Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. November 2002
Aktenzeichen: 25 W (pat) 7/02
(BPatG: Beschluss v. 21.11.2002, Az.: 25 W (pat) 7/02)
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. April 1999 und vom 28. September 2001 aufgehoben.
Gründe
I.
Die Bezeichnung FLU-SHIELD ist am 31. Oktober 1997 für die Waren "Pharmazeutische Erzeugnisse, nämlich Vakzine für humanmedizinische Zwecke" zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung nach Beanstandung in zwei Beschlüssen, von denen ein Beschluss im Erinnerungsverfahren ergangen ist, wegen des bestehenden Schutzhindernisses fehlender Unterscheidungskraft iSv § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG zurückgewiesen. Die Wortkombination "FLU-SHIELD" sei aus den englischen und in den deutschen Sprachraum eingegangenen Wörtern "Flu" für "Grippe" und "Shield" für "Schild", "Schutzschild" aber auch "Schutz" sprachüblich gebildet und bedeute im Deutschen "Grippe-Schutzschild" oder "Grippe-Schutz". In bezug auf die beanspruchten Waren werde deshalb "FLU-SHIELD" aus der Sicht der hier vorrangig angesprochenen Fachkreise lediglich als Hinweis auf die so gekennzeichneten Impfstoffe als Grippe-Schutz, nicht aber als Hinweis auf die Herkunft der Produkte verstanden.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin mit dem Antrag, die angefochtenen Beschlüsse des DPMA aufzuheben.
Eine gebräuchliche Verwendung von "FLU-SHIELD" sei nicht nachgewiesen, da nur die Anmelderin diese Bezeichnung markenmäßig verwende und diese auch nicht lexikalisch nachweisbar sei. Diese sei sowohl in den USA als auch in Kanada und in Großbritannien als Marke für die gleichen Produkte registriert, woraus sich ein Indiz für die Schutzfähigkeit in Deutschland ableiten lasse. Auch sei zu berücksichtigen, dass der Endverbraucher beim Ankauf der Produkte in der Apotheke involviert sei und deshalb nicht nur auf den Fachverkehr abzustellen sei. Zudem sei der Verkehr gerade in dem hier in Frage stehenden Produktbereich an seriöse Angaben gewöhnt, so dass als Sachangaben Bezeichnungen wie "Flu-Vication", "Flu-Immmunisation", "Protective-Flu-Vication", "Flu-Prävention" usw, nicht aber "Flu-Shield" verwendet würden. Es bestehe deshalb auch kein Freihaltungsbedürfnis. Darüber hinaus weise die angemeldete Bezeichnung auch einen gewissen - nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allerdings nicht erforderlichen - Phantasiegehalt auf, da ein Schutzschild gegen Grippe heraufbeschworen werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschlüsse der Markenstelle sowie auf den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Nach Auffassung des Senats kann nicht festgestellt werden, dass es sich bei der angemeldeten Bezeichnung "FLU-SHIELD" in bezug auf die beanspruchten Waren "Pharmazeutische Erzeugnisse, nämlich Vakzine für humanmedizinische Zwecke" um eine beschreibende Angabe im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG oder eine sonstige sachbezogene oder verkehrsübliche Angabe handele, welche die angesprochenen Verkehrskreise ausschließlich als Sachangabe verstehen und die deshalb keine Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG aufweist.
1) Unterscheidungskraft ist nach ständiger Rechtsprechung im Hinblick auf die Hauptfunktion der Marke, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten, die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl zur st Rspr BGH GRUR 2001, 1150 - LOOK; EuGH GRUR 2001, 1148, 1149 Tz. 22 - Bravo - zur GMV). Deshalb kann die Frage, ob ein Zeichen eine solche Unterscheidungskraft besitzt, nicht abstrakt ohne Berücksichtigung der Waren oder Dienstleistungen, die sie unterscheiden sollen, beurteilt werden (zur ständigen Rspr vgl EuGH GRUR 2001, 1148, 1149 Tz. 22, 29 - Bravo; BGH MarkenR 1999, 292, 294 - HOUSE OF BLUES).
a) Der Senat teilt die Auffassung der Markenstelle, dass den hier maßgeblichen Verkehrskreisen, zu denen insbesondere Fachkreise zählen, jedenfalls in erheblichem Umfang nicht nur die Bedeutung der Zeichenbestandteile "FLU" für "Grippe" und "SHIELD" für "Schild, Schutzschild" aber auch "Schutz" verständlich ist, sondern dass diese Verkehrskreise auch in erheblichem Umfang den Aussagegehalt der angemeldeten Wortzusammensetzung "FLU-SHIELD" im Sinne von "Impfschutz gegen Grippe" in bezug auf die beanspruchten Impfstoffe erfassen, obwohl es sich weder im Inland noch im englischsprachigen Raum um eine lexikalisch oder in sonstiger Weise nachweisbare und gebräuchliche Wortzusammensetzung handelt.
b) Entgegen der weiteren Annahme der Markenstelle liegen jedoch keine hinreichenden Anhaltspunkte für die hieraus gezogene Schlussfolgerung vor, die angesprochenen Verkehrskreise sähen in der angemeldeten Bezeichnung nur eine Sachangabe - hier Indikationsangabe - und nicht einen betrieblichen Herkunftshinweis mit einer zugleich darin enthaltenen, sprachlich ungewöhnlich gefassten warenbezogenen Aussage, zumal insbesondere im Bereich der Arzneimittelbezeichnungen die Bildung sogenannter "sprechender Marken" üblich ist. Diese beschreiben in irgendeiner Form zB die Art, den Wirkstoff oder die Indikation des Arzneimittels mehr oder weniger deutlich, weisen aber dennoch aus der Sicht des Verkehrs durchaus eine kennzeichnende Funktion und markenrechtliche Unterscheidungskraft auf.
aa) Für die Beurteilung des Schutzhindernisses fehlender Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs 1 Nr 1 MarkenG kommt es deshalb vorliegend entscheidend darauf an, ob das beanspruchte Zeichen "FLU-SHIELD" aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise nicht nur einen sachbezogenen Informationsgehalt im Sinne eines "sprechenden" Zeichens aufweist, sondern ob der Verkehr darüber hinaus das Zeichen selbst als Sachangabe versteht.
bb) Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, ob es sich bei der angemeldeten Bezeichnung um eine lexikalisch nachweisbare Wortbildung handelt und/oder ob ein beschreibender Gebrauch zB im Internet oder in Zeitschriften usw feststellbar ist, wenn die fehlende Nachweisbarkeit auch ein derartiges Verständnis als Sachangabe nicht ausschließt (vgl z.B. BGH GRUR 2001, 1151, 1552 - marktfrisch; Althammer/Ströbele MarkenG, 6. Aufl., § 8 Rdn 142). Von wesentlicher Bedeutung für die Beurteilung der Verkehrsauffassung ist ferner, ob es sich um eine in ihrer Wortstruktur oder Semantik vom üblichen Sprachgebrauch abweichende, für eine Sachangabe in bezug auf die konkret beanspruchten Waren oder Dienstleistungen eher ungewöhnliche, von den üblichen Bezeichnungsgewohnheiten und der üblichen Sprachform abweichende Wortbildung handelt (vgl hierzu EuGH, MarkenR 2001, 400 - Babydry; BGH MarkenR 1999, 292, 294 - HOUSE OF BLUES; BGH MarkenR 2001, 465 469 - Bit/Bud - mwH) und der Verkehr Veranlassung hat, in der Bezeichnung eine Sachangabe zu sehen. Derartige Umstände konnte der Senat nicht feststellen.
cc) Selbst wenn man vorliegend für die Beurteilung der insoweit maßgeblichen Verkehrsauffassung nicht ausschließlich auf die konkret beanspruchten Arzneimittel - hier Impfstoffe - abstellt (vgl aber ausdrücklich BGH MarkenR 2001, 365, 368 - Farbmarke violettfarben), sondern auch die Verkehrsgepflogenheiten im Warenumfeld sonstiger Arzneimittel einbeziehen wollte, weil die Bezeichnungsgewohnheiten sich nicht nach Indikationsgebieten unterscheiden (vgl hierzu ausführlich BPatG MarkenG 2002, 348, 355 - Farbige Arzneimittelkapsel), so entspricht die gewählte Sprachform des Zeichens "FLU-SHIELD" nicht den üblichen Bezeichnungsgewohnheiten für Sachangaben auf diesem Warensektor. Die angemeldete Bezeichnung stellt vielmehr eine bisher unbekannte und auch nicht nahe liegende Wortzusammenstellung dar, welcher aus der Sicht der inländischen Verkehrskreise eine Eignung als betrieblicher Herkunftshinweis nicht abgesprochen werden kann.
Der Senat konnte auch trotz weiterer Recherchen keine hinreichenden Anhaltepunkte für eine gegenteilige Auffassung finden, zumal selbst im englischen Sprachgebrauch die Wortverbindung "FLU-SHIELD" im Zusammenhang mit den hier maßgeblichen Bezeichnungsgepflogenheiten bei Arzneimitteln keine sprachübliche Wortbildung darstellt. Insoweit hat die Anmelderin zutreffend darauf hingewiesen, dass im Englischen zum Ausdruck eines Schutzes vor Grippe oder eines Schutzes vor sonstigen Erkrankungen Wörter wie "defense", "protection", "preservation" oder allenfalls "prevention", "safety" für "Schutz" verwendet würden, nicht aber "shield". Auch der Senat konnte - weder im englischen Sprachgebrauch noch im Deutschen - lexikalisch oder in sonstiger Weise die Verwendung des Begriffs "shield" auf dem Gebiet der Arzneimittel in entsprechend gebildeten Wortzusammensetzungen feststellen. Eine Ausnahme bildet insoweit lediglich die Verwendung von "shield" im Zusammenhang mit dem - hier für die Kennzeichnung eines Arzneimittels nicht maßgeblichen - Strahlenschutz (radiation shield).
Es ist deshalb davon auszugehen, dass auch im Inland diejenigen Teile des Verkehrs, welchen sich die Bedeutung des englischsprachigen Wortverbindung "FLU-SHIELD" erschließt, den sprachregelwidrigen und unüblichen Gebrauch des Wortes "SHIELD" in der Gesamtbezeichnung erkennen. Die Annahme, der Verkehr werde dennoch in der Bezeichnung "FLU-SHIELD" eine Sachangabe und keinen Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Ware sehen, erscheint deshalb mangels hinreichender tatsächlicher Anhaltspunkte nicht gerechtfertigt, auch wenn die angesprochenen Verkehrskreise durchaus den Bedeutungsgehalt der "sprechenden" Arzneimittelkennzeichnung "FLU-SHIELD" und den hierin zum Ausdruck kommenden Indikationshinweis ohne weiteres erfassen.
2) Nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG sind ferner solche Zeichen von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, welche im Verkehr ua zur Bezeichnung der Beschaffenheit oder sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen oder deren Bestimmung dienen können und die deshalb einem berechtigten Bedürfnis der Allgemeinheit, insbesondere der Mitbewerber an der freien Verwendbarkeit unterliegen.
Eine derartige beschreibende Verwendung der angemeldeten Bezeichnung konnte der Senat in bezug auf die beanspruchten Waren nicht feststellen. Auch entsprechende gründliche Recherchen in einschlägigen Wörterbüchern und auch im Internet blieben aus den bereits genannten Gründen ohne Ergebnis. Insoweit hat die Anmelderin auch zutreffend auf Voreintragungen der angemeldeten Bezeichnung im englischsprachigen Raum verwiesen, wenn der Senat auch nicht verkennt, dass im Einzelfall eine fremdsprachige Bezeichnung, insbesondere aufgrund einer von dem sprachlichen Ursprungsland abweichenden, besonderen Sprachentwicklung im Inland sich durchaus als Sachangabe etablieren und ein Freihaltungsbedürfnis begründen kann. Dies lässt sich aber vorliegend gleichfalls nicht feststellen.
Es kann schließlich auch nicht festgestellt werden, dass ein konkretes Bedürfnis an der freien Verwendung der angemeldeten Bezeichnung künftig entstehen könnte. Die für eine solche Prognose erforderlichen tatsächlichen Feststellungen, die einen konkreten Anhalt für eine solche Entwicklung bieten müssten (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 8 Rdn 75 mwN), hat die Markenstelle nicht getroffen und konnten auch aufgrund der weiteren Recherchen des Senats nicht ermittelt werden.
Nach alledem waren auf die Beschwerde der Anmelderin die Beschlüsse der Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts aufzuheben.
Kliems Bayer Engels Fa
BPatG:
Beschluss v. 21.11.2002
Az: 25 W (pat) 7/02
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