Bundespatentgericht:
Urteil vom 22. Mai 2001
Aktenzeichen: 3 Ni 20/00

(BPatG: Urteil v. 22.05.2001, Az.: 3 Ni 20/00)

Tenor

Das europäische Patent 0 239 859 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 40.000,- DM vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 17. März 1987 angemeldeten und ua mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 239 859 (Streitpatent), für das die Beklagte die Priorität der amerikanischen Patentanmeldung 846374 vom 31. März 1986 in Anspruch genommen hat. Das in der Verfahrenssprache Englisch abgefasste Streitpatent betrifft die "Entfernung von fettlöslichen Reagenzien aus biologischen Materialien durch Extrahierung mit natürlichen Ölen oder synthetischen Ersätzen davon" und umfasst 4 Patentansprüche. Patentanspruch 1 lautet in deutscher Übersetzung:

"Verfahren zur Entfernung lipidlöslicher Prozesschemikalien aus biologischen, diese lipidlöslichen Prozesschemikalien enthaltenden Materialien, ausgewählt aus der Gruppe, bestehend aus Blutplasma, Fraktion I, Fraktion II, Fraktion III, Fraktion IV-1, Fraktion IV-4, Fraktion V, Fraktion VI, Fibronectin, Antihämophiliefaktor, Präalbumin, Retinol bindendes Protein, Albumin, Alphaglobuline, Betaglobuline, Gammaglobuline, Antithrombin III, Prothrombin, Plasminogen, Fibrinogen, Faktor XIII, Immunoglubin G, Immunoglubin A, Immunoglubin M, Immunoglubin D und Immunoglubin E, Plasmininhibitor, Prothrombin, Thrombin, Antithrombin, Faktor V, Faktor VII, Faktor VIII, Faktor IX und Faktor X, wobei die lipidlösliche Prozesschemikalie ein Virus schwächendes Lösungsmittel mit einem hohen Flammpunkt, ausgewählt aus der Gruppe, bestehend aus Di- oder Trialkylphosphat mit verzweigten oder unverzweigten, substituierten oder nicht substituierten Alkylgruppen, die 3 bis 30 Kohlenstoffatome enthalten, und Mischungen hieraus in einer Menge zwischen 0,01 mg/ml und 100 mg/ml und ein Detergenz ist, wobei das biologische Material, das die lipidlöslichen Prozesschemikalien enthält, mit einer wirksamen Menge eines natürlich vorkommenden Öls, das aus einer Pflanze oder einem Tier extrahiert wurde, oder einer synthetischen Verbindung mit einer ähnlichen chemischen Struktur in Berührung gebracht wird, wobei das Öl nicht entflammbar, nicht explosiv, verträglich mit parenteral verabreichbaren biologischen Materialien und Blutderivaten und pharmazeutisch und physiologisch verträglich bei einem Menschen ist, worin das Öl in einer Menge von 5 bis 50 Gew.-%, bezogen auf das Gewicht des flüssigen biologischen Materials, enthalten ist, das erhaltene Gemisch geschüttelt wird, eine obere und eine untere Phase durch Sedimentation oder Zentrifugieren getrennt werden und die obere Phase dekantiert wird."

Wegen der auf Patentanspruch 1 zurückbezogenen Patentansprüche 2 bis 4 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.

Die Klägerin macht geltend, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig, weil er nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. Patentanspruch 1 könne in seiner weitgefassten Formulierung das angesprochene Problem nicht lösen. Darüber hinaus sei nicht offenbart, wie die Entfernung aller Detergenzien bewerkstelligt werden solle, wenn nur eine einzige Behandlung mit Öl erfolge. Zur Begründung bezieht sie sich im wesentlichen auf folgende Entgegenhaltungen:

K1 Chemical Abstracts 77:72317b, K1b Evenson M. A., de Vos D., "Direct-Contact (Membraneless) Hemoperfusion through Oils", Clinical Chemistry 18 (1972) 554 bis 562, K2 US 3 647 624, K3 US 4 540 573, K4 EP 0 131 740 A2 K6 Josic D. et al., Journal of Chromatography B 694 (1997) 253 bis 269.

Die Klägerin beantragt, das europäische Patent 0 239 859 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und hält das Streitpatent für patentfähig.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit führt zur Nichtigerklärung des Streitpatents mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland (Art II § 6 Abs 1 Nr 1 IntPatÜG, Art 138 Abs 1 lit a iVm Art 56 EPÜ).

I.

1) Das Streitpatent betrifft die Entfernung virusschwächender Chemikalien und anderer lipidlöslicher Prozesschemikalien aus biologischen Materialien durch Extraktion mit natürlich vorkommenden Ölen oder synthetischen Verbindungen mit einer ähnlichen chemischen Struktur.

Zur Inaktivierung von Viren insbesondere aus menschlichem Blutplasma sind zahlreiche Versuche unternommen worden, wobei zB das Hepatitis-B-Virus durch Kontakt mit einem Aldehyd wie Formaldehyd inaktiviert werden kann.

Zur Entfernung unerwünschter Substanzen aus Blut mittels Hämodialyse wurde Öl in gleicher Menge wie die zu reinigende Lösung vorgeschlagen (s StrPS S 2, Z 11-13), während das Verfahren nach der amerikanischen Patentschrift 3 647 624 Blut mit einer Fließgeschwindigkeit von 8 bis 16 ml/min durch Öl laufen lässt, um so unerwünschte Substanzen zu extrahieren (s StrPS S 2, Z 14-17). Zur Verringerung der Infektiosität von Hepatitis- und anderer Viren schlagen die amerikanischen Patente 4 481 189 und 4 540 573 die Verwendung eines organischen Lösungsmittel/Tensid-Paares vor (s StrPS S 2 Z 18-20). Solche Substanzen sind jedoch nicht immer gut verträglich, so dass sie vor Anwendung aus dem biologischen Produkt entfernt werden müssen. Hierfür kommen nach Angabe der Streitpatentschrift (s S 2 Z 28-31) die Verfahren in Betracht, die auch für die Entfernung von gemischten Lipid/Tensid-Mizellen aus Membranproteinkomplexen eingesetzt werden.

2) Dem Streitpatent liegt sinngemäß die Aufgabe zugrunde, ein neues Verfahren zur Entfernung von virusschwächenden Chemikalien und anderen fettlöslichen Prozesschemikalien aus biologischen Materialien zur Verfügung zu stellen, bei dem die Virusinaktivierung ein Ausmaß von mindestens 4 Zehnerpotenzen erreicht, die funktionale Aktivität des biologisch wirksamen Proteins von wenigstens 45 %, in am meisten bevorzugter Weise von 98 bis 100% erhalten bleibt und nicht mehr als physiologisch verträgliche Konzentrationen der lipidlöslichen Prozesschemikalien enthalten sind (vgl StrPS S 6 Z 17-21).

3) Demgemäss beschreibt Patentanspruch 1 ein 1. Verfahren zur Entfernung lipidlöslicher Prozesschemikalien 2. aus biologischen, diese lipidlöslichen Prozesschemikalien enthaltenden Materialien, ausgewählt aus der Gruppe, bestehend aus Blutplasma, Fraktion I, Fraktion II, Fraktion III, Fraktion IV-1, Fraktion IV-4, Fraktion V, Fraktion VI, Fibronectin, Antihämophiliefaktor, Präalbumin, Retinol bindendes Protein, Albumin, Alphaglobuline, Betaglobuline, Gammaglobuline, Antithrombin III, Prothrombin, Plasminogen, Fibrinogen, Faktor XIII, Immunglobulin G, Immunglobulin A, Immunglobulin M, Immunglobulin D und Immunglobulin E, Plasmininhibitor , Prothrombin, Thrombin, Antithrombin, Faktor V, Faktor VII, Faktor VIII, Faktor IX und Faktor X, 3. wobei die lipidlösliche Prozesschemikalie 3.1 ein Virus schwächendes Lösungsmittel mit einem hohen Flammpunkt, ausgewählt aus der Gruppe, bestehend aus Di- oder Trialkylphosphat mit verzweigten oder unverzweigten, substituierten oder nicht substituierten Alkylgruppen, die 3 bis 30 Kohlenstoffatome enthalten, und Mischungen hieraus in einer Menge zwischen 0,01 mg/ml und 100 mg/ml und 3.2 ein Detergens ist, 4. wobei das biologische Material, das die lipidlöslichen Prozesschemikalien enthält, mit einer wirksamen Menge eines natürlich vorkommenden Öls, das aus einer Pflanze oder einem Tier extrahiert wurde, oder einer synthetischen Verbindung mit einer ähnlichen chemischen Struktur in Berührung gebracht wird, wobei das Öl nicht entflammbar, nicht explosiv, verträglich mit parenteral verabreichbaren biologischen Materialien und Blutderivaten und pharmazeutisch und physiologisch verträglich bei einem Menschen ist, 5. worin das Öl in einer Menge von 5 bis 50 Gew.-%, bezogen auf das Gewicht des flüssigen biologischen Materials, enthalten ist, 6. das erhaltene Gemisch geschüttelt wird, 7. eine obere und eine untere Phase durch Sedimentation oder Zentrifugieren getrennt werden und 8. die obere Phase dekantiert wird.

II.

1) Das nach Patentanspruch 1 beanspruchte Verfahren ist neu, weil keine der im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen jeweils alle Merkmale des Patentanspruchs offenbart. Die Neuheit des Gegenstands von Patentanspruch 1 wurde durch die Klägerin auch nicht angegriffen.

2) Für den Durchschnittsfachmann, einen Chemiker oder Biochemiker mit Erfahrung auf dem Gebiet der Isolierung, Reinigung und Analyse von Proteinen, bedurfte es jedoch keiner erfinderischen Tätigkeit, um das beanspruchte Verfahren aufzufinden.

Aus der Druckschrift Evenson M. A., de Vos D., Clinical Chemistry 18 (1972) 554 bis 562 (K1b), die bei der gegebenen Aufgabenstellung neben der Patentschrift US 3 647 624 (K2) vom Senat als nächstliegender Stand der Technik angesehen wird, ist ein Verfahren zur Entfernung von lipidlöslichen Substanzen aus Blut (S 554, li Sp, erster und zweiter Abs) bekannt. Hierbei wird eine DirektkontaktÖI-Hämoperfusion verwendet, um toxische oder unerwünschte Substanzen durch Flüssig/Flüssig-Extraktion aus dem Blut zu entfernen. Wie an dieser Stelle weiter ausgeführt wird, entstehen hierdurch keine Schäden an den zellulären Komponenten des Blutes, wie Erythrozyten, Leukozyten oder Blutplättchen. Es findet auch keine Extraktion anderer wichtiger biologischer Substanzen statt, so dass bei der in vivo ÖI-Hämoperfusion nur geringe Nebenwirkungen auftreten. Die Behandlung von Blut, Blutbestandteilen und anderen Körperflüssigkeiten mit öligen Substanzen zur Entfernung unerwünschter Verbindungen aus diesen Materialien wird auch in der mit K1b in direktem Zusammenhang stehenden Entgegenhaltung US 3 647 624 (K2) dargelegt.

Die Veröffentlichung von Evenson und de Vos (K1b) beschreibt ein Verfahren zur Entfernung lipidlöslicher Chemikalien aus flüssigem biologischen Material (s S 554 unter "Additional Keyphrases" und vgl mit Merkmal 1 des Patentanspruchs 1 unter I.3) durch Inkontaktbringen des Materials mit einem Öl (Merkmal 4). Gemäß Seite 557, rechte Spalte, Mitte des vierten Absatzes wurden 2 ml Maisöl zu 2 ml Blut zugesetzt, und der Inhalt der Probegefäße wurde durch Umdrehen für 5 min gemischt (Merkmal 6). Nach der Phasentrennung (Merkmal 7) wurde die Öl- und Emulsionsphase abgesaugt. Für einen Fachmann ist es in diesem Zusammenhang selbstverständlich, dass der aus K1b bekannte Reinigungsprozess nicht an die in Figur 1 beschriebene komplizierte Apparatur gebunden ist. Bei der technischen Anwendung des Verfahrens mit einer großen Menge zu behandelndem Material wird der Fachmann zB einen Erlenmeyerkolben wählen, die Phasen durch Rühren miteinander vermischen und dann eine Trennung der Phasen, etwa durch Stehenlassen herbeiführen.

Das in der Publikation gemäß K1b getestete Verhältnis von ÖI zu flüssigem biologischem Material umfasst einen weiten Bereich. In den oben dargestellten Experimenten auf Seite 557 werden gleiche Mengen Blut und Öl vermischt. Auf Seite 557, rechte Spalte, 2. Absatz wird geschätzt, dass die Menge an Maisöl zur Extraktion der Chemikalie Glutethimid aus einem zu extrahierenden Volumen von 5 I Blut bei einem Erwachsenen etwa 50 ml betragen sollte, wenn 50 mg/l Glutethimid im Blut vorhanden ist. Dies bedeutet ein berechnetes Volumenverhältnis von Öl zu Blut von etwa 1 %. Der Fachmann entnimmt der Entgegenhaltung somit, dass bereits eine Menge von 1 % Öl im zu extrahierenden Gut ausreichend sein sollte, um eine bestimmte lipidlösliche Chemikalie daraus zu entfernen, und dass er mit einfachen Vorversuchen geeignete Verhältnisse von Öl zu biologischem Material bestimmen kann. Das Herausfinden, welche Menge an Öl im Bereich von 1 % und darüber für das jeweilige Extraktionsproblem am besten geeignet ist, liegt somit im Wissen und Können des Durchschnittfachmanns. Merkmal 5 von Patentanspruch 1 des Streitpatents ist daher naheliegend.

Gemäß Seite 557, rechte Spalte vierter Absatz lässt man die mit Maisöl gemischte Blutprobe stehen, damit sich die Phasen separieren. Dies entspricht der beanspruchten Phasentrennung durch Sedimentation (Merkmal 7). Anschließend wird die Öl- und Emulsionsphase abgesaugt. Diese Maßnahme ist dem Dekantieren der oberen Phase gemäß Merkmal 8 äquivalent. Von den Aufreinigungsschritten des Patentanspruchs 1 offenbart Entgegenhaltung K1b nicht die Trennung gemäß Zentrifugation als Alternative im Merkmal 7. Die Trennung einer wässrigen Phase und einer ölhaltigen Phase durch Zentrifugation zu unterstützen und diese durch Dekantieren zu trennen, beruht jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber einem Stand der Technik, in dem die Trennung durch Stehen lassen und Absaugen der oberen Phase erfolgt. Zentrifugation und Dekantieren sind dem Fachmann bekannte Alternativen zu den in der Veröffentlichung K1b genannten Schritten.

Dokument K1b offenbart nicht explizit die als Merkmal 2 genannten flüssigen biologischen Materialien sowie die lipidlöslichen Chemikalien gemäß Merkmal 3, sondern nennt lediglich allgemein die Entfernung "lipidlöslicher toxischer oder unerwünschter Substanzen" aus Blut.

Die Auswahl von bestimmten, bereits aufgereinigten Blutkomponenten gemäß Merkmal 2 bedurfte jedoch keiner erfinderischen Tätigkeit. Für den Fachmann ist es nämlich naheliegend, dass - wenn die schwierig zu handhabende Substanz Blut ohne relevante Nebeneffekte durch das Verfahren gemäß Dokument K1b aufgereinigt werden kann - auch Fraktionen des Blutes, die weniger Bestandteile enthalten, durch dieses Verfahren gereinigt werden können. Darüber hinaus wird in der amerikanischen Patentschrift K2 ausgeführt, dass mit diesem Verfahren auch Blutbestandteile wie Erythrozyten Leukozyten oder Serum oder Körperflüssigkeiten wie Lymphe oder Liquor cerebrospinalis (K2 Sp 2, Z 53 bis 56) behandelt werden können.

Nach Patentanspruch 1 des Streitpatents werden nicht einfach die in Entgegenhaltung K1b allgemein genannten, toxischen oder unerwünschten Substanzen oder Glutethimid (lipophile Substanz), sondern Di- oder Trialkylphosphate gemäß Merkmal 3a und ein Detergens gemäß Merkmal 3b entfernt. Eine erfinderische Tätigkeit kann gegenüber der Druckschrift K1b in der Auswahl anderer toxischer bzw. unerwünschter lipophiler Substanzen aber nicht gesehen werden.

Der Einsatz der beanspruchten Alkylphosphate und Detergenzien nach Merkmal 3 zur Virusinaktivierung in flüssigen biologischen Materialien gemäß Merkmal 2 ist Stand der Technik. In Entgegenhaltung K4 (K3 ist das amerikanische Familienmitglied) werden die in Rede stehenden biologischen Materialien gemäß Merkmal 2 mit Hilfe der Prozesschemikalien nach Merkmal 3 behandelt. Zur Entfernung der Prozesschemikalien werden in der Druckschrift K4 auf Seite 18 und 19 beispielhaft verschiedene übliche Methoden vorgeschlagen. Das aus den Entgegenhaltungen K1b oder K2 bekannte Verfahren zur Entfernung lipidlöslicher Substanzen aus Blut oder Blutbestandteilen wird hier zwar nicht erwähnt. Der Fachmann kann aber durch orientierende Reihenversuche ohne weiteres feststellen, ob die im Verfahren nach Dokument K4 verwendeten Prozesschemikalien für das in K1b oder K2 beschriebene Verfahren zur Entfernung lipidlöslicher Substanzen geeignet sind. Die Feststellung, ob eine Substanz lipophil ist, sowie die Messung der Verteilung einer Chemikalie in zwei miteinander nicht mischbaren Phasen gehört nämlich zu den Grundlagen des Wissens und Könnens des hier zuständigen Durchschnittsfachmanns. Dass durch das patentgemäße Verfahren die in Rede stehenden lipidlöslichen Prozesschemikalien unvorhersehbar gut entfernt werden können, ist nicht ersichtlich. Eine erfinderische Tätigkeit ist daher nicht notwendig gewesen, um die aus den Dokumenten K1b oder K2 bekannten Verfahrensschritte zur Entfernung von lipophilen Substanzen aus Blut auf die lipophilen Prozesschemikalien der Entgegenhaltung K4 anzuwenden. Darüber hinaus findet sich in der Patentschrift K2 eine längere Liste von Substanzen (K2 Sp 3, Z 42 bis 46), die mit diesem Verfahren aus Blut, Blutbestandteilen oder anderen Körperflüssigkeiten entfernt werden können. Unter anderem werden hier auch phosphorhaltige Verbindungen genannt.

Das gemäß Patentanspruch 1 des Streitpatents beanspruchte Verfahren wird also durch die Zusammenschau der durch die Veröffentlichungen K1b oder K2 und K4 vermittelten technischen Lehren in Verbindung mit dem Wissen und Können des zur Lösung der in Rede stehenden Aufgabenstellung zuständigen Fachmanns nahegelegt; ihm liegt deshalb keine erfinderische Tätigkeit zugrunde. Patentanspruch 1 ist daher mangels Erfindungshöhe nicht beständig.

Bei dieser Sachlage musste den Fragen, ob die in Patentanspruch 1 unter Schutz gestellte Lehre in ihrer Breite die gestellte Aufgabe auch löst und wie ein Fachmann die Entfernung aller Detergenzien bewerkstelligen soll, wenn nur eine einzige Behandlung mit Öl erfolgt, nicht weiter nachgegangen werden.

3) Bezüglich der Unteransprüche 2 bis 4 hat die Beklagte nicht vorgetragen, dass ihnen ein eigenständiger erfinderischer Gehalt zukäme. Dies ist auch für den Senat nicht ersichtlich. Als besonders geeignete Öle werden in K1b (S 555, li Sp, 5. Abs) pflanzliche Öle, wie Baumwollsamenöl, Leinsamenöl, Sojabohnenöl und Maisöl, sowie Mineralöle genannt. Die öligen Flüssigkeiten können nach Entgegenhaltung K2 (Sp 2, Z 57 bis 64) Mineralöl, Petroleum, pflanzliche Öle, wie Maisöl, Erdnussöl, Baumwollsamenöl, Olivenöl, Sojabohnenöl, Leinsamenöl oder Saffloröl, oder Triglyceride der Stearinsäure, Palmitinsäure, Oleinsäure oder anderer C12 bis C24 - Säuren sein. Demgegenüber beruhen die nach Patentanspruch 2 ausgewählten Öle oder die synthetischen Verbindungen nach Patentanspruch 4 nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Tri-(nbutyl)phosphat ist ein übliches Lösungsmittel bei der Behandlung von Blutproteinen (K4 Anspruch 4). Somit kann auch in der Auswahl dieses Lösungsmittels nichts Erfinderisches gesehen werden. Die Unteransprüche 2 bis 4, deren selbständiger erfinderischer Gehalt von der Klägerin unter Angabe von Gründen in Abrede gestellt wurde, fallen daher ebenfalls der Nichtigkeit anheim.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs 2 PatG iVm § 91 Abs 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs 1 PatG iVm § 709 ZPO.

Hellebrand Dr. Wagner Dr. Jordan Sredl Dr. Feuerlein Ko






BPatG:
Urteil v. 22.05.2001
Az: 3 Ni 20/00


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