Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. November 2000
Aktenzeichen: 29 W (pat) 161/99

(BPatG: Beschluss v. 29.11.2000, Az.: 29 W (pat) 161/99)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. Juli 1997 und vom 19. April 1999 insoweit aufgehoben, als der angemeldeten Marke die Eintragung für die Dienstleistungen "Beherbergung und Verpflegung von Gästen" versagt worden ist.

2. Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Wortmarke

"Radio No. 1"

soll für die Dienstleistungen

"Rundfunkwerbung; Ausstrahlung von Rundfunkprogrammen; Rundfunkunterhaltung, Produktion von Hörfunkprogrammen bildender, unterrichtender und unterhaltender Art; rundfunktechnische Beratung; Organisation und Durchführung von Musik- und Unterhaltungsdarbietungen, insbesondere von Konzerten, Tanzveranstaltungen, Bällen; Veranstaltung von Wettbewerben im Bildungs-, Unterrichts-, Unterhaltungs- und Sportbereich; Beherbergung und Verpflegung von Gästen; Verwertung von Urheberrechten und gewerblichen Schutzrechten für andere"

in das Markenregister eingetragen werden.

Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, zurückgewiesen. Die angemeldete Marke sei für die beanspruchten Dienstleistungen freihaltungsbedürftig und nicht unterscheidungskräftig. Im Zuge des Wettbewerbs auf dem Rundfunk- und Fernsehgebiet strebe jeder Sender danach, wirtschaftlich möglichst erfolgreich zu sein und zur Nummer 1 zu werden, sei es in Bezug auf Umsatz, Größe des Unternehmens oder in anderer Hinsicht. Die angesprochenen Verkehrskreise, die dies wüßten, würden die Marke daher lediglich als Hinweis darauf verstehen, daß die Anmelderin auf irgend einem Gebiet die Nummer 1 sei, sich dafür halte oder danach strebe. Dies unterscheide die Anmelderin nicht von anderen Rundfunkanbietern und individualisiere sie nicht.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, die diese nicht begründet hat.

Die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache im wesentlichen keinen Erfolg. Die angemeldete Marke ist für die angemeldeten Dienstleistungen mit Ausnahme von "Beherbergung und Verpflegung von Gästen" von der Eintragung ausgeschlossen, weil für die meisten der zurückgewiesenen Dienstleistungen ein Freihaltungsbedürfnis besteht und der Marke jedenfalls für sämtliche Dienstleistungen, mit Ausnahme von "Beherbergung und Verpflegung von Gästen", die erforderliche Unterscheidungskraft fehlt (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 1, § 37 Abs. 1 MarkenG).

1. Die angemeldete Marke stellt eine Wortfolge dar, die als beschreibende Angabe für viele der zurückgewiesenen Dienstleistungen dienen kann und von den angesprochenen breiten Verkehrskreisen insoweit als rein beschreibend verstanden wird (§ 8 Abs. 2 Nr.2 MarkenG).

Wie die Markenstelle bereits zutreffend im Einzelnen ausgeführt hat, stehen "Radio" als Kurzform für "Radioanstalt, Radiosender" und "No. 1" als Bezeichnung für eine herausragende Marktposition. "Radio No. 1" weist damit darauf hin, daß die Dienstleistungen von einem Radiosender erbracht werden, der eine Spitzenstellung einnimmt, und wirkt somit gleichzeitig als Hinweis auf eine besondere Qualität des Angebots, ohne die eine derartige herausragende Stellung nicht möglich wäre. Es ist allgemein bekannt, daß auf vielen Gebieten und auch auf dem hier vorliegenden vergleichbare Wortfolgen mit "Nr. 1" oder "No. 1" als werbeüblicher Qualitätshinweis, d.h. als Hinweis auf eine führende Position und eine damit verbundene hohe Qualität der angebotenen Waren bzw. Dienstleistungen, verwendet und verstanden werden (vgl. auch 32 W (pat) 183/95 S. 5 "CONCEPT ONE" mit Nachweisen, veröffentlicht auf PAVIS-CD-ROM). So sind u. a. auch Werbehinweise wie "MTV ist der Musiksender Nummer 1" (Süddeutsche Zeitung vom 14.7.00), "Novell, the world's no. 1 networking software company" (Wirtschaftswoche 12/00, Seite 40) nachweisbar. Dabei ist es unerheblich, daß diese Bezeichnung die Dienstleistungen nicht mit größter Genauigkeit in sprachlich differenzierter Weise beschreibt, denn die Werbesprache ist oft relativ vage und unscharf, so daß eine gewisse Ungenauigkeit oder Interpretationsbedürftigkeit vom Verkehr nicht als eigentümlich empfunden wird (vgl. dazu BGH WRP 2000, 1140 "Bücher für eine bessere Welt"). Die o.g. Bedeutung als Beschreibung der Qualität drängt sich aus diesen Gründen in Verbindung mit den meisten der beanspruchten Dienstleistungen auf, denn es handelt sich um solche, die typisch für die Tätigkeit eines Rundfunksenders sind, deren Qualität für die Kunden wesentlich ist und auf deren Qualität üblicherweise mit der Spitzenstellung des Senders, der diese Dienstleistungen erbringt, hingewiesen wird (vgl. dazu Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 1998, § 8 Rn. 75; Althammer/Ströbele/Klaka, Markengesetz, 6. Aufl., § 8 Rn. 115). Dies gilt nicht nur für "Rundfunkwerbung; Ausstrahlung von Rundfunkprogrammen; Rundfunkunterhaltung, Produktion von Hörfunkprogrammen bildender, unterrichtender und unterhaltender Art", die schon dem Wortlaut nach Dienstleistungen betreffen, deren Gegenstand unmittelbar Radiosendungen sind, sondern auch für "Organisation und Durchführung von Musik- und Unterhaltungsdarbietungen, insbesondere von Konzerten, Tanzveranstaltungen, Bällen; Veranstaltung von Wettbewerben im Bildungs-, Unterrichts-, Unterhaltungs- und Sportbereich". Auch diese Dienstleistungen lassen sich zumindest teilweise unter den Oberbegriff der Rundfunkunterhaltung fassen, weil solche Darbietungen und Veranstaltungen in aller Regel auf eine Radioübertragung zugeschnitten und integrierter Bestandteil des Programmes von Rundfunkanstalten sind, wie etwa die Funkbälle und die Konzerte des Philharmonierorchesters des Bayerischen Rundfunks, die BR-Radltour oder verschiedene Arten von Shows.

Indessen liegen solche konkret beschreibenden Zusammenhänge für einige Dienstleistungen wie "Verwertung von Urheberrechten und gewerblichen Schutzrechten für andere" oder "rundfunktechnische Beratung" weniger nahe, so daß fraglich sein kann, ob noch eine unmittelbare Beschreibung für diese angemeldeten Dienstleistungen vorliegt, und insofern ein ernsthaftes Freihaltungsbedürfnis jedenfalls zweifelhaft ist. Dies kann hier jedoch dahingestellt bleiben.

2. Der angemeldeten Marke fehlt jedenfalls für sämtliche zurückgewiesenen Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Kann einer Wortmarke ein für die in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst um einen verständlichen Ausdruck der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache, der vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solcher und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so fehlt ihm die Unterscheidungskraft (vgl. BGH WRP 1999, 1169, 1171 "FOR YOU"; WRP 1999, 1167, 1168 "YES"). Dies ist hier der Fall. Wie oben ausgeführt eignet sich die angemeldete Wortkombination als Hinweis auf die Beschaffenheit der meisten Dienstleistungen. Die angemeldete Marke nimmt damit auf eine konkrete vorteilhafte Eigenschaft aller zurückgewiesenen Dienstleistungen der angemeldeten Marke in werbeüblicher, leicht verständlicher Form Bezug und wirkt wegen dieses im Vordergrund stehenden sachbezogenen Begriffsinhalts für sämtliche dieser beanspruchten Dienstleistungen nur als Sachhinweis, nicht als Hinweis auf einen bestimmten Geschäftsbetrieb. Dies gilt auch für die Dienstleistungen, die nicht unmittelbar und konkret beschrieben werden, weil zu diesen jedenfalls ein enger sachlicher Bezug besteht. So lassen Sender oft Sendungen und auch Tonträger von Produktionsfirmen erstellen und übernehmen in Lizenz weitgehend für Produzenten, Künstler und/oder Autoren und sonstige Inhaber von Urheber- oder Leistungsschutzrechten die Vermarktung. Z.B. werden etwa Übertragung von Sende- und Aufführungsrechten, Zweitverwertung sowie weitere kommerzielle Verwertung von Bildern, Sprach- oder Tonwerken samt damit verbundener sonstiger gewerblicher Schutzrechte häufig vom Sender übernommen. Für diese Verwertung der Rechte ist eine Spitzenstellung des betreffenden Senders sehr bedeutsam, da ein solcher Sender bessere Verbindungen, entsprechende Erfahrung und eine große Marktmacht hat, um eine wirtschaftlich erfolgreiche Verwertung zu garantieren. Dies gilt in ähnlicher Weise für "rundfunktechnische Beratung", die ebenfalls in einem unmittelbaren Bezug zu der Tätigkeit und zu den für den Empfang, das Senden und die Produktion von Sendungen erforderlichen Einrichtungen eines "Radio No. 1" aufweisen können.

3. In Bezug auf die Dienstleistungen "Beherbergung und Verpflegung von Gästen" kann der Senat an der angemeldeten Wortmarke weder ein Freihaltungsbedürfnis (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) feststellen noch fehlt ihr insoweit jegliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG), denn die Marke stellt insoweit keinen hinreichend konkret und eindeutig beschreibenden Hinweis auf eine hinreichend eng mit den Waren zusammenhängende Eigenschaft dar. Zwar befinden sich üblicherweise im Hause von Sendeunternehmen für Dritte zugängliche Kantinen. Auch wird häufig bei Personen, die, etwa aus geschäftlichen Gründen, den Sender besuchen, für eine angemessene Unterbringung gesorgt werden, wobei nicht auszuschließen ist, daß einzelne Sender Gästehäuser oder Hotels unterhalten oder in Hotels ein festes Zimmerkontingent permanent reserviert haben. Der Senat konnte jedoch nicht feststellen, daß eine solche "Beherbergung und Verpflegung von Gästen" durch Radiosender speziellen Erfordernissen genügen und besondere Eigenschaften aufweisen müssen, die sie von für andere Zwecke verwendeten Dienstleistungen grundsätzlich unterscheiden und daß für diese Dienstleistungen eine Beschreibung mit "Radio No. 1" denkbar ist. Die angemeldete Wortkombination weist darum insoweit nicht auf verkehrswesentliche Eigenschaften unmittelbar hin und wird auch nicht als reine Sachangabe verstanden werden.

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BPatG:
Beschluss v. 29.11.2000
Az: 29 W (pat) 161/99


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