Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. Oktober 2005
Aktenzeichen: 9 W (pat) 19/04

(BPatG: Beschluss v. 24.10.2005, Az.: 9 W (pat) 19/04)

Tenor

Auf die Beschwerde des Patentinhabers wird der Beschluss der Patentabteilung 15 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 10. Dezember 2003 aufgehoben.

Das Patent wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

Patentansprüche 1 bis 6, Beschreibung Spalten 1 und 2, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 24. Oktober 2005, Beschreibung Spalten 3 und 4 und Zeichnung Figuren 1 bis 4, jeweils gemäß Patentschrift.

Gründe

I.

Die Patentabteilung 15 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat nach Prüfung des Einspruchs das am 14. Juli 1999 angemeldete Patent mit der Bezeichnung

"Windenergieanlage mit einem geschlossenen Kühlkreislauf"

mit Beschluss vom 10. Dezember 2003 widerrufen. Sie ist der Auffassung, dass aus der nach dem Anmeldetag des Streitpatentes veröffentlichten WO 00/68570 A1 mit älterem Zeitrang bzw dem zugehörigen Prioritätsdokument eine Windkraftanlage mit allen Merkmalen des Patentanspruchs 1 bekannt sei.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Patentinhaber mit seiner Beschwerde.

In der mündlichen Verhandlung ist für die Einsprechende der Patentanwaltsbe- werber L... unter Vorlage einer Untervollmacht der Vertreter der Einsprechenden aufgetreten. In der Vollmachtsurkunde heißt es ua: "Insbesondere sollen alle Anträge in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundespatentgericht durch Herrn L... in Untervollmacht ermöglicht sein." Patentanwaltsbewerber L... hat dazu ausgeführt, er sei im Rahmen seiner Ausbildung zum Patent- anwalt bei den Vertretern der Einsprechenden von Juni 2003 bis September 2005 angestellt gewesen. Seit 1. Oktober 2005 setze er seine Ausbildung beim Deutschen Patent- und Markenamt fort. Für die Vertreter der Einsprechenden sei er nur noch als freier Mitarbeiter tätig und bekomme einzelne Arbeiten und Aufträge, die jeweils gesondert vergütet würden. Vor einem Senat des Bundespatentgerichts trete er zum ersten Mal auf.

Daraufhin hat der Vertreter des Patentinhabers beantragt, den Patentanwaltsbewerber L... von der Verhandlung auszuschließen.

Patentanwaltsbewerber L... hat beantragt, diesen Antrag zurückzuweisen.

Durch einen in der mündlichen Verhandlung verkündeten Beschluss hat der Senat den Patentanwaltsbewerber L... von der mündlichen Verhandlung ausge- schlossen.

In der weiteren mündlichen Verhandlung legte der Patentinhaber neue Patentansprüche und eine angepasste Beschreibung vor. Nach Auffassung des Patentinhabers ist die nunmehr beanspruchte Windenergieanlage patentfähig.

Der Patentinhaber beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent mit den im Beschlusstenor aufgeführten Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten.

Die Einsprechende hat im Beschwerdeverfahren schriftsätzlich keinen Antrag gestellt und sich auch nicht zur Sache geäußert.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet:

"Windenergieanlage (1) mit einem völlig geschlossenen oder teilweise geschlossenen Kühlkreislauf, in den der Turm der Windenergieanlage eingebunden ist und bei welchem die aus dem Kühlkreislauf abzuführende Wärme mittels im Kühlkreislauf befindlicher Luft als Kühlmedium über den Turm (23) der Windenergieanlage (1) abgegeben wird, wobei der Turm als Wärmetauscher dient."

Dem Patentanspruch 1 schließen sich 5 zumindest mittelbar auf den Patentanspruch 1 rückbezogene Patentansprüche an.

Im Erteilungs- und Einspruchsverfahren wurde noch folgender Stand der Technik berücksichtigt:

- WO 99/30031 A1,

- DE 198 02 574 A1 und - DE 195 28 862 A1.

II.

Die statthafte Beschwerde ist zulässig. In der Sache hat sie insoweit Erfolg, als sie zu einer Aufrechterhaltung des Patents in beschränktem Umfang führt.

1. Patentanwaltsbewerber L... war als Vertreter der Einsprechenden in der mündlichen Verhandlung vom 24. Oktober 2005 ausgeschlossen (ZPO § 157 Abs 1 Satz 1 iVm PatG § 99 Abs 1).

Er kann seine Vertretungsbefugnis nicht aus der Patentanwaltsordnung herleiten. Die Vertretung vor dem Bundespatentgericht steht nach PatAnwO § 3 Abs 2 Satz 2 Nr 2 Patentanwälten zu. Patentanwaltsbewerber können nur als allgemeine Vertreter eines Patentanwalts nach PatAnwO § 46 Abs 4 vor dem Bundespatentgericht auftreten. Diese Voraussetzung erfüllt der Patentanwaltsbewerber L...-

... nicht.

Eine Regelung wie in BRAO § 59 Abs 2, wonach Gerichtsreferendare Rechtanwälte in Fällen vertreten können, in denen eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht geboten ist, findet sich in der Patentanwaltsordnung aus guten Gründen nicht. Patentanwaltsbewerber sind nicht mit Referendaren zu vergleichen, die das erste juristische Staatsexamen abgelegt haben. Bei Gerichtsreferendaren sind größere Kenntnisse insbesondere im Verfahrensrecht vorauszusetzen, die ihnen gerade bei Terminsvertretungen zu Gute kommen. Zudem gilt BRAO § 59 Abs 2 nur für Referendare, die dem Anwalt zur Ausbildung überwiesen sind, nicht für sog Nebentätigkeitsreferendare (Feuerich/Weyland, BRAO 6. Aufl, § 59 Rdn 8; Stein/Jonas, ZPO 22. Aufl, § 157 Rdn 8). Auch das spricht gegen eine Vertretungsbefugnis des Patentanwaltsbewerbers L..., der zu den Vertretern der Einsprechenden in keinem Ausbildungsverhältnis mehr steht.

Damit findet auf Patentanwaltsbewerber L... ZPO § 157 Abs 1 Satz 1 An- wendung (Schulte, PatG 7. Aufl, § 97 Rdn 7, 8; Schuster und Keukenschrijver in Busse, PatG 6. Aufl, § 97 Rdn 8). Er ist nach dieser Vorschrift als Bevollmächtigter in der Verhandlung ausgeschlossen, weil er sonst in unerlaubter Weise die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten betreiben würde, und zwar geschäftsmäßig. Denn er handelt selbstständig (Baumbach/Lauterbach, ZPO 63. Aufl, Rdn 9; Stein/Jonas ZPO 22. Aufl, § 157 Rdn 15). Als freier Mitarbeiter kann er Art und Umfang der Tätigkeit, die er für die Vertreter der Einsprechenden ausführt, im Wesentlichen selbst bestimmen. So kann er sicherstellen, dass diese Tätigkeit sich mit seiner Ausbildung zum Patentanwalt vereinbaren lässt. Die ihm erteilte Untervollmacht ermächtigt ihn, in der mündlichen Verhandlung jeden Antrag zu stellen, also unabhängig zu handeln. Patentanwaltsbewerber L... kann sich auch nicht darauf berufen, dass er zum ersten Mal vor dem Bundespatentgericht auftritt. Bis zu seiner bestandenen Patentanwaltsprüfung hätte Patentanwaltsbewerber L... noch genügend Zeit, bei sich bietender Gelegenheit in gleicher Weise Terminsvertretungen für die Vertreter der Einsprechenden wahrzunehmen.

Für eine Wiederholungsabsicht spricht hier auch der Umstand, dass Patentanwaltsbewerber L... für solche Terminsvertretungen, zu denen er sich be- rechtigt hält, von den Vertretern der Einsprechenden eine Vergütung erhält (BGH AnwBl 1986, 111, 112; OLG Koblenz MDR 1993, 1129).

Patentanwaltsbewerber L... ist durch eine Unterbrechung der Sitzung Ge- legenheit gegeben worden, noch einen Patentanwalt hinzuzuziehen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass mehrere Vertreter der Einsprechenden den Sitz Ihres Büros in M... haben. Damit ist ausreichend Gelegenheit gegeben worden, den An- spruch der Einsprechenden auf rechtliches Gehör wahrzunehmen.

2. Die geltenden Patentansprüche sind zulässig.

Das Merkmal, dass der Turm der Windenergieanlage in den Kühlkreislauf eingebunden ist und als Wärmetauscher dient, ergibt sich aus Sp 2, Z 4 bis 8 und Z 28 bis 31, der Streitpatentschrift. Die Verwendung von Luft als im Kühlkreislauf befindlichem Kühlmedium folgt aus Sp 1, Z 64, bis Sp 2, Z 8, und Sp 3, Z 13 bis 43, iVm Fig 3 der PS.

Die Patentansprüche 2 bis 6 entsprechen inhaltlich den erteilten Patentansprüchen 3 bis 7. Da die erteilten mit den ursprünglich eingereichten Unterlagen inhaltlich übereinstimmen, ist die Offenbarung der in den Patentanspruch 1 aufgenommenen Merkmale in den ursprünglich eingereichten Unterlagen offensichtlich gegeben.

3. Die Windkraftanlage mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 ist patentfähig. Zuständiger Fachmann ist ein Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit Erfahrung in der Entwicklung und Konstruktion von Windenergieanlagen.

3.1 Die Windkraftanlage gemäß Patentanspruch 1 ist neu.

Die WO 00/68570 A1 weist auf Grund ihrer Priorität vom 7. Mai 1999 einen älteren Zeitrang auf als das Streitpatent, das am 14. Juli 1999 angemeldet wurde. Sie ist allerdings erst nach dem Anmeldetag des Streitpatents, nämlich am 8. Mai 2000 international angemeldet und später am 16. November 2000 veröffentlicht worden. Aus der internationalen Anmeldung ist unter Erfüllung der in Art 158 EPÜ angegebenen Voraussetzungen die europäische Anmeldung EP 11 85 790 A1 hervorgegangen, die wegen der Benennung DE und nach Zahlung der Benennungsgebühr gemäß § 3 Abs 2 Satz 1 PatG als Stand der Technik gilt. Als Inhalt dieses Standes der Technik sind nur diejenigen Merkmale anzusehen, die sowohl in den prioritätsbegründenden Unterlagen, hier also der d... Patentanmeldung PA 1999 00630 als auch in der ursprünglichen PCT-Anmeldung WO 00/68570 A1 enthalten sind (PatG § 3 Abs 2 Satz 2; Benkard, PatG GbmG, 9. Auflage, § 3 Rdn 78).

Aus der WO 00/68570 A1, die den ursprünglich eingereichten Unterlagen der internationalen Anmeldung entspricht, sowie aus den beim d... Patentamt eingereichten prioritätsbegründenden Unterlagen ist jeweils eine Windkraftanlage bekannt, die einen geschlossenen Kreislauf zur Kühlung von Generator, Frequenzumwandler und Getriebe aufweist (S 4, Z 6 bis 14, und Ansprüche 1 und 5 der WO-Schrift bzw S 6, Z 24 bis 33, und Ansprüche 1 und 5 der Prio-Unterlagen). Als Wärmeträgermedien sind im Kühlkreislauf Salzwasser, dem gefrierpunktsenkende Mittel beigemischt sein können, oder Öl vorgesehen (S 5, Z 18 bis 27, der WO-Schrift und S 7, Z 31, bis S 8, Z 7, der Prio-Unterlagen). Weitere Kühlmedien im Kühlkreislauf werden dort nicht erwähnt. Vor allem erfolgt kein Hinweis auf Luft als Kühlmedium. Der Fachmann liest Luft als mögliches Kühlmedium auch nicht unmittelbar mit, da die Wärmeübertragungseigenschaften der angegebenen Flüssigkeiten und von Luft nicht miteinander vergleichbar sind. Somit unterscheidet sich die beanspruchte von dieser bekannten Windenergieanlage durch das Merkmal, dass sich Luft als Kühlmedium im Kühlkreislauf befindet.

Aus der WO 99/30031 A1 ist eine Windenergieanlage bekannt, bei der eine Kühlluftströmung über einen Frequenzumrichter 10 und einen Generator 5 durch Kaminwirkung erzielt wird (Zusammenfassung und Fig 1 dieser WO-Schrift). Zu diesem Zweck ist der Turm der Windenergieanlage unten offen ausgebildet, so dass Umgebungsluft einströmen kann. Diese kühlt den Frequenzumrichter 10 ab und erwärmt sich dabei. Sie strömt anschließend innerhalb des Turms 7 nach oben, kühlt den Generator 5 und tritt dann nach außen aus dem Turm aus. Der hohle Turm weist eine massive Turmwand 7 auf, die den Kanal für den Kühlluftstrom 6 bildet (aaO Anspruch 2). Die gesamte von der Kühlluft aufgenommene Wärme wird mit der Kühlluft nach außen abgeführt.

Da die Kühlluft sowohl aus der Umgebung angesaugt wird als auch nach der Kühlung wieder in die Umgebung austritt, handelt es sich dort im Unterschied zum Streitgegenstand um einen offenen Kühlkreislauf. Außerdem wird die beanspruchte Nutzung der Wand des Turms als Wärmetauscher nicht gezeigt.

Hinsichtlich der weiteren im Verfahren befindlichen Druckschriften wurde seitens der Einsprechenden im Einspruchsverfahren die Neuheit des Streitgegenstandes nicht bestritten. Nach Überprüfung durch den Senat ist auch hinsichtlich dieses Standes der Technik die Neuheit gegeben.

3.2 Die mit dem Patentanspruch 1 beanspruchte Windenergieanlage wird dem Fachmann durch den angeführten Stand der Technik nicht nahe gelegt.

Die WO 00/68570 A1 ist nach § 4, Satz 2 PatG bei diesen Überlegungen nicht zu berücksichtigen, da ihr Inhalt erst nach dem Anmeldetag des Streitpatentes der Öffentlichkeit zugänglich war.

Wie zur Neuheit ausgeführt, erfolgt bei der WO 99/30031 A1 die Kühlung durch einen in einem offenen Kühlkreislauf geführten Kühlluftstrom 6. Um den Generator erforderlichenfalls von der Umgebungsluft zu trennen, ist dort ein Wärmetauscher 14 mit einem Kühlkreislauf 13 vorgesehen, der vom Kühlluftstrom 6 des offenen Kühlkreislaufes gekühlt wird.

Diesen auch aus der DE 198 02 574 A1 bekannten Weg, einen zusätzlichen Wärmetauscher vorzusehen und in einem offenen Kühlkreislauf mit einem den Turm und/oder die Gondel durchströmenden Kühlluftstrom zu kühlen, hat der Patentinhaber verlassen. Er sieht nämlich keine zusätzlichen Wärmeaustauschflächen vor, sondern nutzt die ohnehin vorhandene Wand des Turmes als Wärmetauscher, wobei das Kühlmedium Luft in einem weitgehend geschlossenen Kreislauf die beim Betrieb der Windkraftanlage zB am Generator entstehende Wärme aufnimmt und über die Wand des Turms nach außen abführt. Diese Maßnahme geht über das übliche fachmännische Handeln hinaus, da die Nutzung der Wand des Turmes als Wärmetauscher eine überraschende Überlegung darstellt.

Die DE 195 28 862 A1 liegt vom Beanspruchten weiter ab, da sie die Enteisung von Rotorblättern durch Luft zeigt, die gegebenenfalls über zusätzliche Heizelemente 16 aufgeheizt ist, und nicht die Kühlung von Windenergieanlagenteilen betrifft (Zusammenfassung und Fig 1 dieser Schrift).

4. Da der Gegenstand des Patentanspruchs 1 patentfähig ist, können sich ihm die auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 6 anschließen.

Petzold Hövelmann Bork Bülskämper WA






BPatG:
Beschluss v. 24.10.2005
Az: 9 W (pat) 19/04


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