Bundespatentgericht:
Beschluss vom 23. September 2002
Aktenzeichen: 9 W (pat) 26/01
(BPatG: Beschluss v. 23.09.2002, Az.: 9 W (pat) 26/01)
Tenor
Auf die Beschwerde der Patentinhaberin wird der Beschluss der Patentabteilung 12 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 6. Februar 2001 aufgehoben und das Patent 44 01 827 beschränkt aufrechterhalten unter Streichung des Satzes in der Beschreibung der Patentschrift Spalte 4 Zeile 68 bis Spalte 5 Zeile 6.
Gründe
I.
Die Patentabteilung 12 des Deutschen Patent- und Markenamts hat nach Prüfung des Einspruchs das am 22. Januar 1994 unter Inanspruchnahme der Priorität DE 43 03 482.9 vom 6. Februar 1993 angemeldete Patent mit der Bezeichnung
"Vorrichtung zur gelenkigen Verbindung von Rohren einer Abgasanlage"
mit Beschluss vom 6. Februar 2001 widerrufen. Sie ist der Auffassung, dass dahinstehen könne, ob der Streitgegenstand nach dem erteilten Patentanspruch 1 neu sei. Denn dieser beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, da der zuständige Fachmann im Rahmen seines fachmännischen Könnens und im Bemühen, die aus der DE 33 21 382 A1 bekannte Vorrichtung zu verbessern, aus der GB 962 639, insbes. Fig 7, Anregungen erhalte, die ihn zum beanspruchten Gegenstand führten.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Patentinhaberin mit ihrer Beschwerde. Sie legt in drei Hilfsanträgen weitere Patentbegehren vor und führt zur Begründung ihrer Beschwerde aus, dass die mit dem erteilten Patentanspruch 1 oder mit den Patentansprüchen 1 gemäß den Hilfsanträgen beanspruchten Gegenstände neu seien und durch den von der Einsprechenden angeführten Stand der Technik nicht nahegelegt würden.
Die Patentinhaberin beantragt, den Beschluss der Patentabteilung 12 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 6. Februar 2001 aufzuheben und das Patent 44 01 827 aufrechtzuerhalten unter Streichung des im Beschlusstenor angegebenen Satzes der Patentschrift.
Hilfsweise beantragt sie das Patent gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 3 beschränkt aufrechtzuerhalten.
Die Einsprechende beantragt, die Beschwerde der Patentinhaberin gegen den angefochtenen Beschluss zurückzuweisen.
Nach ihrer Auffassung ist der beanspruchte Gegenstand nach Hauptantrag aus der GB 962 639 bekannt. Außerdem werde ein derartiger Gegenstand dem Fachmann durch eine Zusammenschau der DE 33 21 382 A1 mit der GB 962 639 oder der US 4 643 463 jeweils mit der GB 962 639 oder der DE 33 21 382 A1 nahegelegt.
Der erteilte Patentanspruch 1 (Hauptantrag) lautet:
Vorrichtung zum gelenkigen Verbinden von Rohren einer Abgasanlage eines Kraftfahrzeugs, mit einem Rohrabschnitte verbindenden flexiblen Leitungsteil, gekennzeichnet durchdas flexible Leitungsteil (3) umgebende, mit jeweils einem Rohrabschnitt (1, 2) verbundene Gehäuseteile (6, 7), die wechselseitig axial ineinandergreifende Vorsprünge (8, 9) aufweisen, und durch mindestens ein beide Gehäuseteile (6, 7) im Bereich ihrer Vorsprünge (8, 9) über ihren Umfang hin verbindendes, zum flexiblen Leitungsteil (3) koaxiales Ringteil (10), das rückstellbar nachgiebig ausgebildet ist und an den Vorsprüngen gegen axiales Verrutschen gesichert ist.
Dem Patentanspruch 1 schließen sich 19 weitere rückbezogene Patentansprüche an.
Zu den Patentansprüchen gemäß den Hilfsanträgen wird auf die Gerichtsakte (Bl 21, 22, 26 bis 29, 33 und 36) verwiesen.
II.
Die statthafte Beschwerde der Patentinhaberin ist frist- und formgerecht eingelegt worden und auch sonst zulässig. In der Sache führt sie zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Aufrechterhaltung des Patents im beschränkten Umfang.
1. Das Streitpatent betrifft eine Vorrichtung zum gelenkigen Verbinden von Rohren einer Abgasanlage eines Kraftfahrzeugs, dessen Rohrabschnitte mit einem flexiblen Leitungsteil verbunden sind. Derartige Rohre unterliegen Verschiebungen in Längs-(Axial-) oder in Quer-(Lateral-)richtung. Außerdem können sich ihre Rohrachsen zueinander neigen (Angularbewegung). Ferner treten Torsionskräfte und Vibrationsbelastungen auf. Um das flexible Leitungsteil zu schützen, sind Vorrichtungen bekannt, die diese auftretenden Bewegungen und damit verbundenen Belastungen entweder zwischen den Rohrabschnitten übertragen oder absorbieren.
Mit den im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmalen soll eine Vorrichtung geschaffen werden, die bei geringem Gewicht sowie einfacher und damit preiswerter Ausbildung dennoch sämtliche auftretenden Bewegungen, insbesondere Schwingungsbewegungen und einwirkende Kräfte zuverlässig und sicher aufnimmt.
Die beanspruchte Vorrichtung (vgl eine vorstehend wiedergegebene Ausführungsform) weist folgende Merkmale auf:
1. Vorrichtung zum gelenkigen Verbinden von Rohren einer Abgasanlage eines Kraftfahrzeugs.
2. Die Rohrabschnitte 1, 2 sind mit einem flexiblen Leitungsteil 3 verbunden.
3. Jeweils ein Rohrabschnitt 1, 2 ist mit einem Gehäuseteil 6, 7 verbunden.
4. Die Gehäuseteile 6, 7 umgeben das flexible Leitungsteil 3.
5. Die Gehäuseteile 6, 7 weisen wechselseitig axial ineinandergreifende Vorsprünge 8, 9 auf.
6. Es ist ein Ringteil 10 vorgesehen.
7. Das Ringteil 10 verbindet beide Gehäuseteile 6, 7 im Bereich ihrer Vorsprünge 8, 9 über ihren Umfang hin.
8. Das Ringteil 10 ist zum flexiblen Leitungsteil 3 koaxial angeordnet.
9. Das Ringteil 10 ist rückstellbar nachgiebig ausgebildet.
10. Das Ringteil 10 ist an den Vorsprüngen 8, 9 der Gehäuseteile 6, 7 gegen axiales Verrutschen gesichert.
Die beiden mit den Rohrabschnitten verbundenen Gehäuseteile umgeben das flexible Leitungsteil und schützen dieses. Das auf den Vorsprüngen der Gehäuseteile axial festgelegte Ringteil nimmt die im Betrieb des Kraftfahrzeugs zwischen den Rohren der Abgasanlage auftretenden axialen, angularen und lateralen Kräfte auf. Da es rückstellbar nachgiebig ausgebildet ist, trägt es zusätzlich zur Dämpfung von Schwingungen bei.
2. Der erteilte Patentanspruch 1 ist unstreitig zulässig. Der in ihm angegebene Gegenstand ist neu. Als zuständiger Fachmann ist nach übereinstimmender Angabe der Parteien in der mündlichen Verhandlung ein Kfz-Ingenieur anzusehen, der im Bereich Abgasanlagen für Kraftfahrzeuge tätig ist und der sich bei dem anstehenden Problem im Bereich von Rohrleitungsverbindungen umsieht oder einen diesbezüglichen Fachmann zu Rate zieht.
Bei der aus der DE 33 21 382 A1 bekannten gelenkigen Rohrleitungsverbindung, mit der Rohre einer Abgasanlage von Kraftfahrzeugen miteinander verbunden werden, sind ein Rohrabschnitt 12 und ein in nebenstehender Figur (Fig 1 der Entgegenhaltung) gestrichelt dargestellter Rohrabschnitt durch ein flexibles Leitungsteil 11 miteinander verbunden. An jedem Rohrabschnitt ist jeweils ein Gehäuseteil 21, 22 befestigt. Beide Gehäuseteile sind in radialer Richtung so profiliert, dass sie sich übergreifen und zwischen sich Taschen ausbilden. Diese Taschen können ringförmig ausgebildet sein und ebenfalls ringförmige kompressible Dämpfungskissen 27, 28 aus verpresstem Metalldraht aufnehmen. Es können zwei ringförmige Dämpfungskissen vorgesehen sein, die bei Axialbewegungen der Rohrenden abwechselnd auf Druck belastet werden (Fig 1), oder es kann ein einziges, mit den Gehäuseteilen fest verbundenes Dämpfungskissen vorgesehen sein, das zusätzlich Zugkräfte aufnehmen kann (Fig 4 und S 9, letzter Abs, S 19, Abs 1). Es sind spezielle Dämpfungskissen aus verpreßtem Metalldraht vorgesehen, die stark dämpfend ausgebildet sind und kaum noch federnde Eigenschaft Von dieser bekannten Rohrleitungsverbindung unterscheidet sich der Gegenstand nach Patentanspruch 1 des Streitpatentes dadurch, dass die Gehäuseteile wechselseitig axial ineinandergreifende Vorsprünge aufweisen, an denen das Ringteil gegen axiales Verrutschen gesichert ist (Merkmale 5, 7 und 10 des Patentanspruchs 1). Durch diese Unterschiedsmerkmale ergibt sich offensichtlich der wirkungsmäßige Unterschied, dass das Ringteil bei einer Bewegung der Rohrenden zueinander nicht in Querrichtung auf Druck und Zug, sondern in dessen Längsrichtung auf Zug und Biegung belastet wird.
Aus der GB 962 639 ist eine gelenkige Rohrverbindung für Gas- oder Flüssigkeitsleitungen bekannt. Zwei Rohrabschnitte 1, 2 sind durch ein flexibles Leitungsteil 3 miteinander verbunden (vgl nebenstehende Fig 1). An den Rohrabschnitten sind Ringe 4, 5 befestigt, die über Zuganker 7 mit einem starren Ring 6 verbunden sind. Diese Anordnung dient der Übertragung von Axialkräften zwischen den Rohrabschnitten. Die Zuganker sind so elastisch ausgeführt, dass sie eine Angularbewegung der Rohrabschnitte zulassen. Die Angularbewegung wird durch das Zusammenwirken einer Ringhülse 10 mit Ringen 8 begrenzt.
Sollen zusätzlich zu den Axial- und Angularkräften noch Quer- oder Torsionskräfte übertragen werden, sind zusätzliche Verbindungselemente ("shunt") vorgesehen (aaO S 3, Z 57 bis 63). Nach der nachstehend abgebildeten Fig 7 dieser Druckschrift weisen diese zusätzlichen Verbindungselemente an den Rohrabschnitten 1, 2 befestigte Halteglieder 14, 16, 18 auf, die jeweils durch Zugstangen 15 miteinander verspannt sind (aaO S 3, Z 122 bis S 4, Z 3). Entgegen der Auffassung der Einsprechenden handelt es sich hierbei nicht um eine zu Fig 1 alternative Ausführungsform. Dies folgt bereits daraus, dass die in Fig 7 dargestellte Ausgestaltung in den auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentanspruch 13 aufgenommen ist, wobei der Patentanspruch 1 die Ausführung nach Fig 1 umfasst. Somit zeigt Fig 7 eine vorteilhafte Weiterbildung der Ausführung nach Fig 1. Außerdem ergibt sich aus S 3, Z 57 bis 63, der Beschreibung eindeutig, dass diese Ausführung als Ergänzung der Rohrverbindung speziell für die Übertragung von Quer- und Torsionskräften vorgesehen ist. Eine zusätzliche Bestätigung für diese Auffassung ergibt sich aus der Tatsache, dass die in den Figuren 5 und 8, 9 dargestellten alternativen Ausführungsformen von "Shunts" ohne Axialkraftübertragungselemente nicht funktionieren würden, da die zur Torsionskraftübertragung dienenden Nuten und Zapfen bei einer Zugbelastung der Rohrabschnitte außer Eingriff gelangen würden.
In Fig 7 der GB 962 639 ist somit lediglich ein Einzelteil der in dieser Druckschrift beschriebenen gelenkigen Rohrverbindung dargestellt, die insgesamt aus den in Fig 1 dargestellten Elementen zur Übertragung von Axial- und Angularkräften und der Begrenzungsvorrichtung für Angularbewegungen sowie den in Fig 7 dargestellten Elementen zur Übertragung von Lateral- und Torsionskräften besteht.
Doch selbst wenn der Fachmann in Verkennung der tatsächlichen Lehre der GB 962 639 die in Fig 7 dargestellten Elemente als eigenständige gelenkige Rohrverbindung ansehen sollte, ist trotzdem die Neuheit des beanspruchten Gegenstandes gegeben. Denn das in Fig 7 dargestellte Einzelteil weist zumindest keine Gehäuseteile auf, die jeweils mit einem Rohrabschnitt verbunden sind und die zusammen das flexible Leitungsteil umgeben (Merkmale 3, 4).
Die von der Einsprechenden noch angeführte US 4 643 463 zeigt eine Kardangelenkverbindung zwischen zwei Rohren. Die Rohrabschnitte 12, 14 sind durch ein flexibles Leitungsteil 26 miteinander verbunden. An den Rohrabschnitten 12, 14 sind Gehäuseteile 16, 2 die das flexible Leitungsteil 26 umgeben. Diese Gehäuseteile weisen Vorsprünge 18, 22 auf, die über Bolzen 28 bis 31 mit einem starren Ringteil 24 gelenkig verbunden sind. Die Gehäuseteile 16, 20 sind auf ihren Außenseiten sphärisch ausgebildet und bilden zusammen mit den ebenfalls sphärisch ausgebildeten Innenseiten des Ringteils 24 einen Dichtspalt, der bei einer Beschädigung des flexiblen Leitungsteils 26 für eine noch ausreichende Dichtheit der Rohrleitungsverbindung sorgen soll (aaO Sp 1, Z 49 bis 51, Sp 2, Z 63 bis Sp 3, Z 9, Sp 4, Z 13 bis 27 und Sp 5, Z 40 bis 53). Von dieser Rohrverbindung unterscheidet sich die beanspruchte Vorrichtung unstreitig zumindest dadurch, dass das Ringteil rückstellbar nachgiebig ausgebildet ist (Merkmal 9).
3. Die beanspruchte Vorrichtung zum gelenkigen Verbinden einer Abgasanlage eines Kraftfahrzeugs ist ohne Zweifel gewerblich anwendbar und beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, da eine derart gestaltete Vorrichtung dem zuständigen Fachmann durch den angeführten Stand der Technik auch unter Berücksichtigung seines Fachwissens nicht nahegelegt wird.
Wie die Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, sind erst ab Ende der siebziger Jahre Vorschläge für eine gelenkige Verbindung von Rohren einer Kfz-Abgasanlage mit einem flexiblen Leitungsteil gemacht worden. Die Patentinhaberin verweist dazu auf die in der DE 33 21 382 A1 angeführte DE-OS 28 38 990, die erstmalig einen derartigen Vorschlag enthalte. Bei Rohrleitungen für Abgasanlagen handelt es sich um Rohre mit einem Durchmesser von wenigen Zentimetern. Das Abgassystem wird zum einen durch hochfrequente, vom Motor ausgehende Schwingungen von mehr als 100 Hz und zum anderen durch von den Fahrbewegungen ausgehende Schwingungen von etwa 1-0,1 Hz belastet. Bei einer gelenkigen Rohrverbindung ist daher nicht nur der Schutz des flexiblen Leitungsteils vor Beschädigungen wesentlich, sondern zusätzlich ist eine schwingungsmäßige Entkoppelung von Kfz-Motor und Abgasanlage erforderlich. Diese Gesichtspunkte, denen die Einsprechende im übrigen nicht widersprochen hat, sind nach Angaben der Patentinhaberin vom zuständigen Fachmann bei der Betrachtung des Standes der Technik zu berücksichtigen.
Es ist unstreitig, dass aus der DE 33 21 382 A1 eine gelenkige Rohrverbindung für Abgasanlagen bekannt ist, bei der diese Anforderungen berücksichtigt sind. Wie zur Neuheit ausgeführt wurde, weist diese Rohrverbindung die Merkmale 1 bis 4, 6, 8 und 9 des Patentanspruchs 1 gemäß Streitpatent auf. Die das flexible Leitungsteil umgebenden Gehäuseteile, die sich einander in radialer Richtung übergreifen und zwischen sich Taschen ausbilden, schützen das Leitungsteil. Das Ringteil, das vor allem dämpfende Eigenschaften aufweist, bewirkt eine Entkoppelung der Schwingungen von Kfz-Motor und Abgasanlage.
In seinem Bestreben, diese Vorrichtung zu vereinfachen und in der Baugröße zu reduzieren, kann der zuständige Fachmann der GB 962 639 keine Anregungen entnehmen. Diese gibt nämlich die Lehre, zwei separate Vorrichtungen zur Kraftübertragung vorzusehen, nämlich die in Fig 1 dargestellte Vorrichtung zur Übertragung von Axial- und Angularkräften und eine der in den Fig 5 bis 9 dargestellten Zusatzverbindungen ("shunts") für Lateral- und Torsionskräfte. Hinzu kommt, dass dort eine in Axialrichtung im wesentlichen starre Verbindung gezeigt ist, die gerade noch die für Angular- und Lateralbewegungen erforderliche Elastizität aufweist (aaO S 1, Z 41 bis 44 und S 2, Z 91 bis 102). Eine Dämpfung von Schwingungen der beiden Rohrabschnitte ist nicht vorgesehen. Diese Lehre führt daher zu einer für Abgasanlagen nicht geeigneten, sehr aufwendigen Konstruktion, die darüber hinaus nicht geeignet ist, Schwingungen zu dämpfen.
Selbst wenn der Fachmann auf die Idee kommen sollte, dass die in Fig 7 dargestellte Zusatzverbindung entgegen der dort gegebenen Lehre auch geeignet sein könnte, Axialkräfte zu übertragen, gelangt er nicht ohne erfinderische Tätigkeit zum Beanspruchten. Denn einer Übertragung der aus der GB 962 639 bekannten Halteglieder 14, 16, 18 und der Zugstangen 15 auf die aus der DE 33 21 382 A1 bekannte Vorrichtung steht entgegen, dass ein Ersatz der Dämpfungskissen durch die Zugstangen zu einer vollkommen elastischen Verbindung der Rohrenden führen würde, die nahezu ohne dämpfende Eigenschaft wäre. Dies würde der von der DE 33 21 382 A1 gegebenen Lehre widersprechen, wonach eine elastische Verbindung ausdrücklich als nachteilig angesehen wird (aaO S 7, Abs 1).
Auch eine Zusammenschau der US 4 643 463 entweder mit der GB 962 639 oder der DE 33 21 382 A1 kann nicht zum Beanspruchten führen. Entgegen der Auffassung der Einsprechenden schließt der Fachmann nämlich einen Ersatz des aus der US 4 643 463 bekannten starren Kardanringes 24 durch das aus der DE 33 21 382 A1 bekannte Ringteil oder durch die Zugstangen gemäß GB 962 639 von vornherein aus. Denn für die Funktionsweise dieses Kardangelenkes kommt es gerade auf eine vollständige Starrheit des Kardanringes an. Diese ist dort unbedingt erforderlich, um die Position der Gehäuseteile exakt festzulegen. Der sekundäre Dichtspalt zwischen den Gehäuseteilen und dem Kardanring weist nämlich lediglich bis zu minimal 0,25 mm auf (aaO Sp 4, Z 22 bis 27). Um ein Verklemmen zu vermeiden, darf diese Größe des Dichtspalts auf keinen Fall unterschritten werden. Dementsprechend sind dort die hochbelasteten Bereiche des Kardanringes zusätzlich verstärkt, um dessen Starrheit weiter zu erhöhen (aaO Sp 5, Z 54 bis 63). Die Lehren nach der DE 33 21 382 A1 und der GB 962 639 sind hiermit nicht vereinbar. Denn deren Lehre, das Ringteil kompressibel oder elastisch auszuführen, würde bei einer Übertragung auf den Kardanring Verschiebungen des Kardanringes und der beiden Gehäuseteile zueinander ermöglichen, die zu einem Verklemmen des Kardangelenkes und damit zu dessen Funktionsunfähigkeit führen würden. Eine Kombination dieser Lehren entspricht somit nicht einem fachmännischen Vorgehen, sondern muss als Ex-PostÜberlegung angesehen werden.
4. Das Patent war im beschränkten Umfang aufrechtzuerhalten.
Die Patentinhaberin hat die Aufrechterhaltung des Patents in vollem Umfang bei Streichung eines Satzes in der Beschreibung beantragt. Diese Streichung sieht der erkennende Senat als Beschränkung an.
Die Beschreibung und die Zeichnungen sind zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen. Diese Auslegung dient nicht nur der Behebung etwaiger Unklarheiten in den Patentansprüchen, sondern auch zur Erläuterung der darin verwendeten technischen Begriffe sowie zur Klärung der Tragweite der im Patent beschriebenen Erfindung (Schulte PatG 6. Auflage, § 14 Rdn 20). Abzustellen ist dabei auf die Sicht des Fachmanns, von dessen Verständnis diese Bestimmung des Inhalts der Patentansprüche einschließlich der dort verwendeten Begriffe abhängt.
Im vorliegenden Fall könnte der Fachmann durch den gestrichenen Satz in der Beschreibung angeregt werden, den Patentanspruch 1 über seinen reinen Wortlaut hinausgehend allgemeiner zu interpretieren. Denn - wie den ursprünglich eingereichten Unterlagen zu entnehmen ist - kann die Erfindung auf zwei Wegen realisiert werden: entweder ist das Ringteil rückstellbar nachgiebig ausgebildet und übernimmt die Federung und Dämpfung auftretender Vibrationen oder diese Aufgabe wird von den federnden Vorsprüngen übernommen und das Ringteil kann - wie im gestrichenen Satz der Beschreibung angegeben - starr ausgebildet sein. Durch die Streichung des Satzes in der Beschreibung ist eine Auslegung des Patentanspruchs 1 derart, dass er auch die zweite Variante umfasst, nicht mehr möglich, da nunmehr jeder Hinweis hierauf fehlt. Somit hat diese Streichung eine Beschränkung der Erfindung auf den dem Wortlaut des Patentanspruchs 1 entsprechenden Gegenstand zur Folge.
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BPatG:
Beschluss v. 23.09.2002
Az: 9 W (pat) 26/01
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