Landgericht Dortmund:
Urteil vom 2. Juli 2013
Aktenzeichen: 20 O 65/12

(LG Dortmund: Urteil v. 02.07.2013, Az.: 20 O 65/12)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Dieses Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zur Vollstreckung gestellten Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt mit der von ihr erhobenen Anfechtungsklage die auf der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten am 11.05.2012, zu der am 03.04.2012 im elektronischen Bundesanzeiger die Einberufung bekannt gemacht wurde, gefassten Beschlüsse über die Entlastung der drei Aufsichtsratsmitglieder M, D und L, für nichtig zu erklären.

Die Klägerin ist ein US-amerikanischer Hedgefonds, die Beklagte ist ein im SDax der Frankfurter Börse notiertes Unternehmen. Wesentlicher Unternehmensgegenstand der Beklagten ist im Geschäftsfeld Medical die Entwicklung und Herstellung von Kunststofflösungen für Kunden aus Pharmazie und Medizintechnik sowie im Geschäftsfeld Elektronikprodukte die Entwicklung und Herstellung von Baugruppen aus Kunststoff für die Kommunikations- und Unterhaltungselektronik.

Auf der ordentlichen Hauptversammlung war mit den aus Blatt 4 der Gerichtsakte ersichtlichen Stimmenverhältnissen die Entlastung der genannten Mitglieder des Aufsichtsrates für das Geschäftsjahr 2011 beschlossen worden. Die Klägerin ihrerseits stimmte mit sämtlichen ihrer Stimmrechte gegen diese Entlastung. Ferner erklärte die Klägerin ihren Widerspruch zur Niederschrift betreffend die Tagesordnungspunkte 4, 6 und 7.

Die Klägerin vertritt insoweit die Auffassung, dass im Hinblick auf die drei genannten Aufsichtsratsmitglieder Interessenkollisionen gegeben sind.

Dies beruht auf folgendem Sachverhalt:

Die Beklagte ist an einem Unternehmen U mit Sitz in Taiwan beteiligt, an der auch ein Herr D2 als Aktionär beteiligt ist. Die Ehefrau dieses Herrn D2 ist ihrerseits Eigentümerin der Z, einer Gesellschaft samoanischen Rechts, deren CEO Herr D2 ist. Diese Zn ist mit ca. 27,6 % am Grundkapital der Beklagten beteiligt.

Herr D2 ist ferner CEO der U und an dieser zusammen mit seiner Ehefrau mit rund 25,9 % der Aktien beteiligt. Die U selber ist ein taiwanesisches börsennotiertes Unternehmen, das im Bereich der Touchscreen-Herstellung tätig ist.

Neben Herrn D2 ist auch dessen Ehefrau und das Aufsichtsratsmitglied der Beklagten, Herr D, Mitglied des Boards of Directors der U. Die Beklagte hielt bis Anfang des Jahres 2012 ca. 16 % der Anteile an U, was gleichzeitig den wertvollsten Vermögensgegenstand der Beklagten darstellte. Der Wert der Beteiligung überstieg die Marktkapitalisierung der Beklagten um ein Vielfaches (Wert im Mai 2011: 790 Mio. €).

Der Aufsichtsrat der Beklagten hatte im Jahre 2011 bei mindestens vier Anlässen über den Umgang mit der U-Beteiligung zu befinden, nämlich zum einen über die Verlängerung einer Veräußerungsbeschränkung von Anteilen der Beklagten (sogenannter "Lock Up"). Eine solche galt für 50 % der Beteiligung bis Ende April 2011. Weiter sollte nach übereinstimmender Verlautbarung von Vorstand und Aufsichtsrat der Beklagten die Beteiligung noch im Geschäftsjahr 2011 veräußert werden, um das Wachstum im Kerngeschäft zu fördern. Dazu unterbreitete der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Beklagten, Herr N, dem Aufsichtsrat drei Vorschläge, welche sämtlich an der versagten Zustimmung des Aufsichtsrats scheiterten. Vielmehr wurde der Lock Up zunächst verlängert, wofür aus Sicht der Klägerin die Beklagte keine Gegenleistung erhalten habe. Der Aufsichtsrat gab insoweit Interessen der U als Grund an, wonach die Lock Up-Vereinbarung allein dazu gedient habe, der U die Begebung einer Wandelanleihe über 400 Mio. US-$ zu ermöglichen.

Nach Ablauf der Lock-Up-Frist unterbreitete - wie schon oben angedeutet - der damalige Vorstand der Beklagten im Aufsichtsrat drei Vorschläge zur Veräußerung der U-Anteile. Zwei der Vorschläge wurden mit der Begründung abgelehnt, dass regulatorische Aspekte nicht beachtet worden seien bzw. es ansonsten zu einer Gefährdung des Wertes des verbleibenden U-Anteils kommen würde. Im Hinblick auf den dritten Vorschlag von Ende 2011 zur gemeinsamen Anteilsveräußerung zusammen mit U (sog. "GDR-Offering") stimmte der Aufsichtsrat zunächst der Veräußerung zu, wobei es in dem Zusammenhang zu umfangreichen, zwischen den Parteien im Grunde unstreitigen Kontakten der Aufsichtsratsmitglieder mit Herrn D2 in dessen Eigenschaft als CEO von U sowie weiterer Mitglieder von U kam. Nach Auskunft des Aufsichtsrats der Beklagten kam die Veräußerung deshalb nicht zustande, da der Börsenkurs der U dies nicht zuließ.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass angesichts der bestehenden Interessenkollisionen der drei oben genannten Aufsichtsratsmitglieder, welche nicht im Sinne der Vorschriften des Deutschen Corporate Governance Kodexes, DCGK, offengelegt worden seien, die Beschlüsse über die Entlastung der drei Aufsichtsratsmitglieder für nichtig zu erklären seien.

Denn aus der Befassung der Aufsichtsratsmitglieder D und L mit den verschiedenen Aspekten der Veräußerung der U-Anteile folge ein erheblicher Interessenkonflikt, da beide gegenläufige Interessen zu vertreten hätten, über die nicht berichtet worden sei. Im Hinblick auf Herrn D liegt aus Sicht der Klägerin ein unauflösbarer Interessenkonflikt im Hinblick auf seine enge persönliche wie geschäftliche Bindung zu Herrn D2 und zur U vor. Die Klägerin trägt dazu vor, dass Herr D - was unstreitig ist - neben der Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied der Beklagten auch eine Position als CEO der U2 innehabe, welche im Eigentum und unter der Kontrolle des Herrn D2 stehen würden, deren Präsident er sei. Damit unterliege Herr D den Weisungen des Herrn D2 und werde letztlich von diesem vergütet. Herr D sei ferner auch Mitglied des Boards of Directors der U, dessen Vorsitzender Herr D2 sei. Auch insofern besteht aus Sicht der Klägerin ein Abhängigkeitsverhältnis. Dies hätten auch - was inhaltlich ebenfalls unstreitig ist - erfahrene Marktbeobachter im Vorfeld der außerordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 08.02.2012 festgestellt (inhaltlich wird insoweit auf die Anlage K 13 und K 14 Bezug genommen).

Ein konkreter Interessenkonflikt habe anlässlich der Beschlussfassung über die U-Beteiligungen bestanden. Als Aufsichtsratsmitglied der Beklagten habe Herr D insofern deren Interessen zu vertreten gehabt. Zugleich sei er aber als Mitglied des Boards of Directors der U unmittelbar deren Unteressen unterworfen gewesen. Entsprechend sei die Sachlage bei der Entscheidung über das GDR-Offering gewesen; die Interessen der Unternehmen seien bei dieser Entscheidung ebenfalls nicht gleichgerichtet gewesen. Dies ergibt sich aus Sicht der Klägerin schon daraus, dass es der Beklagten um eine zeitnahe, gewinnbringende und dauerhafte Trennung ihrer Anteile gehen musste, während die Interessen der U und auch des Herrn D2 auf die Sicherstellung der weiteren Finanzierung der U gerichtet gewesen seien. Dieser Interessenkonflikt habe auch bei allen weiteren Abstimmungen bzw. Entscheidungen des Aufsichtsrats über die Beteiligung bestanden. Hierbei sei noch zu berücksichtigen, dass Herrn D2 aufgrund des oben geschilderten Sachverhalts eine Stellung als mittelbarer Aktionär der Beklagten oder doch jedenfalls als einer dem Hauptaktionär nahestehenden Person zukomme. Zu berücksichtigen sei auch, dass Herr D so wenig die Interessen der Ehefrau seines Arbeitgebers D2 gefährden würde, wie die Interessen von Herrn D2 selbst. Ferner deute auch die Vorschrift des § 100 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AktG unmittelbar auf das Vorliegen eines Interessenkonflikts hin, da zwar die U kein von der Beklagten abhängiges Unternehmen sei, doch eine solch bedeutende Beteiligung, wie die Beklagte sie unterhielt, zu einem entsprechenden Interessenkonflikt führe. Als Aufsichtsratsmitglied der Beklagten hätte Herr D das Interesse einer möglichst gewinnbringenden Veräußerung der nicht strategischen Beteiligung verfolgen müssen, während er als Director von U die langfristig orientierte Entwicklung der Geschäftstätigkeit hätte im Auge haben müssen. Im Hinblick auf Herrn L sei zu berücksichtigen, dass dieser - was ebenfalls unstreitig ist - Geschäftsführer und Inhaber der F und - nach Angaben der Beklagten selber in der Hauptversammlung - aufgrund eines Beratervertrages mit der U verbunden sei. Aus Sicht der Klägerin sei er somit dem Wohl der U verpflichtet. Insofern liegt aus Sicht der Klägerin dieselbe Interessenkollision wie bei Herrn D vor.

Im Hinblick auf das Aufsichtsratsmitglied M führt die Klägerin aus, dass dieser von den die übrigen Aufsichtsratsmitglieder betreffenden, einen Interessenkonflikt begründenden, Aspekten gewusst habe.

Die Klägerin beantragt,

1. den Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der

Beklagten vom 11. Mai 2012 zu Tagesordnungspunkt 4a, mit dem die Hauptversammlung dem Aufsichtsratsmitglied M Entlastung erteilt hat, für nichtig zu erklären;

2. den Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der

Beklagten vom 11. Mai 2012 zu Tagesordnungspunkt 4b, mit dem die Hauptversammlung dem Aufsichtsratsmitglied D Entlastung erteilt hat, für nichtig zu erklären;

3. den Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der

Beklagten vom 11. Mai 2012 zu Tagesordnungspunkt 4c, mit dem die Hauptversammlung dem Aufsichtsratsmitglied L Entlastung erteilt hat, für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte weist zunächst den Vorwurf der Klägerin, Herr D2 sei als mittelbarer Aktionär zu werten und über einen bestimmenden Einfluss auf die geschäftlichen Entscheidungen der Beklagten aus, zurück. Zu berücksichtigen sei, dass die Beklagte mittlerweile nahezu die gesamte U-Beteiligung veräußert habe und Herr D2 somit evidentermaßen weder rechtlich noch faktisch einen Verkauf dieser Beteiligung verhindert habe. Herr D2 sei weder direkt noch indirekt Aktionär der Beklagten und habe insbesondere auch keinerlei Möglichkeit, deren Geschäftspolitik auch nur zu beeinflussen. Diese fehlende Beteiligung des Herrn D2 ergebe sich auch aus der allgemeinen und somit allen Aktionären zugänglichen Veröffentlichung gemäß § 26 Abs. 1 WpHG, und zwar sowohl für Herrn D2 als auch seine Ehefrau, als auch Z, wie auch das durch Herrn D2 geführte Unternehmen H. Die Ehefrau sei im Übrigen von Herrn D2 völlig unabhängig und über die fehlende Beteiligung des Herrn D2 als auch über die zutreffende Beteiligung des Z seien die Aktionäre im Vorfeld der Hauptversammlung informiert.

Im Übrigen meint die Beklagte, dass zwischen einem hohen Unternehmenswert der U und den Interessen der Beklagten für die Dauer der Beteiligung der Beklagten an der U kein Interessengegensatz, sondern vielmehr ein Interesseneinklang bestanden habe. Festzuhalten sei, dass die Beklagte ihre 2011 den Aktionären angekündigte Verwertung der Beteiligung umgesetzt habe, sobald keine Bedenken mehr gegen diese Umsetzung bestanden hätten, welche vorher unter dem Gesichtspunkt der Kursentwicklung, der Hoffnung eines steigenden Kursniveaus durch Einführung neuer Produkte und nicht vollständiger Anlagen, welche dem Vorstand vorgelegt worden seien, nicht durchgeführt worden sei. Den frühzeitigeren Verkauf habe im Wesentlichen der Kursdruck gehindert. Damit habe der Aufsichtsrat letztlich die im Interesse der Beklagten liegenden wirtschaftlichen rechtlichen Gesichtspunkte berücksichtigt.

Anhaltspunkte für eine Abhängigkeit des Herrn M, der als Anwalt in der von ihm selbst gegründeten Kanzlei beruflich tätig sei, seien nicht dargelegt.

Im Hinblick auf Herrn D sei zu berücksichtigen, dass dieser nach Februar 2012 aus dem Board of Directors der U ausgeschieden sei. Herr D werde auch von Herrn D2 nicht bezahlt und sei diesem auch nicht weisungsgebunden. Die frühere Mitgliedschaft des Herrn D als Board-Mitglied der U könne ebenfalls keinen grundsätzlichen Interessenkonflikt begründen. Die U sei weder an der Beklagten beteiligt noch unterhalte sie mit dieser intensive Geschäftsbeziehungen; es sei lediglich einzelfallbezogen im Zusammenhang mit einzelnen Geschäften die Möglichkeit eines Interessenkonflikts aufgetreten, doch sei auch dieser nicht gegeben gewesen. Selbst wenn ein Interessenkonflikt bestanden hätte, bestehe keine Relevanz dieses Interessengegensatzes, da ein solcher ohne jegliche praktischen Auswirkungen gewesen sei.

Im Hinblick auf Herrn L sei zu berücksichtigen, dass weder die U noch Herr D an dessen Beratungsgesellschaft beteiligt seien. Herr L habe allein im Rahmen des zwischen ihm und der U bestehenden Beratungsvertrages einzelne Dienstleistungen erbracht; ein Angestelltenverhältnis oder ein sonstiges Über-Unterordnungsverhältnis habe bezüglich Herrn D2 oder der U zu keinem Zeitpunkt bestanden.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze wie auf die Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Entlastungsbeschlüsse sind vorliegend nicht wegen Verletzung des § 161 AktG anfechtbar.

Zwar gilt, dass eine Anfechtbarkeit nach § 161 AktG gegeben sein kann, wenn die Entsprechungserklärung nach den Empfehlungen der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex (DCGK) von vornherein in einem nicht unwesentlichen Punkt unrichtig ist oder sie dies bei einer später eintretenden Abweichung von den DCGK-Empfehlungen wird und nicht umgehend berichtigt wird, worin ein zur Anfechtbarkeit führender Gesetzesverstoß liegen kann (BGHZ 182, 272, Rn. 16 - Umschreibungsstopp; BGHZ 180, 9, Rn. 19 - Kirch/Deutsche Bank; z.G. auch BGHZ 194, 14, Tz. 27 - Fresenius). Nach Nr. 5.5.3 Satz 1 DCGK ist der Aufsichtsrat verpflichtet, über aufgetretene Interessenkonflikte und ihre Behandlung im Bericht an die Hauptversammlung zu informieren. Unterbleibt ein solcher Hinweis, ohne dass erklärt wird, die Verwaltung folge der Empfehlung in Nr. 5.5.3 Satz 1 nicht, kann dies aber nur dann zur Anfechtbarkeit der Entlastungsbeschlüsse führen, wenn es sich dabei - wie auch sonst - um einen eindeutigen und schwerwiegenden Gesetzesverstoß handelt (BGHZ 194, 14 ff. Tz. 28 - Fresenius). Dafür muss die Unrichtigkeit der Entsprechungserklärung über einen reinen Formalverstoß hinausgehen und auch im konkreten Einzelfall Gewicht haben; zudem ist die in Betracht kommende Informationspflichtverletzung nach der Wertung des § 243 Abs. 4 S. 1 AktG auch nur dann von Bedeutung, wenn ein objektiv urteilender Aktionär die Informationserteilung als Voraussetzung für die sachgerechte Wahrnehmung seines Teilnahme- und Mitgliedschaftsrechts ansähe (BGH, a.a.O.; ferner BGHZ 182, 272, Rn. 18 - Umschreibungsstopp).

Nach diesen Grundsätzen sind die Entlastungsbeschlüsse aber nicht wegen eines Verstoßes nach § 161 AktG anfechtbar.

Zunächst ergeben sich bereits aus den sonstigen beruflichen Aktivitäten wie auch aus den Beziehungen einzelner Aufsichtsratsmitglieder zu der Familie D2 keine Interessenkonflikte und auch keine Anfechtbarkeit.

Im Hinblick auf Herrn D2 ist unstreitig geblieben, dass er weder unmittelbarer Aktionär der Beklagten ist noch eine Organstellung inne hat oder eine solche bei einer ihrer maßgeblichen Aktionäre inne hat. Auch ist angesichts des durch die Klägerin selber vorgetragenen Sachverhalts eine mittelbare Aktionärsstellung ebenfalls nicht erkennbar.

Auch kann ein abstrakter Interessenkonflikt aufgrund des dargelegten Sachverhalts nicht angenommen werden. Wie ausgeführt, ist Herr D2 nicht an der Beklagten beteiligt und hat bei dieser keine Organstellung inne. Ebenso wenig führen aber die Aktivitäten des Herrn L als Berater der U sowie des Herrn D als CEO der U2 bzw. als Board-Mitglied der U zu einem solchen Interessenkonflikt. Wie die Beklagte zu Recht ausführt, ist weder die Beklagte und die U2 bzw. noch die U im selben Marktsegment tätig bzw. stehen in unmittelbarer Konkurrenz. Für einen darüber hinausgehenden nennenswerten Umfang der Geschäftsbeziehungen untereinander hat die Klägerin nichts vorgetragen.

Doch liegt auch ein konkreter Interessenkonflikt im Zuge der durch die Klägerin im Einzelnen aufgeführten Geschäftsvorfälle nicht vor, zumal der Interessenkonflikt nur dann zur Anfechtbarkeit der Entlastungsbeschlüsse führt, wenn der Verstoß gegen Nr. 5.5.3 als eindeutiger und schwerwiegender Gesetzesverstoß zu werten wäre (vgl. BGH, a.a.O.). Ein solcher eindeutiger und schwerer Verstoß gegen Ziffer 5.5.3 DCGK liegt jedoch nicht vor.

Dabei kann hier dahinstehen, ob - was zwischen den Parteien streitig ist - bei den einzelnen Geschäftshandlungen ein Interessenkonflikt oder vielmehr ein Interesseneinklang gegeben war, wobei hier schon viel für einen Interesseneinklang spricht. Die Klägerseite lässt nämlich unberücksichtigt, dass die Beklagte zunächst nur 50 % ihrer Beteiligung an der U veräußern wollte. Verblieb aber somit eine Beteiligung von 50 % bei der Beklagten, die immer noch, gemessen an ihrer Marktkapitalisierung, einen erheblichen Wert darstellte, so hatte auch die Beklagte ein genuines Interesse daran, dass der Kurs der Beteiligung auf einem nachhaltig hohen Niveau blieb, zumal der Beteiligungswert bei späterer Veräußerung dem Kerngeschäft zu gute kommen sollte. Hatte aber die Beklagte insoweit also ein Interesse an hohen Kursen, so läuft dieses Interesse im Gleichklang mit dem Interesse der U; eine Interessenkollision ist darin nicht zu erkennen.

Jedenfalls aber ist ein eindeutiger und schwerwiegender Verstoß, selbst bei Annahme eines Interessenkonflikts, nicht zu sehen. Denn schon aufgrund der genannten Umstände und auch aus der Tatsache, dass dieser Aspekt eben zwischen den Parteien entsprechend umstritten ist, ergibt sich, dass ein eindeutiger Fall eines Interessenkonflikts auf Seiten der Aufsichtsratsmitglieder nicht gegeben war, was gleichzeitig nicht zu einem eindeutigen und schwerwiegenden Verstoß gegen Ziffer 5.5.3 des DCGK führen kann.

Gestützt wird dies dadurch, dass auch eine entsprechende Relevanz eines möglichen Interessengegensatzes aufgrund des unterbreiteten Sachverhalts nicht gegeben ist. Im Hinblick auf den von den Parteien so bezeichneten ersten Verkaufsvorschlag zeigt sich das Fehlen praktischer Relevanz eines möglichen Interessenkonflikts darin, dass die Beklagte insofern unwidersprochen vorgetragen hat, dass der Verkaufsvorschlag des Vorstands gravierende Mängel aufwies (im Einzelnen Blatt 47/48 Gerichtsakte). Insoweit ist die rechtliche Einschätzung der Beklagten, dass unter diesen Umständen ohnehin kein freies Ermessen des Aufsichtsrats in Bezug auf eine Zustimmung bestanden habe, nicht zu beanstanden.

Gleiches gilt für den sogenannten zweiten Verkaufsvorschlag vom 10.08.2011, da dieser als Mindestpreis einen Kurswert von 750 TWD je TPK-Aktie vorgeschlagen hat, dieser Kurswert im Folgenden unstreitig aber nicht erreicht worden ist. Auch insofern ist also die Relevanz eines Interessenkonflikts nicht ersichtlich.

Auch im Hinblick auf das GDR-Offering ist die Relevanz des Interessenkonflikts angesichts des Umstandes, dass das Nichtzustandekommen dieses Offerings auf der einseitigen Entscheidung der U, aufgrund des unfreundlichen Börsenumfelds von einer Kapitalerhöhung abzusehen, beruht, nicht ersichtlich.

Nicht anders stellt sich letztlich die Sachlage im Hinblick auf die Entscheidung bezüglich des sogenannten Lock Ups dar. Da es sich hier um eine unternehmerische Entscheidung, nämlich die Sicherstellung der Finanzierung der U und damit der Werterhaltung der verbleibenden Beteiligungshöhe, handelt, ist insofern jedenfalls nicht ersichtlich, dass dieses Verhalten, wollte man es als rechtswidrig werten, sich als eindeutiger und schwerwiegender Gesetzesverstoß äußert.

Damit liegt aber letztlich kein Verstoß gegen § 161 AktG vor, weshalb eine Anfechtbarkeit nach § 243 AktG nicht gegeben ist.

Aufgrund der geschilderten Aspekte liegt auch kein Fall eines Mangels im Sinne von § 243 Abs. 4 AktG vor, da aus den genannten Aspekten die Umstände nicht geeignet waren, die Entscheidung eines objektiv urteilenden Aktionärs zu beeinflussen (vgl. z.G. auch BGHZ 182, 272 f., Tz. 18 - Umschreibungsstopp - m.w.N.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in § 709 S. 1 und 2 ZPO.






LG Dortmund:
Urteil v. 02.07.2013
Az: 20 O 65/12


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