privat veranlasste Werbeanzeigen seien nicht kennzeichnungspflichtig, wofür aber im Kfz-Bereich eine längerfristige private Zulassung und Versicherung eines angebotenen Fahrzeugs auf den nach außen auftretenden Anbieter erforderlich sei, was von der Beklagten aber nicht einmal vorgetragen werde.

Die Beklagte habe hier als Auftraggeberin der Anzeige nicht dafür Sorge getragen, dass ihre Angebote eine entsprechend eindeutige Kennzeichnung aufweisen. Zudem seien sie unzulässigerweise im kostenfreien Privatbereich veröffentlicht gewesen. Die Beklagte habe nicht alles Erforderliche und Zumutbare getan, um erneute Zuwiderhandlungen zuverlässig zu vermeiden.

Die Klägerin beantragt zuletzt:

Die Beklagte wird unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Stuttgart vom 17.04.2008, Az. 17 O 69/08, verurteilt, an die Klägerin EUR 6.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten hieraus seit dem 20.11.2007 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Sie verteidigt unter pauschaler Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen das erstinstanzliche Urteil. Dieses sei zu Recht von den allgemeinen Regeln für die Vertragsauslegung ausgegangen. Entgegen der Darstellung der Klägerin habe der Bundesgerichtshof seine diesbezügliche Rechtsprechung nicht aufgegeben und insbesondere nicht dahingehend geändert, dass bei Auslegung eines Unterlassungsvertrags die €Kerntheorie€ Anwendung fände. Diese stelle lediglich eine Auslegungshilfe im Rahmen der Anwendung der §§ 133, 157 BGB dar.

Aus der maßgeblichen Sicht der Beklagten als Empfängerin sei das Angebot der Klägerin auf Abschluss des Unterlassungsvertrages so zu verstehen gewesen, dass dieser Werbung in anderen Medien nicht umfassen solle.

Gerade wenn man der Auffassung der Klägerin folge wollte, wonach die damals abgemahnte Verletzungshandlung in Anwendung der Kerntheorie einen Unterlassungsanspruch auch hinsichtlich der Werbung in anderen Medien begründet habe, müsse man zum Ergebnis gelangen, dass der vorliegende Unterlassungsvertrag andere Werbung als in Zeitungsanzeigen nicht erfasse, denn gerade in diesem Fall habe doch die Beklagte als Empfängerin davon ausgehen müssen, dass die Klägerin, wenn sie andere Medien habe erfassen wollen, den Unterlassungsvertrag entsprechend allgemein gefasst hätte.

Schließlich bestehe zwischen Zeitungsanzeigen und Internetportalen, z. B. im Hinblick auf gesetzliche Informationspflichten, ein substantieller Unterschied, weswegen man schon deshalb nicht von kernidentischen Verletzungshandlungen ausgehen könne.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.08.2008 verwiesen.

Gründe

II.

Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingegangene und begründete Berufung hat, soweit sie nicht zurückgenommen worden ist, Erfolg.

1. Die Beklagte hat durch die beanstandeten Internet-Anzeigen gegen die in der strafbewehrten Unterwerfungserklärung vom 20.09.2002 eingegangene Unterlassungsverpflichtung schuldhaft verstoßen und dadurch die versprochene Vertragsstrafe von 1.500,-- EUR in vier Fällen verwirkt.

a) Entgegen der Auffassung des Landgerichts fallen auch Anzeigen im Internet unter das Vertragsstrafeversprechen vom 20.09.2002, auch wenn dort von €Zeitungsanzeigen€ gesprochen wird.

aa) Zu Recht geht das Landgericht davon aus, dass die Reichweite eines Vertragsstrafeversprechens nach den Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB zu beurteilen ist und dabei nicht ohne weiteres auf die Grundsätze zur Auslegung von Unterlassungstiteln zurückgegriffen werden kann (BGH GRUR 2001, 758, 760 - Trainingsvertrag), sondern für die Auslegung die allgemeinen Regeln gelten (BGH GRUR 1996, 290, 291 - Wegfall der Wiederholungsgefahr I; BGH NJW-RR 2003, 1278 - Olympiasiegerin; BGH GRUR 2006, 878 - Vertragsstrafevereinbarung).

Wie die genannten Entscheidungen zeigen, hat der BGH die mit der Entscheidung €Preisvergleichsliste€ (NJW-RR 1991, 1318), welche vom Landgericht im angefochtenen Urteil wiederholt angeführt wird, aufgestellten Grundsätze zur Auslegung von Vertragsstrafeversprechen nicht aufgegeben.

Er hat diese jedoch in den genannten Entscheidungen weiter konkretisiert. Dabei hat er betont, dass es für die Auslegung eines Unterlassungsvertrags maßgeblich darauf ankomme, wie ein vom Gläubiger formulierter Erklärungsinhalt aus der Sicht des Schuldners zu verstehen gewesen sei (BGH GRUR 1997, 931, 932 - Sekundenschnell) . Hierbei komme der Frage, was der Gläubiger im Abmahnschreiben beanstande, maßgebliche Bedeutung zu (BGH a.a.O.; BGH GRUR 1996, 290, 291 - Wegfall der Wiederholungsgefahr I ; BGH NJW-RR 2003, 1278, 1279 - Olympiasiegerin; ebenso bereits auch BGH NJW-RR 1991, 1318, 1319 - Preisvergleichsliste) .

Der Bundesgerichtshof hat weiter klargestellt, dass bei der Auslegung neben dem Wortlaut die beiderseits bekannten Umstände wie insbesondere die Art und Weise des Zustandekommens der Vereinbarung, deren Zweck, die Wettbewerbsbeziehung zwischen den Vertragsparteien sowie deren Interessenlage heranzuziehen seien (BGH GRUR 2006, 878 - Tz. 18 - Vertragsstrafevereinbarung - m.w.N.).

Der Bundesgerichtshof hat schließlich insbesondere angenommen, es entspreche im Allgemeinen weder dem Interesse des Gläubigers noch des Schuldners, durch eine Unterlassungsverpflichtung schlechter als durch ein entsprechendes Urteil gestellt zu werden (BGH GRUR 2001, 758, 760 - Trainingsvertrag; BGH GRUR 2006, 878 - Tz. 21 - Vertragsstrafevereinbarung), denn der Zweck des Unterlassungsvertrags bestehe regelmäßig darin, nach einer Verletzungshandlung die Vermutung der Wiederholungsgefahr auszuräumen und die Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens entbehrlich zu machen (BGH NJW-RR 2003, 1278 - Olympiasiegerin). Da die Vermutung der Wiederholungsgefahr jedoch nicht allein für die identische Verletzungsform gilt, sondern alle im Kern gleichartigen Verletzungshandlungen umfasst, erstrecke sich eine die konkrete Verletzungsform wiedergebende Unterwerfungserklärung wie ein entsprechender Unterlassungstitel im Allgemeinen nicht allein auf identische, sondern auf alle Handlungen, die das Charakteristische der verletzenden Handlung aufwiesen (BGH GRUR 1998, 483, 485 - Der M.-Markt packt aus), es sei denn, der Unterlassungsvertrag sei im konkreten Fall wegen seines Zustandekommens bewusst eng auf die konkrete Verletzungsform bezogen auszulegen (BGH NJW-RR 2003, 1278, 1279 - Olympiasiegerin; BGH GRUR 1997, 931, 932 - Sekundenschnell).

bb) Bei Anwendung dieser Grundsätze, denen der Senat folgt, auf das von der Beklagten vorliegend abgegebene Vertragsstrafeversprechen gelangt man dazu, dass dieses entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht nur Anzeigen in Zeitungen, sondern auch anderen Werbemedien wie dem Internet erfasst.

(1) Für die Ansicht des Landgerichts spricht allerdings der Wortlaut der Erklärung.

(2) Wie unter aa) ausgeführt, ist jedoch davon auszugehen, dass eine strafbewehrte Unterlassungserklärung in der Regel die Wiederholungsgefahr ausräumen und deshalb nach ihrem Sinn und Zweck im Allgemeinen alle Handlungen, die das Charakteristische der verletzenden Handlung aufweisen, erfassen soll.

(a) Die daraus abzuleitende Erfahrungsregel, der zufolge die Parteien des Vertragszwecks wegen im Zweifel auch ohne ausdrückliche Einbeziehung eine Erstreckung auf kerngleiche Erweiterungsformen wollen, gilt ohne weiteres für die Fälle, in denen der Gläubiger nur die Unterlassung der engen konkreten Verletzungsform in die von ihm entworfene Unterwerfungserklärung aufgenommen hat und der Schuldner dem kommentarlos nachgekommen ist (vgl. Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl., Kap. 8 Rn. 16a).

(b) So liegt der Fall hier, denn die Unterwerfungserklärung einschließlich des Vertragsstrafeversprechens ist von der Klägerin vorformuliert und von der Beklagten damals - mit Ausnahme der Höhe der für jeden Verletzungsfall verwirkten Vertragsstrafe - ohne Abänderungen und Einschränkungen akzeptiert worden.

(c) Es liegt auch kein Fall vor, in dem ausnahmsweise davon ausgegangen werden könnte, die Parteien hätten den Unterlassungsvertrag einschließlich des Vertragsstrafeversprechens im Sinne der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs €bewusst eng€ auf die in der Unterlassungserklärung umschriebene konkrete Verletzungshandlung beschränken wollen. Das wäre etwa dann anzunehmen, wenn der Schuldner aus seiner Sicht den vom Gläubiger vorformulierten Erklärungsinhalt so verstehen musste, dass sich der Unterlassungsvertrag in wörtlicher Auslegung der Unterwerfungserklärung nur auf Anzeigen in (gedruckten) Zeitungen beziehen sollte und dann durch die vorbehaltlose Annahme der Unterwerfungserklärung durch den Gläubiger ein derart enger Unterlassungsvertrag zustande gekommen wäre. So liegt der vorliegende Fall aber nicht:

Wie bereits unter aa) ausgeführt, kommt dabei für die Empfängersicht dem Abmahnschreiben der Klägerin, mit dem die dann von der Beklagten unterzeichnete strafbewehrte Unterlassungserklärung verbunden war, maßgebliche Bedeutung zu.

Aus der Abmahnung vom 12.09.2002 (Anlage K 08, Bl. 34) ergibt sich aber gerade nicht, dass die Klägerin das dort gerügte Verhalten der Beklagten (unterlassener Hinweis auf die Gewerblichkeit ihrer Angebote) nur für den Fall beanstanden würde, dass dies in Printmedien geschieht, vielmehr wendet sie sich in ihren Ausführungen grundsätzlich gegen ohne entsprechenden eindeutigen Hinweis erfolgende gewerbsmäßige Teilnahme am geschäftlichen Verkehr (S. 1), und führt dann weiter aus (S. 2):

€Die interessierten Verkehrskreise erwarten bei Kleinanzeigen, wie Sie Ihre vorstehend gerügten Anzeigen darstellen, i. d. R. ein Privatangebot. Es muss auch für den flüchtigen Leser klargestellt werden, dass das Angebot gewerblichen Charakter hat - und zwar so deutlich, dass eine Privatanzeige ausscheidet.€

Aus diesen Formulierungen ergibt sich, dass das Spezifische der von der Klägerin gerügten wettbewerbswidrigen Handlung unabhängig davon, ob es sich um eine gedruckte Anzeige oder eine Internetannonce handelt, darin besteht, bei Anzeigen für Gebrauchtwagen infolge unterlassenen Hinweises den Eindruck eines privaten Angebots zu erwecken, obwohl tatsächlich ein gewerbliches vorliegt. Es macht aber in der Sache keinen Unterschied, ob der (flüchtige) Leser eine Anzeige online am Bildschirm liest oder in einer Zeitung und dabei jeweils mangels Hinweises irrig der Meinung ist, es handele sich um ein privates Angebot.

In der von der Beklagten wiederholt zitierten Entscheidung €Sekundenschnell€ des Bundesgerichtshofs (GRUR 1997, 931) ging es hingegen um verschiedene Werbesprüche, wobei die dortige Klägerin nur einen konkret beanstandet hat, obwohl ihr der andere aus Sicht der dortigen Beklagten bekannt sein musste und die dortige Klägerin im Abmahnschreiben auch auf Umstände abgestellt hat, welche nur in der konkret beanstandeten Werbung, nicht aber in der im Kern inhaltsgleichen, wenn auch etwas anders formulierten, nicht konkret angegriffenen anderen Werbung eine Rolle spielen konnten (GRUR 1997, 931, 932 - unter II. 1. d) der Gründe).

Demgegenüber ist vorliegend zum einen weder ersichtlich noch vorgetragen, dass die Beklagte bereits damals entsprechende Verstöße auch im Internet begangen hätte und sie hätte davon ausgehen können, dass diese der Klägerin bekannt waren - der Umstand allein, dass der Klägerin bekannt war oder zumindest bekannt gewesen sein muss, dass ein gewerblicher Autoverkäufer wie die Beklagte auch im Internet inseriert, genügt hingegen nicht -, noch zeigt zum anderen das Abmahnschreiben vom 12.09.2002 konkrete Umstände auf, welche nur bei einer Zeitungsanzeige, nicht aber bei einer Internetannonce eine Rolle spielen könnten.

Danach kann nicht angenommen werden, dass zum einen die Klägerin, wie von der Beklagten behauptet, bewusst nur eine Unterlassungserklärung allein in Bezug auf Zeitungsanzeigen forderte und einen i. S. der Entscheidung €Sekundenschnell€ auf gedruckte Zeitungsanzeigen beschränkten €bewusst engen€ Unterlassungsvertrag abschließen wollte, noch konnte zum anderen die Beklagte hiervon ausgehen. Vielmehr hat die Klägerin bewusst (wie dies häufig geschieht) nur die konkrete Verletzungshandlung in die Formulierung der Unterlassungserklärung aufgenommen, was aber nach dem oben Ausgeführten nicht den Schluss zuließ, deren Inhalt solle hierauf beschränkt sein.

(2) Entgegen der Auffassung der Beklagten gehören für die hier in Frage stehende Problematik, nämlich den unterbliebenen Hinweis auf die Gewerblichkeit des Angebots bei Anzeigen für den Verkauf gebrauchter Fahrzeuge, Anzeigen im Internet im Verhältnis zu Zeitungsannoncen (Kleinanzeigen) noch zu den kerngleichen Begehungsformen. Dies ergibt sich daraus, dass das Charakteristische der im Jahr 2002 von der Klägerin beanstandeten Handlungsweise der Beklagten darin bestand, in einer auf potentielle Käufer zielenden Werbeanzeige für den Verkauf von gebrauchten Kraftfahrzeugen zu werben, ohne auf die Gewerblichkeit des Angebots hinzuweisen mit der Folge, dass der Verbraucher ein Privatangebot annimmt und insoweit irregeführt wird.

Zu Unrecht stellt die Beklagte dies unter Hinweis darauf in Abrede, der Inserent unterliege in den unterschiedlichen Medien verschiedenen, nicht vergleichbaren gesetzlichen Informationspflichten und einer unterschiedlichen Verantwortlichkeit. Dies mag für bestimmte andere Konstellationen eine Rolle spielen, nicht aber für die hier zu beurteilenden, in dem unterlassenen Hinweis auf die Gewerblichkeit bestehenden und damit nach Behauptung der Klägerin wettbewerbswidrigen Handlungen des gewerblichen Anbieters von gebrauchten Kraftfahrzeugen.

Soweit sich die Beklagte für ihre Ansicht weiter auf die Ausführungen von Teplitzky, a.a.O., Kap. 51 Rn. 17, beruft, ist darauf hinzuweisen, dass dieser nicht verneint, sondern nur in Frage stellt, ob die überregionale Werbung in einer Tageszeitung auch eine Wiederholungsgefahr für das Werben in anderen Medien schafft. Insbesondere ist aber zu berücksichtigen, dass sich diese Frage nicht abstrakt und generell beantworten lässt, sondern es entscheidend auf die Umstände des Einzelfalls ankommt, insbesondere darauf, worin die abgemahnte Handlung konkret bestanden hat. Angesichts des Umstands, dass vorliegend zum einen das Charakteristische der Verletzungshandlung im unterlassenen Hinweis auf die Gewerblichkeit im Gebrauchtwagenverkauf bestand und dass zum anderen nach eigener Behauptung der Beklagten (S. 3 der Berufungserwiderung, Bl. 87) zum Zeitpunkt der Abmahnung und des Abschlusses des Unterlassungsvertrags das Internet als Vertriebsweg im Gebrauchtwagenhandel bereits eine bedeutende, ja €überragende€ Stellung hatte, bestand aber die Vermutung, dass die Beklagte als Gebrauchtwagenhändlerin auch dort entsprechende Handlungen vornehmen würde.

b) Die Beklagte hat in vier Fällen gegen die übernommene Unterlassungsverpflichtung verstoßen.

aa) Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte habe unter ihrer Telefonnummer im Internetportal von €autoscout24.de€ unter der Rubrik €Nur Privatangebote€ mit den als Anlage K 03 bis K 06 (Bl. 14 - 17) ausgedruckt vorgelegten Internetannoncen für vier Fahrzeuge geworben. Die Beklagte hat dies schriftsätzlich nicht bestritten, sondern lediglich erklärt, dies könne offen bleiben (S. 2 der Klagerwiderung, Bl. 25). In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Geschäftsführer der Beklagten eingeräumt, er habe die Schaltung der Anzeigen veranlasst.

In den Internetannoncen fehlt auch ein Hinweis, dass es sich um gewerbsmäßige Angebote handelt, wie den vorgelegten Ausdrucken zu entnehmen ist, so dass der Leser sie für Privatangebote halten konnte, sogar, nachdem sie unter der Rubrik €Nur Privatangebote€ erschienen sind, halten musste.

Soweit der Geschäftsführer der Beklagten in diesem Zusammenhang im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 14.08.2008 angab, er habe die Anzeigen für Angehörige bzw. Bekannte geschaltet, ist dies unbehelflich, da nach der Formulierung der Unterlassungserklärung die Pflicht zur Zahlung der Vertragstrafe nur entfällt, wenn durch Kaufverträge, Steuerbescheide u. ä. der Nachweis erbracht würde, dass es sich tatsächlich um Privatverkäufe handelte, was nicht geschehen ist.

Schließlich wäre auch dann, wenn man diese Klausel hier nicht anwendete, das Vorliegen eines Verstoßes anzunehmen, da der diesbezügliche Vortrag nach § 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht zu berücksichtigen ist, weil er ohne weiteres bereits in erster Instanz hätte gehalten werden können.

bb) Die Klägerin hat aufgrund des Umstandes, dass es sich um vier Anzeigen für jeweils unterschiedliche Fahrzeuge handelt, vier Einzelverstöße angenommen, durch die jeweils die vereinbarte Vertragsstrafe verwirkt sei. Die Beklagte hat der Behauptung, es handele sich um vier Einzelverstöße, nicht widersprochen, so dass dieser Punkt unstreitig ist.

c) Das für die Verwirkung der Vertragsstrafe erforderliche Verschulden der Beklagten ist in Form mindestens leichter Fahrlässigkeit ebenfalls zu bejahen.

aa) Liegt eine Zuwiderhandlung vor, so wird das Verschulden des Schuldners, der gem. § 278 BGB auch für seine Erfüllungsgehilfen einzustehen hat, gem. § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermutet (vgl. nur Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 26. Aufl., § 12 Rnrn. 1.152 und 1.153 m.w.N.). An die Exkulpation sind strenge Anforderungen zu stellen (Teplitzky, a.a.O., Kap. 20 Rn. 15; Ahrens/Schulte, Der Wettbewerbsprozess, 5. Aufl., Kap. 10 Rn. 17). Soweit der Geschäftsführer der Beklagten im Termin vom 14.08.2008 angegeben hat, er könne sich nicht erklären, wie es gekommen sei, dass die Anzeigen in €autoscout.24€ ohne die Angabe €Autohaus Pressler€ erschienen sind, genügt dies aufgrund dessen für eine Entlastung auch nicht ansatzweise.

bb) Die Beklagte beruft sich hier insbesondere auf einen Verbotsirrtum: ein schuldhafter Verstoß liege nicht vor, weil sie nicht habe erkennen können, dass auch Internetanzeigen von der Unterlassungserklärung erfasst sein würden.

Insoweit kann - wie auch sonst (vgl. Teplitzky, a.a.O., Kap. 20 Rn. 15; Melullis, Handbuch des Wettbewerbsprozesses, 3. Aufl., Rn. 639; Harte/Henning/Brüning, UWG, § 12 Rn. 224) - auf die zu § 890 ZPO entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden. An die Annahme eines danach den Schuldner allein entlastenden unvermeidbaren Verbotsirrtums sind strenge Anforderungen zu stellen (Teplitzky, a.a.O., Kap. 57 Rn. 27; Ahrens/Spätgens, Kap. 64 Rn. 73; Melullis, a.a.O. Rn. 952 - jew. m.w.N.).

Danach wird selbst durch die Einholung (unrichtigen) Rechtsrats das Verschulden nicht ausgeschlossen, sofern der Schuldner nach den Umständen des Falles die Bedenklichkeit der Handlung bei hinreichender Sorgfaltsanspannung erkennen musste (Senat, WRP 1999, 1072, 1073; Teplitzky, a.a.O., Rn. 27 m.w.N. in Fn. 130).

So liegt der Fall hier: Die Beklagte hätte erkennen können, dass eine Werbung ohne Hinweis auf den gewerblichen Charakter des Angebots im Internet wettbewerbsrechtlich genauso problematisch ist wie in einem Printmedium, und angesichts des Abmahnschreibens auch, dass es der Klägerin hierauf ankam mit der Folge, dass auch die nun beanstandeten Anzeigen von der von ihr abgegebenen strafbewehrten Unterlassungserklärung erfasst waren.

Der Umstand allein, dass das Landgericht als erste Instanz einen Verstoß verneint hat, vermag die Beklagte nicht zu entlasten (OLG Köln GRUR 1987, 652; OLG Hamm WRP 1978, 223, 225; Harte/Henning/Brüning, a.a.O., vor § 12 Rn. 303).

2. Die geltend gemachten Zinsen sind unter dem Gesichtspunkt des Verzuges nach §§ 280 Abs. 1 S. 1, Abs. 2; 286 Abs. 1 S. 1; 288 Abs. 1 BGB zuzusprechen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO (zur Anwendbarkeit von § 92 ZPO bei der teilweisen Rücknahme einer Berufung vgl. Musielak-Ball, ZPO, 6. Aufl., § 516 Rn. 15) und der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gem. § 543 ZPO liegen nicht vor, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Der Bundesgerichtshof hat in zahlreichen, oben im Einzelnen zitierten Entscheidungen die sich für die Auslegung eines Unterlassungsvertrags stellenden Rechtsfragen beantwortet. Die dort entwickelten Grundsätze sind lediglich auf den vorliegenden Einzelfall anzuwenden.






OLG Stuttgart:
Urteil v. 21.08.2008
Az: 2 U 41/08


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/b3a7fdfa348f/OLG-Stuttgart_Urteil_vom_21-August-2008_Az_2-U-41-08




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share