Landgericht Dortmund:
Urteil vom 17. Februar 2012
Aktenzeichen: 25 O 650/11

(LG Dortmund: Urteil v. 17.02.2012, Az.: 25 O 650/11)

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, nachfolgende oder mit diesen inhaltsgleiche Bestimmungen in Verträge über Finanzdienstleistungen mit Verbrauchern einzubeziehen, sowie sich auf die Bestimmungen bei der Abwicklung derartiger Verträge, geschlossen nach dem 01.04.1977, zu berufen:

1. Nach dem Tode des Kunden kann die Sparkasse zur Klärung der rechtsgeschäftlichen Berechtigung die Vorlegung eines Erbscheins, eines Testamentsvollstreckerzeugnisses oder ähnlicher gerichtlicher Zeugnisse verlangen;

fremdsprachige Urkunden sind auf Verlangen der Sparkasse mit deutscher Übersetzung vorzulegen.

2. Die Sparkasse kann auf die Vorlegung eines Erbscheins oder eines Testamentsvollstreckerzeugnisses verzichten, wenn ihr eine Ausfertigung oder eine beglaubigte Abschrift vom Testament oder Erbvertrag des Kunden sowie die Niederschrift über die zugehörige Eröffnungsverhandlung vorgelegt wird.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger 214,00 € inkl. MwSt. nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.12.2011 zu zahlen

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,00 € vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Bei dem klagenden Verein handelt es sich um den bundesweit tätigen Dachverband aller 16 Verbraucherzentralen der Bundesländer und weiterer 25 verbraucher- und sozialorientierter Organisationen in Deutschland. Gemäß § 2 seiner Satzung verfolgt er den Zweck, die Verbraucherinteressen wahrzunehmen, den Verbraucherschutz zu fördern, die Stellung des Verbrauchers in der sozialen Marktwirtschaft zu stärken und zur Verwirklichung einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen. Im Rahmen seiner satzungsgemäßen Aufgaben verfolgt der Kläger unter anderem Verstöße gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb und macht Ansprüche auf Unterlassung gemäß §§ 1 und 2 des Unterlassungsklagegesetzes (UKlaG) geltend.

Der klagende Verein ist seit dem 16.07.2002 in die ursprünglich beim Bundesverwaltungsamt und nunmehr beim Bundesjustizamt geführte Liste qualifizierter Einrichtungen i.S.d. § 4 UKlaG eingetragen.

Bei der Beklagten handelt es sich um eine Sparkasse, d.h. um eine Anstalt des öffentlichen Rechts, welche das Bankgeschäft betreibt.

In ihren aktuellen allgemeinen Geschäftsbedingungen (vgl. Anl. K 2, Bl. 16f d.A.) verwendet die Beklagte unter Nr. 5 (1) folgende Klauseln:

"(1) Erbnachweise

Nach dem Tode des Kunden kann die Sparkasse zur Klärung der rechtsgeschäftlichen Berechtigung die Vorlegung eines Erbscheins, eines Testamentsvollstreckerzeugnisses oder ähnlicher gerichtlicher Zeugnisse verlangen; fremdsprachige Urkunden sind auf Verlangen der Sparkasse mit deutscher Übersetzung vorzulegen.

Die Sparkasse kann auf die Vorlegung eines Erbscheins oder eines Testamentsvollstreckerzeugnisses verzichten, wenn ihr eine Ausfertigung oder eine beglaubigte Abschrift vom Testament oder Erbvertrag des Kunden sowie die Niederschrift über die zugehörige Eröffnungsverhandlung vorgelegt wird."

In Folge einer Beschwerde der Verbraucherin T wurde der Kläger auf die vorgenannten Klauseln aufmerksam.

Diese Verbraucherin war ausweislich des (bislang nicht rechtskräftigen) Urteils des Amtsgerichts Schwelm vom 26.05.2011 (Az. 24 C 18/11, vgl. Anl. K 1, Bl. 11-15 d.A.) von der Beklagten auf Basis der Klauseln verpflichtet worden, einen Erbschein vorzulegen, obwohl sie zu ihrer Legitimation als (Mit-)Erbin einen notariell beurkundeten Erbvertrag sowie das Eröffnungsprotokoll des Amtsgerichts Schwelm über die Eröffnung des öffentlichen Testaments vorlegte. Den für den Erbschein aufgewandten Betrag machte sie als Schadenersatz gegen die Beklagte geltend und bekam diesem vom Amtsgericht Schwelm auch zugesprochen.

Hierbei legte das Amtsgericht Schwelm vorbehaltlich einer Prüfung der Wirksamkeit der Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Klausel "im Lichte der BGH-Rechtsprechung" zu Gunsten der Verbraucherin dahingehend aus, dass die Verpflichtung des Kunden zur Vorlage eines kostenträchtigen Erbscheins zumindest dann entfalle, wenn - wie in dem zu beurteilenden Fall - die Erbfolge klar geregelt sei und der Erbschein ausschließlich für die Zwecke der Beklagten benötigt werde.

Mit Schreiben vom 31.08.2011 (vgl. Anl. K 3, Bl. 18-21 d.A. und K 4, Bl. 22f d.A.) mahnte der Kläger die Beklagte ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung unter Fristsetzung bis zum 14.09.2011 auf.

Dies lehnte die Beklagte ab.

Für dieses Abmahnschreiben macht der Kläger aus § 12 Abs. 1 UWG einen Zahlungsanspruch i.H.v. 200,00 € zzgl. 7 % MwSt., mithin 214,00 € geltend.

Der Kläger ist der Ansicht, er habe gegen die Beklagte einen Anspruch darauf, dass diese die Verwendung der zitierten Klauseln im Rahmen von Verträgen mit Verbrauchern unterlasse, da die Klauseln wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1, 309 Nr. 7 BGB unwirksam seien.

Er kritisiert insbesondere, dass die Entscheidung, ob auf die Vorlage eines Erbscheins verzichtet werde, nach den streitgegenständlichen Klauseln im freien Ermessen der Bank liege. Aus der Klausel sei nicht erkennbar, auf Basis welcher Kriterien die Beklagte ihre Entscheidung vornehme.

Die Klausel lasse - jedenfalls bei kundenfeindlichster Auslegung - eine Interessenabwägung im Einzelfall gerade nicht zu.

Der klagende Verein beantragt mit der am 30.12.2011 zugestellten Klage,

I.

die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, nachfolgende oder mit diesen inhaltsgleiche Bestimmungen in Verträge über Finanzdienstleistungen mit Verbrauchern einzubeziehen, sowie sich auf die Bestimmungen bei der Abwicklung derartiger Verträge, geschlossen nach dem 01.04.1977, zu berufen:

1. Nach dem Tode des Kunden kann die Sparkasse zur Klärung der rechtsgeschäftlichen Berechtigung die Vorlegung eines Erbscheins, eines Testamentsvollstreckerzeugnisses oder ähnlicher gerichtlicher Zeugnisse verlangen;

fremdsprachige Urkunden sind auf Verlangen der Sparkasse mit deutscher Übersetzung vorzulegen.

2. Die Sparkasse kann auf die Vorlegung eines Erbscheins oder eines Testamentsvollstreckerzeugnisses verzichten, wenn ihr eine Ausfertigung oder eine beglaubigte Abschrift vom Testament oder Erbvertrag des Kunden sowie die Niederschrift über die zugehörige Eröffnungsverhandlung vorgelegt wird;

II.

Die Beklagte zu verurteilen, an ihn 214,00 € inkl. MwSt. nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, die streitgegenständlichen Klauseln hätten sich seit Jahrzehnten bewährt und seien anerkannt. Sie seien von der Rechtsprechung noch nie in Frage gestellt worden und auch das AG Schwelm habe die Klauseln in seiner Entscheidung vom 26.05.2011 nicht für unwirksam erachtet, sondern habe lediglich in einem konkreten Einzelfall die Ansicht vertreten, dass die Beklagte mit dem Verlangen, die Verbraucherin habe einen Erbschein vorzulegen, eine vertragliche Nebenpflicht verletzt habe und habe die Beklagte daher zum Schadenersatz verurteilt.

Die Argumentation der Klägerin verkenne den Sinn der Klausel. Diese regele, wann die Bank mit befreiender Wirkung an den wahren oder vermeintlichen Rechtsnachfolger ihres Kunden leiste könne und habe daher die Aufgabe, die Interessen zwischen dem Erben und der Bank auszugleichen. Die Klausel sehe daher vor, dass ein Erbschein verlangt werden könne, definiere aber auch die Voraussetzungen, bei deren Vorliegen hierauf verzichtet werden könne. Der Bank aufzuerlegen, darzulegen, wann sie einen Erbschein verlangen dürfe, sei nicht praktikabel.

Die Beklagte ist des Weiteren, und zwar unter Hinweis auf die Kommentierung von Bunte in Schimansky / Bunte / Lwowski, § 10 Rdn 4 a.E., der Ansicht, ein Verstoß gegen § 307 BGB scheide schon deshalb aus, da sich, wenn überhaupt, nur eine Benachteiligung des wahren Erben ergeben könne. Dessen Belange seien aber nicht maßgeblich, da dieser zum Zeitpunkt der Vereinbarung der AGB mit dem Kunden, dem späteren Erblasser, noch kein Vertragspartner der Bank sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des jeweiligen Parteivorbringens wird Bezug genommen auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Erklärungen in der mündlichen Verhandlung.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Der zuerkannte Unterlassungsanspruch folgt aus §§ 1, 3, 4 UKlaG.

Der Kläger ist als qualifizierte Einrichtung im Sinne des § 4 UKlaG klagebefugt, § 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG.

Die Beklagte hat die Verwendung der streitgegenständlichen Klauseln in Verträgen mit Verbrauchern zu unterlassen, da diese Klauseln gegen §§ 307 ff. BGB verstoßen und damit unwirksam sind und sie entsprechend aus § 1 UKlaG auf Unterlassung in Anspruch genommen werden kann.

Insbesondere besteht ein Verstoß gegen § 307 Abs. 1 BGB und § 309 Nr. 7 BGB.

Die streitgegenständlichen Klauseln benachteiligen den Verbraucher - jedenfalls bei der im vorliegenden Verfahren einer abstrakten Prüfung der Wirksamkeit der Allgemeinen Geschäftsbedingungen maßgeblichen kundenfeindlichsten Auslegung - entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist Kunde bzw. Verbraucher hierbei auch der wahre Erbe des ursprünglichen Kunden der Beklagten, so dass auch dessen Interessen zu berücksichtigen sind.

Es kommt nicht darauf an, ob dieser bereits von Beginn der Geschäftsbeziehung an und damit von der Vereinbarung der Allgemeinen Geschäftsbedingung an Vertragspartner der Beklagten war, da der wahre Erbe jedenfalls aufgrund der im deutschen Erbrecht geltenden Universalsukzession mit dem Erbfall Vertragspartner der Beklagten geworden ist und in den Vertrag mit den gleichen Rechten und Pflichten eingetreten ist, wie sie zuvor dem Erblasser zustanden, d.h. er muss vom Erbfall an (auch) die Allgemeinen Geschäftsbedingungen gegen sich gelten lassen und zwar wie zuvor der Erblasser. Entsprechend hält die Beklagte ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen schließlich auch demjenigen entgegen, der sich als Erbe bei ihr meldet.

Hinzu kommt, dass die streitgegenständlichen Klauseln gerade für die Abwicklung eines Erbfalls und damit dazu gedacht sind, das Verhältnis des Erben zu der Bank zu regeln, während der ursprüngliche Kunde während seiner Lebzeiten in der Regel mit den Klauseln nicht konfrontiert werden dürfte.

Die unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers entgegen den Geboten von Treu und Glauben liegt hier darin, dass es nach dem Wortlaut der Klauseln in freiem Ermessen der Beklagten liegt, ob sie auf die generelle Verpflichtung des Erben, einen Erbschein, ein Testamentsvollstreckerzeugnis oder ähnliche gerichtliche Zeugnisse vorzulegen, verzichtet, und zwar auch dann, wenn eine Ausfertigung oder eine beglaubigte Abschrift vom Testament oder Erbvertrag des Kunden sowie der Niederschrift über die zugehörige Eröffnungsverhandlung vorgelegt wird.

Zwar kann eine Bank ohne jeden Zweifel einen geeigneten Nachweis darüber verlangen, dass derjenige, der sich ihr gegenüber als Erbe eines ihrer Kunden ausgibt, auch tatsächlich Erbe ist. Die Beweislast für diese Behauptung liegt beim Erben. Dies folgt bereits aus dem Gesetz.

Die Wahl, wie und in welcher Form der Erbe diesen von ihm zu führenden Beweis erbringt, liegt aber bei ihm. Er hat die Wahl der Beweismittel, er muss lediglich ein geeignetes Beweismittel wählen. Entsprechend hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 07.06.2005 (Az. XI ZR 311/04) entschieden, dass der Erbe nicht verpflichtet ist, sein Erbrecht durch einen Erbschein nachzuweisen, sondern dass er auch die Möglichkeit hat, den Nachweis seines Erbrechts in anderer Form zu erbringen. Aus Anlass des konkret zu entscheidenden Falls hat der Bundesgerichtshof hierzu erklärt, dass ein eröffnetes öffentliches Testament (zum Beispiel) in der Regel einen ausreichenden Nachweis darstellt.

Für die Frage, ob das Beweismittel geeignet ist, bedarf es entsprechend jeweils einer Interessenabwägung im Einzelfall und gerade eine solche lassen die streitgegenständlichen Klauseln bei kundenfeindlichster Auslegung nicht zu.

Hiernach kann die Beklagte auch dann weiterhin auf der Vorlage eines Erbscheins bestehen, wenn bereits eine Ausfertigung oder eine beglaubigte Abschrift vom Testament oder Erbvertrag sowie die Niederschrift über die Eröffnungsverhandlung vorgelegt sind, ohne dass sie dies gegenüber dem Erben auch nur näher begründen muss, da sie durch das Wort "kann" in der streitgegenständlichen Klausel zu 2.) deutlich gemacht hat, dass die Entscheidung in ihrem freien Belieben steht.

Aus der Klausel ergeben sich keine Voraussetzungen, bei welchen Fallgestaltungen konkret die Beklagte berechtigt sein soll, trotz der Vorlage anderer Nachweise weiterhin einen Erbschein verlangen zu können. Kriterien der von der Beklagten zu treffenden Entscheidung lassen sich der Klausel nicht entnehmen.

Hinzu kommt, dass die Klausel bei kundenfeindlichster Auslegung dazu führt, dass der Erbe sich durch die Klausel gehindert sieht, Schadenersatzansprüche geltend zu machen, selbst wenn die Beklagte ihre Entscheidung, ob (weiterhin) ein Erbschein verlangt wird, in grob fahrlässiger Weise fehlerhaft getroffen haben sollte.

Dadurch dass sich die Klausel aus Sicht des Verbrauchers so liest, als wäre die Beklagte in ihrer Entscheidung, ob sie auf die Vorlage eines Erbscheins verzichtet, völlig frei, muss er davon ausgehen, dass eine Entscheidung gegen einen solchen Verzicht niemals einen Pflichtverstoß darstellen kann. Hierdurch wird der Verbraucher von der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen abgehalten, so dass auch ein Verstoß gegen § 309 Nr. 7 BGB vorliegt.

Der zuerkannte Zahlungsanspruch folgt aus § 5 UKlaG i.V.m. § 12 Abs. 1 S. 2 UWG.

Der Anspruch auf Ersatz der Rechtshängigkeitszinsen steht dem Kläger aus §§ 288, 291 BGB zu.

Die Entscheidungen zur Kostentragung und vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 91, 709 ZPO.






LG Dortmund:
Urteil v. 17.02.2012
Az: 25 O 650/11


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