Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. Juni 2009
Aktenzeichen: 14 W (pat) 52/05
(BPatG: Beschluss v. 18.06.2009, Az.: 14 W (pat) 52/05)
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und das Patent erteilt.
Bezeichnung: Thermisch hochbelastbarer Glaskeramikoder Glaskörper dekoriert mit einer Farbe auf der Basis einer silikatischen Schmelze, die mit Effektpigmenten versehen ist Anmeldetag: 6. Mai 2004 Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zu Grunde:
Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag, eingegangen am 28. Mai 2009, Patentansprüche 2 bis 9 vom 18. Juli 2006, Beschreibung Seiten 1, 1a, 3, 3a, 4, 4a und 5 vom 14. Juli 2006, Beschreibung Seiten 2 und 6 bis 9, eingegangen am 6. Mai 2004.
Gründe
I Mit Beschluss vom 12. August 2005 hat die Prüfungsstelle für Klasse C03C des Deutschen Patentund Markenamts die am 6. Mai 2004 eingereichte Patentanmeldung 10 2004 022 257.6 -45 mit der Bezeichnung "Thermisch hochbelastbarer Glaskeramikoder Glaskörper dekoriert mit einer Farbe auf der Basis einer silikatischen Schmelze, die mit Effektpigmenten versehen ist"
zurückgewiesen.
Zur Begründung des Beschlusses hat die Prüfungsstelle im Wesentlichen ausgeführt, die beanspruchte thermisch hochbelastbare Glaskeramikoder der Glaskörper beruhe gegenüber den Druckschriften
(1) WO 00/17277 A1
(2) EP 0 948 572 B1
(3) EP 1 281 732 A1
(4) DE 695 26 050 T2
(5) DE 198 17 286 A1
(6) DE 199 05 427 A1
(7) DE 199 01 609 A1 und
(8) DE 198 03 550 A1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. In den Entgegenhaltungen (1) bis (8) sei ausgesagt, die darin beschriebenen Pigmente seien zur Pigmentierung von Glasuren für Keramiken und Gläser geeignet. Der Fachmann lese silikatische Schmelzen im Sinne der Anmeldung unter dem Begriff "Glasur" mit. Insofern könne der Behauptung der Anmelderin, eine Glasur, wie in der dem Offenbarungsumfang der Anmeldung zuzurechnenden DE 197 21 737 C1 beschrieben, sei keine Dekorfarbe auf Basis einer silikatischen Schmelze, nicht gefolgt werden. Selbst wenn die Entgegenhaltungen (1) bis (8) keine Beispiele hierfür angeben würden, sei der Fachmann aus seinem Wissen heraus in der Lage, Effektpigmente in Dekorüberzugsmassen auf der Basis silikatischer Schmelzen einzusetzen, denn hierzu müsse er lediglich orientierende Versuche durchführen. Soweit das Dekorieren von Glaskeramikoder Glaskörpern mit Dekorfarben, die temperaturempfindliche Effektpigmente enthielten, besondere Schwierigkeiten aufwerfe, weil die Pigmente der Verarbeitungstemperatur der silikatischen Schmelze nicht Stand hielten, offenbare die Beschreibung der Streitanmeldung nicht, wie die Schwierigkeiten zu überwinden seien. Da die Anmeldung ohnehin mangels Patentfähigkeit des Anmeldegegenstandes scheitere, könne die Frage der Zulässigkeit der Verwendung von Warenzeichen in einem überarbeiteten Hauptanspruch, den die Anmelderin nach dem ersten Bescheid der Prüfungsstelle vorgelegt habe, dahingestellt bleiben.
Gegen diesen Beschluss hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt. Sie verfolgt ihr Patentbegehren mit den im Tenor genannten Unterlagen gemäß Hauptantrag weiter.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:
"Thermisch hochbelastbarer Glaskeramikoder Glaskörper, ausgebildet als Kochfläche in Kochfeldern, Kaminsichtscheibe, Sichtfenster von Backöfen oder Lampenabdeckungen, dekoriert mit einer Farbe auf der Basis einer silikatischen Schmelze, die mit Effektpigmenten versehen ist, dadurch gekennzeichnet, dass die silikatische Schmelze der Dekorfarbe im vorgegebenen Anteil Spezial-Effektpigmente enthält, die auf dem dekorierten Glaskeramikoder Glaskörper einen Farb-Flop-Effekt zeigen, und die durch Effektpigmente in Form von synthetisch hergestellten, planparallelen Siliziumdioxid (SiO2)-Plättchen, die mit Metalloxiden belegt und unter der Handelsbezeichnung Colorstream¨ im Handel sind, gebildet sind."
Die rückbezogenen Ansprüche 2 bis 9 gemäß Hauptantrag sind auf Weiterbildungen der thermisch hochbelastbaren Glaskeramikoder Glaskörper nach Anspruch 1 gerichtet. Wegen ihres Wortlauts als auch wegen des Wortlauts des Anspruchs 1 des Hilfsantrags wird auf die Akten verwiesen.
Die Anmelderin macht unter Hinweis auf die DIN-Norm 55943 geltend, der beanspruchte Gegenstand beruhe gegenüber dem von der Prüfungsstelle genannten Stand der Technik auf erfinderischer Tätigkeit; die Prüfungsstelle habe bei ihrer Beurteilung der Patentfähigkeit die entscheidende Eigenschaft der Colorstream-Pigmente, i. e. ihr Temperaturverhalten, nicht beachtet. Es sei den im Prüfungsverfahren nachgereichten technischen Datenblättern jedoch zu entnehmen gewesen, dass die fraglichen Pigmente nur bis 230¡C temperaturstabil seien, so dass sie für eine silikatische Schmelzbeschichtung, die der DIN-Norm entsprechend bei Temperaturen über 450¡C angebracht werde, für den Fachmann per se nicht in Betracht gekommen seien. Mithin sei es das Verdienst der Erfinder, erkannt zu haben, dass sich die Pigmente für den angegebenen Zweck eignen.
Auch die Frage der Verwendung von Warenzeichen als kennzeichnende Anspruchsmerkmale habe die Prüfungsstelle im Zurückweisungsbeschluss nicht diskutiert. Im vorliegenden Fall gehe es jedoch auch nicht um die Kennzeichnung eines Sachanspruches durch ein Warenzeichen, vielmehr beschreibe die firmenmäßige Handelsbezeichnung die Effektpigmente selbst. Eine Handelsbezeichnung werde aber, wie beispielsweise dem Auszug aus einem Leitfaden der Bundeswehr für die Beschaffung von Versorgungsartikeln zu entnehmen sei, nachhaltig gehandhabt, so dass sie zu einer anerkannt eindeutigen Kennzeichnung der Effektpigmente führe.
Die Anmelderin beantragt sinngemäß, den Beschluss vom 12. August 2005 aufzuheben und die Erteilung eines Patents zu beschließen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.
II Die zulässige Beschwerde ist begründet (PatG § 73); sie hat auch Erfolg.
1. Die geltenden Ansprüche 1 bis 9 sind zulässig.
Die Offenbarung der Ansprüche 1 bis 9 gemäß Hauptantrag ist nicht zu beanstanden. Der geltende Anspruch 1 lässt sich aus den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 1 bis 3 und 12 in Verbindung mit der ursprünglichen Beschreibung, Seite 1 und 5, jeweils letzter Absatz herleiten. Die Ansprüche 2 bis 9 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 4 bis 11.
Bedenken in formaler Hinsicht bestehen darüber hinaus nicht. Der Umstand, dass die im erfindungsgemäßen Erzeugnis verwendeten Effektpigmente nicht durch ihre genaue chemische Zusammensetzung gekennzeichnet sind sondern durch ihre Handelsbezeichnung, macht die betreffenden Ansprüche 1 bis 4 jedenfalls nicht von vornherein unzulässig.
Nach PatG § 34 (3) Nr. 3 muss die Anmeldung einen oder mehrere Patentansprüche enthalten, in denen angegeben ist, was als patentfähig unter Schutz gestellt werden soll. Der Zweck des Anspruchs, die Öffentlichkeit genau darüber zu informieren, was unter Schutz gestellt ist, erfordert es, dass nur klare technische Merkmale verwendet werden (Schulte, PatG, 8. Auflage, § 34 Rdn. 128). Zudem dürfen nach der Patentverordnung PatV vom 1. September 2003 Abschnitt 1 § 5 (1) Satz 3 und 4 Phantasiebezeichnungen, Marken oder andere Bezeichnungen, die zur eindeutigen Angabe der Beschaffenheit eines Gegenstandes nicht geeignet sind, nicht verwendet werden. Kann eine Angabe ausnahmsweise nur durch Verwendung einer Marke eindeutig bezeichnet werden, so ist die Bezeichnung als Marke kenntlich zu machen.
Entgegen der von der Prüfungsstelle im Verlauf des Prüfungsverfahrens vertretenen Auffassung ist diesen Bestimmungen nicht zu entnehmen, dass Handelsbezeichnungen, wie Colorstream¨, Colorstream¨Viola Fantasy, Colorstream¨Autumn Mystery oder Colorstream¨Arctic Fire, in Beschreibung und Ansprüchen grundsätzlich auch dann nicht verwendet werden dürfen, wenn sie die bezeichnete Sache eindeutiger als jede andere Angabe definieren (vgl. GRUR 1978, 709). Dies ist vorliegend insbesondere hinsichtlich des Temperaturverhaltens der Effektpigmente der Fall, da diese Eigenschaft für die Beurteilung der Patentfähigkeit des Anmeldegegenstandes maßgeblich ist. Da die Voraussetzungen der PatV § 5 (1) Satz 3 insofern hier nicht vorliegen, bestehen keine Bedenken (Schulte, PatG, 8. Auflage, § 34 Rdn. 144). Die in Rede stehenden Effektpigmente befanden sich nämlich am Anmeldetag vorliegender Anmeldung im Handel und ihre konkrete Beschaffenheit ließ sich an Hand technischer Datenblätter eindeutig ermitteln, so dass die Öffentlichkeit genau darüber informiert war, was unter Schutz gestellt werden soll. Der Senat hält damit -wie schon in seiner Entscheidung 14 W (pat) 61/82 (Mitt. 1985, 154) -an der Auffassung fest, wonach keine Bedenken gegen die Kennzeichnung eines Stoffes durch ein Warenzeichen erhoben werden, das die Beschaffenheit der mit ihm bezeichneten Komponente eindeutig angibt (so auch BPatG 18, 52 -5 W (pat) 27/75).
Die Ansprüche 1 bis 9 gemäß Hauptantrag sind somit formal gewährbar.
2. Die Neuheit des Gegenstands nach Anspruch 1 des Hauptantrags ist gegeben.
Die Druckschriften (1) bis (8) beschreiben sämtlich Interferenzpigmente, die u. a. in Glasuren, Emails oder Engoben Verwendung finden (vgl. jeweils Ansprüche). Thermisch hochbelastbare Glaskeramikoder Glaskörper, die als Kochfläche in Kochfeldern, Kaminsichtscheibe, Sichtfenster von Backöfen oder Lampenabdeckungen ausgebildet und mit einer Farbe auf der Basis einer silikatischen Schmelze mit Effektpigmenten dekoriert sind, werden darin nicht beschrieben.
Aus dem von der Anmelderin selbst genannten Stand der Technik DE 197 21 737 C1 geht ein Bleiund Cadmiumfreies Glas zum Glasieren, Emaillieren und Dekorieren von Gläsern und Glaskeramiken hervor, bei dem das homogen erschmolzene Glas zu Glaspulver gemahlen wird und das Glaspulver gegebenenfalls nach Zugabe von Pigmenten zum Dekorieren von Glaskeramiken verwendet wird (vgl. Patentschrift DE 197 21 737 C1, Anspr. 1 i. V. m. S. 4, Z. 31 bis 36). Über die Pigmente wird lediglich ausgesagt, dass nur solche, die vom Glasfluss nicht angegriffen werden, verwendet werden dürfen (S. 2, Z. 15 bis 17). Effektpigmente oder Colorstream¨-Produkte, d. h. solche mit einer Temperaturstabilität bis 230¡C, werden hierbei nicht erwähnt.
3. Der Gegenstand gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Aufgabe der vorliegenden Anmeldung ist es, thermisch hochbelastbare Glaskeramikoder Glaskörper mit einer solchen Farbe auf der Basis einer silikatischen Schmelze, die mit speziellen Effektpigmenten versehen ist, zu dekorieren, die eine verminderte Auffälligkeit von Gebrauchsspuren, Kratzern, Metallabrieb gegenüber den bekannten, dekorierten Glaskeramikbzw. Glaskörpern bewirkt (S. 3, Abs. 3 urspr. Beschr.).
Den nächst liegenden Stand der Technik beschreibt nach Überzeugung des Senats die von der Anmelderin selbst genannte Druckschrift DE 197 21 737 C1, die eine vergleichbare Aufgabe löst (vgl. DE 197 21 737 C1 S. 3, Z. 32 bis 39). Darin ist eine als Kochfeld oder Kaminsichtscheibe ausgebildete Glaskeramikoder Glasplatte beschrieben, die mit einer Glasur auf Basis einer silikatischen Schmelze dekoriert ist (Anspr. 1 und 8 i. V. m. S. 2, Z. 7 bis 12 der DE 197 21 737 C1 i. V. m. Anspruch 6 vorliegender Anmeldung). Ausgehend von diesem Stand der Technik erfährt der Fachmann, der auf der Suche zur Lösung der vorgenannten Aufgabe ist, aus der Druckschrift DE 197 21 737 C1 weiter, dass das Einbrennen der Glasuren vorzugsweise während des Keramisierungsprozesses, der je nachdem welche Kristallphase erwünscht ist, bei Temperaturen zwischen 800 bis 950¡C bzw. 900 bis 1200¡C erfolgt (S. 4, Z. 41 bis 44). In Kenntnis dieser Herstellungsweise wird er die Verwendung von Effektpigmenten der Handelsbezeichnung Colorstream¨, die ausweislich der Herstellerangaben lediglich bis 230¡C temperaturstabil sind, nicht für die Verwendung in einer derartigen Schmelze in Betracht ziehen, da er auf Grund der hohen Einbrandtemperaturen mit einer Zerstörung der Pigmente rechnen muss. Die Lehre der Druckschrift DE 197 21 737 C1 führt daher von der Verwendung von Effektpigmenten mit der Handelsbezeichnung Colorstream¨ in einer silikatischen Schmelze weg.
Dem steht auch nicht entgegen, dass die in den Entgegenhaltungen (1) bis (8) beschriebenen Effektpigmente, die einen Farb-Flop erzeugen, grundsätzlich als für Glasuren von Gläsern und Keramik geeignet beschrieben sind. In den Druckschriften (2), (4) bis (6) und (8) wird in den Beispielen jeweils lediglich die Herstellung der Pigmente selbst beschrieben, jedoch keine Anwendungen in einer Dekorfarbe auf Basis einer silikatischen Schmelze, die im vorgegebenen Anteil die Spezial-Effektpigmente in der Schmelze enthält. Insbesondere ist keiner der genannten Schriften eine Anregung dahingehend zu entnehmen, Glaskeramikoder Glaskörper mit einer Dekorfarbe, die Effektpigmente mit der Handelsbezeichnung Colorstream¨, d. h. mit geringer Temperaturstabilität, in ihrem Schmelzanteil enthält, zu versehen.
Die Druckschriften (1), (3) und (7) betreffen ebenfalls Pigmente, die einen FarbFlop-Effekt erzeugen (vgl. jeweils Ansprüche 1). Soweit Formulierungen beschrieben sind, die die Effektpigmente enthalten, sind die Pigmente nicht Bestandteil eines silikatischen Schmelzanteils einer Dekorfarbe sondern Gemische mit üblichen Bindemitteln, die zur Weiterverarbeitung angepastet werden (vgl. (1) S. 9, letzt. Abs. bis S. 11; (3), Abs. 0030 und 0031).
Der Fachmann war wegen des Temperaturverhaltens der Colorstream¨-Pigmente auch aus seinem Wissen heraus von ihrer Verwendung in Dekorfarben abgehalten. Denn die Schmelzbeschichtung von Keramik oder Glas mit keramischen Dekorfarben, die aus Glaspulver und Pigmenten zubereitet werden, erfolgt, wie die Anmelderin unter Hinweis auf die DIN-Norm 55943 nachgewiesen hat, bei Temperaturen über 450¡C.
Er erhielt daher weder aus der Zusammenschau der von der Anmelderin selbst genannten Druckschrift DE 197 21 737 C1 jeweils in Kombination mit dem im Prüfungsverfahren ermittelten Stand der Technik (1) bis (8) noch aus seinem Wissen heraus Anregungen dahingehend, Versuche durchzuführen, die der Feststellung der Eignung von Effektpigmenten mit einem Farb-Flop in einer Dekorfarbe auf Basis einer silikatischen Schmelze, die die Pigmente in einem vorgegebenen Anteil enthält, dienen.
4. Nach alldem ist der Gegenstand nach Anspruch 1 gegenüber dem Stand der Technik neu und beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, so dass dieser Anspruch gewährbar ist.
Das Gleiche gilt für die auf den Anspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 9, die jeweils weitere, über platt Selbstverständliches hinausgehende Ausführungsformen des Gegenstandes nach Anspruch 1 betreffen.
Ein Eingehen auf den Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag erübrigt sich daher.
Schröder Harrer C. Schuster Münzberg Fa
BPatG:
Beschluss v. 18.06.2009
Az: 14 W (pat) 52/05
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