Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 26. August 1996
Aktenzeichen: 11 U 99/94
(OLG Köln: Urteil v. 26.08.1996, Az.: 11 U 99/94)
AktG §§ 302, 303 Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen über die Haftung des beherrschenden Unternehmers im faktischqualifizierten GmbH-Konzern haftet der eine GmbH beherrschende Unternehmensgesellschafter analog §§ 302, 303 AktG, wenn er die Konzernleitungsmacht in einer Weise ausübt, die keine angemessene Rücksicht auf die Belange der abhängigen Gesellschafter nimmt, ohne daß sich der ihr insgesamt zugefügte Nachteil durch Einzelausgleichsmaßnahmen kompensieren läßt. Abzustellen für die Annahme eines Beherrschungsverhältnisses ist entsprechend § 17 AktG auf die durch die Gesellschafterstellung und die Alleingeschäftsführung für beide Gesellschaften organschaftlich bestimmte Handlungsmacht. Für die Annahme der Abhängigkeit einer Gesellschaft im Sinne des § 17 AktG genügt schon die Möglichkeit zur Vernachlässigung ihrer Interessen. Natürliche Personen können als Konzernspitze mit ihrem Privatvermögen haften, auch wenn sich ihre unternehmerische Betätigung in diesen Gesellschaften erschöpft.
Tatbestand
Der Beklagte hatte von seinem Vater einen Schlossereibetrieb
übernommen. Dieses Unternehmen wurde in der Folgezeit als "U. O.
Stahl- und Alu- Bau GmbH" fortgeführt. An dieser Gesellschaft waren
der Beklagte und seine Ehefrau zu je 50 % beteiligt. Der Beklagte
war der alleinige Geschäftsführer der GmbH.
Die GmbH errichtete auf einen im Eigentum des Beklagten
stehenden Grundstück ein Hallengebäude, in dem die Schlosserei
betrieben wurde. Das von der GmbH gepachtete Anlagevermögen gehörte
dem Beklagten und seiner Ehefrau als Gesellschaftern bürgerlichen
Rechts zu gleichen Anteilen.
Die Kläger haben die GmbH wegen Mängeln an gelieferten Fenstern
auf Schadenersatz in Anspruch genommen. Durch Urteil des 13.
Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 30.10.1991 wurde die
GmbH insofern zur Zahlung von 148.144,11 DM verurteilt, weil u.a.
nach einem im August 1989 vorgelegten Ergänzungsgutachten alle von
der "U. O. Stahl- und Alubau GmbH" gelieferten und eingebauten
Fenster in dem Wohnhaus der Kläger entfernt und durch neue ersetzt
werden mußten. Die Stellungnahmefrist zu diesem Gutachten lief im
Oktober 1989 ab.
Durch Gesellschaftsvertrag vom 27.10.1989 wurde die Firma der
"U. O. Stahl- und Alubau GmbH" geändert in "BMG Metallgesellschaft
mbH" (künftig: BMG). Die Beteiligungsverhältnisse waren von dieser
Firmenänderung nicht berührt.
Mit Gesellschaftsvertrag vom gleichen Tage gründete der Beklagte
und sein Sohn die "Stahl-Alu-O. & Sohn GmbH". An dieser
Gesellschaft sind die beiden Gründer zu je 50 % beteiligt. Der
Beklagte ist deren alleiniger Geschäftsführer. Die neugegründete
GmbH betreibt ihre Geschäfte in den selben Geschäftsräumen wie die
BMG. Sie übernahm deren Anlagevermögen und ihre Mitarbeiter.
Während die Umsatzerlöse der BMG im Jahre 1989 noch 1.477.192,94 DM
betragen hatten, fielen sie im Jahre 1990 auf 18.131,31 DM. Der
Personalaufwand für Löhne und Lohnsteuer ging im selben Zeitraum
von ca. 240.000,00 DM auf Null zurück.
Nachdem der 13. Zivilsenat in der mündlichen Verhandlung des
Vorprozesses vom 02.10.1991 angedeutet hatte, wie das Urteil lauten
werde, stellte der Beklagte am 08.10.1991 Konkursantrag für die
BMG. Dem Gutachter im Konkursverfahren hat er angegeben, die
Nachricht seines Prozeßbevollmächtigten über den zu erwartenden
negativen Ausgang des Rechtsstreits zum Anlaß für den Konkursantrag
genommen zu haben. Der Konkursantrag wurde am 31.10.1991 mangels
Masse abgewiesen. Am 13.02.1992 wurde die BMG im Handelsregister
gelöscht. Die Kläger waren die einzigen Gläubiger, die im Rahmen
des masselosen Konkurses BMG nicht befriedigt worden sind.
Die Kläger haben die Auffassung vertreten, der Beklagte hafte
ihnen unter dem Gesichtspunkt vorsätzlicher sittenwidriger
Schädigung gem. § 826 BGB, da er gezielt die Auflösung der BMG
unter gleichzeitiger Óbertragung der geschäftlichen Aktivitäten auf
die neugegründete GmbH betrieben habe, um sie mit ihren Ansprüchen
ausfallen zu lassen. Daneben hafte er nach den von der
Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zum qualifiziert faktischen
GmbH-Konzern.
Die Kläger haben beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie
148.144,11 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 16.10.1992 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Er hat behauptet, die Neugründung der Firma Stahl-Alu-O. &
Sohn GmbH sei nur deshalb erfolgt, weil das Unternehmen im Zuge
eines Generationenwechsels auf seinen Sohn übergehen sollte. Zudem
habe er im Jahre 1986 einen Herzinfarkt erlitten, in dessen Folge
er in der Ausübung seiner beruflichen Aktivitäten behindert gewesen
sei.
Das Landgericht hat mit Urteil vom 14.04.1994 den Beklagten
antragsgemäß zur Zahlung verurteilt. Den den Klägern zuerkannten
Anspruch hat es auf § 826 BGB gestützt.
Gegen dieses Urteil hat der Beklagte Berufung eingelegt. Zur
Begründung hat er ausgeführt, daß die Neugründung der Firma
"Stahl-Alu-O. und Sohn GmbH" nur aus steuerlichen Gründen und zur
Vorbereitung des Generationswechsels erfolgt sei. Er sei nur
deshalb Alleingeschäftsführer dieser GmbH geworden, um seinem Sohn
den Berufseinstieg zu erleichtern. Er habe sich in der Folgezeit
aus der Führung der neugegründeten GmbH immer mehr
zurückgezogen.
Er hat darüber hinaus behauptet, die Neugründung der
"Stahl-Alu-O. & Sohn GmbH" sei für den den Klägern entstandenen
Schaden nicht ursächlich geworden. Bei einer früheren
Berücksichtigung von Rückstellungen für die Forderung der Kläger
wäre eine Óberschuldung der BMG bereits im Jahre 1989 festzustellen
gewesen.
Er hat die Auffassung vertreten, weder die Voraussetzungen des §
826 BGB noch die einer konzernrechtlichen Haftung aus §§ 302, 303
Aktiengesetz seien erfüllt.
Der Beklagte hat beantragt, unter Abänderung des angefochtenen
landgerichtlichen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Kläger haben beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Durch Urteil vom 09.11.1994 hat der Senat die Berufung des
Beklagten zurückgewiesen und wie das Landgericht Ansprüche der
Kläger gegen den Beklagten aus § 826 BGB bejaht.
Auf die Revision des Beklagten ist das Urteil des Senats vom
09.11.1994 durch Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12.02.1996 -II
ZR 279/94- aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlungen
und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen
worden.
Der Bundesgerichtshof hat Ansprüche aus § 826 BGB verneint. Er
hat das Vorbringen der Kläger allerdings unter dem Gesichtspunkt
der Haftung des herrschenden Unternehmens im qualifiziert
faktischen GmbH-Konzern als schlüssig angesehen.
Vor dem Hintergrund dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofs
vertieft der Beklagte sein Vorbringen zu den Voraussetzungen der
Haftung analog §§ 302, 303 Aktiengesetz.
Er ist der Auffassung, der Beklagte sei nicht als herrschender
Unternehmer im Sinne von § 17 Aktiengesetz anzusehen. Zum einen sei
er weder an der BMG noch an der "StahlAlu-O. & Sohn GmbH"
maßgeblich beteiligt, da er nur jeweils einen hälftigen Anteil
gehalten habe. Er sei auch durch Gesellschafterbeschluß vom
27.10.1989 in seinen Befugnissen als Alleingeschäftsführer der
"Stahl-Alu-O. & Sohn GmbH" beschränkt worden. Darüber hinaus
habe sein Sohn, Herr R. O., bei der Geschäftsführung mitgewirkt. Er
habe keine maßgebliche Entscheidung getroffen, ohne zuvor seinen
Sohn zu fragen. Sofern dieser anderer Auffassung gewesen sei, habe
er die Maßnahme nicht durchgeführt.
Auch bei der BMG habe er keinen beherrschenden Einfluß ausgeübt.
Geschäftsführungsmaßnahmen habe er stets mit seiner Ehefrau
abgestimmt. Soweit sie andere Auffassung gewesen sei habe er dem
nachgegeben.
Da in den Gesellschaften die Entscheidungen in den Unternehmen
von der Mitwirkung der jeweiligen, personenverschiedenen
Mitgesellschafter (Sohn bzw. Ehefrau) abhängig gemacht worden sei,
habe auch keine einheitliche Leitung vorgelegen.
Er hafte auch deshalb nicht als herrschender Unternehmer analog
§§ 302, 303 Aktiengesetz, weil durch Einzelmaßnahmen noch ein
Ausgleich für den der BMG entstandenen Nachteil geschaffen werden
könne. Dieser bestehe nur darin, daß die Forderung der Klägerin
infolge des masselosen Konkurses nicht mehr beglichen werden könne.
Die Kläger seien daher darauf verwiesen, im Rahmen einer
Nachtragsliquidation Schadenersatzansprüche gem. § 43 Abs. 2
GmbH-Gesetz gegen den Beklagten geltend zu machen.
Ein schädigender Einfluß des Beklagten auf die BMG sei außerdem
deshalb nicht festzustellen, weil bei der Berücksichtigung von
Rückstellungen für das Prozeßrisiko des Vorprozesses die BMG schon
dem Jahre 1989 wegen Óberschuldung konkursreif gewesen sei.
Schließlich dürfe bei einer natürlichen Person als
"Konzernspitze" der Haftungsausgleich nicht durch die Belastung des
Privatvermögens, sondern durch einen Haftungsverbund zwischen den
einzelnen beherrschten Gesellschaften herbeigeführt werden.
Der Beklagte beantragt, unter Abänderung des angegriffenen
landgerichtlichen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen aller weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den
Parteien gewechselten Schriftsätze nebst den dazu überreichten
Unterlagen ergänzend Bezug genommen.
Gründe
Dem Rechtsmittel des Beklagte muß der Erfolg versagt bleiben, da
er nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen über
die Haftung des beherrschenden Unternehmers im
faktischqualifizierten GmbH-Konzern zur Zahlung verpflichtet
ist.
Danach haftet der eine GmbH beherrschende
Unternehmensgesellschafter analog §§ 302, 303 AktG, wenn er die
Konzernleitungsmacht in einer Weise ausübt, die keine angemessene
Rücksicht auf die eigenen Belange der abhängigen Gesellschaft
nimmt, ohne daß sich der ihr insgesamt zugefügte Nachteil durch
Einzelausgleichsmaßnahmen kompensieren läßt (BGHZ 122, 123 ff; BAG
GmbHR 1994, 625 f).
1. Der Beklagte war "herrschender Unternehmer" der von ihm
geführten Unternehmensgruppe (BMG und "Stahl-Alu-O. & Sohn
GmbH").
Entgegen der Auffassung des Beklagten ist hierfür nicht
erforderlich, daß er in den beiden Gesellschaften
Mehrheitsgesellschafter war. Nach der zutreffenden ständigen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (u.a. BGHZ 122, 123 (125))
ist nur entscheidend, wer bei wirtschaftlicher Betrachtung die
Geschicke der nachgeordneten Unternehmen aufgrund seiner
Leitungsmacht bestimmt. Hierbei kommt es weniger darauf an, ob sich
die Handlungsmacht des herrschenden Unternehmers in einer dauernden
und umfassenden Leitung der abhängigen Gesellschaften manifestiert
(so noch BGHZ 115, 187). Maßgeblich ist vielmehr die konkrete
Ausübung der Konzernleitungsmacht ohne Rücksicht auf die Belange
der abhängigen Gesellschaft (BGHZ 122, 123 (131)).
Der insofern allein entscheidungserhebliche Vorgang war im
vorliegenden Fall das "Leerlaufenlassen" der BMG unter Óbernahme
des operativen Geschäfts durch die "Stahl-Alu-O. & Sohn GmbH".
Das Vorbringen des Beklagten, wonach geschäftliche Entscheidungen
mit der Ehefrau bzw. dem Sohn abgestimmt wurden, ist unerheblich.
Abzustellen ist für die Annahme eines Beherrschungsverhältnisses
entsprechend § 17 AktG vielmehr auf die durch die
Gesellschafterstellung und die Alleingeschäftsführung für beide
Gesellschaften organschaftlich bestimmte Handlungsmacht des
Beklagten, wie sie sich in der stafettenartigen Fortführung des
Familienunternehmens durch aufeinanderfolgende Gesellschaften
verwirklicht hat. Insofern kann es nicht darauf ankommen, ob sich
der Beklagte dabei des Rats anderer vergewisserte. Die Haftung
analog §§ 302, 303 AktG hängt nämlich nicht vom persönlichen
Führungsstil ab. Entscheidend ist allein, daß der Beklagte
unstreitig als Alleingeschäftsführer und Mitgesellschafter zu
jeweils 50 % einen nicht wegzudenkenden, wesentlichen Einfluß
darauf genommen hat, daß die BMG zwangsläufig in den Konkurs
geführt wurde. Insofern reicht für die Annahme eines
Beherrschungsverhältnisses aus, daß er die unternehmensmäßige
Gesamtkonstruktion der von ihm als Alleingeschäftsführer geführten
Gesellschaften betrieben hat. Er hat sich damit in die Lage
versetzt, die eine Gesellschaft gegenüber der anderen zu
bevorzugen. Dieses von ihm als Alleingeschäftsführer beherrschte
Risiko war hier dadurch nachhaltig erhöht, daß die abhängigen
Gesellschaften dem gleichen Gewerbe nachgingen, in den selben
Geschäftsräumen betrieben wurden und den gleichen Kundenkreis
ansprachen. Nach der zutreffenden Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs (BGH WM 1994, 2016 (2018); BGHZ 62, 193 ) genügt
schon die Möglichkeit zur Vernachlässigung der Interessen einer
Gesellschaft für die Annahme deren Abhängigkeit im Sinne des § 17
AktG.
Demgegenüber ist der Einwand des Beklagten, er sei in seinen
Geschäftsführerbefugnissen bezüglich der "Stahl-AluO. & Sohn
GmbH" durch Gesellschaftsbeschluß vom 27.10.1989 eingeengt worden,
unerheblich. Soweit dort Rechtshandlungen des Geschäftsführers der
Zustimmung der Gesellschafter unterworfen wurden, betraf dies nur
die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft, die fortgeführt werden
sollte. Die hier maßgebliche Einstellung der Geschäftstätigkeit
durch die benachteiligte BMG wurde von diesem Beschluß demgegenüber
naturgemäß nicht berührt.
2. Aufgrund des unstreitigen Sachverhalts steht schließlich
fest, daß der Beklagte von seiner Leitungsmacht in einer Weise
Gebrauch gemacht hat die die Eigeninteressen der abhängigen
Gesellschaft BMG in einer nicht anderweitig kompensierbaren Weise
beeinträchtigt hat.
Ein derartiger Mißbrauch liegt nach dem Urteil des
Bundesgerichtshofs vom 12.02.1996 - II ZR 279/94 - schon darin, daß
die BMG nicht auf dem gesetzlich vorgesehenen Weg zur Liquidation
gebracht wurde. Ihre Belange wurden vielmehr verletzt, in dem sie
durch Abzug aller Ressourcen in den masselosen Konkurs geführt
wurde.
Entgegen der Auffassung des Beklagten ist nach der Löschung der
GmbH ein Ausgleich dieser Schädigung durch Einzelmaßnahmen nicht
mehr herbeizuführen. Die Kläger können insbesondere nicht darauf
verwiesen werden, im Rahmen einer Nachtragsliquidation Ansprüche
aus § 43 Abs. 2 GmbH-Gesetz gegenüber dem Kläger als
Geschäftsführer geltend zu machen. Wie der Bundesgerichtshof
nämlich zutreffend entschieden hat (BGH WM 1994, 2016 (2019)),
berührt der Anspruch nach § 43 Abs. 2 GmbH-Gesetz die
konzernrechtliche Haftung des beherrschenden Unternehmers
grundsätzlich nicht. Dieser haftet nämlich unabhängig davon, ob er
Geschäftsführer ist oder nicht.
Es bedarf schließlich keiner Entscheidung, aus welchen Motiven
heraus der Beklagte die BMG in den masselosen Konkurs geführt und
deren geschäftliche Aktivitäten von der "StahlAlu-O. & Sohn
GmbH" hat fortführen lassen. Nach seinem eigenen Vorbringen war der
angeblich beabsichtigte Generationswechsel darauf angelegt, durch
Auslaufenlassen der BMG dieser die Möglichkeit zur Erwirtschaftung
von Erträgen zur Deckung ihrer Verbindlichkeiten zu entziehen. Das
Auslaufenlassen der BMG im Rahmen einer GmbH-Stafette nahm in
konzernrechtlich unzulässiger Weise die Schädigung von Gläubigern
der benachteiligten GmbH in Kauf. Ob diese Gläubigerbenachteiligung
die eigentliche Absicht des Beklagten war, kann dahinstehen.
Konzernrechtlich ist das Vorgehen des Beklagten auch zu
beanstanden, wenn es vom Willen getragen gewesen sein sollte, den
Familienbetrieb in die nächste Generation zu überzuführen.
3. Ohne Erfolg hält der Beklagte schließlich seiner
konzernrechtlichen Haftung entgegen, die Schädigung der Kläger wäre
ohnehin eingetreten, weil bei Berücksichtigung der notwendigen
Rückstellungen für deren Forderungen aus dem Vorprozeß die BMG
bereits im Jahre 1989 konkursreif gewesen sei. Es kann dahinstehen,
ob die Berücksichtigung eines hypothetischen Kausalverlaufs -wie
bei einem deliktischen Schadenersatzanspruch- geeignet ist, die
konzernrechtliche Haftung des Beklagten entfallen zu lassen. Für
die Annahme, die Kläger wären ohnehin mit ihrer Forderung
ausgefallen, ist nämlich aus tatsächlichen Gründen kein Raum. Bei
der Beurteilung der Frage, ob ein Unternehmen auch ohne das
schädigende Ereignis zu liquidieren gewesen wäre, ist der
hypothetische Verlauf unter Berücksichtigung aller Umstände
maßgeblich (BGH LM, § 249 (Ba) Nr. 20). Bereits die Tatsache, daß
die "Stahl-Alu-O. & Sohn GmbH" nach wie vor als werbende
Gesellschaft am Geschäftsleben teilnimmt, spricht dabei
entscheidend gegen die Behauptung des Beklagten. Sein Hinweis auf
die Bilanz der BMG für das Jahr 1989 ist schon deshalb nicht
aussagekräftig, weil diese bereits durch die in dem selben Jahr
eingeleiteten schädigenden Maßnahmen geprägt war. Angesichts des
unstreitig vorhandenen Anlagevermögens der BMG von über 100.000,00
DM, der Umsatzerlöse dieser Gesellschaft von über 1,4 Mio. DM im
Jahre 1989 und der geschäftlichen Entwicklung der stafettenartig
fortgeführten Nachfolgegesellschaft spricht im Gegenteil alles
dafür, daß die Kläger ohne die schädigenden Maßnahmen mit ihrer im
Konkurs allein offengebliebenen Forderung zum Zuge gekommen
wären.
4. Der Beklagte haftet als herrschender Unternehmer mit seinem
Privatvermögen für die Ansprüche aus §§ 302, 303 AktG.
Der Bundesgerichtshof hat die Frage, ob natürliche Personen als
Konzernspitze mit ihrem Privatvermögen haften, wenn sich ihre
unternehmerische Betätigung in diesen Gesellschaften erschöpft,
bislang offengelassen (BGHZ 122, 123 (128); 115, 187 (190)). In den
dort entschiedenen Fällen waren nämlich die herrschenden
Unternehmer zugleich als Einzelunternehmer geschäftlich aktiv und
die Vernachlässigung der abhängigen Gesellschaften wurde im
Interesse des Einzelunternehmens betrieben. Demgegenüber beschränkt
sich hier die Geschäftstätigkeit des Beklagten auf die abhängigen
Gesellschaften. In der Literatur wird zum Teil die Auffassung
vertreten (K. Schmidt ZHR 155 (1991), 417 (432 ff); Ziegler WM
1989, 1077 (1079 f)), die Haftung des herrschenden Unternehmers
müsse auf seinen Beteiligungsbesitz beschränkt oder in Gestalt
eines horizontalen Ausgleichs unter den abhängigen Gesellschaften
ausgestaltet werden. Eine derartige Haftungsbeschränkung begegnet
jedoch nach Auffassung des Senats durchgreifenden Bedenken.
Die zivilrechtliche Haftung wird vom Grundsatz der
Gleichwertigkeit der Vermögensgüter des Schuldners beherrscht. Es
ist im vorliegenden Fall kein Bedürfnis für eine Rechtsanalogie zu
§§ 1975, 1978, 1990, 1991 und 419 Abs. 2 iVm. 1990, 1991 BGB zum
Schutz des Privatvermögens des Beklagten erkennbar, der unter
bewußter Vernachlässigung von Gläubigerinteressen seine die
verschiedenen Gesellschaften beherrschende Stellung mißbraucht
hat.
5. Der Anspruch auf die zuerkannten Zinsen ergibt sich unter dem
Gesichtspunkt des Verzuges aus §§ 284, 288 Abs. 1 BGB.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1,
708 Nr. 10, 711 ZPO.
Streitwert für das Berufungsverfahren und Beschwer für den
Beklagten 148.144,11 DM
- 8 -
OLG Köln:
Urteil v. 26.08.1996
Az: 11 U 99/94
Link zum Urteil:
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