Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. April 2004
Aktenzeichen: 15 W (pat) 321/02
(BPatG: Beschluss v. 26.04.2004, Az.: 15 W (pat) 321/02)
Tenor
Das Patent wird im vollem Umfang aufrechterhalten.
Gründe
I.
Auf die am 17. Februar 2000 eingereichte Patentanmeldung hat das Deutsche Patent- und Markenamt das Patent 100 07 115 (Streitpatent) mit der Bezeichnung
"Verfahren und Reaktor zum Vergasen und Schmelzen von Einsatzstoffen mit absteigender Gasführung"
erteilt. Der Veröffentlichungstag der Patenterteilung ist der 27. Juni 2002.
Der erteilte und geltende Patentanspruch 1 hat gemäß Streitpatentschrift folgenden Wortlaut:
"1. Verfahren zum Vergasen und Schmelzen von Einsatzstoffen, die folgenden Schritte umfassen:
- Ausbildung einer Schüttsäule (4) der Einsatzstoffe in einem schachtförmigen Reaktor;
- Ausbildung eines Schüttkegels (9) und Reduzierung der Sinkgeschwindigkeit der Einsatzstoffe im Bereich einer Querschnittserweiterung des Reaktors zwischen einem Zuführabschnitt (1) und einem Pyrolyseabschnitt (8), wobei der Schüttkegel durch die Reaktorwände und die im Zuführabschnitt befindlichen Einsatzstoffe weitgehend nach außen abgeschirmt ist;
- Starten eines Pyrolyseprozesses durch schockartige Erhitzung der Einsatzstoffe durch Zuführung von heißen, inerten Gasen an den Schüttkegel (9);
- Erzeugung einer tiefergelegenen heißen Zone (17) mit Temperaturen oberhalb von 1000¡C durch Zuführung energiereicher Medien;
- Verbrennen der Pyrolyseprodukte, Schmelzen von ggf enthaltenen metallischen und mineralischen Bestandteilen unter Sauerstoffmangel und weitgehendes Verkoken der Reststoffe der Einsatzstoffe in der heißen Zone (17),
- Absaugen aller Gase nach unten durch die Schüttsäule (4), durch die heiße Zone (17) und durch eine tiefer liegende Reduktionszone (22);
- Ausleiten reduzierter Überschußgase aus dem Reaktor im Bereich der Reduktionszone (22);
- Sammeln der ggf vorhandenen Metall- und/oder Schlackeschmelzen im untersten Abschnitt des Reaktors;
- Einleiten von energiereichen Medien unmittelbar oberhalb der gesammelten Schmelzen, um diese flüssig zu halten."
Der Patentanspruch 9 lautet:
"Reaktor zum Vergasen und Schmelzen von Einsatzstoffen, umfassend - einen Zuführabschnitt (1) mit einer Zuführöffnung (2), über welche die Einsatzstoffe von oben in den Reaktor eingebracht werden;
- Gaszuführmittel (10), über welche heiße Gase an die Einsatzstoffe zugeführt werden;
- einen Schmelz- und Überhitzungsabschnitt (14), der an einer Querschnittseinengung des Reaktors beginnt;
- obere Eindüsungsmittel (15), über die ein energiereiches Medium in den Schmelz- und Überhitzungsabschnitt (14) eingebracht wird;
- einen Reduktionsabschnitt (20), der sich unten an den Schmelz- und Überhitzungsabschnitt (14) anschließt und Gasabsaugmittel (21) umfaßt;
- einen Herd (25) mit einem Abstich (27) unterhalb des Reduktionsabschnittes (20), zur Sammlung und Ableitung von Metallschmelzen und Schlackeschmelzen;
- untere Eindüsungsmittel (26), über die unmittelbar oberhalb der Schmelzen und unterhalb der Gasabsaugmittel (21) ein energiereiches Medium zugeführt wird;
dadurch gekennzeichnet, daß
- der Zuführabschnitt (1) in einen Vortemperierungsabschnitt (5) mündet, in welchem die Einsatzstoffe auf eine Temperatur von etwa 100¡C temperiert werden;
- sich der freie Querschnitt des Reaktors am Übergang vom Vortemperierungsabschnitt (5) zu einem Pyrolyseabschnitt (8) mindestens verdoppelt, um einen großflächigen Schüttkegel (9) auszubilden;
- die Gaszuführmittel (10) ein etwa 1000¡C heißes, inertes Verbrennungsgas am Schüttkegel (9) bereitstellen;
- im Pyrolyseabschnitt (8), der sich bis zum Schmelz- und Überhitzungsabschnitt (14) erstreckt, Sauerstoffmangel aufrechterhalten wird, wodurch die Einsatzstoffe einem Pyrolyseprozeß unterzogen werden."
Wegen des Wortlauts der auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 8 und der auf den Patentanspruch 9 zurückbezogenen Patentansprüche 10 bis 18 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
Gegen die Patenterteilung haben die Firma I...-GbR in L... und Herr Dr. S... in K... Einspruch erhoben.
Die Einsprechenden sind der Meinung, daß der Patentgegenstand wegen mangelnder Offenbarung einer nacharbeitbaren Lehre, wegen widerrechtlicher Entnahme und gegenüber dem zu berücksichtigenden Stand der Technik nicht patentfähig sei.
Im Verfahren sind folgende Druckschriften:
(1) DE 40 30 554 A1,
(2) DE 43 17 145 C1,
(3) DE 196 40 497 C2,
(4) DE 198 16 864 A1,
(5) US 2 788 964,
(6) DE 4 324 699 C2,
(7) DE 196 13 570 A1,
(8) Gießereilexikon, Brunhuber & Hasse Verlag Schiele & Schön Berlin (1997), Seite 610.
(9) Rahmenvertrag über Kooperationsleistungen (Anlage 1 zum Einspruchsschriftsatz),
(10) Lizenzvertrag (Anlage 2 zum Einspruchsschriftsatz),
(11) Schriftwechsel (Anlage 3 zum Einspruchsschriftsatz).
Die Einsprechenden stellen den Antrag, das Patent zu widerrufen.
Die Patentinhaberin tritt dem Vorbringen der Einsprechenden entgegen und beantragt, das Patent aufrechtzuerhalten.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet im Einspruchsverfahren aufgrund mündlicher Verhandlung gemäß § 78 und § 147 Absatz 3 Patentgesetz.
III.
Der Einspruch hat keinen Erfolg. Das Streitpatent ist in vollem Umfang aufrechtzuerhalten.
1.) Die ursprüngliche Offenbarung der geltenden Patentansprüche ist gegeben. Die Merkmale des Verfahrensanspruchs 1 befinden sich im ursprünglichen Anspruch 12 in Verbindung mit Seite 9, Zeilen 5 bis 8, Seite 10, Zeilen 5 bis 22, Seite 11, Zeilen 4 bis 7 und Seite 13 Absatz 2. Die Merkmale der Ansprüche 2 bis 8 sind offenbart in den ursprünglichen Ansprüchen 13 bis 17, 19 und 20 in Verbindung mit der Figur. Die Merkmale des Vorrichtungsanspruchs 9 sind im ursprünglichen Anspruch 1 und in Seite 9 Absatz 2, Seite 10 Absatz 2, Seite 11, Absatz 2 in Verbindung mit der Figur offenbart. Die Ansprüche 10 bis 18 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 3 bis 11.
2. a) Mit der Erfindung soll die Aufgabe gelöst werden, einen verbesserten Reaktor und ein Verfahren zum Vergasen und Schmelzen von Einsatzstoffen bereitzustellen, welche die Nachteile des Standes der Technik vermeiden. Eine spezielle Aufgabe besteht darin, die einfache, preiswerte und umweltgerechte stoffliche und/oder energetische Verwertung von Abfällen zu ermöglichen. Insbesondere wird angestrebt, die Funktionssicherheit eines entsprechenden Reaktors zu erhöhen, in dem die mit der Kreislaufgasführung einhergehenden Betriebsunsicherheiten weitgehend vermieden werden. Eine weitere Aufgabe der Erfindung besteht darin, die Schadstoffbelastung in dem abzusaugenden Überschußgas deutlich zu vermindern, damit der Aufwand in einer nachfolgenden Gasreinigung minimiert werden kann.
Gelöst werden soll die Aufgabe durch ein Verfahren gemäß Patentanspruch 1 und einem Reaktor gemäß Patentanspruch 9.
2. b) Dabei umfaßt das beanspruchte Verfahren zum Vergasen und Schmelzen von Einsatzstoffen folgende Merkmale:
a) Ausbildung einer Schüttsäule (4) der Einsatzstoffe in einem schachtförmigen Reaktor;
b) Ausbildung eines Schüttkegels (9) und Reduzierung der Sinkgeschwindigkeit der Einsatzstoffe im Bereich einer Querschnittserweiterung des Reaktors zwischen einem Zuführabschnitt (1) und einem Pyrolyseabschnitt (8), wobei der Schüttkegel durch die Reaktorwände und die im Zuführabschnitt befindlichen Einsatzstoffe weitgehend nach außen abgeschirmt ist;
c) Starten eines Pyrolyseprozesses durch schockartige Erhitzung der Einsatzstoffe durch Zuführung von heißen, inerten Gasen an den Schüttkegel (9);
d) Erzeugung einer tiefergelegenen heißen Zone (17) mit Temperaturen oberhalb von 1000¡C durch Zuführung energiereicher Medien;
e) Verbrennen der Pyrolyseprodukte, Schmelzen von ggf enthaltenen metallischen und mineralischen Bestandteilen unter Sauerstoffmangel und weitgehendes Verkoken der Reststoffe der Einsatzstoffe in der heißen Zone (17);
f) Absaugen aller Gase nach unten durch die Schüttsäule (4), durch die heiße Zone (17) und durch eine tiefer liegende Reduktionszone (22);
g) Ausleiten reduzierter Überschußgase aus dem Reaktor im Bereich der Reduktionszone (22);
h) Sammeln der ggf vorhandenen Metall- und/oder Schlackeschmelzen im untersten Abschnitt des Reaktors;
i) Einleiten von energiereichen Medien unmittelbar oberhalb der gesammelten Schmelzen, um diese flüssig zu halten.
2. c) Der Reaktor zum Vergasen und Schmelzen von Einsatzstoffen gemäß Patentanspruch 9 umfaßt folgende Merkmale:
a) einen Zuführabschnitt (1) mit einer Zuführöffnung (2), über welchen die Einsatzstoffe von oben in den Reaktor eingebracht werden;
b) Gaszuführmittel (10) über welche heiße Gase an die Einsatzstoffe zugeführt werden;
c) einen Schmelz- und Überhitzungsabschnitt (14), der an einer Querschnittseinengung des Reaktors beginnt;
d) obere Eindüsungsmittel (15), über die ein energiereiches Medium in den Schmelz- und Überhitzungsabschnitt (14) eingebracht wird;
e) einen Reduktionsabschnitt (20), der sich unten an den Schmelz- und Überhitzungsabschnitt (14) anschließt und Gasabsaugungsmittel (21) umfaßt;
f) einen Herd (25) mit einem Abstich (27) unterhalb des Reduktionsabschnitts (20), zur Sammlung und Ableitung von Metallschmelzen und Schlackeschmelzen;
g) untere Eindüsungsmittel (2) über die unmittelbar oberhalb der Schmelzen und unterhalb der Gasabsaugmittel (21) ein energiereiches Medium zugeführt wird;
dadurch gekennzeichnet, daß
h) der Zuführabschnitt (1) in einen Vortemperierungsabschnitt (5) mündet, in welchem die Einsatzstoffe auf eine Temperatur von etwa 100¡C temperiert werden;
i) sich der freie Querschnitt des Reaktors am Übergang vom Vortemperierungsabschnitt (5) zu einem Pyrolyseabschnitt (8) mindestens verdoppelt, um einen großflächigen Schüttkegel (9) auszubilden;
j) die Gaszuführmittel (10) ein etwa 1000¡C heißes, inertes Verbrennungsgas am Schüttkegel (9) bereitstellen, k) im Pyrolyseabschnitt (8), der sich bis zum Schmelz- und Überhitzungsabschnitt (14) erstreckt, Sauerstoffmangel aufrechterhalten wird, wodurch die Einsatzstoffe einem Pyrolyseprozeß unterzogen werden.
3) Die mangelnde Offenbarung bzw Nichtausführbarkeit der Erfindung wird von den Einsprechenden damit begründet, daß das im Anspruch 1 angesprochene ausschließliche Gleichstromprinzip mit den im Anspruch 1 angegebenen Verfahrensschritten technisch so nicht umsetzbar sei, da zumindest durch die Positionierung der Eindüsungsmittel (26) unmittelbar oberhalb der Schmelze aber unterhalb des Gasabsaugungsraums (21) zwangsläufig ein Mischprinzip entstehe, das durch gleichzeitigen partiellen Gegenstrom, Gleichstrom und Querstrom charakterisiert sei. Außerdem werde in der Streitpatentschrift dargestellt, daß durch Verbrennung unter Sauerstoffmangel über eine nahezu stöchiometrische Verbrennung ein inertes Verbrennungsgas mit Temperaturen von etwa 1000¡C bereitgestellt werde. Unter diesen Bedingungen erhalte man aber Mischgase aus CO, CO2, H2 und H2O, das bei den angegebenen Temperaturen keinesfalls inert sei, sondern mit der Umgebung reagiere. Die in der Streitpatentschrift dargestellte Verfahrensweise widerspreche sich daher und sei technisch nicht realisierbar.
Die Erteilungsunterlagen des Streitpatents (Patentansprüche, Beschreibung und Figuren) richten sich an den Durchschnittsfachmann, hier einen Diplomingenieur mit Kenntnissen im Industrieofenbau. Dieser entnimmt jedoch der Streitpatentschrift bei der Erörterung des Standes der Technik, daß die Kreislaufgasführung, bei der im oberen Bereich des Ofens Gas abgesaugt wird (Gegenstrom), nachteilig sei. Es wird daher eine Gleichstromgasführung vorgeschlagen, bei der im oberen Teil des Ofens Brenngase eingedüst werden und im unteren Teil des Ofens über einen Gasabsaugungsraum (21) alle Gase aus dem oberen Ofenteil durch die heiße Zone (17) und die Reduktionszone (22) nach unten abgesaugt werden (vgl Patentschrift Sp 2 Z 9 ff und Sp 7 Z 15 bis 39). Dem widerspricht nicht, daß im Gasabsaugungsraum (21) auch Gase aus dem Herdraum (25) abgesaugt werden, da diese Gase lediglich dazu dienen, die Schmelze flüssig zu halten (vgl Patentschrift Sp 7 Z 62 ff) und offensichtlich nichts mit den im Gleichstrom zu führenden Gasen zu tun haben.
Der Fachmann entnimmt den Patentunterlagen auch, was die Patentanmelderin mit dem Begriff "heiße inerte Verbrennungsgase" ausdrücken möchte. Denn aus den Ausführungen in der Patentschrift ergibt sich, daß es sich dabei um die vollständige Verbrennung der eingesetzten Brennstoffe handelt, die bei geeigneter Regelung weitgehend zu Kohlendioxyd und Wasserdampf verbrennen (vgl Streitpatentschrift Sp 5 Z 68 bis Sp 6 Z 3 und Sp 6 Z 14 bis 16). Daß bei diesen Temperaturen (1000 C) nach dem Boudouard - Gleichgewicht daneben auch noch CO und H2 vorkommen, weiß der Fachmann. Eine Unklarheit oder ein technischer Widerspruch, die den Fachmann hindern könnten, die Lehre des Patentes nachzuarbeiten, ist hier nicht erkennbar.
4) Weiterhin trägt die Einsprechende vor, daß die Patentinhaberin die offenbarte technische Lösung den Einsprechenden teilweise widerrechtlich entnommen habe (vgl Eingabe vom 19. September 2002, S 1). Das "teilweise" bezieht sich offenbar auf die absteigende Gasführung (Gleichstrom) und das "Nachrüsten von Brennern im oberen Schachtteil" (vgl aaO S 5 unten). Zur Unterstützung ihrer Argumentation legen die Einsprechenden einen Rahmenvertrag über Kooperationsleistungen (9) einen Lizenzvertrag (10) und einen Schriftwechsel (11) vor.
Nach § 21, 3 Patentgesetz ist ein Grund für den Widerruf eines Patents, wenn der wesentliche Inhalt des Patents ... einem anderen ... ohne dessen Einwilligung entnommen worden ist (widerrechtliche Entnahme). Wichtig ist dabei, daß der Verletzte tatsächlich im Erfindungsbesitz gewesen ist (Schulte PatG § 21 Rdn 44).
Der von den Einsprechenden vorgelegte Rahmenvertrag (9) hat die Entwicklung eines Kreislaufgas-Sauerstoff-Kupolofen-Verfahren (KSK-Verfahren) zum Gegenstand. Das erfindungswesentliche Merkmal f) einer absteigenden Gasführung (Gleichstromverfahren) ist dort nicht angesprochen. Entsprechendes gilt für den Lizenzvertrag (10). Die dort zitierte DE 43 17 145 C1 (2) offenbart kein Gleichstrom-, sondern ein Gegenstromverfahren (vgl Fig 1 iVm Sp 6 Z 4 bis 7). Daß in diesem Lizenzverfahren das Gleichstromverfahren offenbart ist, wird von den Einsprechenden auch nicht behauptet. Der in dem Schriftwechsel (11) vorgelegte Schriftsatz vom 14. September 1998 enthält eine Skizze eines Schachtofens, der offensichtlich für ein Gegenstrom-, aber nicht für ein Gleichstromverfahren ausgelegt ist. Die mit dem Schriftwechsel (11) eingereichten Photographien zeigen einen Teilausschnitt eines Schachtofens. Einrichtungsteile, die auf ein ausschließliches Gleichstromverfahren schließen lassen, sind nicht erkennbar. In der mündlichen Verhandlung legte die Einsprechende noch eine Photographie eines Gasleitungssystems und eine Ausrüstungsliste (12) vor, die ebenfalls keinen Bezug zu dem beanspruchten Gleichstromverfahren erkennen lassen. Die ebenfalls in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Patentanmeldungsunterlagen (13) beschreiben zwar ein entsprechendes Gleichstromverfahren. Diese Unterlagen sind jedoch erst am 26. Februar 2000 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen, dh, nach dem Anmeldetag des Streitpatents. Diese wie auch die übrigen zu diesem Thema eingereichten Unterlagen können nicht beweisen, daß die Einsprechende vor dem Anmeldetag des Streitpatents im Besitz der Erfindung gewesen sind, so daß der Einspruchsgrund "widerrechtliche Entnahme" nicht vorliegt.
5. a) Die Neuheit des Verfahrens und des Reaktors gemäß der Ansprüche 1 und 9 ist gegeben, da - wie es der nachfolgenden Erörterung zur erfinderischen Tätigkeit zu entnehmen ist - keine der entgegengehaltenen Druckschriften dem Patentgegenstand in der Gesamtheit seiner Merkmale offenbart.
5. b) Die Entwicklung des Patentgegenstandes beruht auch auf der erforderlichen erfinderischen Tätigkeit.
Die von den Einsprechenden als nächstliegender Stand der Technik genannte US 27 88 964 (5) betrifft ebenfalls ein Verfahren, bei dem in einen metallurgischen Ofen eine Schüttsäule der Einsatzstoffe in einem schachtförmigen Reaktor gebildet wird, auf der sich wahrscheinlich auch ein Schüttkegel bildet (Merkmal a) und Teil von Merkmal b)). Aber im weiteren unterscheiden sich die zu vergleichenden Verfahren. Denn weder wird in (5) die Sinkgeschwindigkeit der Einsatzstoffe im Bereich einer Querschnittserweiterung des Rektors reduziert (Teil des Merkmals b)), denn es gibt dort keine Querschnittserweiterung im Reaktor, noch ist erkennbar, daß dort ein schockartiges Erhitzen der Einsatzstoffe durch Zuführung heißer Gase an den Schüttkegel stattfindet (Merkmal c)). Dort werden vielmehr im Gegensatz zum beanspruchten (Merkmal f)) Reduktionsgase (Kohlenwasserstoffe) durch die Schüttsäule nach oben abgezogen (Gegenstrom) und über eine Leitung (14) mit einer Kreislaufpumpe (15) zurück in die Hochtemperaturzone (5) geleitet (vgl (5) Fig iVm Sp 2 Z 43 bis 49). Das beanspruchte Verfahren unterscheidet sich danach in wesentlichen Verfahrensschritten vom Stand der Technik wie er in (5) beschrieben ist.
Von den Einsprechenden wurde vorgetragen, daß jedoch eine Zusammenschau von (5) mit der DE 196 40 497 C2 (3) das beanspruchte Verfahren nahelege. In (3) wird ein Verfahren zur stofflichen und/oder energetischen Verwertung von Abfallmaterialien in einem koksbeheizten Kreislauf-Gas-Kupolofen beschrieben. Dort gibt es zwar einen konisch erweiterten Schachtofen und damit eine Querschnittserweiterung (vgl (3) Anspruch 1), was zu einer Reduzierung der Sinkgeschwindigkeit der Einsatzstoffe führen wird (Teil des Merkmals b)). Auch wird sich bei diesem bekannten Verfahren eine Schüttsäule und ein Schüttkegel bilden (Merkmal a) und Teil des Merkmals b)). Aber auch bei diesem bekannten Verfahren ist das wesentliche Merkmal f) des Gleichstromprinzips nicht verwirklicht. Auch in dem bekannten Verfahren werden die Gase nicht im Gleichstromverfahren geführt, sondern im Gegenstrom, da dort in einer Kreislaufgasabsaugebene (2) durch einen Kreislaufgasabsaugstutzen (8) Gas abgezogen und dem Gasstrahlverdichter (24) zugeführt und in die Schmelz- und Verbrennungszone eingeblasen wird (vgl (3) S 3 Z 22 bis 29 und 54 bis 57). Da in beiden Entgegenhaltungen das Gleichstromprinzip weder vorgeschlagen noch Anregungen dazu gegeben werden, führt auch eine Zusammenschau nicht zu den beanspruchten Verfahren. Die weiteren Druckschriften liegen noch weiter entfernt, so daß die Entwicklung des beanspruchten Verfahrens gemäß Patentanspruch 1 auf der erforderlichen erfinderischen Tätigkeit beruht. Damit ist das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 patentfähig, mit ihm die nachgeordneten Ansprüche 2 bis 8, die zweckmäßige Ausgestaltungen des beanspruchten Verfahrens betreffen.
5. c) Auch der Reaktor gemäß Patentanspruch 9 ist neu, da in keiner der entgegengehaltenen Druckschriften ein Reaktor mit allen anspruchsgemäßen Merkmalen vorbeschrieben ist, wie es der nachfolgenden Erörterung der erfinderischen Tätigkeit zu entnehmen ist.
Seine Entwicklung beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die Einsprechenden beziehen sich bei ihrer Argumentation auf die bereits oben genannten Druckschriften (5) und (3). In (5) wird ein Reaktor beschrieben, der keine Querschnittseinengung aufweist, wodurch das Merkmal c) in (5) nicht verwirklicht ist. In (5) ist auch kein Hinweis darauf zu finden, daß sich der freie Querschnitt des Reaktors am Übergang vom Vortemperierungsabschnitt zu einem Pyrolyseabschnitt mindestens verdoppelt, um einen großen Schüttkegel auszubilden (Merkmal i). Dort ist auch nicht vorgesehen, über Gaszuführmittel ein etwa 1000 C heißes Verbrennungsgas am Schüttkegel bereitzustellen (Merkmal j); aber auch in (3) fehlen Hinweise auf die Bedeutung dieser Merkmale i) und j) für den beanspruchten Reaktor, so daß die Entgegenhaltungen (5) und (3) weder einzeln, noch in einer Zusammenschau den beanspruchten Reaktor gemäß Patentanspruch 9 nahelegen konnten. Auch hier liegen die weiteren Entgegenhaltungen weiter entfernt vom Streitgegenstand, so daß auch die Entwicklung des beanspruchten Reaktors gemäß Patentanspruch 9 auf der erforderlichen erfinderischen Tätigkeit beruht. Mit diesem Anspruch 9 sind auch die Patentansprüche 10 bis 18 patentfähig, da sie nicht selbstverständliche bevorzugte Ausführungsformen umfassen.
Damit sind das beanspruchte Verfahren und der beanspruchte Reaktor, über deren gewerbliche Anwendbarkeit nach Ansicht des Senats keine Bedenken beste-
hen, patentfähig. Die Einsprüche waren daher zurückzuweisen und das Patent im vollem Umfang aufrechtzuerhalten.
Dr. Kahr Dr. Niklas Dr. Jordan Dr. Hock Ko
BPatG:
Beschluss v. 26.04.2004
Az: 15 W (pat) 321/02
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