Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 7. September 2010
Aktenzeichen: I-20 U 21/10

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 07.09.2010, Az.: I-20 U 21/10)

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 8. Januar 2010 verkündete Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf geändert und wie folgt neu gefasst:

Das Versäumnisurteil der Kammer vom 22. Mai 2009 wird aufrechter-halten.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Voll-streckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000,-- € abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

A.

Beide Parteien betreiben Videotheken. Der Kläger wendet sich mit dem vorliegenden Unterlassungsantrag gegen die Öffnung der Videothek des Beklagten zur Vermietung von Filmen an Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen. An diesen Tagen besteht im Geschäftslokal des Beklagten die Möglichkeit, Filme zu mieten, die ohne Personaleinsatz über Automaten an die Kunden ausgegeben werden. Dazu gibt der Kläger Kundenkarten aus, mit deren Hilfe der Kunde das Ladenlokal außerhalb der Anwesenheitszeiten des Personals, also auch an Sonn- und Feiertagen, betreten und die dort aufgestellten Automaten bedienen kann. Der Kläger hält dies für einen Verstoß gegen das Feiertagsgesetz NW. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands erster Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil (Bl. 110 ff. GA) Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage durch Versäumnisurteil vom 22. Mai 2009 (Bl. 61 GA) stattgegeben, dieses Versäumnisurteil nach Einspruch des Beklagten indes später mit dem angefochtenen Urteil unter Klageabweisung wieder aufgehoben. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags seinen Unterlassungsanspruch weiter verfolgt. Er ist weiter der Ansicht, der Betrieb auch einer automatisierten Videothek verstoße gegen § 3 Feiertagsgesetz NW.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils

den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs in Nordrhein-Westfalen die von ihr betriebenen Automatenvideotheken an Sonntagen oder gesetzlichen Feiertagen geöffnet zu halten und für die Öffnung der Automatenvideotheken an Sonn- und Feiertagen zu werben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er wiederholt und vertieft ebenfalls seinen erstinstanzlichen Vortrag und meint, ein Verstoß gegen die gesetzlichen Feiertagsbestimmungen sei nicht gegeben.

B.

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache in vollem Umfang Erfolg. Dabei versteht der Senat den Berufungsantrag dahin, dass er auf die Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils gerichtet sein soll (§ 343 Satz 1 ZPO). Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 3 Satz 1 Feiertagsgesetz NW zu. Danach sind an Sonn- und Feiertagen alle öffentlich bemerkbaren Arbeiten verboten, die geeignet sind, die äußere Ruhe des Tages zu stören, sofern sie nicht besonders erlaubt sind. Die Voraussetzungen dieses Verbots treffen auf die Art zu, in der die Videothek des Beklagten an Sonn- und Feiertagen betrieben wird.

Der Senat hat die maßgeblichen Fragen zu dem geltend gemachten Verstoß gegen das Feiertagsgesetz NRW bereits entschieden (Urteil vom 11. September 2007 - I-20 U 36/07, Anlage K 3 = GRUR-RR 2008, 16). Die Entscheidung erging in Bezug auf dieselbe Videothek, deren Betrieb auf Seiten des jetzigen Beklagten auch im vorliegenden Rechtsstreit zu beurteilen ist. In dem seinerzeitigen Urteil hat der Senat ausgeführt:

" Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 3 Feiertagsgesetz NW begründet.

Bei dieser Vorschrift handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG. Zwar dient sie in erster Linie dem Schutz der Sonn- und Feiertagsruhe, soll aber auch für Wettbewerbsneutralität zwischen den Wettbewerbern sorgen (vgl. Piper/Ohly, UWG, 4. Auflage, § 4, Rdnr. 11/286; Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 25. Auflage, § 4, Rdnr. 11.144).

Der Senat sieht in dem Betrieb einer Automatenvideothek ohne Personaleinsatz an Sonn- und Feiertagen einen Verstoß gegen § 3 Feiertagsgesetz NW und folgt hiermit der Sicht des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg in seinem Beschluss vom 09.07.2007 - 9 S 594/07 - entgegen der Ansicht des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. Beschluss vom 27.06.2005 - 24 Cs 05.493) und des OLG Bamberg (Senat für Bußgeldsachen) in seinem Beschluss vom 08.09.2006 (3 Ss Owi 800/05).

Der Betrieb einer Automatenvideothek unterfällt dem Begriff der Arbeit in § 3 Feiertagsgesetz NW. Hierzu hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, a.a.O., ausgeführt:

‚Das Element öffentlich bemerkbarer Arbeit wird durch die Automatisierung und Selbstbedienung der Kunden nicht ausgeschlossen. Denn es reicht aus, dass die ohne weiteres erkennbaren Umstände den Schluss nahe legen, dass Arbeit in Form von gewerblicher Tätigkeit ausgeführt wird.’

Dem folgt der Senat. Durch die Öffnung ihres Ladengeschäfts an Sonn- und Feiertagen für den Kundenverkehr und die Vermietung von Filmen übt die Beklagte nach außen erkennbar ihre gewerbliche Tätigkeit und damit öffentlich erkennbare Arbeit aus, auch wenn sie an Sonn- und Feiertagen die Ladenöffnung und den Vermietungsvorgang ohne den Einsatz von Personal in automatisierter Form bewerkstelligt.

§ 3 Feiertagsgesetz NW setzt weiter voraus, dass die öffentlich bemerkbare Arbeit geeignet ist, die äußere Ruhe der Sonn- und Feiertage zu stören. Auch dies ist bei dem Betrieb einer Automatenvideothek ungeachtet der Tatsache, dass das Mieten von Filmen der Freizeitgestaltung der Kunden dient, der Fall.

Hierzu hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, a.a.O., dem der Senat auch insoweit folgt, ausgeführt:

‚Das Ruhen werktäglicher Geschäftigkeiten ist dahin zu verstehen, dass allgemein an Sonn- und Feiertagen die werktäglichen Bindungen und Zwänge entfallen und es dem Einzelnen dadurch möglich wird, diese Tage im sozialen Zusammenleben nach ihren vielfältigen und unterschiedlichen individuellen Bedürfnissen allein oder in Gemeinschaft mit anderen ungehindert von den werktäglichen Verpflichtungen und Beanspruchungen zu begehen. Das Gefühl des Einzelnen, dass es sich um für alle verbindliche Ruhetage handelt, soll nicht durch eine nach außen erkennbare gewerbliche Tätigkeit anderer, die üblicherweise an Werktagen erfolgt, beeinträchtigt werden. Mit der Zweckbestimmung der Sonn- und Feiertage stehen solche Veranstaltungen nicht im Einklang, die sich nach ihrem Zweck, ihrer Ausgestaltung und dem Erscheinungsbild im öffentlichen Leben als typisch werktägliche Lebensvorgänge darstellen...’

Wenn, wie im Streitfall, die Vermietung von Videofilmen in einem für die Kunden zugänglichen Ladengeschäft betrieben wird, erweckt dies aufgrund des Kundenverkehrs in dem Ladengeschäft auch nach außen den Eindruck werktäglicher Geschäftigkeit und stört damit die äußere Ruhe von Sonn- und Fiertagen. Anders als an Bankautomaten halten sich Kunden, die Videofilme zunächst aussuchen und sodann - automatisiert - mieten, für eine gewisse Zeit in dem betreffenden Ladengeschäft auf, was eine typisch werktägliche Tätigkeit ist. Für den Kauf von Lebensmitteln an Warenautomaten, die in der Regel an Orten wie Bahnhöfen aufgestellt sind, um den Reisebedarf zu decken, ist das Betreten eines Ladengeschäfts nicht erforderlich.

Soweit das Oberlandesgericht Bamberg a.a.O. ausführt, der Zweckbestimmung von Sonn- und Feiertagen liefen ‚naturgemäß’ solche Betätigungen nicht zuwider, durch die ‚ein typisches Freizeitbedürfnis’ befriedigt werden solle, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Hiermit könnte grundsätzlich der ‚automatisierte’ Verkauf oder Vermietung jedweden Gegenstandes, der typischerweise in der Freizeit Verwendung findet, gerechtfertigt werden, z.B. der Verkauf von Unterhaltungselektronik oder Sport- und Freizeitkleidung. Auch insoweit hält der Senat die Begründung des VGH Baden-Württemberg für überzeugender, in der es heißt:

‚Die gewerbliche Vermietung von Videokassetten an Sonn- und Feiertagen ist ungeachtet dessen, ob sie automatisiert ist oder nicht, nicht durch die Eigenart der angebotenen Gegenstände oder Dienstleistungen gerechtfertigt. Die vermieteten Videokassetten und DVDs dienen zwar auch dem Freizeitvergnügen der Kunden an Sonn- und Feiertagen. Sie müssen zu diesem Zweck aber nicht notwendigerweise auch an diesen Tagen entliehen werden, sondern können werktags zum Gebrauch an Sonn- und Feiertagen gemietet werden... Art. 140 GG, Art. 139 WRV machen die Rechtmäßigkeit der zum Schutz der Sonntagsruhe getroffenen gesetzlichen Regelungen auch nicht davon abhängig, dass spontane Wünsche auf der Stelle befriedigt werden können, und muten dem betroffenen Publikum mit dem gesetzlichen Schutz der Sonntage und Feiertage eintretende Beschränkungen als verfassungsmäßige Beschränkungen grundrechtlicher Freiheiten zu... Es bleibt danach letztlich der gesellschaftspolitischen Entscheidung des Gesetzgebers vorbehalten, ob er auch im Rahmen des Sonn- und Feiertagsschutzes trotz eines schon jetzt weiten Angebots an zulässigen Freizeitbeschäftigungen weitere Lockerungen vornehmen will und wie diese, etwa auch in zeitlicher Hinsicht, gestaltet werden sollen...’

Der Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf die Ausnahmeregelung des § 4 Nr. 5 Feiertagsgesetz NW berufen. Danach sind Arbeiten an Sonn- und Feiertagen erlaubt, die der Erholung im Rahmen der Freizeitgestaltung dienen. Weiter heißt es in der Vorschrift: ‚Dazu gehört insbesondere der Betrieb von Saunas, Bräunungs- und Fitnessstudios.’

Hiermit zielt der Gesetzgeber ersichtlich auf solche Freizeitbeschäftigungen ab, die der Deckung eines an Sonn- und Feiertagen bestehenden Publikumbedarfs an Ort und Stelle dienen. Der Umsatz von Waren, die von dem Kunden an einen anderen Ort mitgenommen werden, um dort mit ihrer Hilfe einer Freizeitbetätigung nachzugehen, fällt ersichtlich nicht hierunter."

An dieser Auffassung hält der Senat auch nach nochmaliger Überprüfung und angesichts neuerer abweichender Ansichten (insbesondere, weil auch zum Feiertagsgesetz NW: OLG Hamm GRUR-RR 2009, 30; OLG Stuttgart, GRUR-RR 2008, 17 zum Feiertagsgesetz BW) fest. Er sieht die Voraussetzungen des § 3 Satz 1 FeiertG NW nach wie vor auch in Fällen wie dem vorliegenden als erfüllt an. Der Betrieb einer Videothek unter ausschließlichem Einsatz von Automaten stellt zunächst eine öffentlich bemerkbare Arbeit im Sinne des § 3 Satz 1 FeiertG NW dar, wie auch das OLG Hamm (a.a.O.) nicht in Frage stellt (offengelassen von OLG Stuttgart a.a.O.).

Eine derartige automatisierte Vermietung von Videokassetten hält der Senat auch weiterhin aus den bereits dargelegten Gründen für geeignet, die äußere Ruhe des Tages zu stören. Entgegen der Auffassung des OLG Hamm steht dem der Gedanke aus § 4 Nr. 5 FeiertG NW nicht entgegen. Danach sind an Sonn- und Feiertagen Arbeiten erlaubt, die der Erholung im Rahmen der Freizeitgestaltung dienen, wozu das Gesetz insbesondere den Betrieb von Saunas, Bräunungs- und Fitneßstudios zählt. Das OLG Hamm sieht - ohne die Vorschrift direkt anzuwenden - das Ausleihen von Videos als eine Art Freizeitgestaltung an, die - ähnlich den zuvor genannten - nicht geeignet sei, die Feiertagsruhe zu stören (ähnlich OLG Stuttgart GRUR-RR 2008, 17 zur dortigen landesrechtlichen Regelung). Das hält der Senat nicht für überzeugend. Das Betrachten eines Films mag Freizeitvergnügen sein, dem auch - vielleicht sogar bevorzugt - am Wochenende nachgegangen wird. Das Besorgen eines Films (Leihe, Miete oder Kauf) ist es keineswegs. Insofern unterscheidet sich die Situation nicht wesentlich von anderen Freizeitaktivitäten, die an Sonn- und Feiertagen vorgenommen werden, die aber "Vorbereitungshandlungen" erfordern, die ihrerseits nicht an Sonn- und Feiertagen erlaubt sind. So mögen begleitend zum Betrachten von Filmen am Wochenende (oder zu sonstigen Freizeitaktivitäten) auch Getränke oder Speisen konsumiert werden, die aber ebenfalls am Sonntag selbst dann nicht zu besorgen sind, wenn deren Auswahl als Teil der Gestaltung der wochenendlichen Freizeit verstanden wird.

Die jetzt vorgetragene Einstellung des Geschäftsbetriebs des Beklagten lässt für sich genommen die Wiederholungsgefahr als Voraussetzung des Unterlassungsanspruchs nicht entfallen (vgl. Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl. 2010, § 8 Rn. 1.39a m. Nachw.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Der Senat hat angesichts der angeführten abweichenden Entscheidungen die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO zugelassen. Die Anwendung des hier maßgeblichen Landesrechts ist im Revisionsverfahren überprüfbar. Gemäß § 545 Abs. 1 ZPO in seiner seit dem 1. September 2009 geltenden Fassung kann die Revision ohne weitere Einschränkungen darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht. Zudem erstreckt sich der Geltungsbereich des Feiertagsgesetzes NW auch über den Bezirk eines Oberlandesgerichts hinaus, wie es nach § 545 Abs. 1 ZPO a. F. maßgeblich war.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 20.000,-- €, folgend der Festsetzung des Landgerichts.






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 07.09.2010
Az: I-20 U 21/10


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