Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 17. September 2008
Aktenzeichen: IV ZB 14/08

(BGH: Beschluss v. 17.09.2008, Az.: IV ZB 14/08)

Tenor

Auf die Rechtsmittel des Antragstellers werden die Beschlüsse des Landgerichts Hagen vom 27. Februar 2008 und des Amtsgerichts Hagen vom 28. Januar 2008 aufgehoben.

Die Sache wird an das Amtsgericht Hagen zum Zweck der Kostenfestsetzung zurückverwiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die dem Antragsteller in den Rechtsmittelverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten.

Beschwerdewert: Bis 300 €.

Gründe

I. Nach Erlass des vom Antragsteller, einem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, wegen einer Prämienforderung von 3.674,81 € zuzüglich der bis dahin entstandenen Gerichts- und Rechtsanwaltskosten beantragten Mahnbescheides haben die Parteien eine Ratenzahlungsvereinbarung getroffen, wonach der Antragsteller zwar einen Vollstreckungsbescheid gegen die Antragsgegnerin erwirken, bei Zahlung der vereinbarten Raten jedoch von Vollstreckungsmaßnahmen absehen werde. Wegen dieser Vereinbarung hat die Antragsgegnerin ihren Widerspruch gegen den Mahnbescheid zurückgenommen und der Antragsteller beim Amtsgericht beantragt, in den Vollstreckungsbescheid zusätzlich zu den im Mahnbescheid ausgewiesenen Rechtsanwaltskosten gemäß § 699 Abs. 3 ZPO eine Einigungsgebühr nach den Nummern 1000, 1003 VV RVG in Höhe von 258,23 € aufzunehmen. Diesen Antrag hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 28. Januar 2008 zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Antragstellers ist erfolglos geblieben.

Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter.

II. Die vom Beschwerdegericht zugelassene (§ 574 Nr. 2 ZPO), form- und fristgerecht eingelegte und begründete (§ 575 ZPO) Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

1. Die Vorinstanzen haben gemeint, eine Einigungsgebühr nach § 2 Abs. 2 RVG i.V. mit Nrn. 1000, 1003 VV RVG sei durch die getroffene Ratenzahlungsvereinbarung nicht entstanden und deshalb nicht nach § 699 Abs. 3 Satz 1 ZPO in den Vollstreckungsbescheid aufzunehmen. Das Landgericht hat in seiner Beschwerdeentscheidung dazu ausgeführt, Voraussetzung für die Entstehung der Gebühr sei es, dass die erzielte Einigung zu einer Entlastung des Gerichts führe. An einem solchen Erfolg fehle es hier, weil das Amtsgericht infolge der Ratenzahlungsvereinbarung veranlasst worden sei, einen Vollstreckungsbescheid zu erlassen.

2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Nach §§ 699 Abs. 3 ZPO, 2 RVG i.V. mit Nrn. 1000 Abs. 1 Satz 1, 1003 VV RVG ist die Einigungsgebühr wie beantragt in den Vollstreckungsbescheid aufzunehmen.

a) Gemäß Nr. 1000 Abs. 1 Satz 1 VV RVG entsteht die Einigungsgebühr, wenn der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis durch Abschluss eines Vertrages unter Mitwirkung des Rechtsanwalts beseitigt wird; es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht. Der Vertrag kann auch stillschweigend geschlossen werden und ist nicht formbedürftig, sofern dies materiellrechtlich nicht besonders vorgeschrieben ist (BGH, Urteil vom 10. Oktober 2006 - VI ZR 280/05 - NJW-RR 2007, 359 unter II 1 m.w.N.). Während die frühere Vergleichsgebühr des § 23 BRAGO durch Verweisung auf § 779 BGB ein gegenseitiges Nachgeben vorausgesetzt hatte, soll die Einigungsgebühr jegliche vertragliche Beilegung eines Streits der Parteien honorieren und so die frühere Vergleichsgebühr nicht nur ersetzen, sondern gleichzeitig inhaltlich erweitern. Durch den Wegfall der Voraussetzung gegenseitigen Nachgebens soll insbesondere der in der Vergangenheit häufige Streit darüber vermieden werden, welche Abrede noch und welche nicht mehr als gegenseitiges Nachgeben zu bewerten ist (BT-Drucks. 15/1971, S. 147 und 204). Unter der Geltung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) kommt es deswegen nicht mehr auf einen Vergleich i.S. von § 779 BGB, sondern nur noch auf eine Einigung an (BGH aaO; vgl. Hartmann, Kostengesetze 38. Aufl. Nr. 1000 VV RVG Rdn. 5 und 10; v. Eicken in Gerold/Schmitt, RVG 17. Aufl. Nr. 1000 VV RVG Rdn. 3 f.; Madert/Müller-Rabe, NJW 2006, 1927, 1929 f.). Durch die zusätzliche Gebühr soll die mit der Einigung verbundene Mehrbelastung und erhöhte Verantwortung des beteiligten Rechtsanwalts vergütet werden, durch die zudem die Belastung der Gerichte gemindert wird (BGH aaO unter Hinweis auf v. Eicken aaO Rdn. 1).

b) Aus diesem gesetzgeberischen Ziel einer Erweiterung der die Einigungsgebühr auslösenden Sachverhalte folgt, dass jedenfalls dann, wenn die Einigung die Merkmale eines Vergleichs i.S. von § 779 BGB erfüllt, mithin schon nach der früher geltenden Regelung des § 23 BRAGO eine Vergleichsgebühr angefallen wäre, regelmäßig auch eine Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG entsteht.

So liegt der Fall hier. Nach § 779 Abs. 1 BGB ist ein Vergleich ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens, an welches keine hohen Anforderungen zu stellen sind, beseitigt wird (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 1. März 2005 - VIII ZB 54/04 - NJW-RR 2005, 1303 unter II). Der Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis steht es nach § 779 Abs. 2 BGB gleich, wenn die Verwirklichung eines Anspruchs unsicher ist. Hier hat nicht nur der Antragsteller durch die Bewilligung von Ratenzahlungen nachgegeben, sondern die Antragsgegnerin ihrerseits mit dem in der Ratenzahlungsvereinbarung enthaltenen Verzicht auf Rechtsbehelfe gegen den Mahn- und den voraussichtlichen Vollstreckungsbescheid dem Antragsteller eine schnelle Vollstreckungsmöglichkeit eröffnet. Das geht über ein bloßes Anerkenntnis der Hauptforderung hinaus und stellt deshalb ein Nachgeben i.S. von § 779 BGB dar (vgl. dazu BGH aaO; KG RPfleger 2005, 697, 698).

c) Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind im Übrigen auch deshalb rechtsfehlerhaft, weil die Entstehung der Einigungsgebühr nach Nrn. 1000, 1003 VV RVG nicht zur Voraussetzung hat, dass durch die Einigung eine konkrete Entlastung der Gerichte eintritt. Zwar hat der Gesetzgeber mit der Einführung der Einigungsgebühr die Erwartung verknüpft, dass der mit dieser Gebühr geschaffene Anreiz zur einvernehmlichen Streitbeilegung generell eine Entlastung der Justiz mit sich bringen werde (BT-Drucks. 15/1971, S. 204), er hat jedoch - wie schon der Gesetzeswortlaut zeigt - eine konkret messbare Entlastung des Gerichts im Einzelfall, deren Feststellung mitunter ohnehin erhebliche Probleme bereiten würde, nicht zur Anspruchsvoraussetzung erhoben.

Deshalb ist es für den vorliegenden Fall auch nicht mehr entscheidend, dass - anders als die Vorinstanzen angenommen haben - hier eine solche konkrete Entlastung sogar eingetreten ist, weil die Parteien auf einen streitigen Fortgang des Rechtsstreits im Falle pünktlicher Ratenzahlung einvernehmlich verzichten wollten und der Antragsteller nach vereinbarungsgemäßer Erfüllung seiner Forderungen auch nicht auf Maßnahmen der Zwangsvollstreckung angewiesen sein wird.

Terno Seiffert Wendt Dr. Kessal-Wulf Felsch Vorinstanzen:

AG Hagen, Entscheidung vom 28.01.2008 - 07-523082-08-N -

LG Hagen, Entscheidung vom 27.02.2008 - 3 T 160/08 -






BGH:
Beschluss v. 17.09.2008
Az: IV ZB 14/08


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