Oberlandesgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 22. September 2014
Aktenzeichen: I-26 W 20/12
(OLG Düsseldorf: Beschluss v. 22.09.2014, Az.: I-26 W 20/12)
§§ 305 Abs. 1, 327a Abs. 1 AktG, § 39 Abs. 2 BörsenG, § 12 Abs. 1 Satz 1 SpruchG
1. Eine Beschwerde gegen eine Zwischenentscheidung ist in Spruchverfahren grundsätzlich unzulässig.
2. Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 08.10.2013 (Az. II ZB 26/12, AG 2013, 877, "FRoSTA") sind noch anhängige "Delisting-Verfahren" nicht mehr statthaft und eine Barabfindung ist nicht mehr festzusetzen.
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerinnen vom 30.08.2012 gegen den Beschluss der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln vom 03.08.2012 wird als unzulässig verworfen.
Die Antragsgegnerinnen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der den Antragstellern in der Beschwerdeinstanz entstandenen notwendigen Auslagen.
Der Geschäftswert wird auf 20.000 Euro festgesetzt.
Gründe
Das Landgericht Köln hatte mit Beschluss vom 24.07.2009 die Anträge einiger Antragsteller im "Delisting"-Verfahren als unzulässig verworfen und im Übrigen die Anträge im Wesentlichen zurückgewiesen. Der Senat hatte die landgerichtliche Entscheidung mit Beschluss vom 07.12.2011 aufgehoben und die Sache zur weiteren Aufklärung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. In der Folge hatte das Landgericht mit Beschluss vom 25.01.2012 den Gutachter M. beauftragt, die Höhe der angemessenen Barabfindung zu ermitteln (Bl. 1405 GA).
Die Antragsgegnerinnen hatten sodann mit Schriftsatz vom 22.02.2012 im Hinblick auf eine anhängige Verfassungsbeschwerde zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Barabfindung in "Delisting"-Fällen beantragt, das vorliegende Verfahren bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Az. 1 BvR 3142/07) auszusetzen. Das Landgericht ist dem Antrag mit Beschluss vom 25.04.2012 gefolgt (Bl. 1472 GA).
Nachdem das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 11.07.2012, Az. I BvR 3142/07, entschieden hatte, hat die 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln das Verfahren mit Beschluss vom 03.08.2012 fortgesetzt (Bl. 1480 GA). Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass das Bundesverfassungsgericht die Rechtsfortbildung durch den Bundesgerichtshof auf der Grundlage der Macrotron-Rechtsprechung für unbedenklich gehalten habe, damit auch in "Delisting"-Fällen ein Spruchverfahren durchzuführen sei.
Die Antragsgegnerinnen haben mit Schreiben 30.08.2012 gegen den Beschluss vom 03.08.2012 Beschwerde eingelegt.
Mit Beschluss vom 12.10.2012 hat die 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Die Beschwerde sei schon nicht statthaft, weil Zwischenentscheidungen im FGG-Verfahren grundsätzlich unanfechtbar seien. Eine Beschwerde sei nur dann möglich, wenn der angegriffene Beschluss einen Verfahrensbeteiligten beschwere, unmittelbar in seine Rechte eingreife. Dies sei hier jedoch nicht der Fall, weil es sich bei der Fortsetzung des Verfahrens lediglich um eine verfahrensleitende Anordnung des Gerichts gehandelt habe. So führe der Beschluss, das Verfahren fortzusetzen, den Streit in das aktive Verfahren zurück. Die Antragsgegnerinnen seien allenfalls durch den Beweisbeschluss, aber nicht durch den hier angegriffenen verfahrensfortsetzenden Beschluss beschwert. Darüber hinaus komme die Aussetzung des Verfahrens de facto einer dauerhaften Verfahrenseinstellung gleich und nehme so die Entscheidung der Kammer vorweg. Im Übrigen sei die Beschwerde auch in der Sache unbegründet. So seien auch nach der bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung weiterhin die Grundsätze der Macrotron-Entscheidung des Bundesgerichtshofes anwendbar.
Mit Beschluss vom 08.10.2013 (Az. II ZB 26/12 "Frosta", AG 2013, 877) hat der Bundesgerichtshof während des laufenden Beschwerdeverfahrens seine bisherige Macrotron-Rechtsprechung aufgegeben. Der Widerruf der Zulassung zum Handel am regulierten Markt ("Delisting") beeinträchtige nicht das Aktieneigentum, sodass weder eine Barabfindung zu ermitteln noch ein Spruchverfahren durchzuführen sei.
Die Antragsgegnerinnen halten die Beschwerde als einfache Beschwerde für zulässig (§ 17 Abs. 1 SpruchG, §§ 19 Abs. 1, 20 Abs. 1, 21 FGG a.F.). Ihnen drohe durch die Fortsetzung des Verfahrens, der Anordnung der Beweisaufnahme und das voraussichtlich erforderliche und von ihnen zu zahlende Honorar für den Sachverständigen von mehr als 100.000 € ein erheblicher Vermögensnachteil. Das Landgericht gehe von einem unzutreffenden Verständnis der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofes aus. Die vom Bundesgerichtshof im Macrotron-Verfahren entwickelten Grundsätze seien nicht mehr anzuwenden und das Spruchverfahren im Fall des "Delisting" nicht mehr statthaft. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes gelte auch für das hier anhängige Verfahren, so dass das Spruchverfahren nunmehr unstatthaft sei. Eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, wie im vorliegenden Fall, wirke zurück. Vertrauensschutzgesichtspunkte stünden einer Rückwirkung nicht entgegen. Im Übrigen sei es auch nicht sachgerecht, in "Delisting"-Fällen eine Barabfindung zu gewähren.
Die Antragsgegnerinnen beantragen,
den Beschluss des Landgerichts Köln vom 03.08.2012 aufzuheben und die Fortführung des Spruchverfahrens für unzulässig zu erklären.
Die Antragstellerinnen und der gemeinsame Vertreter der außenstehenden Aktionäre beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie meinen, dass in "Delisting"-Fällen weiterhin eine Barabfindung in Betracht komme. Auch nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs sei das Spruchverfahren hier zulässig und fortzusetzen. Die Änderung der Rechtsprechung sei nicht vorhersehbar gewesen. Es sei unzulässig und widersprüchlich, dass die Antragsgegnerinnen zunächst eine Barabfindung angeboten hätten, sich aber nun im Nachhinein auf die fehlende Statthaftigkeit des Spruchverfahrens beriefen. Im Übrigen seien die Antragsgegnerinnen mit ihrem Einwand gemäß § 9 Abs. 3 SpruchG präkludiert, weil sie die Zulässigkeitsrüge nicht innerhalb der in § 7 Abs. 2 SpruchG genannten Frist geltend gemacht hätten.
B.
Die Beschwerde ist unzulässig.
Im Hinblick auf den Fortgang des Verfahrens weist der Senat jedoch darauf hin, dass das Spruchverfahren - wie die Antragsgegnerinnen zutreffend vortragen € hier nicht mehr statthaft ist.
Da die Beschwerde bereits unzulässig ist und den Beteiligten hinsichtlich der - hier nicht zu entscheidenden € Hauptsache keine Instanz genommen werden darf, hat die Endentscheidung nicht durch den Senat zu erfolgen, sondern ist durch das Landgericht zu treffen.
I.
Die Beschwerde ist bereits unzulässig, weil sie eine Zwischenentscheidung betrifft.
Überwiegend wird in Spruchverfahren eine Beschwerde gegen eine Zwischenentscheidung grundsätzlich für unzulässig gehalten (Beschwerde nein: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.01.2011, I-26 W 11/10 (AktE); OLG Frankfurt, Beschluss vom 03.11.2008, 20 W 455/08, NZG 2009, 428; OLG München, Beschluss vom 10.11.2008, 31 Wx 87/08, NZG 2009, 40; Koch in Hüffer, AktG, 11. Auflage 2014, § 12 SpruchG, Rn. 1; Beschwerde ja: Kubis in Münchener Kommentar, 3. Auflage 2010, § 12 SpruchG, Rn. 1, 4; Beschwerde im Falle der Aussetzung ja: OLG München, Beschluss vom 14.03.2007, 31 Wx 7/07, NZG 2007, 433). Eine Ausnahme wird teilweise nur in Fällen, in denen unmittelbar und in "einschneidender Weise" in Rechte des Beschwerdeführers eingegriffen wird, befürwortet (vgl. OLG München, Beschluss vom 10.11.2008, 31 Wx 87/08, NZG 2009, 40 m. w. Nachw.).
Im Übrigen fehlt es € wenn man von einer Zulässigkeit einer Beschwerde gegen eine Zwischenentscheidung ausgehen sollte - hinsichtlich des Fortsetzungsbeschlusses vom 03.08.2012 jedenfalls auch an einer besonderen Betroffenheit der Antragsgegnerinnen. Das Landgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass sich durch die bloße Fortsetzung des Verfahrens für die Antragsgegnerinnen keine besondere Betroffenheit ergibt. Allenfalls durch den hier nicht angegriffenen Beweisbeschluss vom 25.01.2012 und dessen Umsetzung könnten finanzielle Interessen der Antragsgegnerinnen berührt sein. Angesichts der geänderten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist die Ausführung des Beweisbeschusses im Übrigen nicht mehr veranlasst, so dass auch insoweit eine Beeinträchtigung von Rechten der Antragsgegnerinnen nicht mehr gegeben ist (siehe B. II.).
II.
Im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 08.10.2013 weist der Senat darauf hin, dass die Durchführung des Spruchverfahrens im vorliegenden Fall unzulässig ist, sodass auch die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht mehr geboten ist.
Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 08.10.2013 ist in den sogenannten "Delisting"-Verfahren kein Spruchverfahren durchzuführen und keine Barabfindung mehr festzusetzen (vgl. nur Wieneke, NZG 2014, 22; Schockenhoff, ZIP 2013, 2429; Wasmann/Glock, DB 2014, 105; Paschos/Klaaßen, AG 2014, 33; OLG Bremen, Beschluss vom 12.10.2012, 2 W 25/12; kritisch: Stöber, BB 2014, 9). Eine Anwendung der Spruchverfahrensregeln kommt in diesen Fällen nicht mehr in Betracht.
Diese geänderte Rechtsprechung gilt auch für laufende, noch nicht abgeschlossene und damit für das hier anhängige Spruchverfahren (vgl. LG München, Beschluss vom 28.05.2014, 5 HK O 19239/07, ZIP 2014, 1429; Arnold/Rothenburg, DStR 2014, 150; Glienke/Röder, BB 2014, 899). Das Verfahren wird unstatthaft. Soweit sich daraus eine unechte Rückwirkung zu Lasten der Antragsteller ergeben kann, weil diese bei der Durchführung des Spruchverfahrens möglicherweise eine höhere Barabfindung als angeboten hätten erstreiten können, ist dies verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. zur Rückwirkung: BVerfG, Beschluss vom 18.10.2012, 1 BvR 2366/11, NJW 2013, 523; LG München, Beschluss vom 28.05.2014, 5 HK O 19239/07, ZIP 2014, 1429, Rn. 31 ff, juris; Glienke/Röder, BB 2014, 899; a. A.: Lochner/Schmitz, AG 2014, 489). Das Verfahren war im vorliegenden Fall noch nicht abgeschlossen, eine gesicherte Rechtsposition, über die im Unternehmensvertrag gewährte Barabfindung hinaus eine erhöhte Abfindung zu erhalten, bestand für die Antragsteller nicht. Die "Gefahr", dass sich eine bestimmte Rechtsprechung während eines laufenden Verfahrens ändert, ist im Regelfall hinzunehmen (LG München, Beschluss vom 28.05.2014, 5 HK O 19239/07, ZIP 2014, 1429, Rn. 31, juris). Ggfs. kann im Einzelfall aus Billigkeitsgründen eine zeitlich beschränkte Anwendbarkeit geboten sein. Hier erfordern es jedoch weder Vertrauensschutzgesichtspunkte noch das Prinzip der Rechtssicherheit, ausnahmsweise die "alte" Macrotron-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes anzuwenden (vgl. auch LG München, Beschluss vom 28.05.2014, 5 HK O 19239/07, ZIP 2014, 1429, Rn. 31 ff. juris m. Anm. Hippeli, jurisPR-HaGesR 8/2014, Anm. 4). Auch eine besondere Härte, die hier ausnahmsweise eine Rückwirkung als unbillig erscheinen lassen könnte, ist weder ersichtlich noch von den Antragstellern vorgetragen.
Das Landgericht ist nicht aufgrund des Beschlusses vom 07.12.2011 daran gehindert, die Anträge als unzulässig zu verwerfen. Da in dem damaligen Beschluss nicht über die Statthaftigkeit des Spruchverfahrens rechtskräftig entschieden worden war, kann offen bleiben, ob im Falle rechtskräftiger Zwischenentscheidungen über die Statthaftigkeit Anträge im Spruchverfahren nach der Änderung der BGH-Rechtsprechung als unzulässig zu verwerfen oder unbegründet zurückzuweisen sind (vgl. zu dieser Rechtsfrage nur: Wasmann/Glock, DB 2014, 105, 108; Rosskopf, ZGR 2014, 487, 502).
Die Antragsgegnerinnen sind mit ihrem Einwand auch nicht nach § 7 Abs. 2, § 9 Abs. 3 SpruchG präkludiert. Bei der Frage, ob ein Spruchverfahren statthaft ist, handelt es sich um eine von Amts wegen zu prüfende Zulässigkeitsfrage (vgl. Koch in Hüffer, 11. Auflage 2014, § 10, Rn. 8). Dass die Rüge der Unstatthaftigkeit des Verfahrens erst nachträglich geltend gemacht worden ist, beruht im Übrigen nicht auf einer Nachlässigkeit der Antragsgegnerinnen, sondern darauf, dass der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung geändert hat. Mithin wäre die Rüge, selbst wenn sie nicht von Amts wegen zu prüfen wäre, jedenfalls nach § 10 Abs. 4 SpruchG verspätet zuzulassen. Es ist auch nicht widersprüchlich oder treuwidrig, dass die Antragsgegnerinnen sich auf die Unstatthaftigkeit des Spruchverfahrens berufen, obwohl sie seinerzeit eine Barabfindung angeboten hatten.
III.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der den Antragstellern in der Beschwerdeinstanz entstandenen notwendigen Auslagen tragen die Antragsgegnerinnen (§ 17 Abs. 1 SpruchG a. F. i. V. m. § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG).
Die Bestimmung des Geschäftswertes für eine Beschwerde gegen eine Zwischenentscheidung bestimmt sich nach § 30 Abs. 1 KostO. Auf Zwischenentscheidungen im Spruchverfahren sind die §§ 11, 12 SpruchG nicht anwendbar (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.01.2011,I-26 W 11/10 (AktE)). Auch § 15 Abs. 1 Satz 2 SpruchG a.F. greift nicht bei Zwischenentscheidungen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 15.08.2007, Az. 2 W 21/07). Vielmehr regelt § 15 SpruchG (nur) die Kostenfolge der verfahrensabschließenden Entscheidung.
Der Senat hat den Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren gegen den Beschluss der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln nach freiem Ermessen auf 20.000 € festgesetzt (§ 30 Abs. 1 Satz 1 KostO).
OLG Düsseldorf:
Beschluss v. 22.09.2014
Az: I-26 W 20/12
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