Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. Januar 2008
Aktenzeichen: 21 W (pat) 9/05
(BPatG: Beschluss v. 10.01.2008, Az.: 21 W (pat) 9/05)
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H 01 B des Patentamts vom 9. Dezember 2004 aufgehoben und das Patent erteilt.
Bezeichnung: Leiter für flüssigkeitsgekühlte Wicklungen Anmeldetag: 25. September 2003 Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:
Patentansprüche 1-9, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 10. Januar 2008 Beschreibung Seite 1-7, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 10. Januar 2008 1 Blatt Zeichnung Figur 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 10. Januar 2008.
Gründe
I.
Die Prüfungsstelle für Klasse H 01 B des Deutschen Patent- und Markenamts hat die am 25. September 2003 mit der Bezeichnung "Leiter für flüssigkeitsgekühlte Wicklungen" eingereichte Patentanmeldung durch Beschluss vom 9. Dezember 2004 zurückgewiesen.
Zur Begründung ist in der Entscheidung ausgeführt, dass der im Patentanspruch 1 beanspruchte Leiter angesichts des aus der Entgegenhaltung E1 DE-AS 1 287 684 bekannten Standes der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Zum Stand der Technik sind im Prüfungsverfahren ferner noch die beiden Entgegenhaltungen E2 EP 0 746 861 B1 und E3 DE 299 14 596 U1 in Betracht gezogen worden, wobei die E3 prioritätsbegründend für die in der Beschreibung erläuterte EP 1 079 500 A1 ist.
Gegen den vorgenannten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.
Sie verfolgt ihr Schutzbegehren mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüchen 1 bis 9 weiter und vertritt die Auffassung, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gegenüber dem nachgewiesenen Stand der Technik patentfähig sei.
Die Anmelderin stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung eingereichten Patentansprüche 1 bis 9 und Beschreibungsseiten 1 bis 7 sowie der Zeichnung Figur 1 zu erteilen.
Der Patentanspruch 1 lautet, mit einer Merkmalsgliederung versehen:
M1 Leiter für flüssigkeitsgekühlte Wicklungen, M1a insbesondere für Transformatorwicklungen, M2 mit einer den Leiter als ganzen umgebenden isolierenden Ummantelung, M3 wobei zumindest eine Lage der Ummantelung den Leiter vollständig abdeckend umgibt, dadurch gekennzeichnet, M3a dass eine äußerste Lage (3)
M3b von mindestens zwei Lagen (2, 3) der Ummantelung M3c durch ein an einem Rand in regelmäßigen Abständen so eingeschnittenes Band gebildet ist, M3d dass sich an dem Rand abstehende Fähnchen bilden.
Der auf einen Transformator oder eine Drosselspule gerichtete, nebengeordnete Anspruch 8 lautet:
Flüssigkeitsgekühlter Transformator oder flüssigkeitsgekühlte Drosselspule enthaltend mindestens eine Wicklung aus einem Leiter nach einem der Ansprüche 1 bis 7.
Hinsichtlich der Unteransprüche 2 bis 7 und 9 sowie hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist nach Neufassung des unabhängigen Patentanspruchs 1 im Beschwerdeverfahren begründet. Der in diesem Anspruch beanspruchten Lehre stehen Schutzhindernisse nicht entgegen. Der Patentanspruch hält sich insbesondere im Rahmen der ursprünglichen Offenbarung (§ 38 PatG) und sein Gegenstand wird vom nachgewiesenen Stand der Technik nicht patenthindernd getroffen (§ 1 Abs. 1 i. V. m. § 3 und § 4 PatG).
1. Der Patentanspruch 1 ist zulässig, denn er stützt sich in den Merkmalen [M1] bis [M3] auf den ursprünglichen Anspruch 1, in den Merkmalen [M3a] bis [M3d] auf Merkmale des ursprünglichen Anspruchs 5, wobei die ursprüngliche äußere Lage (der Ummantelung) in äußerste Lage geändert ist. Sofern die Ummantelung mehr als zwei Lagen aufweist ("mindestens zwei Lagen"), ist damit in einem sinnvoll verstandenen Patentanspruch 1 eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass nur die äußerste Lage gemäß den Merkmalen [M3c] bis [M3d] gestaltet ist (weitere Lagen wären gegebenenfalls als Zwischenlage zu bezeichnen).
Der Anspruch 8 ist zulässig, denn er geht auf den ursprünglichen Anspruch 13 zurück. Die Unteransprüche 2 bis 7 und 9 gehen - in dieser Reihenfolge - auf die ursprünglichen Unteransprüche 4, 6 und 9 bis 12 und 14 zurück, wobei in den Unteransprüchen 2 bis 4 ebenfalls eine äußerste Lage (anstatt einer äußeren) angegeben ist. Damit sind auch sämtliche Unteransprüche durch die ursprüngliche Offenbarung gedeckt und damit zulässig.
2. Nach der geltenden Beschreibung (S. 1, Abs. 1) betrifft die vorliegende Anmeldung einen Leiter für flüssigkeitsgekühlte Wicklungen, insbesondere für Transformator- oder Drosselspulenwicklungen sowie einen entsprechenden flüssigkeitsgekühlten Transformator und eine flüssigkeitsgekühlte Drosselspule.
Die Anmelderin führt weiter aus (Beschreibung S. 1, Absätze 2 und 3), dass bei einer aus einem gattungsgemäßen Leiter (E1) gebildeten Wicklung eines ölgefüllten Transformators die durch ohmsche Verluste im Leiter anfallende Wärme über die am Leiter anliegende isolierende Ummantelung abzuführen ist. Die dabei auftretende Temperaturdifferenz zwischen dem Leiter und der in Kühlkanälen fließenden Kühlflüssigkeit ist eine bestimmende Größe für die zu wählenden Abmessungen des Leiters und der entsprechenden Wicklung. Für eine hinreichend gute Kühlung weisen, wie weiter dargelegt, Wicklungen nach dem Stand der Technik größere Abmessungen auf, als es wünschenswert wäre. Aus den Entgegenhaltungen E2 und E3 bekannte Leiter für Transformatorwicklungen sind zwar mit einer perforierten oder netzartigen Ummantelung versehen, sodass die Kühlflüssigkeit durch die Ummantelung hindurchströmen und einzelne Teilleiter für eine bessere Kühlwirkung umströmen kann, jedoch geht damit eine deutlich schlechtere Isolierung einher. Solche Leiter seien daher nur für relativ kleine Spannungen bis zu etwa 25 kV geeignet.
Daran orientiert sich die der Erfindung zugrunde liegende Aufgabe, einen Leiter für flüssigkeitsgekühlte Wicklungen zu entwickeln, der eine verbesserte Kühlung auch bei einem Betrieb mit höheren Spannungen erlaubt und damit eine Ausführung entsprechender elektrischer Geräte mit geringeren Abmessungen ermöglicht (Beschreibung S. 2, Abs. 2).
Diese Aufgabe wird durch einen Leiter gemäß Patentanspruch 1 sowie durch einen Transformator oder eine Drosselspule gemäß Anspruch 8 gelöst.
Die äußere Lage der Ummantelung ist dazu durch ein an einem Rand in regelmäßigen Abständen so eingeschnittenes Band gebildet, dass sich an dem Rand abstehende Fähnchen bilden.
Dieser Maßnahme liegt die Erkenntnis zugrunde, dass die abstehenden Fähnchen im Hinblick auf eine gute Kühlwirkung die Strömung der Kühlflüssigkeit in gewünschter Weise durch den mit ihnen verursachten Verwirbelungseffekt beeinflussen (Beschreibung S. 3, Abs. 1 und S. 4 Abs. 1).
3. Der - zweifelsohne gewerblich anwendbare (§ 5 PatG) - Leiter für flüssigkeitsgekühlte Wicklungen gemäß dem Patentanspruch 1 ist gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik neu (§ 3 PatG) und beruht diesem gegenüber auch auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG) des zuständigen Durchschnittsfachmannes, der als ein Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Starkstromtechnik mit einschlägiger Berufserfahrung bei der Isolation und Ummantelung starkstromführender Leiter zu definieren ist.
3.1 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist neu, denn keine der im Verfahren befindlichen Druckschriften zeigt, wie es aus den nachfolgenden Ausführungen zur erfinderischen Tätigkeit zu ersehen ist, einen Leiter für flüssigkeitsgekühlte Wicklungen mit allen im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmalen.
3.2 Die Entgegenhaltung E1, die den nächstkommenden Stand der Technik repräsentiert, vermag dem zuständigen Fachmann den anmeldungsgemäßen Leiter weder für sich, noch in einer Zusammenschau mit den weiteren im Verfahren befindlichen Druckschriften nahezulegen. Der Entgegenhaltung E1 (vgl. insbesondere die Figuren 1 und 2 mit der dazugehörigen Beschreibung in Spalte 3) lässt sich ein Leiter (-bündel) 1 für elektrische Maschinen entnehmen, der mit einer den Leiter 1 als ganzen umgebenden isolierenden Ummantelung versehen ist, wobei eine Lage - gebildet von einem überlappend gewickelten Isolierband 3 - den Leiter vollständig abdeckend umgibt ([M1] bis [M3]). Zudem weist die Ummantelung mit einem um das Isolierband 3 nicht überlappend gewickelten Festigungsband 4 und einem weiteren überlappend gewickelten Isolierband 5 mit ebenfalls nicht überlappend gewickeltem weiteren Festigungsband 6 (als äußerste Lage) weitere Lagen auf ([M3a] bis [M3b]).
Ein Hinweis darauf, dass es bei dem bekannten Leiter von Vorteil sein könnte, das weitere Festigungsband 6 als äußerste Lage an einem Rand in regelmäßigen Abständen so einzuschneiden, dass sich an dem Rand abstehende Fähnchen bilden, wie es in den Merkmalen [M3c] und [M3d] des Anspruchs 1 beansprucht ist, um damit einen besonders guten Verwirbelungseffekt verbunden mit einer verbesserten Kühlung zu erzielen, kann der Entgegenhaltung E1 nicht entnommen werden.
Eine Anregung zu einer solchen Maßnahme erhält der Fachmann aber auch nicht unter Einbeziehung des weiteren im Verfahren befindlichen Standes der Technik.
Aus der einen Mehrfachparallelleiter für Wicklungen elektrischer Maschinen, insbesondere Transformatoren betreffenden Entgegenhaltung E2 ist lediglich bekannt, den Leiter mit einem großmaschigen Webband 4 mit einer Maschenweite von mindestens 2 mm im Quadrat zu umbändern (vgl. Anspruch 1 und die Figuren 1 und 3).
Bei dem Mehrfachparallelleiter für Wicklungen elektrischer Geräte und Maschinen aus Entgegenhaltung E3 besteht die Umwickelung des Leiters aus einem mit Perforationen bzw. Löchern 9 versehenen Band, 8, um eine gute Kühlung zu erzielen (vgl. Anspruch 1 und Seite 3, Abs. 4 sowie die Figuren 2 und 3).
Insofern vermögen auch die Entgegenhaltungen E2 und E3 dem Fachmann keine Anregung dahingehend zu vermitteln, den aus Entgegenhaltung E1 bekannten Leiter im Sinne der anmeldungsgemäßen Lehre zu modifizieren.
Der Leiter für flüssigkeitsgekühlte Wicklungen gemäß dem Patentanspruch 1 ist nach alledem patentfähig.
3.3 Die Unteransprüche 2 bis 7 betreffen vorteilhafte und nicht selbstverständliche Ausgestaltungen des Leiters nach Anspruch 1. Ihre Patentfähigkeit wird von derjenigen des Gegenstandes des Hauptanspruchs mitgetragen.
3.4 Die Patentfähigkeit des auf einen flüssigkeitsgekühlten Transformator oder eine Drosselspule gerichteten Anspruchs 8 wird durch die vorstehend im Zusammenhang mit dem beanspruchten Leiter dargelegten, ersichtlich auch hier zutreffenden Gründen getragen. Damit ist auch der darauf bezogene Unteranspruch 9 patentfähig.
4. Die geltende Beschreibung erfüllt die an sie zu stellenden Anforderungen hinsichtlich des Standes der Technik, von dem die Erfindung ausgeht.
Das Patent war daher wie beschlossen zu erteilen.
Dr. Winterfeldt Richter Dr. Häußlerist wegen Abordnungan das DPMA an der Unterschrift gehindert.
Dr. Winterfeldt Kätker Bernhart Pü
BPatG:
Beschluss v. 10.01.2008
Az: 21 W (pat) 9/05
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