Landgericht Köln:
Urteil vom 17. November 2011
Aktenzeichen: 31 O 264/11
(LG Köln: Urteil v. 17.11.2011, Az.: 31 O 264/11)
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von EUR 250.000,00, ersatzweise von Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zur Dauer von sechs Monaten, zu unterlassen,
Fischprodukte für Verbraucher
1.) wie im Fall des Produkts „Lachsfilet F“ mit der Bezeichnung „FRISCH&FERTIG“ und/oder „Absolute Frische bei sofortigem Genuss…“ und/oder „Frischfisch“ zu bewerben und/oder bewerben zu lassen und/oder in Verkehr zu bringen und/oder in Verkehr bringen zu lassen, wenn der Fisch mit konservierenden Zusatzstoffen behandelt worden ist, und/oder
2.) wie im Fall des Produkts „Schollenfilet“ und/oder „Forelle“ und/oder „Pangasiusfilet“ mit der Bezeichnung „FANG&FRSICH“ und/oder dem Hinweis „Absolute Frische bei sofortigem Genuss …“ zu bewerben und/oder bewerben zu lassen und/oder in Verkehr zu bringen und/oder in Verkehr bringen zu lassen, wenn der Fisch mit konservierenden Zusatzstoffen behandelt ist, und/oder
3.) wie im Fall des Produkts „Pangasiusfilet“ mit dem Hinweis „Fang & Frisch“ und/oder „Absolute Frische bei sofortigem Genuss …“ zu bewerben und/oder bewerben zu lassen und/oder in Verkehr zu bringen und/oder in Verkehr bringen zu lassen, wenn das Produkt gefroren und wieder aufgetaut wurde, und/oder
4.) mit einem Zutatenverzeichnis in den Verkehr zu bringen, bei dem Schriftgröße und Schriftbild wie bei den Produkten „Lachsfilet F“ und/oder „Schollenfilet“ und/oder „Forelle“ und/oder „Pangasiusfilet“ aufgeführt gestaltet sind,
jeweils wie nachstehend wiedergegeben:
(Es folgt eine Darstellung)
5.) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 208,65 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.06.2011 zu zahlen.
6.) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
7.) Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 15% und die Beklagte zu 85%.
8.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung, hinsichtlich Ziffer 1.) bis 3.) in Höhe von jeweils Euro 13.200,00, hinsichtlich Ziffer 4.) in Höhe von Euro 10.00,00, im Übrigen in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
Der Kläger ist als Verein zur Wahrung der Lauterkeit des Wettbewerbs anerkannt. Die Beklagte betreibt die Supermarktkette Z, in der sie u.a. verpackten Fisch an Verbraucher vertreibt, dem die Konservierungsstoffe Natriumlactat und Natriumdiacetat beigesetzt sind. Wegen der Verpackungsgestaltung wird auf die Einblendungen im Entscheidungstenor sowie auf die als Anlagen K 1-4 zur Akte gereichten Originalverpackungen Bezug genommen. Mit Schreiben vom 13.01.2011 mahnte der Kläger die Beklagte ab, weil er der Ansicht ist, die Fischverpackungen seien irreführend ausgestaltet, der Hinweis „ökologisch“ auf der Verpackung des „Schollenfilets“ verstoße gegen die VO (EG) 834/2007 und das Zutatenverzeichnis sei derart gestaltet, dass es nicht deutlich lesbar sei und mithin nicht im Einklang mit § 3 Nr. 3 LMKV stehe.
Der Kläger ist der Ansicht, wegen der geltend gemachten Verstöße gegen das UWG stehe ihm ein Unterlassungsanspruch aus §§ 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2, 5 UKlaG i.V.m. § 4 Nr. 11 UWG zu. Er behauptet, der von der Beklagten vertriebene Pangasius sei für den Transport nicht nur stark gekühlt worden - was zwischen den Parteien unstreitig ist - sondern vollständig durchgefroren.
Der Kläger beantragt mit der der Beklagten am 20.06.2011 zugestellten Klage,
wie erkannt,
sowie, die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von EUR 250.000,00, ersatzweise von Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zur Dauer von sechs Monaten, zu unterlassen,
wie aus den im Antrag auf Bl. 4a-10c als Fotografie wiedegegebenen Verpackungen ersichtlich, Fischprodukte für Verbraucher
4.) wie im Falle des Produkts „Schollenfilet“ mit dem Hinweis „ökologisch“ zu bewerben und/oder bewerben zu lassen und/oder in Verkehr zu bringen und/oder in Verkehr bringen zu lassen, wenn es sich bei dem solchermaßen beworbenen Fisch um wildlebende Tiere handelt, die nicht in Aquakulturen gezüchtet wurden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, bei der Aufbringung der Aussage „FRISCH&FERTIG“ auf der Produktverpackung handele es sich nicht um eine produktbezogene Auslobung, sondern eine markenmäßige Verwendungsform. Es handele sich bei den von der Beklagten vertriebenen Produkten im Übrigen um Convenience-Food, bei dem sich die Bezeichnung als frisch auf die Frische des bearbeiteten und dem Verbraucher angebotenen Endprodukts beziehe. Bei den beigesetzten Zusatzstoffen handele es sich ferner um solche, die zugelassen seien.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Gründe
Die zulässige Klage ist hinsichtlich des Antrags zu Ziffer. 4.) unbegründet, im Übrigen begründet.
I. Dem Kläger steht ein Unterlassungsanspruch aus §§ 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2, 5 UKlaG i.V.m. § 4 Nr. 11 UWG, § 11 Abs. 1 LFGB zu. Soweit der Kläger geltend macht, das Produkt „Lachsfilet F“ werde mit den Bezeichnungen „FRISCH & FERTIG“, „Absolute Frische bei sofortigem Genuss“ und „Frischfisch“ beworben, und dies als irreführend angreift, ist der Antrag begründet.
1. Die Wendung „FRISCH & FERTIG“, wie sie auf der Verpackung aufgedruckt ist, führt zu einer Irreführung der angesprochenen Verbraucher, da sie eine zur Täuschung geeignete Bezeichnung von Eigenschaften des Produkts enthält. Es handelt sich bei dem Aufdruck nicht um eine markenmäßige Verwendungsform, sondern (jedenfalls auch) um eine produktbezogene Auslobung. Die Aussage „Frisch & Fertig“ auf der Verpackung wird der Verbraucher als Beschreibung des in der Verpackung enthaltenen Produkts verstehen. Als Marke nimmt der Verbraucher den mit einem Emblem versehenen Schriftzug „Leckerfisch“ wahr, nicht aber den nicht besonders gestalteten Schriftzug „Frisch & Fertig“, der einfach nur in blauer Druckschrift gehalten ist. Auch das in einer anderen Farbe eingeschobene &-Zeichen ändert daran nichts, dieses lenkt die Betonung lediglich auf die verwendete Alliteration. Im Übrigen kann dies aber auch dahinstehen, da auch eine markenmäßige Verwendung von Begriffen zur Irreführung der Verbraucher geeignet sein kann und Marken nicht irreführend verwendet werden dürfen (Bornkamm, in Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Auflage 2011, § 5, Rn. 1.74a).
Der Verkehr wird bei Kenntnisnahme der Auslobung „Frisch & Fertig“ davon ausgehen, der Fisch sei zum einen frisch, zum anderen fertig zum Verzehr. Letzteres schließt ein, dass der Fisch ausgenommen, von Gräten gesäubert und portioniert ist, also dementsprechend nur noch gebraten oder gegrillt werden muss. Dies bedeutet aber nicht, dass die Erwartung des Verbrauchers sich darauf beschränkt, die Fertigstellung des sog. Convenience-Produkts sei frisch erfolgt, vielmehr geht der Käufer davon aus, dass auch die verwendeten Zutaten allesamt frisch sind.
Die Bezeichnung „frisch“ suggeriert bei Fisch, dass dieser „direkt aus dem Meer“ kommt, dann nur mit der Marinade gewürzt wurde und sofort verpackt. Der Verkehr erwartet dementsprechend nicht, dass dem Fisch auch noch Konservierungsstoffe irgendeiner Art beigesetzt sind. Denn dann ist der Fisch nicht mehr „frisch“, sondern industriell haltbar gemacht. Auf die Frage, ob die zugesetzten Konservierungsstoffe erlaubt sind, kommt es nicht an. Der Verbraucher wird ohnehin stets erwarten, dass von ihm gekaufte Lebensmittel nur erlaubte Stoffe enthalten.
Auch kommt es nicht darauf an, ob die Zusatzstoffe sich in der Marinade befinden oder erst auf den Fisch selber aufgebracht sind und dieser dann mariniert wurde. Denn sie dienen jedenfalls nicht der Konservierung der Marinade, sondern der Konservierung des Fisches. Der Verkehr erwartet aber bei der Bezeichnung eines marinierten Fisches als „frisch & fertig“, dass der Fisch mit der Marinade zwar gewürzt und so küchenfertig gemacht wurde, nicht aber, dass die Marinade außer Würzmitteln auch Konservierungsstoffe enthält, die das Produkt insgesamt länger haltbar machen.
2. Auch durch den Satz „Absolute Frische bei sofortigem Genuss“ suggeriert die Beklagte in der vorliegenden Gestaltung, der Fisch sei frisch und komme ohne weitere Zwischenschritte direkt aus dem Meer. Dass dem Fisch tatsächlich Konservierungsstoffe beigesetzt sind, um ihn länger haltbar zu machen, erwartet der Verbraucher bei einer solchen Aussage nicht. Vielmehr geht er davon aus, der Fisch müsse „sofort“ verspeist werden, weil er sonst verderbe. Dies wäre aber nur dann der Fall, wenn er tatsächlich frei von jeglichen Konservierungsstoffen wäre. Auch die Fortführung des Satzes, in dem sich die streitgegenständliche Aussage findet, relativiert den Gehalt der Aussage nicht, sondern verstärkt ihn noch. Denn durch den Zusatz, der Fisch müsse ohne Unterbrechung der Kühlkette sofort verspeist werden, entsteht erst Recht der Eindruck, es handele sich um Fisch, der so frisch ist, dass sowohl die Aufbewahrung von nur einem Tag als auch eine kurzzeitige Lagerung in einer wärmeren Temperatur dafür sorge, dass der Fisch verderbe. Dies wiederum erwartet der Verbraucher aber nur bei Fisch, der nicht mit Konservierungsstoffen länger haltbar gemacht wurde.
3. Auch die Bezeichnung „Frischfisch“ im Zutatenverzeichnis suggeriert, der Fisch sei frisch. Dies versteht der Verbraucher so, dass der Fisch nicht behandelt wurde, sondern lediglich mariniert und abgepackt.
II. Auch für die von der Beklagten im Einzelhandel verkauften Produkte Scholle, Pangasius und Forelle steht dem Kläger ein Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Bewerbung mit den Packungsaufdrucken „Absolute Frische bei sofortigem Genuss“ und „Fang & Frisch“ aus §§ 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2, 5 UKlaG i.V.m. § 4 Nr. 11 UWG, § 11 Abs. 1 LFGB zu. Diese Werbung ist irreführend, weil der Verbraucher beiden Werbeaussagen entnimmt, der Fisch sei frisch und dementsprechend nicht mit Konservierungsstoffen behandelt, was aber tatsächlich nicht der Fall ist. Hinsichtlich der Werbeaussage „Absolute Frische bei sofortigem Genuss“ gelten die Ausführungen unter I. 2. hier entsprechend und erst Recht, da der Fisch nicht einmal in Marinade eingelegt ist und daher für den Verbraucher umso mehr der Eindruck entsteht, dieser sei nicht behandelt und naturbelassen.
Auch durch die Verwendung der Bezeichnung „Fang & Frisch“, die auf der Fischverpackung aufgebracht ist, verstößt die Beklagte gegen § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 LFGB. Auch die Bezeichnung „Fang & Frisch“ versteht der Verbraucher nicht als Markenname, sondern bezieht sie auf die Eigenschaften des Fisches. Auch wenn der Beklagten zuzugeben ist, dass die Begriffe „fang“ und „frisch“ an sich nicht diese Bedeutung haben, wecken sie dennoch im Verbraucher den Eindruck, es handele sich um fangfrischen Fisch. Diese Assoziation wird durch die Verwendung der beiden Begriffe, die nur durch ein &-Zeichen verbunden sind, hervorgerufen. Dass der Fisch aber nicht fangfrisch und dementsprechend unbehandelt ist, sondern mit Konservierungsstoffen haltbar gemacht wurde, erwartet der Verbraucher nicht.
III. Hinsichtlich der Bewerbung des Pangasius als „Fang & Frisch“ steht dem Kläger gegen die Beklagte ein Unterlassungsanspruch aus §§ 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2, 5 UKlaG i.V.m. § 4 Nr. 11 UWG, § 11 Abs. 1 LFGB auch deshalb zu, weil dieser Fisch tatsächlich gekühlt und wieder aufgetaut wurde. Indem die Beklagte Pangasius unter der Bezeichnung „Fang & Fisch“ vertreibt, der tatsächlich zwischendurch jedenfalls unstreitig stark gekühlt war, um ihn transportieren zu können, verstößt sie gegen § 3, 4 Nr. 1 UWG i.V.m. § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 LFBG. Denn die Bezeichnung „Fang & Frisch“ suggeriert, dass es sich um fangfrischen Fisch handelt, der dementsprechend gefangen und dann direkt verpackt und an den Einzelhandel ausgeliefert wurde. Dass der Fisch tatsächlich zunächst stark gekühlt und von Vietnam nach Deutschland transportiert wurde, erwartet der Verbraucher nicht. Darauf, ob der Fisch tiefgefroren oder nur derart stark gekühlt war, dass er eine weite Strecke transportiert werden konnte, kommt es nicht an. Denn jedenfalls wird der Verkehr darüber getäuscht, dass der Fisch tatsächlich nicht fangfrisch ist, sondern zwischendurch durch Kühlung behandelt und haltbar gemacht wurde, um den Transport zu überstehen.
IV. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Unterlassungsanspruch aus §§ 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2, 5 UKlaG i.V.m. § 4 Nr. 11 UWG, § 3 Nr. 3 LMKV insofern zu, als das Zutatenverzeichnis in der auf der Verpackung abgebildeten Schrift gestaltet ist.
Das Zutatenverzeichnis, so wie es auf der Verpackung erscheint, genügt nicht den Anforderungen des § 3 Nr. 3 LMKV. Eine deutliche Lesbarkeit im Sinne dieser Vorschrift ist gegeben, wenn das Verzeichnis für einen normalsichtigen Betrachter unter normalen Sichtverhältnissen ohne besondere Konzentration und Anstrengung lesbar ist, was in der Regel der Fall ist, wenn eine 6-Punkt-Schrift verwendet wird. Zwar können besondere, die Deutlichkeit des Schriftbildes in seiner Gesamtheit fördernde Umstände eine andere Würdigung rechtfertigen (BGH, Urteil vom 10.12.1986, Az. I ZR 213/84, 6-Punkt-Schrift). Eine Schriftgröße, die kleiner ist als 6-Punkt-Schrift, kann aber nur ausnahmsweise und nur dann ausreichend sein, wenn besondere, die Deutlichkeit des Schriftbildes in seiner Gesamtheit fordernde Umstände die tatrichterliche Würdigung rechtfertigen, dass auch eine jene Grenze unterschreitende Schrift ausnahmsweise noch ohne besondere Konzentration und Anstrengung lesbar ist (OLG Köln, Urteil vom 15.07.2011, Az. 6 U 59/11, MD 2011, 911, 915; KG Berlin, Beschluss vom 11.02.2011, Az. 5 W 17/11, WRP 2011, 497, 498). Die Schrift des Zutatenverzeichnisses auf den streitgegenständlichen Verpackungen ist nicht nur nicht unwesentlich kleiner als 6-Punkt-Schrift, wie der vom Kläger zur Akte gereichte Vergleich (Anlage K8, Bl. 104 d.A.) deutlich macht. Auch wenn die Buchstaben in fetter schwarzer Schrift auf weißem Grund gedruckt sind, was einen gewissen Kontrast gewährleistet, kann dies keine Ausnahme von Grundsatz der Sechs-Punkt-Schrift begründen. Denn dieser Umstand alleine ist nicht ausreichend, um eine Lesbarkeit ohne Anstrengung zu gewährleisten. Um eine deutliche Lesbarkeit zu erreichen, müssten im konkreten Fall weitere Umstände wie ein größerer Zeilen- oder auch Buchstabenabstand hinzutreten.
V. Der Kläger hat auch einen Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Abmahnkosten aus § 5 UKlaG i.V.m. § 12 Abs. 1 S. 2 UWG bzw. §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB. Die Abmahnung war berechtigt und begründet. Da dem Kläger die erforderlichen Aufwendungen zu ersetzen sind, hat er einen Anspruch auf Ersatz einer Kostenpauschale, die sich anhand der anteiligen Personal- und Sachkosten für die Abmahntätigkeit berechnet (Bornkamm a.a.O., § 12, Rn. 1.98).
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB, 261 Abs. 1, 253 Abs. 1 ZPO.
VI. Die Nennung des Begriffs „ökologisch“ im Siegel des Labors D führt aus mehreren Gründen nicht zu einem Unterlassungsanspruch des Klägers aus §§ 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2, 5 UKlaG i.V.m. § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. Art. 23 Abs. 1 VO (EG) Nr. 834/07.
Zum einen stellt die Nennung des Begriffs „ökologisch“ als einer von mehreren Unterpunkten im Siegel des Labors D schon gar keine spürbare Beeinträchtigung von Verbrauchern dar. Der angemessen aufmerksame und kritische Durchschnittsverbraucher, auf den für die Frage der Spürbarkeit für den Verbraucher abzustellen ist (Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Auflage 2011, § 3, Rn. 13), wird dem Siegel nur einen kurzen Blick widmen und dabei sehen, dass vom Labor D ein Test durchgeführt wurde. Ggf. wird er noch prüfen, was vom Labor D getestet wurde. Darüber gibt ihm die Überschrift auf dem Siegel „Geprüfte Nachhaltigkeit & Qualität“ Aufschluss. Weiter wird er sich mit dem Siegel nicht beschäftigen.
Zum anderen unterfällt das Produkt als Fisch, der im Nordostatlantik gefangen wurde, auch gar nicht dem Anwendungsbereich der VO (EG) Nr. 834/2007, weil es sich um Fisch handelt, der der Fischerei wild lebender Tiere entstammt und damit dem Ausnahmetatbestand des Art. 1 Abs. 2 S. 2 der VO unterfällt. Der Satz in Art. 1 Abs. 2 S. 2 der VO (EG) Nr. 834/2007, der lautet „Die Erzeugnisse der Jagd und der Fischerei wild lebender Tiere gelten nicht als aus ökologischer/biologischer Produktion stammend“ bedeutet nicht, dass solche Erzeugnisse nicht als „ökologisch“ bezeichnet werden, sondern nur, dass die Verordnung auf diese nicht anwendbar ist. Dies ergibt sich daraus, dass in Art. 2 der VO (EG) Nr. 834/2007 nur deren Anwendungsbereich geregelt wird. Es verhält sich aber nicht so, dass sämtliche Produkte, die nicht dem Anwendungsbereich der VO (EG) Nr. 834/2007 unterfallen, überhaupt und unter keinen Umständen als „bio“ oder „ökologisch“ beworben werde dürfen. Die VO (EG) Nr. 834/2007 regelt nur die Voraussetzungen für die Bezeichnung mit den vorgenannten Begriffen für solche Produkte, die von der VO (EG) Nr. 834/2007 erfasst sind.
Dies wird auch deutlich, wenn man den Sinn und Zweck der VO (EG) Nr. 834/2007 betrachtet, das Vertrauen der Verbraucher in als biologisch oder ökologisch bezeichnete Produkte zu wahren (Erwägungsgrund 3 der VO (EG) Nr. 834/2007). Denn Fisch, der wild gefangen und gar nicht gezüchtet oder künstlich gefüttert wird, wird von der Mehrheit der Verbraucher viel eher als ökologisch betrachtet werden als solcher, der in Aquakulturen künstlich unter bestimmten Voraussetzungen erzeugt wird.
Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 92 Abs. 1 S. 1, 709 ZPO.
Streitwert: EUR 60.000,00
LG Köln:
Urteil v. 17.11.2011
Az: 31 O 264/11
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