Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. Juni 2004
Aktenzeichen: 33 W (pat) 358/02
(BPatG: Beschluss v. 08.06.2004, Az.: 33 W (pat) 358/02)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I Am 19. Februar 1999 ist beim Deutschen Patent- und Markenamt die Wortmarke 30 Plusfür folgende Dienstleistungen angemeldet worden:
Kl. 36: Versicherungswesen, Finanzwesen
(Dienstleistungsverzeichnis in der Fassung des Schriftsatzes vom 16. März 1999).
Mit Beschlüssen vom 2. April 2001 und 30. Juli 2002, letzterer im Erinnerungsverfahren, hat die Markenstelle für Klasse 36 die Anmeldung nach §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Nach Auffassung der Markenstelle handelt es sich bei der Anmeldemarke um eine rein beschreibende Angabe über die Eignung der Dienstleistungen für Personen einer bestimmten Altersgruppe, wobei das Alter der jeweiligen Gruppe nach unten durch die jeweilige Zahl begrenzt werde. Für den Charakter der angemeldeten Marke als beschreibende Angabe sprächen auch die Ergebnisse von Internetrecherchen, die den Beschlüssen beigefügt waren.
Gegen den Erinnerungsbeschluss hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt, mit der sie beantragt, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben.
Zur Begründung führt sie aus, dass jedenfalls für Versicherungen keine Internetbelege auffindbar seien, in denen die angemeldete Bezeichnung als Hinweis auf Altersangaben verwendet werde. Selbst wenn die Marke einen mittelbaren Hinweis auf bestimmte Altergruppen enthielte, stehe ein solch vager Hinweis angesichts der Gewöhnung des Verkehrs an Kennzeichnungen mit beschreibendem Anklang der Schutzfähigkeit nicht entgegen. Dazu verweist die Anmelderin auf mehrere Voreintragungen wie etwa "DIREKTE LEBEN" und "KONZEPT 50 PLUS". Kombinationen aus einer Zahl und dem Wort "Plus" könnten neben der möglichen Altersstruktur der Zielgruppen etwa auch Versicherungswerte ("1000 Plus"), Jahreszahlen ("2000 PLUS-UNFALLVERSICHERUNG") oder die Zahl der abgedeckten Bereiche benennen. Außerdem würden Versicherungen für bestimmte Altersgruppen nicht allein nach der unteren, sondern auch nach der oberen Altersgrenze bestimmt (z.B. "für die Altersgruppe 45 bis 65" etc.). Der Verkehr werde sich fragen, warum die Altersangabe "30" genannt werde, da mit diesem Alter kein für das wirtschaftliche Leben relevanter Lebensabschnitt verbunden sei. Wie indifferent die angemeldete Marke sei, ergebe sich auch aus der von der Markenstelle vorgelegten Fundstelle zu einem "Programm 59 plus", mit dem Personen ab ca. 55 Jahren bis Ende 60 angesprochen würden. Als Altersangabe für über 59-Jährige wäre die Bezeichnung damit irreführend, da erkennbar auch jüngere Personen angesprochen und eine Altersbegrenzung bis Ende 60 für das Programm gegeben sei.
Der Anmelderin sind Kopien des Ergebnisses einer vom Senat durchgeführten Recherche übersandt worden, wobei der Senat auch auf die zugleich in den Parallelverfahren ( 33 W (pat) 355 - 357, 359 - 360 und 364/02, Beschwerden gegen die Zurückweisungen der Marken "40 Plus", "51 Plus", "59 Plus", "65 Plus", "70 Plus" und "80 Plus") übersandten Rechercheergebnisse hingewiesen hat.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II Die Beschwerde ist nicht begründet.
Die zur Eintragung angemeldete Bezeichnung weist nicht die für eine Marke erforderliche Unterscheidungskraft auf (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl. BGH GRUR 2001, 413, 414 - SWATCH, m.w.N.; GRUR 2001, 240, 241 - SWISS ARMY; MarkenR 2001, 407 - antiKALK). Hierbei ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen. Kann einer Wortmarke kein für die fraglichen Waren im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass ihr die Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (vgl. BGH MarkenR 2001, 408, 409 - INDIVIDUELLE m.w.N.). Den danach an die Unterscheidungskraft einer Marke zu stellenden Anforderungen wird die angemeldete Bezeichnung nicht gerecht.
Die angemeldete Marke wird vom Verkehr als Angabe einer ab einem bestimmten Mindestalter beginnenden Altersklasse, nicht aber als Hinweis auf einen bestimmten Geschäftsbetrieb verstanden. Wie aus zahlreichen, der Anmelderin mitgeteilten Internetbelegen hervorgeht, und auch schon vom 29. Senat des Bundespatentgerichts in seiner Entscheidung vom 25. Oktober 2000 (29 W (pat) 208/99) festgestellt worden ist, haben sich Kombinationen aus einer Zahl und dem angehängten Wort "plus" (oder dem Zeichen "+") inzwischen in wohl allen Lebensbereichen als Kurzbezeichnungen für solche Altersklassen eingebürgert. Insbesondere in Medienveröffentlichungen wird diese Bezeichnungsweise mit zunehmender Beliebtheit verwendet. So heißt es z.B. in dem im Internet veröffentlichten Manuskript eines am 5. und 7. Juli 1999 im Radiosender Bayern 2 gesendeten Interviews mit dem Zukunftsforscher Horst Opaschowski: "...ich unterscheide mittlerweile drei ältere Generationen: Die Fünfzig-Plus-Generation, die 65-Plus-Generation und die 80-Plus-Generation" (www.bronline.de/imperia/md/content/bayern/collegerad/religion/18/rtf.) In einem Artikel der Internetseite der Leipziger Volkszeitung vom 2. August 2002 (www.lvzonline.de) wird wie folgt über einen neuen Radiosender berichtet: "... TV 50 plus wird der Sender sicher nicht heißen. Thomas Ziesch: Der Name darf nicht polarisieren. Er soll ja auch die 30 plus- und die 40 plus-Zuschauer einladen. Außerdem gibt es ja bereits das drohende Beispiel aus Berlin, wo Mitte der 90er Jahre der Radiosender "50 plus" startete - und schon ein Jahr später... in Spreeradio umgetauft wurde". In der unter www.wdr.de/tv/service/geld/inhalt20030515/_1.phtml veröffentlichten Zusammenfassung der Fernsehsendung "Das Geschäft mit den Alten" vom 15. Mai 2003 heißt es: "Das werden in den kommenden Jahren auch Industrie und Handel erkennen, die sich mehr und mehr mit den Wünschen und Bedürfnissen von Senioren befassen. "50-" und "60plus" zeigen heute - im Gegensatz zu älteren Jahrgängen - ein sehr flexibles Kaufverhalten, heißt es bei Senioren-Marketingexperten. ... Im Gegensatz zur Generation 70plus haben sie das Konsumieren gründlich gelernt ...".
Auch im deutschsprachigen Ausland lassen sich entsprechende Bezeichnungen feststellen, was zusammen mit den o.g. inländischen Belegen für eine überregionale und nachhaltige Verbreitung dieser Form der Altersgruppenbezeichnung spricht (vgl. www.jobwinner.ch: "Die Wirtschaft und die Meinungsforscher vergeben gerne Etiketten wie "30 Plus" oder "50 Plus"; Auszug aus einer österreichischen Diplomarbeit im Fachhochschulstudiengang Marketing & Sales mit dem Titel "Zielgruppe 50plus - eine Herausforderung für Banken": "... kann es sich kaum eine Branche leisten, diese Zielgruppe der 50plus, 55plus oder 60plus noch länger außer Acht zu lassen" (http://www.fachhochschule.at/FH/da.nsf).
Über die bereits in den o.g. Beispielen enthaltenen Verwendungen hinaus hat der Senat auch die Verwendung der angemeldeten Zahl-Wort-Kombination "30 Plus" selbst noch mehrfach - in verschiedenen Schreibweisen - belegen können (vgl. z.B. www.vaybee.de/deutsch/chat/: "30-Plus Der Chatraum für Menschen über 30 ..."; www.mmba.de/newsvoll.php4€nr=153085: " Auf die Kundengruppe 30 plus entfallen inzwischen rund 58 Prozent aller Verkäufe, auf die unter 30-Jährigen dagegen nur noch 40,9 Prozent."; www.oekonet.de/kommune/debatt/A21.html: "Wenn die Generation 30 plus verlangt, dass wir sie im Alter versorgen, müssen sie jetzt die Werkzeuge finanzieren, die uns dies ermöglichen".
Die Auffassung der Anmelderin, mit diesem Alter sei kein für das wirtschaftliche Leben relevanter Lebensabschnitt verbunden, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen. Ab etwa dem 30. Lebensjahr treten Berufstätige gewöhnlich in die Phase des beginnenden beruflichen Aufstiegs und steigenden Einkommens ein, so dass sie für die Anbieter der beanspruchten Dienstleistungen zunehmend interessant werden. Dies dürfte allgemein bekannt sein und ergibt sich auch aus der Zusammenschau aller der Anmelderin übersandten Rechercheergebnisse.
Gegen den Charakter einer rein beschreibenden Altersgruppenangabe spricht auch nicht, dass solche Angaben teilweise ungenau verwendet werden, worauf die Anmelderin unter Bezugnahme auf das von der Markenstelle ermittelte Beispiel eines "Programm 59 Plus" hingewiesen hat. Bei einer Gesamtschau aller vom Senat belegten Verwendungen solcher "Zahl-Plus"-Bezeichnungen (einschließlich der zu den o.g. Parallelverfahren) ist festzustellen, dass es sich etwa bei Zielgruppenbezeichnungen um nur ungefähre Altersangaben handelt, die häufig eine maßvolle Unterschreitung der in der Angabe enthaltenen Jahreszahl erlauben. Dies ändert nichts am Charakter einer beschreibenden Bezeichnung, mit der eine nach dem (ungefähren) Alter bestimmte Personengruppe definiert wird. Denn nach der Lebenserfahrung ändert sich - abgesehen von gesetzlichen Altersbestimmungen - mit dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters nicht schlagartig die durch Gesundheit, Arbeitskraft, Interessen usw. geprägte Lebenssituation eines Menschen. Schon allein die Individualität der Menschen verhindert, dass solche Angaben vom Verkehr als mathematisch exakte Lebensaltersangaben verstanden werden. Weiter ist zu berücksichtigen, dass eine Lebensphase - bis auf die letzte - stets von einer weiteren abgelöst wird, so dass Angaben wie "30 Plus" oder "40 Plus" in einer Gesellschaft mit zunehmend älter werdender Durchschnittsbevölkerung schon aus diesem Grund zumeist nicht als nach oben offene Altersklassenbezeichnungen verstanden werden. Dies zeigt sich auch in Aufzählungen solcher Altersgruppenbezeichnungen, in denen die Nennung der nächsthöheren Altersgruppe zugleich eine Begrenzung der vorangehenden, jüngeren Gruppe darstellt (vgl. einige der o.g. Beispiele). Der angemeldeten Marke fehlt damit die Eignung zur betrieblichen Herkunftsunterscheidung, so dass sie nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen ist.
Die Beschwerde war damit zurückzuweisen.
Winkler Dr. Hock Kätker Cl
BPatG:
Beschluss v. 08.06.2004
Az: 33 W (pat) 358/02
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