Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. Dezember 2000
Aktenzeichen: 25 W (pat) 223/99
(BPatG: Beschluss v. 07.12.2000, Az.: 25 W (pat) 223/99)
Tenor
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
G r ü n d e:
I.
Die Bezeichnung Pentovir ist am 29. Mai 1996 in das Markenregister eingetragen worden und nach Teillöschung noch für
"Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse, Präparate für die Gesundheitspflege und diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke. Alle vorgenannten Waren für die Anwendung bei Herpes in der Humanmedizin"
geschützt.
Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der älteren, 1985 angemeldeten und seit dem 30. Dezember 1985 ua für
"Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie nichtchemische Erzeugnisse für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke"
eingetragenen Marke DD 645 136 RETROVIR, deren Benutzung nicht bestritten ist.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluß vom 26. Mai 1999 durch eine Beamtin des höheren Dienstes die Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichsmarken verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Die Marken könnten sich aufgrund der weiten Warenoberbegriffe auch auf identischen Waren begegnen. Auch die hier angesprochenen breiten Verbraucherkreise würden die Waren, bei denen es sich um frei verkäufliche Produkte handeln könne, als solche, die der Gesundheit dienten, mit einer gewissen Sorgfalt erwerben. Bei anzunehmender durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei zur Vermeidung der Verwechslungsgefahr ein deutlicher Markenabstand einzuhalten. Die angegriffene Marke werde diesen Anforderungen gerecht. Da die gemeinsame Endung "-vir" einen Hinweis auf Antivirenmittel enthalte, werde der Verkehr seine Aufmerksamkeit auch deshalb mehr auf den ohnehin stärker beachteten Wortanfang richten. Die ersten Wortteile unterschieden sich jedoch aufgrund der abweichenden Konsonanten derart, daß sie den Markenwörtern ein ausreichend eigenständiges Gepräge gäben. Der Bedeutungsgehalt von "RETRO" wirke ebenfalls verwechslungsmindernd. Auch eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr sei zu verneinen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit dem Antrag, den Beschluß der Markenstelle vom 26. Mai 1999 aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Die Waren könnten identisch sein. Mangels einer Rezeptpflicht müßten Endverbraucher als Verkehrskreise berücksichtigt werden. Aufgrund der seit 1987 in erheblichem Umfang erfolgenden Benutzung der Widerspruchsmarke sei von einer gesteigerten, zumindest aber normalen Kennzeichnungskraft von "RETROVIR" auszugehen. Die Annahme einer ursprünglichen Kennzeichnungsschwäche sei nicht gerechtfertigt, da der beschreibende Begriff "Retroviren" zum Zeitpunkt der Anmeldung der Widerspruchsmarke noch nicht in allgemeinen Nachschlagewerken, wie Brockhaus, erwähnt gewesen sei. Den danach zu fordernden deutlichen Markenabstand halte die angegriffene Marke in schriftbildlicher Hinsicht, hier wiederum vornehmlich in Großschreibweise, nicht ein. Die Wortendung "vir" sei derart verkürzt, daß es zumindest eines beachtlichen Gedankenschrittes bedürfe, um den Hinweis auf "Viren" zu erkennen. Außerdem seien von den ermittelten 92 im Markenregister eingetragenen Marken bzw Markenanmeldungen außer der Widerspruchsmarke lediglich 10 weitere Zeichen in der Roten Liste aufgeführt und somit offenbar benutzt. Hinzu komme, daß der Bestandteil "Pent(a)-" der angegriffenen Marke in 109 registrierten nationalen Marken und Markenanmeldungen und in 17 in der Roten Liste aufgeführten Bezeichnungen enthalten und somit hinsichtlich der Kennzeichnungskraft allenfalls gleichwertig mit dem Bestandteil "vir" sei. Letzterer dürfe deshalb im Gesamteindruck nicht unberücksichtigt bleiben. Die bei schriftbildlicher Wiedergabe lediglich in den Anfangsbuchstaben und in der jeweiligen Wortmitte bestehenden Unterschiede seien zu gering, um unter den genannten Umständen eine Verwechslungsgefahr auszuschließen. Die Bedeutungsgehalte von "Retro-" in der Widerspruchsmarke bzw "Pent-" in der angegriffenen Marke seien bestenfalls Fachkreisen, nicht aber Endverbrauchern geläufig und könnten daher ebenfalls keine Stütze für das Auseinanderhalten der Marken bilden.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke selbst hat im Beschwerdeverfahren weder einen Antrag gestellt noch zur Sache Stellung genommen. In einem zu den Beschwerdeakten gereichten anwaltlichen Schriftsatz vom 28. November 2000 wird im Auftrag der Markeninhaberin, jedoch "ohne in dieser Angelegenheit die Vertretung zu übernehmen", die Zurückweisung der Beschwerde beantragt und zur Sache Stellung genommen. Zunächst werde auf die Ausführungen im angefochtenen Beschluß der Markenstelle verwiesen. Der Bestandteil "-vir" sei in ca 100 eingetragenen Marken enthalten, und damit, wenn nicht als Hinweis auf Antivirenmittel glatt beschreibend, so doch als verbraucht anzusehen. Durch eine - vorsorglich bestrittene - hohe Bekanntheit der Widerspruchsmarke sei allenfalls die wegen der engen Anlehnung an die glatt beschreibende Angabe "Retroviren" bestehende ursprüngliche Schutzunfähigkeit überwunden, so daß die Widerspruchsmarke höchstens normale Kennzeichnungskraft erreiche. Keinesfalls bestehe eine Verwechslungsgefahr.
Wegen der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluß der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts sowie auf den Inhalt der Verfahrensakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Der nach § 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG erhobene Widerspruch ist von der Markenstelle zu Recht gemäß § 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG zurückgewiesen worden. Es besteht auch nach Auffassung des Senats keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.
Einer Sachentscheidung durch den Senat steht nicht entgegen, daß die Inhaberin der angegriffenen Marke weder selbst noch durch einen wirksam bestellten Vertreter einen Sachantrag im Beschwerdeverfahren gestellt hat (vgl hierzu BPatG MarkenR, 2000, 280, 282 "CC 1000/Cec"). Soweit in dem anwaltlichen Schriftsatz vom 28. November 2000 die Zurückweisung der Beschwerde beantragt wurde, fehlt es - wie darin ausdrücklich erklärt - an einer wirksamen Bevollmächtigung (vgl § 81 Abs 1 MarkenG) und somit an der für die Antragstellung als Verfahrenshandlung erforderlichen Verfahrensvoraussetzung (vgl hierzu auch Thomas/Putzo, ZPO, 22. Aufl, Vorbem § 253 Rdn 16). Aufgrund des Untersuchungsgrundsatzes hat der Senat aber ohnehin die für die Entscheidung wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Aspekte zu berücksichtigen - unabhängig davon, ob diese Gesichtspunkte wirksam von einem Bevollmächtigten einer Beteiligten oder von einem insoweit nicht wirksam authorisierten Anwalt vorgetragen werden.
Nach der hier maßgeblichen Registerlage können sich die Marken auch auf identischen Waren begegnen, da die nach einer Teillöschung ausschließlich noch für die "Anwendung bei Herpes in der Humanmedizin" vorgesehenen Waren der angegriffenen Marke von dem Oberbegriff "Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse" im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke umfaßt werden. Da eine Rezeptpflicht in beiden Warenverzeichnissen nicht verankert ist, sind Endverbraucher als angesprochene Verkehrskreise uneingeschränkt zu berücksichtigen. Auch insoweit ist allerdings davon auszugehen, daß grundsätzlich nicht auf einen sich nur flüchtig mit der Ware befassenden, sondern auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen ist, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware oder Dienstleistung unterschiedlich hoch sein kann (vgl BGH MarkenR 2000, 140, 144 ATTACHÉ / TISSERAND; BGH GRUR 1998, 942, 943 li Spalte - ALKA-SELTZER; EuGH MarkenR 1999, 236, 239 unter 24. - Lloyd / Loints) und der insbesondere allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen pflegt (vgl BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal/Indohexal).
Für die Entscheidung unterstellt der Senat zu Gunsten der Widersprechenden eine normale Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, auch wenn das Vorbringen der Widersprechenden zu einer intensiven Benutzung seit 1987 wenig substantiiert erscheint. Im übrigen ist von einer ursprünglich eher unterdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit einem eingeschränkten Schutzumfang der Widerspruchsmarke auszugehen. Denn die Bezeichnung "RETROVIR" ist objektiv eindeutig und im Hinblick auf die Mittel, für die die Widerspruchsmarke ausweislich der Roten Liste 2000 (Nr 10 455 "Antibiotika/Antiinfektiva") tatsächlich benutzt wird, nämlich "in Kombination mit anderen retroviralen Substanzen zur Behandlung von HIV-Infektionen ..." auch von den insoweit angesprochenen Fachverkehrskreisen ohne weiteres erkennbar eng an den Fachbegriff "Retroviren" (im Jahr 1910 erstmals beschriebene Gruppe von Viren, durch den Besitz von einsträngiger RNA als Träger der Erbanlagen charakterisiert; vgl zB: "Pschyrembel", Klinisches Wörterbuch, 258. Aufl, Seite 1375 oder "Der Gesundheits-Brockhaus", 5. Aufl, Seiten 1059 f) angelehnt. Entgegen der Behauptung des Vertreters der Widersprechenden in der mündlichen Verhandlung war der Begriff "Retroviren" auch bereits zum Zeitpunkt der Anmeldung im Jahr 1985 und Eintragung im Jahr 1986 als Fachbezeichnung allgemein bekannt und in medizinischen Wörterbüchern (vgl etwa Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 255. Aufl, S. 1448) aufgeführt. Auch wenn es auf dem hier relevanten Warengebiet üblich ist, die Marken in einer Weise zu bilden, daß die Markenbestandteile Indikation, Wirkstoffe oder ähnliches zumindest für Fachleute erkennen lassen, weicht die Bezeichnung "RETROVIR" im Vergleich zu zahlreichen anderen sogenannten sprechenden Marken hinsichtlich des Originalitätsgrades doch erkennbar nach unten ab.
Unter diesen Umständen kann der Ansicht der Widersprechenden, die Widerspruchsmarke hätte jedenfalls durch die langjährige erhebliche Benutzung eine erhöhte Kennzeichnungskraft erlangt, nicht gefolgt werden. Auch wenn insoweit das "Bestreiten" der Bekanntheit der Widerspruchsmarke in dem anwaltlichen Schriftsatz vom 28. November 2000 mangels wirksamer Bevollmächtigung als Prozeßerklärung grundsätzlich unbeachtlich ist, kann bei der Entscheidung gleichwohl eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke nicht als unstreitig berücksichtigt werden. Denn die Kennzeichnungskraft einer Marke ist keine Tatsache, die als solche behauptet oder bestritten werden könnte, sondern eine rechtliche Wertung, die dem Gericht aufgrund des Sach- und Streitstandes bzw der präsenten Beweis- oder sonstigen Glaubhaftmachungsmittel obliegt (vgl die zu dieser Problematik instruktiven Ausführungen BPatG GRUR 1997, 840, 842 reSp "Lindora/Linola"). Hier müßten sämtliche tatsächlichen Umstände, aus denen sich eine erhöhte Verkehrsbekanntheit ergibt, liquide sein (vgl BPatG GRUR 1997, 840, 842 reSp 2. Absatz "Lindora/Linola"). Dies ist nicht der Fall. Abgesehen davon, daß die Widersprechende in der mündlichen Verhandlung ohne die erforderliche nähere Substantiierung nur vorgetragen hat, daß die Widerspruchsmarke seit 1987 umfangreich benutzt werde, kann sogar aus konkreten und relativ hohen jährlichen Umsatzzahlen nur sehr unzureichend auf die Kennzeichnungskraft einer Marke geschlossen werden, da selbst umsatzstarke Marken nahezu unbekannt, wie andererseits Marke trotz relativ geringer Umsätze sehr bekannt sein können. Insbesondere Angaben zum Bekanntheitsgrad in konkreten Prozentzahlen - bezogen auf die angesprochenen Verkehrsbeteiligten und konkreten Produkte - geben Aufschluß zur maßgeblichen Verkehrsgeltung. Auch Angaben zu Werbeaufwendungen und Art der Werbung erlauben unter Umständen eher Rückschlüsse auf die Kennzeichnungskraft einer Marke als die bloßen Umsatzzahlen (vgl hierzu Althammer/Ströbele MarkenG, 6. Aufl., § 9 Rdn 136 mit weitergehenden Rechtsprechungsnachweisen). In diesem Sinne ausreichend aufschlußreiche Tatsachen hat die Widersprechende nicht vorgetragen. Eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist schließlich auch nicht gerichtsbekannt.
Die Ähnlichkeit der Vergleichsmarken ist nach Auffassung des Senats in keiner Richtung derart ausgeprägt, daß unter Berücksichtigung der genannten Umstände die Gefahr von Verwechslungen iSv § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG zu bejahen wäre. Auch bei Anlegung eines strengen Prüfungsmaßstabs hält die angegriffene Marke von der Widerspruchsmarke einen noch ausreichenden Abstand ein.
In klanglicher Hinsicht vermitteln die abweichenden Konsonanten in den Anfangsbestandteilen "Pento-" bzw "RETRO-" den Markenwörtern einen hinreichend verschiedenen Gesamteindruck, der ein Auseinanderhalten der Wörter "Pentovir" und "RETROVIR" jederzeit gewährleistet, was vom Vertreter der Widersprechenden zuletzt in der mündlichen Verhandlung auch nicht mehr in Zweifel gezogen wurde.
Im Schriftbild weisen die Marken zwar vergleichsweise stärkere Annäherungen auf, jedoch ist auch insoweit die Gefahr von Verwechslungen in allen üblichen Wiedergabeformen aufgrund der anderen Anfangsbuchstaben und der figürlichen Abweichungen in den zentralen Wortbereichen insgesamt auch unter Berücksichtigung der vorhandenen Übereinstimmungen ebenfalls noch ausgeschlossen. Von Bedeutung ist dabei, daß die Übereinstimmung in dem Markenbestandteil "-vir" bei der Beurteilung des jeweiligen Gesamteindrucks und der Markenähnlichkeit nicht so stark ins Gewicht fällt, wie dies bei einem reinen Phantasiebestandteil der Fall wäre. Der gemeinsame Schlußbestandteil der Marken weist objektiv und für Fachleute, aber auch für einen beachtlichen Teil der allgemeinen Verkehrskreise, nicht zuletzt aufgrund der Silbengliederung deutlich erkennbar auf beschreibende Begriffe wie "Viral", "Virus"-Erkrankungen, "Virus"-Infektionen, "Viren" bzw "Virustatika" hin. Das Wortelement "-vir" wird - worauf die Widersprechende selbst unter Vorlage von Ergebnislisten entsprechender Recherchen hingewiesen hat - als Endbestandteil in einer großen Anzahl von Drittmarken der Klasse 5 verwendet. Auch wenn von den im Markenregister aufgeführten Zeichen tatsächlich nicht alle benutzt werden, kann die Drittzeichenlage schon für sich genommen nicht gänzlich unbeachtet bleiben (vgl dazu BGH GRUR 1967, 246, 250 reSp aE "Vitapur" sowie MarkenR 1999, 57, 59 "Lions"). Jedoch zeigt die Nennung von weiteren 10 Marken mit dem Endbestandteil "-vir" in der Roten Liste 2000, daß eine nicht unbeträchtliche Anzahl dieser Kennzeichen derzeit offenbar im Verkehr aktiv verwendet wird. Unter diesen Umständen ist von einer gewissen Kennzeichnungsschwäche des gemeinsamen Endbestandteils "-vir" auszugehen, mit der Folge, daß dieses Markenelement für sich nicht Grundlage einer markenrechtlichen Verwechslungsgefahr sein kann und den vorangehenden Markenteilen sowohl nach der subjektiven Aufmerksamkeit der angesprochenen Verkehrskreise als auch bei objektiver Bewertung der Kennzeichnungskraft ein vergleichsweise stärkeres Gewicht zukommt (vgl auch Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rdn 148, 152). Dadurch treten die Abweichungen in den Anfangsbestandteilen "Pento-" bzw "RETRO-", wenngleich auch insoweit Bedeutungsanklänge vorhanden sind, um so deutlicher hervor, zumal Wortanfänge ohnehin regelmäßig stärker als die übrigen Markenteile beachtet werden (vgl BGH GRUR 1995, 50, 53 "Indorektal/Indohexal"; MarkenR 1999, 154, 156 - Cefallone).
Wenn auch die Buchstaben "P" und "R" für sich im Schriftbild als allgemein relativ ähnlich angesehen werden, werden deren dennoch vorhandene Unterschiede hier aufgrund der Stellung am Wortanfang ebenso wenig unerkannt bleiben wie die deutlich stärker ausgeprägten figürlichen Abweichungen zwischen den Buchstaben "-nt-" und "-tr-" bzw bei der Schreibweise in Versalien "-NT-" und "-TR-" in der jeweiligen Wortmitte. Schließlich trägt auch der Umstand, daß in den Anfangsbestandteilen "Pento-" und "RETRO-" nur das "e/E" an gleicher Wortstelle steht und auch die gemeinsamen Buchstaben "r/R" und "T/t" eine unterschiedliche Position im Wort haben, zu einem noch ausreichend verschiedenen schriftbildlichen Gesamteindruck bei. Hierbei ist noch zu berücksichtigen, daß das Schriftbild der Marken erfahrungsgemäß sehr viel besser eine ruhige oder auch wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung gestattet als das schnell verklingende gesprochene Wort.
Soweit die Widersprechende geltend macht, bei dem Bestandteil "Pento-" (von griechisch "pent(a)" = "fünf") der angegriffenen Marke handele es sich um einen mindestens ebenso kennzeichnungsschwachen Bestandteil wie "-vir", rechtfertigt dies keine andere Beurteilung der Verwechslungsgefahr. Dabei sind die von der Widersprechenden genannten Kennzeichen, die lediglich das Wortelement "Pent-" oder den Bestandteil "Penta-" enthalten, von vornherein nur sehr eingeschränkt geeignet, eine Kennzeichnungsschwäche des hier relevanten Markenteils "Pento-" zu belegen. Selbst wenn infolge häufiger Verwendung von "Pento-" in Drittkennzeichnungen von einer in gewissem Umfang verminderten Kennzeichnungskraft dieses Bestandteils ausgegangen wird, führt dies noch nicht dazu, daß aus der Übereinstimmung der Wörter in dem - wie dargelegt - ebenfalls kennzeichnungsschwachen gemeinsamen Bestandteil "-vir" nunmehr erfolgreich Kollisionsrechte hergeleitet werden könnten. Nach Auffassung des Senats handelt es sich bei "Pento-" neben "-vir" um einen jedenfalls gleichgewichtigen Bestandteil der angegriffenen Marke, dem aber - wie ebenfalls ausgeführt - hier aufgrund seiner Stellung am Wortanfang für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr nach dem Gesamteindruck der Marken eine besondere Bedeutung zukommt.
Für Fachleute und einen Teil der interessierten allgemeinen Verkehrskreise trägt schließlich auch der von "Pento" unterschiedliche Bedeutungsinhalt in dem Anfangsbestandteil "RETRO" (Lat.: retro, Wortteil mit der Bedeutung "hinter, zurück"; vgl auch geläufige Fremdwörter wie Retrospektive oder retrospektiv) der Widerspruchsmarke zur Unterscheidbarkeit der Marken bei.
Nach alledem war die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Abs 1 MarkenG. Der Umstand, daß die Widersprechende letztlich unterlegen ist, rechtfertigt eine Kostenauferlegung nicht, da das Gesetz von dem Grundsatz ausgeht, daß jeder Verfahrensbeteiligte seine Kosten selbst trägt. Die Rechtsverfolgung der Widersprechenden kann entgegen der im Schriftsatz der Patentanwälte "Lewinsky & Partner" vom 28. November 2000 geäußerten Auffassung nach anerkannten Beurteilungsgrundsätzen weder als mutwillig, noch als aussichtslos oder auch nur als kaum erfolgversprechend beurteilt werden, was vorliegend allein eine Kostenauferlegung rechtfertigen könnte (vgl hierzu Althammer/Ströbele MarkenG, 5. Aufl., § 71 Rdn 17). Vielmehr weisen die Markenwörter zumindest in schriftbildlicher Hinsicht jedenfalls so deutliche Annäherungen auf, daß die Frage einer schriftbildlichen Verwechslungsgefahr ernsthaft zu diskutieren war.
Knoll Engels Brandt Na
BPatG:
Beschluss v. 07.12.2000
Az: 25 W (pat) 223/99
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