Bundesgerichtshof:
Urteil vom 31. März 2015
Aktenzeichen: X ZR 44/12

(BGH: Urteil v. 31.03.2015, Az.: X ZR 44/12)

Tenor

Die Berufung gegen das am 3. November 2011 verkündete Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass in Patentanspruch 1 in der Fassung des angefochtenen Urteils zwischen den Wörtern "the transmitter (1)" und "having" eingefügt wird: "being capable of converting wideband digital signals of different formats and".

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Beklagten sind Inhaber des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 402 973 (Streitpatents), das am 29. Mai 1990 unter Inanspruchnahme der Priorität von zwei niederländischen Anmeldungen vom 2. Juni 1989 und 13. Februar 1990 angemeldet wurde und ein digitales Übertragungssystem betrifft. Patentanspruch 1, auf den sich die nachfolgenden sechzehn Patentansprüche zurückbeziehen, lautet in der erteilten Fassung in der Verfahrenssprache:

A digital transmission system comprising a transmitter (1) and a receiver (5), for transmitting a wideband digital signal of a specific sample frequency FS, for example a digital audio signal, via a transmission medium (4), and for receiving said signal, the transmitter (1) having an input terminal (2) for receiving the wideband digital signal, which input terminal is coupled to an input of a signal source (3, 9, 6) which forms part of the transmitter (1) and which is constructed to generate a second digital signal and supply said signal to an output (7), which second digital signal comprises consecutive frames, each frame comprising a plurality of information packets (IP), each information packet comprising N bits, N being Iarger than 1, the receiver (5) comprising a decoder having an input (10) for receiving the second digital signal, which decoder has an output coupled to an output terminal (8) to supply the wideband digital signal, characterized in that if P in the formula is an integer, where BR is the bit rate of the second digital signal, and ns is the number of samples of the wideband digital signal whose corresponding information, which belongs to the second digital signal, is included in one frame of the second digital signal, the number B of information packets (IP) in one frame is P, and in that, if P is not an integer, the number of information packets (IP) in a number of the frames is P', P' being the next Iower integer following P, and the number of information packets (IP) in the other frames is equal to P'+1 so as to exactly comply with the requirement that the average frame rate of the second digital signal should be substantially equal to FS/nS and that a frame should comprise at least a first frame portion (FD1) including synchronising information.

Patentanspruch 21, auf den sich ein weiterer Patentanspruch zurückbezieht, betrifft den Empfänger eines Übertragungssystems nach einem der Patentansprüche 1 bis 16.

Die Klägerin, die wegen Verletzung des Streitpatents in Anspruch genommen wird, hat geltend gemacht, der Gegenstand der Patentansprüche 1 bis 17 sowie 21 und 22 sei nicht patentfähig. Die Beklagten haben das Streitpatent in einer Fassung verteidigt, bei der in Patentanspruch 1 der Ausdruck "digital signal" jeweils ersetzt ist durch "digital audio signal", und sich die übrigen angegriffenen Patentansprüche auf diese Fassung zurückbeziehen.

Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt, soweit dessen Gegenstand über die verteidigte Fassung hinausgeht, und die weitergehende Klage abgewiesen. Dagegen wendet sich die Berufung der Klägerin, die weiterhin die Nichtigerklärung des Streitpatents im ursprünglich begehrten Umfang anstrebt. Die Beklagten treten dem Rechtsmittel mit der Maßgabe entgegen, dass in Patentanspruch 1 in der Fassung des angefochtenen Urteils zwischen den Wörtern "the transmitter (1)" und "having" eingefügt werden soll: "being capable of converting wideband digital signals of different formats and".

Gründe

Die zulässige Berufung führt nur insoweit zu einer Abänderung des angefochtenen Urteils, als die Beklagten das Streitpatent im Berufungsverfahren in abermals geänderter Fassung verteidigen. Das weitergehende Rechtsmittel ist unbegründet.

I. Das Streitpatent betrifft in der verteidigten Fassung ein digitales System zur Übertragung eines Audiosignals.

1. In der Streitpatentschrift wird ausgeführt, im Stand der Technik seien Einrichtungen bekannt gewesen, um ein digitales Breitbandsignal in eine Vielzahl von Subbändern zu unterteilen und so zu codieren, dass für ein Musiksignal, das entsprechend dem Compact-Disc-Standard mit einer Frequenz von 44,1 Kilohertz und Abtastwerten von 16 Bit abgetastet worden ist, im Durchschnitt nur 2,5 Bit pro Abtastwert benötigt werden.

Das Streitpatent betrifft vor diesem Hintergrund das technische Problem, ein Übertragungssystem und insbesondere ein besonders ausgewähltes Format zur Verfügung zu stellen, mit dem das digitale Signal nach der Konvertierung auf flexible und vielfältig einsetzbare Art übertragen werden kann.

2. Zur Lösung dieses Problems schlägt Patentanspruch 1 in der verteidigten Fassung ein digitales Übertragungssystem vor, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:

a) Das digitale Übertragungssystem umfasst einen Sender (1) und einen Empfänger (2) und b) dient zum Versenden und Empfangen eines digitalen Audio-Breitbandsignals mit einer spezifischen Abtastfrequenz FS über ein Übertragungsmedium.

c) Der Sender ist zur Konvertierung von Breitbandsignalen verschiedener Formate geeignet und hat einen Eingang (2) zur Entgegennahme des digitalen Audio-Breitbandsignals.

d) Der Eingang (2) ist mit einem Eingang einer ebenfalls zum Sender gehörenden Signalquelle (3, 9, 6) verbunden.

e) Die Signalquelle (3, 9, 6) dient der Erzeugung eines zweiten digitalen Signals und der Weitergabe dieses Signals an einen Ausgang (7).

f) Das zweite digitale Signal (7) umfasst aufeinanderfolgende Rahmen (frames).

g) Jeder Rahmen umfasst mehrere Informationspakete (IP).

h) Jedes Informationspaket umfasst N Bit, wobei N größer ist als 1.

i) Der Empfänger (5) umfasst einen Decoder mit einem Eingang (10) zum Empfang des zweiten digitalen Signals j) und einem Ausgang (8), um das digitale Audio-Breitbandsignal abzugeben.

k) Die Anzahl B der Informationspakete in einem Rahmen wird ausgehend von der nachfolgenden Formel bestimmt: . Hierbei ist BR die Bitrate des codierten Signals und nS die Anzahl von Abtastwerten des digitalen Audio-Breitbandsignals, dessen korrespondierende Information, die zu dem zweiten digitalen Signal gehört, in einem Rahmen des zweiten digitalen Signals enthalten ist.

l) Wenn P eine ganze Zahl ist, ist B gleich P.

m) Wenn P keine ganze Zahl ist, ist B in einigen Rahmen gleich P', wobei P' die nächst kleinere ganze Zahl ausgehend von P ist.

n) In diesem Fall ist die Anzahl der Informationspakete in den anderen Rahmen gleich P'+1, damit die durchschnittliche Rahmenrate des codierten Signals im Wesentlichen gleich dem Quotienten FS/nS ist.

o) Ein Rahmen umfasst mindestens einen ersten Teil mit Synchronisierungsinformationen.

3. Im Zentrum der geschützten Lehre steht das Format der codierten Audiodaten. Dieses besteht aus aufeinanderfolgenden Rahmen, die Informationspakete aus je N Bits enthalten. Die Anzahl von Informationspaketen pro Rahmen ergibt sich aus den in den Merkmalen k bis n definierten Regeln.

Hierzu wird zunächst ein Wert P ermittelt, und zwar nach der in Merkmal k definierten Formel .

Maßgeblich für P ist zum einen der Quotient aus der Bitrate des codierten Signals (BR), also der Anzahl an Bits, die innerhalb einer bestimmten Zeiteinheit zur Übertragung eingesetzt werden, und der Anzahl an Bits pro Informationspaket (N). Bei einem in der Streitpatentschrift (Abs. 21) geschilderten und vom Patentgericht näher behandelten Beispiel betragen die Bitrate BR = 128.000 bit pro Sekunde und die Anzahl der Bits pro Informationspaket N = 32. Daraus ergibt sich, dass auf ein Audiosignal mit einer Länge von einer Sekunde insgesamt (128.000 / 32 =) 4.000 Informationspakete entfallen.

Maßgeblich für P ist des Weiteren der Quotient aus der Anzahl der Abtastwerte, die mit den in einem Rahmen enthaltenen Daten dargestellt werden , und der Abtastfrequenz , also der Häufigkeit, mit der das ursprüngliche Audiosignal pro Sekunde in Digitalwerte umgewandelt wurde. In dem erwähnten Beispiel betragen die Anzahl der dargestellten Abtastwerte pro Rahmen = 384 und die Abtastrate = 44,1 Kilohertz, also 44.100 Abtastungen pro Sekunde. Hieraus ergibt sich, dass jeder Rahmen die Daten eines Audiosignals mit einer Dauer von rund (384 / 44.100 €) 0,0087075 Sekunden enthält.

P ist nach der Formel in Merkmal k das Produkt aus diesen beiden Teilwerten. In dem geschilderten Beispiel besagt der Wert, dass ein Rahmen, der ein Signal mit einer Länge von rund 0,0087075 Sekunden darstellt, bei einer Rate von 4.000 Informationspaketen pro Sekunde durchschnittlich rund (4.000 x 0,0087075 €) 34,83 Informationspakete enthält.

Mit den Merkmalen m und n wird gewährleistet, dass jeder Rahmen auch dann eine ganzzahlige Anzahl von Informationspaketen enthält, wenn der Durchschnittswert P nicht ganzzahlig ist. In diesem Fall wird die Anzahl der Informationspakete bei einigen Rahmen auf die nächstniedrige ganze Zahl abgerundet und bei den übrigen Rahmen auf die nächsthöhere ganze Zahl aufgerundet. In dem erwähnten Beispiel enthalten einige Rahmen mithin 34 Datenpakete und andere Rahmen 35 Datenpakete. Die Verteilung ist gemäß Merkmal n so vorzunehmen, dass der Durchschnittswert möglichst genau dem Wert P entspricht. In dem Ausführungsbeispiel kann dies dadurch erreicht werden, dass 83% der Rahmen (also zum Beispiel 830 von 1.000 Rahmen) 35 Informationspakete enthalten und die übrigen 17% der Rahmen (also zum Beispiel 170 von 1.000 Rahmen) 34 Informationspakete. Für 1.000 Rahmen ergibt sich daraus eine Gesamtzahl von 34.830 Informationspaketen, was der rechnerischen Vorgabe von 34,83 Informationspaketen pro Rahmen entspricht.

II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der Gegenstand des Streitpatents sei patentfähig. In der internationalen Anmeldung WO 89/03157 (K5) sei ein digitales Videosystem offenbart, bei dem zahlreiche Merkmale von Patentanspruch 1 verwirklicht seien. Abweichend von Merkmal b sei das digitale Breitbandsignal aber aus Audio-, Video- und Hilfssignalen zusammengesetzt. Außerdem seien die Merkmale k bis m nicht offenbart. Die Daten seien zwar in Rahmen angeordnet, deren Länge entweder 5.124 oder 5.128 Byte betrage, und enthielten einen Bereich für Audiodaten mit einer Länge von 130 oder 134 Byte. Es fehle aber an einem Entscheidungsprozess zwischen ganzzahligen und nicht ganzzahligen Werten, weil aufgrund der in K5 fest vorgegebenen Größen für Bitrate, Rahmengeschwindigkeit und Anzahl der Bits pro Informationspaket stets ein nicht ganzzahliger Wert anfalle. Die in den Merkmalen k und l vorgesehene Entscheidung sei wesentlich für die Lehre von Patentanspruch 1 des Streitpatents und ergebe erst die Flexibilität des patentgemäßen Übertragungssystems. Ferner sei in K5 Merkmal k nicht erfüllt, weil die Abtastfrequenz des Breitbandsignals nicht spezifiziert sei.

Für den Fachmann habe es nicht nahegelegen, die Lehre von K5 auf die Übermittlung von Audiodaten zu übertragen. In K5 sei die Rahmendauer vorgegeben durch die Zeit, für die ein Bild dargestellt werde. Sie werde mithin allein durch die Bildwiederholfrequenz des Bildschirms bestimmt. Dies erfordere die Umwandlung der Daten in eine Rahmenstruktur. K5 lehre somit, dass ein Rahmenformat nur bei der Übermittlung von Videodaten notwendig sei. Entgegen der Auffassung der Klägerin könne der in K5 angegebene Wert T nicht mit dem in Merkmal k angegebenen Quotienten nS/FS gleichgesetzt werden. Der Wert T gebe in K5 lediglich die Periode der Video-Rahmenrate in Millisekunden an und sei fest vorgegeben. Der Wert nS/FS beschreibe dagegen den variablen Zusammenhang zwischen der Anzahl der Abtastungen pro Rahmen des zweiten digitalen Signals und der Abtastrate des Audiosignals. Diese sei in K5 völlig unbestimmt.

III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren im Ergebnis stand.

1. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der verteidigten Fassung ist patentfähig.

a) Zu Recht ist das Patentgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass weder in der internationalen Patentanmeldung WO 89/03157 (K5) noch in sonstigen Entgegenhaltungen ein Übertragungssystem offenbart ist, das alle Merkmale dieses Patentanspruchs aufweist.

aa) In der internationalen Patentanmeldung WO 89/03157 (K5) sind jedenfalls die Merkmale k bis o nicht offenbart.

(1) In K5 ist ein System zur Übertragung digitaler Videodaten offenbart. Hierbei wird ein Ausführungsbeispiel geschildert, bei dem die Bilddaten und die Audiodaten getrennt codiert und die codierten Daten in Rahmen zusammengefasst werden. Die Audiodaten werden nach der Analog-Digital-Umwandlung komprimiert, um Informationen zur Fehlerbehebung ergänzt und blockweise in den Rahmen angeordnet, um eine Synchronisation mit den Bilddaten zu erreichen (K5 S. 8 Z. 19 bis 26). Der Aufbau eines Rahmens ist beispielhaft in Figur 8 dargestellt. Er umfasst die Bilddaten, die erforderlich sind, um ein Bild darzustellen, und die Audiodaten, die ausgegeben werden müssen, während dieses Bild angezeigt wird. Die Rahmengröße wird durch die gelieferte Datenrate und die Wiedergaberate bestimmt. Als typische Werte werden eine Eingangsrate von 1,2288 Megabit pro Sekunde und eine Wiedergaberate von 30 Rahmen pro Sekunde bzw. eine Wiedergabedauer von 33,3666 Millisekunden pro Bild angegeben. Hieraus wird eine durchschnittliche Rahmengröße von ((1.228.800 * 0,0333666) / 8 =) 5.125,12 Bytes errechnet (K5 S. 60 Z. 5 bis 12).

Zur Berechnung der für Audiodaten benötigten Datenmenge innerhalb eines Rahmens wird folgende Formel angegeben (K5 S. 61 Z. 1):

B = S * (D+1)/D * T.

Hierbei ist B die benötigte Datenmenge, S die Audiodatenrate, D die Anzahl der Abtastwerte zwischen zwei Resets des Codierers und T die Wiedergabedauer für ein Bild. Als typische Beispielswerte werden für die Audiodatenrate (S) 31,25 Kilobit pro Sekunde (K5 S. 60 Z. 29 bis 30) und für die Anzahl der Abtastwerte (D) 256 (K5 S. 61 Z. 7) angegeben. Ausgehend von diesen Werten ergibt sich aus der aufgezeigten Formel, dass jeder Rahmen rechnerisch ((31.250 * (257/256) * 0,03336) / 8 =) 130,847 Bytes an Audiodaten enthalten muss. Um diesen Wert zu erreichen, werden jedem Rahmen entweder 130 oder 134 Bytes zugeordnet. Die Auswahl zwischen diesen beiden Werten erfolgt in Abhängigkeit davon, ob die durchschnittliche Anzahl der bisher übertragenen Bytes pro Rahmen oberhalb oder unterhalb des vorgegebenen Werts von 130,847 liegt (K5 S. 61 Z. 2 bis 17).

Die Größe der Rahmen beträgt in dem Ausführungsbeispiel abwechselnd 5.124 und 5.128 Bytes. Die Auswahl zwischen diesen beiden Werten wird so vorgenommen, dass sich im Durchschnitt der vorgegebene Wert von 5.125,12 ergibt. Sofern für die Audio- und Videodaten aufgrund der Kompression weniger Daten benötigt werden, werden verbleibende Freiräume mit Nullwerten (filler) aufgefüllt (K5 S. 62 Z. 27 bis 36).

(2) Damit fehlt es an einer Offenbarung des Merkmals o.

Aus der Darstellung in Figur 8 ist zwar zu entnehmen, dass der in K5 offenbarte Rahmen auch Header-Daten enthält. Als Beispiel für Header-Daten werden aber nur die Anordnung der einzelnen Datenbestandteile innerhalb des Bitstroms (K5 S. 65 Z. 27 bis 31) sowie Rahmenraten, Rahmengrößen und Datenzeiger (K5 S. 66 Z. 29 bis 32) angeführt, nicht aber Synchronisationsinformationen. Angesichts dessen kann K5 auch nicht entnommen werden, dass die dort beschriebene Decodiereinrichtung zur Verarbeitung von Synchronisationsinformationen geeignet ist.

Aus den in K5 enthaltenen Ausführungen zum Stand der Technik ergibt sich keine abweichende Beurteilung. Dort wird zwar dargelegt, in bekannten Systemen werde ein Header mit Synchronisationsinformationen eingesetzt (K5 S. 1 Z. 19). Daraus kann aber nicht unmittelbar und eindeutig entnommen werden, dass dies auch bei dem in K5 offenbarten System geschieht.

(3) Jedenfalls nicht vollständig offenbart sind ferner die Merkmale k bis n.

Allerdings wird in K5 die Länge eines Rahmens anhand der Bitrate und der Dauer des repräsentierten Signals bestimmt, wie dies auch in Merkmal k vorgesehen ist. Ferner werden für die Rahmenlänge und für den Umfang der darin enthaltenen Audiodaten abwechselnd zwei ganzzahlige Werte verwendet, deren Aufeinanderfolge so festgelegt wird, dass sich ein angestrebter Durchschnittswert ergibt.

Nicht offenbart ist aber, dass die Differenz zwischen den beiden ganzzahligen Werten genau ein Informationspaket beträgt. Die Differenz zwischen den beiden eingesetzten Rahmenlängen beträgt in K5 vier Byte. Dieser Wert kann für die Audiodaten nicht als kleinstmögliche Informationseinheit angesehen werden, weil der dafür vorgesehene Teilbereich mit 130 Byte bzw. 134 Byte eine Länge aufweist, die sich nicht als ganzzahliges Vielfaches dieser Grundeinheit darstellen lässt.

bb) Ebenfalls zutreffend - und insoweit von der Berufung unbeanstandet - ist das Patentgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die übrigen in erster Instanz vorgelegten Entgegenhaltungen keinen weitergehenden Offenbarungsgehalt aufweisen.

b) Zu Recht ist das Patentgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der verteidigten Fassung nicht durch den Stand der Technik nahegelegt ist.

aa) Zutreffend hat das Patentgericht entschieden, dass es dem Fachmann durch die in K5 enthaltenen Ausführungen zur Anordnung der Audiodaten nicht nahegelegt war, die dort offenbarte Anordnung unabhängig von der Art der Audiocodierung einzusetzen.

(1) Entgegen der Auffassung des Patentgerichts hatte der Fachmann allerdings Veranlassung, jeden Rahmen mit derselben Anzahl von Informationspaketen zu versehen, wenn sich aus der in K5 angegeben Formel ein ganzzahliger Wert ergibt.

In K5 wird dieser Fall zwar nicht explizit behandelt. Aus dem Zusammenhang ist jedoch zu entnehmen, dass der abwechselnde Einsatz von Rahmen bzw. Audiodatenbereichen mit zwei unterschiedlichen Längen dazu eingesetzt wird, um jedem Rahmen auch dann eine ganzzahlige Anzahl von Bytes zuordnen zu können, wenn der errechnete Durchschnittswert für die Anzahl der Bytes pro Rahmen nicht ganzzahlig ist. Hieraus ergab sich für den Fachmann, wie auch der gerichtliche Sachverständige aufgezeigt hat, dass es dieses Zwischenschritts nicht bedarf, wenn bereits der zu erreichende Durchschnittswert ganzzahlig ist.

(2) Entgegen der Auffassung des Patentgerichts entspricht ferner die in K5 angegebene Formel zur Berechnung der Größe des Audiodatenbereich der Formel in Merkmal k des Streitpatents.

Zwar werden in K5 weder die Anzahl der Abtastungen (nS) noch die Abtastfrequenz (FS) erwähnt, sondern nur die auf einen Rahmen entfallende Wiedergabedauer T. Dieser Wert entspricht aber, wie der gerichtliche Sachverständige aufgezeigt hat, dem Quotienten , der auch nach der Formel in Merkmal k maßgebend ist.

Der von den Beklagten hervorgehobene Umstand, dass die Formel nach Merkmal k den Einsatz unterschiedlicher Werte von nS und FS ermöglicht, führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Auch die Ausführungen in K5 beruhen nicht auf der Annahme, dass diese beiden Parameter stets denselben festen Wert haben. Im Zusammenhang mit Audiodaten werden vielmehr unterschiedliche Abtastfrequenzen erwähnt. Als üblicher Wert wird eine Frequenz von 31,25 Kilohertz genannt. Im gleichen Zusammenhang wird ausgeführt, diese Rate könne für normale Qualität auf die Hälfte und für Sprachqualität auf ein Viertel reduziert werden (K5 S. 8 Z. 33 bis 37). Als entscheidender Gesichtspunkt ist K5 jedoch zu entnehmen, dass es für die benötigte Anzahl von Informationseinheiten gerade nicht auf die Einzelwerte von nS und FS ankommt, sondern auf den Quotienten beider Werte. Genau dies ergibt sich auch aus der Formel in Merkmal k.

(3) Die Übernahme der in K5 für Audiodaten offenbarten Vorgehensweise war dem Fachmann dennoch nicht nahegelegt, weil sie in K5 nur für eine bestimmte Art der Codierung aufgezeigt wird.

In dem in K5 beschriebenen Ausführungsbeispiel werden die Audiodaten durch adaptive differentielle Pulscodemodulation (ADPCM) komprimiert. Bei diesem Verfahren wird jeder Abtastwert separat codiert. Dadurch entsteht zwar schon eine Strukturierung, die die Anordnung der Daten in Rahmen nahelegt. Bei der Einteilung dieser Rahmen besteht aber ein vergleichsweise hoher Grad an Gestaltungsfreiheit, weil jeder Abtastwert auch nach der Codierung durch eine einzelne Codefolge repräsentiert wird. Dies eröffnet die Möglichkeit, den zusätzlichen Raum, der in den längeren Frames zur Verfügung steht, ebenfalls zur Übertragung von Audiodaten zu nutzen. Dementsprechend wird in der Beschreibung von K5 ausgeführt, der Audiodatenbereich werde nach einer bestimmten Regel abwechselnd mit 130 oder 134 Byte an Audiodaten befüllt (K5 S. 61 Z. 10 bis 18).

Das Streitpatent geht hingegen davon aus, dass die Abtastwerte blockweise codiert werden. In diesem Fall können die codierten Daten nicht mehr einzelnen Abtastwerten, sondern nur einem Block mit einer bestimmten, gleichbleibenden Zahl von Abtastwerten zugeordnet werden. Die Aufteilung eines solchen Blocks auf mehrere Rahmen ist zwar theoretisch möglich, aber wenig zweckmäßig. Vor diesem Hintergrund hatte der Fachmann keine Veranlassung, die in K5 nur für die ADPCM-Codierung beschriebene Vorgehensweise zu übernehmen, die eine vergleichbare Orientierung an einzelnen Blöcken bei den Audiodaten nicht erfordert.

bb) Im Ergebnis zu Recht hat das Patentgericht entschieden, dass sich für den Fachmann eine entsprechende Veranlassung auch nicht aus den in K5 enthaltenen Ausführungen zur Codierung der Bilddaten ergab.

(1) Entgegen der Auffassung des Patentgerichts ergab sich allerdings weder aus K5 noch aus dem sonstigen Stand der Technik, dass ein Rahmenformat nur dann erforderlich ist, wenn Videodaten übermittelt werden.

Wie der gerichtliche Sachverständige ausgeführt hat, war die Anordnung von strukturierten Daten in Rahmen im Stand der Technik bekannt und generell gebräuchlich. Eine Strukturierung in diesem Sinne weisen nicht nur die in K5 beschriebenen codierten Bilddaten auf, sondern auch codierte Audiodaten, und zwar sowohl bei einer Codierung nach dem ADPCM-Verfahren als auch bei einer Blockcodierung. Dies gab Veranlassung, die in K5 für ein gemischtes Ausgangssignal offenbarte Lösung auch für reine Audiosignale in Betracht zu ziehen.

(2) Im Ergebnis zu Recht hat das Patentgericht aber angenommen, dass dem Fachmann eine Übernahme der in K5 für Videodaten offenbarten Lösung für die Übertragung von Audiodaten nicht nahegelegt war, weil die Einteilung der Rahmen in K5 durch die Bildwiederholrate bestimmt wird.

Wie der gerichtliche Sachverständige erläutert hat, ist es bei der Übertragung von Videodaten zwar nicht zwingend, aber zweckmäßig, für jedes Einzelbild einen eigenen Rahmen vorzusehen. Die Länge eines Rahmens wird damit durch die Zeitdauer bestimmt, während der das betreffende Bild angezeigt wird. Diese Dauer entspricht dem Kehrwert der Bildwiederholfrequenz. Sie ist auch für die Zuordnung der Audiodaten maßgeblich, weil ein Bild und der dazu gehörende Ton zur gleichen Zeit wiedergegeben werden müssen.

Bei der Übertragung von reinen Audiodaten ist die Zuordnung der Rahmen zu einer bestimmten, durch andere Rahmenbedingungen vorgegebenen Zeitdauer nicht erforderlich. Bei blockcodierten Daten gibt es zwar im Ergebnis ebenfalls eine feste zeitliche Vorgabe, weil jeder Block eine bestimmte, gleichbleibende Anzahl von Abtastwerten und damit ein Audiosignal von bestimmter, gleichbleibender Dauer repräsentiert. Hinweise auf diese Parallele ergaben sich aus K5 indes nicht. Der Fachmann hatte deshalb keine hinreichende Veranlassung, die in K5 offenbarte Formel heranzuziehen und dahin abzuwandeln, dass der Parameter T nicht durch die Bildwiederholfrequenz bestimmt wird, sondern durch die Länge eines Blocks von codierten Audiodaten.

c) Aus den weiteren Entgegenhaltungen ergeben sich, wie das Patentgericht im Einzelnen von der Berufung unangegriffen dargelegt hat, keine weitergehenden Anregungen.

d) Die im Berufungsverfahren vorgelegten zusätzlichen Entgegenhaltungen führen nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

aa) In der japanischen Offenlegungsschrift Sho 64-71345 (K9) sind jedenfalls die Merkmale l bis n nicht offenbart.

In K9 wird eine Übertragungsvorrichtung für Video- und Audiosignale beschrieben. Hierbei wird ausgeführt, die Übertragungsgeschwindigkeit sei häufig durch externe Parameter vorgegeben. Bei im Stand der Technik bekannten Vorrichtungen müsse die Abtastfrequenz des Audiosignals an diese Vorgabe angepasst werden, was jeweils den Einsatz speziell darauf zugeschnittener Produkte erfordere. Zur Lösung dieses Problems wird ein System vorgeschlagen, bei dem nicht die Abtastfrequenz des Audiosignals, sondern die Länge der Rahmen mit den Audiodaten an die Übertragungsgeschwindigkeit angepasst wird.

Daraus ergeben sich keine weitergehenden Anregungen als aus K5.

bb) In dem nach dem Prioritätstag veröffentlichten Aufsatz von Musmann (Genesis of the MP3 Audio Coding Standard, IEEE Transactions on Cusumer Electronics, 2006, 1043-1049, K10) wird ausgeführt, im Dezember 1988 sei bei einem Treffen der Moving Picture Expert Group (MPEG) ein Aufruf zum Einreichen von Vorschlägen für einen einheitlichen Standard zur Codierung von Audiodaten für CD-ROM, DAT und andere Anwendungen erstellt worden. Hierbei sei unter anderem die Anforderung formuliert worden, dass mehrere unterschiedliche Abtastfrequenzen und Bitraten unterstützt werden müssen.

Auch daraus kann im Hinblick auf die Lehre des Streitpatents kein weitergehender Offenbarungsgehalt entnommen werden als aus K5. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Gegenstand des Streitpatents dem Fachmann allein aufgrund der in K10 genannten Vorgaben und seines allgemeinen Fachwissens nahegelegt war.

2. Der Gegenstand von Patentanspruch 21 ist, wie das Patentgericht zutreffend entschieden hat, aus denselben Gründen patentfähig wie der Gegenstand von Patentanspruch 1.

Im Ansatz zutreffend macht die Klägerin allerdings geltend, dass ein Empfänger, der zum Einsatz in dem nach Patentanspruch 1 geschützten System geeignet ist, nicht den in den Merkmalen k bis n beschriebenen Algorithmus zur Bestimmung der Anzahl der Informationspakete pro Rahmen heranziehen muss. Es genügt vielmehr, wenn er in der Lage ist, die Länge jedes Rahmens zu erkennen, etwa anhand der in der Beschreibung des Streitpatents geschilderten und in Patentanspruch 2 beanspruchten Informationen im ersten Teil jedes Rahmens.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist ein Empfänger mit dieser Fähigkeit jedoch auch in K5 nicht offenbart. Dort ist zwar eine Vorrichtung zum Empfang von kombinierten Video- und Audiodaten beschrieben, die aus den Header-Daten Informationen zu einzelnen Parametern des Ausgangssignals auslesen kann. Daraus ergibt sich aber nicht, dass diese Vorrichtung dafür geeignet ist, Audiodaten, die in der in Patentanspruch 1 beschriebenen Weise codiert und übermittelt wurden, korrekt zu interpretieren.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG sowie § 97 Abs. 1 und § 92 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Meier-Beck Gröning Grabinski Bacher Kober-Dehm Vorinstanz:

Bundespatentgericht, Entscheidung vom 03.11.2011 - 2 Ni 12/09 (EU) -






BGH:
Urteil v. 31.03.2015
Az: X ZR 44/12


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/b4649157725b/BGH_Urteil_vom_31-Maerz-2015_Az_X-ZR-44-12




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share