Oberlandesgericht Nürnberg:
Urteil vom 25. November 2009
Aktenzeichen: 12 U 681/09
(OLG Nürnberg: Urteil v. 25.11.2009, Az.: 12 U 681/09)
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 13.02.2009, Az. 2 HK O 10211/08, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 100.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt vom Beklagten, ihrem ehemaligen Geschäftsführer, Zahlung einer Vertragsstrafe von 100.000 EUR wegen Verletzung einer vertraglich vereinbarten Kundenschutzklausel.
Die Klägerin, ein Mitglied der aus ca. 120 Unternehmen bestehenden B... Unternehmensgruppe, ist ein international tätiges Unternehmen im Bereich von Vertriebs- und Servicedienstleistungen, insbesondere der Dokumentation und Verwaltung von Kundenbeziehungen (sog. CRM [customer relationship management] - Dienstleistungen). Der Beklagte war im Zeitraum von 01.03.2006 bis 31.05.2008 einer der Geschäftsführer der Klägerin. Sein Anstellungsvertrag (Anlage K3) enthält u. a. folgende Bestimmungen:
"§ 5 Einwilligungsbedürftige Geschäfte und Wettbewerbsverbot
€
(3) Nach Beendigung dieses Anstellungsverhältnisses ist es Herm... für einen Zeitraum von zwei Jahren - gerechnet vom Zeitpunkt seines Ausscheidens - verboten, Kunden direkt oder indirekt zu betreuen, die während der letzten neun Monate vor seinem Ausscheiden Kunden der Gesellschaft bzw. der anderen Gesellschaften der B... Gruppe in Deutschland gewesen sind. Hierzu zählen unter anderem die Firmen S..., L... H..., sowie auch künftige Tochtergesellschaften. Bei Zuwiderhandlung gegen diese Verpflichtung hat Herr S... eine einmalige Vertragsstrafe an die Gesellschaft zu zahlen, und zwar in Höhe der Summe, die für den Zeitraum der letzten zwölf Monate vor seinem Ausscheiden in den Büchern der Gesellschaft als Bruttoertrag dieses Kunden für alle Leistungen der Gesellschaft ausgewiesen ist. Die Vertragsstrafe beträgt jedoch mindestens EURO 100.000,00 (in Worten: Einhunderttausend EURO). Sonstige Ansprüche, insbesondere auf weitergehenden Schadensersatz und auf Unterlassen, bleiben unberührt.
€
§ 9 Salvatorische Klausel
Sollte eine der Bestimmungen dieses Vertrags ganz oder teilweise rechtsunwirksam sein oder werden, so wird die Gültigkeit der übrigen Bestimmungen dadurch nicht berührt. In einem solchen Fall ist der Vertrag vielmehr seinem Sinn gemäß zur Durchführung zu bringen. Beruht die Ungültigkeit auf einer Leistungs- oder Zeitbestimmung, so tritt an ihre Stelle das gesetzlich zulässige Maß."
Der Aufhebungsvertrag der Parteien vom 23.04.2008 (Anlage K5) enthält u.a. folgende Regelungen:
"§ 6
Die Regelung zum Kundenschutz i.S. des § 5 (3) des Anstellungsvertrages bleibt bestehen.
...
§ 10
Sollte eine der Bestimmungen dieses Aufhebungsvertrages ganz oder teilweise rechtsunwirksam sein oder werden, so wird die Gültigkeit der übrigen Bestimmungen dadurch nicht berührt. In einem solchen Fall ist der Vertrag vielmehr einem Sinn gemäß zur Durchführung zu bringen."
Zwischen den Parteien besteht Streit, ob der Beklagte nach seinem Ausscheiden bei der Klägerin für einen Mitwettbewerber der Klägerin in der Teleperformance-Gruppe tätig geworden ist und im Rahmen dieser Tätigkeit einen Hauptkunden der Klägerin (Fa. A€ unter Verstoß gegen die Kundenschutzklausel abgeworben hat. Auch die rechtliche Wirksamkeit dieser Klausel ist umstritten.
Die Klägerin hat in erster Instanz unter Berufung auf einen Verstoß des Beklagten gegen die vereinbarte Kundenschutzklausel Zahlung einer Vertragsstrafe von 100.000 EUR sowie von vorgerichtlichen Anwaltskosten begehrt.
Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat mit Endurteil vom 13.02.2009 die Klage vollumfänglich abgewiesen, da die vertragsstrafenbewehrte Kundenschutzklausel unwirksam sei. Hierbei hat es offen gelassen, ob der Beklagte gegen das vereinbarte Kundenbetreuungsverbot verstoßen habe, vielmehr die Kundenschutzklausel, auf die die Klägerin ihren Zahlungsanspruch stützt, wegen Beeinträchtigung der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) als gemäß § 138 BGB nichtig gewertet. Zum einen sei diese Klausel intransparent, da dem Beklagten eine Feststellung, mit welchen - potenziellen - Kunden er (nicht) in Kontakt treten dürfe, nicht möglich und nicht zumutbar sei. Zum anderen sei die Klausel in sachlichem Umfang zu weitgehend. Eine geltungserhaltende Reduktion des Klauselumfangs sei nicht möglich.
Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird ergänzend auf die Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen, § 540 Abs. 1 ZPO.
Gegen dieses, der Klagepartei am 11.03.2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit am 09.04.2009 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 08.06.2009 mit am 08.06.2009 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz begründet hat, und mit der das Klagebegehren hinsichtlich der Zahlung der Vertragsstrafe weiterverfolgt wird. Die erstinstanzlich zusätzlich begehrten vorgerichtlichen Anwaltskosten sind dagegen nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens; insoweit ist das klageabweisende Urteil des Landgerichts rechtskräftig.
In der Berufungsinstanz haben beide Parteien ihr bereits in erster Instanz erfolgtes Sachvorbringen wiederholt und vertieft und ihre Rechtsstandpunkte aufrechterhalten.
Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt:
Der Beklagte wird in Abänderung des Urteils des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 13.02.2009 (Az.: 2 HK O 10211/08) verurteilt, an die Klägerin eine Vertragsstrafe von 100.000,00 EUR zu zahlen.
Der Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt:
Die Berufung der Klagepartei wird zurückgewiesen.
Der Senat hat keinen Beweis erhoben.
Im Übrigen wird hinsichtlich des beiderseitigen Parteivortrags auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Die Klägerin kann die Zahlung einer Vertragsstrafe nicht beanspruchen, da die entsprechende Vereinbarung der Parteien sittenwidrig und damit nichtig ist, § 138 Abs. 1 BGB.
1. Die Berufung hat weder neue berücksichtigungsfähige Tatsachen vorgetragen (§ 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) noch konkrete Umstände aufgezeigt, welche Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen landgerichtlichen Tatsachenfeststellungen begründen könnten (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Es ist deshalb von dem im angefochtenen Urteil dargelegten Sachverhalt auszugehen.
Soweit vom Beklagten in der Berufungsinstanz erstmals vorgetragen wird, bei den betreffenden Klauseln handele es sich nicht um im Einzelnen ausgehandelte Vertragsbedingungen, sondern um von der Klägerin für eine Vielzahl von Fällen vorformulierte Klauseln (vgl. Berufungserwiderung vom 30.07.2009), ist das diesbezügliche - in der Folge von der Klägerin bestrittene - Vorbringen verspätet und nicht mehr zuzulassen, § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO. Entsprechender Vortrag ist in erster Instanz nicht erfolgt und vom Landgericht auch nicht festgestellt worden; der gegenteilige Vortrag der Berufungserwiderung trifft nicht zu. Gründe dafür, dass das Unterlassen dieses Sachvortrags in erster Instanz nicht auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
2. Ein Geschäftsführer einer GmbH unterliegt nach der Beendigung seiner Organtätigkeit keinem - gesetzlichen - Wettbewerbsverbot, denn das typische Risiko einer Interessenkollision ist weggefallen. Es ist jedoch grundsätzlich zulässig, wenn zwischen dem Geschäftsführer und der Gesellschaft ein (auch entschädigungsloses) vertragliches Wettbewerbsverbot für die Zeit nach seinem Ausscheiden vereinbart wird.
a) Die Wirksamkeit einer derartigen Vereinbarung ist nicht an §§ 74ff. HGB zu messen, da diese Vorschriften für Organmitglieder, insbesondere Fremdgeschäftsführer einer GmbH, [jedenfalls beim Fehlen einer wirtschaftlichen Abhängigkeit] grundsätzlich nicht anwendbar sind (BGH, Urteil vom 26.03.1984 - II ZR 229/83, BGHZ 91, 1; Urteil vom 28.04.2008 - II ZR 11/07, WM 2008, 1226; Beschluss vom 07.07.2008 - II ZR 81/07, WM 2008, 1744; Scholz/Uwe H. Schneider, GmbHG 10. Aufl. § 43 Rn. 175; Zöllner/Noack in: Baumbach/Hueck, GmbHG 18. Aufl. § 35 Rn. 197; vgl. BGH, Urteil vom 10.04.2003 - III ZR 196/02, ZIP 2003, 998).
b) Die Wirksamkeit derartiger nachvertraglicher Wettbewerbsverbote beurteilt sich vielmehr nach § 138 BGB i.V.m. den in Art. 2 und 12 GG getroffenen Wertentscheidungen (BGH, Urteil vom 28.04.1986 - II ZR 254/85, NJW 1986, 2944 - Praxisverkauf; Urteil vom 15.03.1989 - VIII ZR 62/88, WM 1989, 954 - Reinigungsbetrieb; Urteil vom 29.10.1990 - II ZR 241/89, WM 1990, 2121). Das Bundesverfassungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung klargestellt, dass die Grundrechte nicht nur Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat sind, sondern auch als objektive Normen ein Wertsystem statuieren, das als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts Geltung beansprucht. Dieses Wertsystem beeinflusst auch das bürgerliche Recht; keine bürgerlichrechtliche Vorschrift darf in Widerspruch zu ihm stehen, jede muss in seinem Geiste ausgelegt werden. Der Einfluss grundrechtlicher Wertmaßstäbe wird sich vor allem bei denjenigen Vorschriften des Privatrechts geltend machen, die zwingendes Recht enthalten und so einen Teil des ordre public - im weiten Sinne - bilden, d.h. der Prinzipien, die aus Gründen des gemeinen Wohls auch für die Gestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen den Einzelnen verbindlich sein sollen und deshalb der Herrschaft des Privatwillens entzogen sind. Der Rechtsprechung bieten sich zur Realisierung dieses Einflusses vor allem die "Generalklauseln", die zur Beurteilung menschlichen Verhaltens auf Maßstäbe wie die "guten Sitten" verweisen (BGH a.a.O. m.w.N.).
Die Rechtsprechung geht deshalb davon aus, dass der Wertordnung des Grundgesetzes, wie sie insbesondere in den Grundrechten niedergelegt ist, bei der Auslegung einfachrechtlicher Normen, insbesondere der "Generalklauseln", wesentliche Bedeutung zukommt. Dies gilt auch für das Verständnis dessen, was heute unter "guten Sitten" im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB zu verstehen ist. Daraus folgt, dass die im Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) zum Ausdruck kommende Wertentscheidung des Grundgesetzes für die Freiheit des Berufes bei der Prüfung der Frage, ob Verträge, durch die sich ein Vertragspartner verpflichtet, seinen Beruf auf Zeit oder sogar auf Dauer aufzugeben, gegen die guten Sitten verstoßen, hinreichend beachtet werden muss (BGH a.a.O. m.w.N.).
Nach der Wertentscheidung des Art. 12 Abs. 1 GG greift ein auf gesetzlicher Grundlage ergangenes und lebenslang wirkendes Berufsverbot in seiner Härte tief in das Grundrecht der freien Berufswahl und zugleich in die private und berufliche Existenz ein. Es macht den Lebensplan des Betroffenen zunichte; dieser wird auf Dauer von dem Beruf ausgeschlossen, für den er sich ausgebildet und den er für sich und seine Angehörigen zur Grundlage der Lebensführung gemacht hat. Deshalb ist eine solche gesetzliche Einschränkung der Berufsfreiheit nur statthaft, wenn und solange sie zum Schutz überragender Gemeinschaftsgüter unerlässlich ist und der Betroffene jedenfalls die Chance erhält, sich später wieder in seinem Beruf zu betätigen (BGH a.a.O. m.w.N.).
Diese den Gesetzgeber und die Verwaltung bindende verfassungsrechtliche Grundentscheidung für die Freiheit des Berufes muss auch im Privatrecht hinreichend beachtet werden. Zwar umfasst die in Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Handlungsfreiheit auch die Vertragsfreiheit, doch ist die Freiheit des rechtsgeschäftlichen Handelns durch die "verfassungsmäßige Ordnung" begrenzt, so dass Einschränkungen dieses Freiheitsrechts keinen verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegen, soweit sie den Grundentscheidungen des Grundgesetzes entsprechen (BGH a.a.O. m.w.N.).
c) Unter diesen Voraussetzungen stellt die Rechtsprechung strenge Anforderungen an die Zulässigkeit von Vereinbarungen, die den Grundsatz der freien Berufsausübung auch nur tangieren. Insoweit ist eine Zwei-Stufen-Prüfung vorzunehmen: Vereinbarungen, die den Geschäftsführer einer GmbH für die Zeit nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses in seiner gewerblichen Betätigung beschränken, sind nur zulässig, wenn sie erstens dem Schutz eines berechtigten Interesses des Gesellschaftsunternehmens dienen und zweitens nach Ort, Zeit und Gegenstand die Berufsausübung und die wirtschaftliche Betätigung des Geschäftsführers nicht unbillig erschweren. Der Schutz der berechtigten Interessen ist hierbei im Rahmen einer Gesamtabwägung mit Ort, Zeit und Gegenstand des Berufsverbots ins Verhältnis zu setzen (BGH, Urteil vom 26.03.1984 - II ZR 229/83, BGHZ 91, 1; Urteil vom 28.04.1986 - II ZR 254/85, NJW 1986, 2944 - Praxisverkauf; Urteil vom 14.07.1986 - II ZR 296/85, WM 1986, 1282; Urteil vom 16.10.1989 - II ZR 2/89, WM 1990, 13; Urteil vom 29.10.1990 - II ZR 241/89, WM 1990, 2121; Urteil vom 29.01.1996 - II ZR 286/94, NJW-RR 1996, 741; Urteil vom 14.07.1997 - II ZR 238/96, WM 1997, 1707; Urteil vom 18.07.2005 - II ZR 159/03, WM 2005, 1752; Beschluss vom 07.07.2008 - II ZR 81/07, WM 2008, 1744; Scholz/Uwe H. Schneider, GmbHG a.a.O. Rn. 175f.; Zöllner/Noack in: Baumbach/Hueck, GmbHG a.a.O. § 35 Rn. 198; vgl. MünchKomm-AktG/Spindler, 3. Aufl. § 88 Rn. 47).
d) Das Wettbewerbsverbot muss dem Schutz eines berechtigten Interesses der Gesellschaft dienen.
Wettbewerbsbeschränkungen dürfen lediglich zu dem Zweck vereinbart werden, die Gesellschaft vor illoyaler Verwertung ihr zustehender Arbeitserfolge und vor missbräuchlicher Ausnutzung der Berufsfreiheit des Geschäftsführers zu ihren Lasten zu schützen. Ein schutzwürdiges Interesse am weitergehenden Verbot jeglicher Konkurrenztätigkeit besteht nicht. Schutzklauseln können vielmehr nur dann berechtigt sein, wenn mit ihnen unter angemessenen Bedingungen verhindert werden soll, dass ein vorübergehend tätig gewesener Geschäftsführer nach seinem Ausscheiden Kunden abzieht, zu denen er nur aufgrund seiner Tätigkeit für die GmbH Verbindung gewinnen konnte, oder dass er sich sonstige interne Informationen zunutze macht, zu denen er sich nur durch seine zeitweilige Geschäftsführertätigkeit Zugang hat verschaffen können. Ein Wettbewerbsverbot ist somit nur dann gerechtfertigt, wenn es dem Schutz von Informationen und Kenntnissen, die zuvor erworben wurden, oder dem Schutz von Stammkunden oder Dauermandanten, die der Gesellschaft zuzuordnen sind, dient. Entsprechende Mandantenschutzklauseln sind bei gegenständlicher Begrenzung zulässig (BGH, Urteil vom 26.03.1984 - II ZR 229/83, BGHZ 91, 1; Urteil vom 29.10.1990 - II ZR 241/89, WM 1990, 2121; OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.07.2008 - 17 U 140/07, in juris veröffentlicht; Scholz/Uwe H. Schneider, GmbHG a.a.O. Rn. 177).
e) Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot muss darüber hinaus räumlich, gegenständlich und zeitlich beschränkt sein (Scholz/Uwe H. Schneider, GmbHG a.a.O. Rn. 176ff.).
aa) Es darf zeitlich in der Regel höchstens auf 2 Jahre ausgedehnt sein, denn es ist davon auszugehen, dass der Geschäftsführer nach Ablauf dieser Zeit nicht mehr über besondere Kenntnisse verfügt, die er zum Nachteil der Gesellschaft nutzen könnte (BGH, Urteil vom 26.03.1984 - II ZR 229/83, BGHZ 91, 1; Urteil vom 16.10.1989 - II ZR 2/89, WM 1990, 13; Urteil vom 29.10.1990 - II ZR 241/89, WM 1990, 2121; Urteil vom 29.01.1996 - II ZR 286/94, NJW-RR 1996, 741).
bb) Die räumliche Beschränkung muss dem berechtigten Interesse der Gesellschaft dienen; ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ist nur gerechtfertigt, wenn eine räumliche Überschneidung der Wettbewerbstätigkeiten durch die Gesellschaft und den ausgeschiedenen Gesellschafter vorliegt (vgl. BGH, Urteil vom 14.07.1997 - II ZR 238/96, WM 1997, 1707).
cc) Die gegenständliche Begrenzung folgt aus der konkreten Wettbewerbstätigkeit der Gesellschaft. Die Begrenzung des gegenständlichen Bereichs eines Wettbewerbsverbots auf solche Kunden, die während eines bestimmten Zeitraums bereits zum Kundenkreis des Gesellschaftsunternehmens gehörten, ist nicht zu beanstanden; als Kunden- bzw. Mandantenschutzklausel ist eine derartige Regelung gegenüber einem allgemeinen nachvertraglichen Wettbewerbs verbot bereits insofern eingeschränkt, als sie sich nur auf die bisherigen Mandanten der Gesellschaft beschränkt, die der ausscheidende Geschäftsführer nicht mitnehmen darf. Hierin liegt die gebotene gegenständliche und räumliche Begrenzung, denn der Geschäftsführer darf alle anderen denkbaren Kunden bzw. Mandanten am Ort der Gesellschaft wie auch anderenorts betreuen, ohne seine nachvertraglichen Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft zu verletzen (BGH, Urteil vom 26.03.1984 - II ZR 229/83, BGHZ 91, 1; Urteil vom 16.10.1989 - II ZR 2/89, WM 1990, 13; Urteil vom 08.05.2000 - II ZR 308/98, WM 2000, 1496).
Ist ein Wettbewerbs verbot gegenständlich (wirksam) auf den Kundenkreis der GmbH beschränkt, ist "Kunde" in diesem Sinne nur der entgeltliche Abnehmer der Produkte bzw. Dienstleistungen der GmbH (OLG Düsseldorf NZG 2000, 737).
f) War die Gesellschaft, aus der der Geschäftsführer ausgeschieden ist, mit weiteren Unternehmen konzernmäßig verbunden, so ist zu differenzieren:
War der Geschäftsführer beim herrschenden Unternehmen tätig, so hat er umfassend Kenntnis von den Vorgängen auch bei den Tochtergesellschaften, was auch die entsprechende gegenständliche und örtliche Ausdehnung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots rechtfertigen kann (vgl. Scholz/Uwe H. Schneider, GmbHG a.a.O. Rn. 181; Zöllner/Noack in: Baumbach/Hueck, GmbHG a.a.O. § 35 Rn. 199).
Bei beherrschten Konzernunternehmen kann demgegenüber das nachvertragliche Wettbewerbsverbot nicht auf die Tätigkeit aller Konzernunternehmen ausgedehnt werden, wenn diese in unterschiedlichen gegenständlichen oder örtlichen Bereichen tätig sind (Scholz/Uwe H. Schneider, GmbHG a.a.O. Rn. 181). Entsprechend ist eine Kunden- oder Mandantenschutzklausel gegenständlich zu weit gefasst und damit unzulässig, wenn sie sich auf Kunden weiterer Unternehmen bezieht, zu denen der ausscheidende Geschäftsführer keinen Kontakt hatte. Kunden solcher weiteren Unternehmen sind nicht zugleich auch Kunden der Gesellschaft, für die der Geschäftsführer tätig war, so dass eine Ausdehnung auf derartige weitere Unternehmen - für die der Geschäftsführer der Gesellschaft nicht zuständig war und mit denen er auch keinen Kontakt hatte - nicht notwendig war. Eine Verwertung von Insiderkenntnissen scheidet daher aus. Ein schützenswertes Interesse der Gesellschaft an einer Ausdehnung des Wettbewerbsverbots auch auf die Kunden weitere Unternehmen, zu denen kein Kontakt des Geschäftsführers bestand, ist auch bei Zugehörigkeit dieser weiteren Unternehmen zur selben Unternehmensgruppe nicht erkennbar. Die vorgenommene Beschränkung dient hier letztlich dem Schutz dieser weiteren Unternehmen und nicht dem Schutz der Gesellschaft, wofür keine rechtfertigende Grundlage ersichtlich ist (OLG Köln NZG 2001, 165).
g) Der vorzunehmende Interessenausgleich erfordert eine umfassende Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls, insbesondere auch die Berücksichtigung des Zwecks, der mit der Vereinbarung des Wettbewerbsverbots verfolgt wird. Das gilt sowohl für den Gegenstand des Wettbewerbsverbots als vor allem auch für die zeitliche Dauer und den örtlichen Bereich. Für die Abwägung ist weiter von Bedeutung, ob der wirtschaftliche Wert eines entsprechenden Wettbewerbsverbots dem ausgeschiedenen Geschäftsführer, etwa im Wege einer Karenzentschädigung (vgl. § 74 Abs. 2 HGB), zufließt (vgl. BGH, Urteil vom 14.07.1986 - II ZR 296/85, WM 1986, 1282).
Ergibt diese Gesamtabwägung, dass für das nachvertragliche Wettbewerbsverbot unter Berücksichtigung des Schutzes der berechtigten Interessen der Gesellschaft ein derartiges Interesse fehlt, so ist die Vereinbarung ohne Rücksicht darauf nichtig, ob eine Karenzentschädigung versprochen wurde oder nicht.
h) Eine geltungserhaltende Reduktion der einzelnen Regelungen auf ein vertretbares Maß kommt - abgesehen vom Ausnahmefall der Überschreitung der zeitlichen Beschränkung (hierzu BGH, Urteil vom 29.10.1990 - II ZR 241/89, WM 1990, 2121; Urteil vom 29.01.1996 - II ZR 286/94, NJW-RR 1996, 741; Urteil vom 08.05.2000 - II ZR 308/98, WM 2000, 1496; OLG Zweibrücken MDR 1990, 336) - bei umfassend sittenwidrigen, nicht allein wegen der unangemessenen Laufzeit gegen die guten Sitten verstoßenden Wettbewerbs verboten nicht in Betracht (BGH, Urteil vom 29.10.1990 - II ZR 241/89, WM 1990, 2121; Urteil vom 18.07.2005 - II ZR 159/03, WM 2005, 1752; OLG Düsseldorf ZIP 1999, 311; Scholz/Uwe H. Schneider, GmbHG a.a.O. Rn. 184; Münch-Komm-BGB/Armbrüster, 5. Aufl. § 138 Rn. 161; vgl. MünchKomm-AktG/Spindler, 3. Aufl. § 88 Rn. 47; Staudinger/Sack, BGB Neubearb. 2003 § 138 Rn. 109; a.A: Zöllner/Noack in: Baumbach/ Hueck, GmbHG a.a.O. § 35 Rn. 201). Die geltungserhaltende Reduktion findet ihre Grenze dort, wo die Sittenwidrigkeit einer wettbewerbsbeschränkenden Regelung nicht allein in der zeitlichen Ausdehnung liegt, sondern weitere zur Anwendbarkeit des § 138 BGB führende Gründe hinzutreten. Dann nämlich geht es nicht mehr lediglich darum, eine bloß quantitativ zu weitgehende, im Übrigen aber von dem anzuerkennenden Willen der Parteien getragene Regelung auf das zulässige Maß zurückzuführen. Vielmehr müsste bei einer nicht bloß aus der quantitativen Überschreitung der zulässigen Grenzen hergeleiteten Sittenwidrigkeit das Gericht auf den übrigen Inhalt des sittenwidrigen Geschäfts rechtsgestaltend einwirken, um den Einklang mit der Rechtsordnung herzustellen. Das überschreitet den den Gerichten eingeräumten Gestaltungsspielraum, weil die unterschiedlichsten Regelungen denkbar sind, um z.B. einen sachgerechten, die verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen berücksichtigenden Interessenausgleich herbeizuführen.
Richtet sich der Vorwurf der Sittenwidrigkeit nicht (nur) in quantitativer Hinsicht, sondern (auch) sachlich gegen den gesamten Gehalt des jeweiligen Rechtsgeschäfts, so müsste im Falle einer teilweisen Aufrechterhaltung der wirtschaftliche Gehalt des sittenwidrigen Geschäfts selbst rechts gestaltend verändert werden, damit der Einklang mit der Rechtsordnung hergestellt wird. Gerade das stünde aber im Widerspruch zu Sinn und Zweck des § 138 BGB. Könnte derjenige, der seinen Vertragspartner in sittenwidriger Weise übervorteilt, damit rechnen, schlimmstenfalls durch gerichtliche Festsetzung das zu bekommen, was gerade noch vertretbar und damit sittengemäß ist, verlöre das sittenwidrige Rechtsgeschäft für ihn das Risiko, mit dem es durch die vom Gesetz angedrohte Nichtigkeitsfolge behaftet sein soll. Es widerspricht deshalb dem mit § 138 BGB verfolgten Zweck, den Betroffenen das Risiko zuzuweisen, dass eine zwischen ihnen getroffene Vereinbarung sittenwidrig und nichtig ist. Nicht nur in quantitativer Hinsicht sittenwidrige Rechtsgeschäfte können daher grundsätzlich nicht im Wege der geltungserhaltenden Reduktion teilweise aufrecht erhalten werden (BGH, Urteil vom 28.04.1986 - II ZR 254/85, NJW 1986, 2944 - Praxisverkauf; Urteil vom 14.07.1997 - II ZR 238/96, WM 1997, 1707; Urteil vom 18.07.2005 - II ZR 159/03, WM 2005, 1752).
i) Besonderheiten können sich bei Vereinbarung salvatorischer Klauseln ergeben.
aa) In Rechtsprechung und Literatur wird teilweise die Ansicht vertreten, eine geltungserhaltende Reduktion komme in entsprechender Anwendung des § 139 BGB dann in Betracht, wenn die Vertragsparteien zur Vermeidung der Nichtigkeit des gesamten Vertrages wegen Unwirksamkeit einer einzelnen Bestimmung ausdrücklich vereinbart haben, dass an die Stelle der unwirksamen Bestimmung eine angemessene anderweitige Regelung, orientiert am Sinn und Zweck der unwirksamen Bestimmung, treten soll (sog. salvatorische Klausel). Die Vertragsparteien hätten in diesem Falle nämlich ausdrücklich zu erkennen gegeben, dass die Nichtigkeit einer Bestimmung nicht zu einer Gesamtnichtigkeit des Vertrages führen und darüber hinaus die angegriffene Bestimmung auf ein zulässiges Maß reduziert werden soll, und damit die Rechtsfolgen des § 139 BGB abbedungen.
Ob im Falle eines Wettbewerbs Verbots der Wirksamkeit einer salvatorischen Klausel eine Unteilbarkeit des Vertrages oder ein entgegenstehender Parteiwille entgegensteht, soll sich danach richten, ob die Festlegung auf ein zulässiges Maß ohne Schwierigkeiten möglich ist, etwa durch zeitliche Abkürzung oder weil lediglich das Verbot einer Beratungstätigkeit für Kunden von Fremdunternehmen zu eliminieren ist (vgl. OLG Köln NZG 2001, 165). Entsprechend sollen Klauseln, die wegen Übermaßes in zeitlicher, örtlicher oder sachlicher Hinsicht sittenwidrig sind, durch entsprechende ausdrückliche salvatorische Klauseln in reduziertem Maße aufrecht erhalten werden (Staudinger/Sack, BGB Neubearb. 2003 § 138 Rn. 136, 138; Kamanabrou ZGR 2002, 898).
Die Rechtsprechung hat die teilweise Aufrechterhaltung eines Wettbewerbsverbots infolge Vereinbarung einer salvatorischen Vertragsklausel nicht nur für den Sonderfall einer Überschreitung der zeitlichen Beschränkung anerkannt (OLG Zweibrücken MDR 1990, 336), sondern auch für eine gegenständlich zu weit gefasste Kundenschutzklausel, die sich nicht nur auf eigene Kunden der Gesellschaft, sondern auch auf Kunden weiterer Unternehmen bezog (OLG Köln NZG 2001, 165).
Auch bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen hat die Rechtsprechung zur Zulässigkeit geltungserhaltender Reduktion darauf abgestellt, ob die Klausel sich inhaltlich und sprachlich in einen zulässigen und einen unzulässigen Regelungsteil trennen lässt und der zulässige Teil ohne sprachliche Umgestaltung oder Ergänzung als eigenständige und sinnvolle Regelung aufrecht erhalten werden kann (vgl. etwa BGH, Urteil vom 03.04.1996 - VIII ZR 3/95, ZIP 1996, 1006 m.w.N.).
bb) Die weit verbreiteten, in der Regel standardmäßig verwendeten salvatorischen Erhaltens- und Ersetzungsklauseln besagen nicht, dass die von dem Nichtigkeitsgrund nicht unmittelbar erfassten Teile des Geschäfts unter allen Umständen - begrenzt allein durch den ordre public - als wirksam behandelt werden sollen. Sie enthalten vielmehr nur eine Bestimmung über die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Rahmen der bei § 139 BGB stets vorzunehmenden Prüfung, ob die Parteien das teilnichtige Geschäft als Ganzes verworfen hätten oder aber den Rest hätten gelten lassen. Während bei Fehlen einer salvatorischen Erhaltensklausel die Vertragspartei, welche das teilnichtige Geschäft aufrechterhalten will, darlegungs- und beweispflichtig ist, trifft die entsprechende Pflicht, wenn eine solche Klausel vereinbart ist, denjenigen, der den ganzen Vertrag verwerfen will. Nur bei diesem Verständnis salvatorischer Vertragsklauseln erhält der Gesichtspunkt die ihm zukommende Beachtung, dass es auf die Bedeutung der nichtigen Bestimmung für den ganzen Vertrag ankommt, ob dieser auch ohne dieselbe noch eine sinnvolle und ausgewogene Regelung der beiderseitigen Interessen enthält und deswegen anzunehmen ist, er solle nach dem übereinstimmenden Willen beider Beteiligten auch ohne die nichtige Bestimmung wirksam sein (BGH, Urteil vom 24.09.2002 - KZR 10/01, NJW 2003, 347).
Auch die Vereinbarung einer salvatorischen Klausel kann demnach die sich aus dem Gesetz (§ 138 BGB) ergebenden Rechtsfolgen nicht ändern und führt nicht zu einer weitergehenden, eigenständigen geltungserhaltenden Reduktion, sondern ändert lediglich (in Bezug auf die gesetzliche Vermutung des § 139 BGB) die Beweislast (MünchKomm-AktG/Spindler, 3. Aufl. § 88 Rn. 47; vgl. Thüsing NZG 2004, 9).
3. Ausgehend von vorstehend dargelegter Rechtslage ergibt sich für den Streitfall folgende Beurteilung:
a) Das zwischen den Parteien vereinbarte Wettbewerbs beschränkende Kundenbetreuungsverbot [soweit im Folgenden von einem "Wettbewerbsverbot" die Rede ist, ist die vereinbarte Kundenschutzklausel gemeint] ist sowohl in zeitlicher Hinsicht (durch die Befristung auf 2 Jahre) als auch in gegenständlicher und räumlicher Hinsicht (durch die Begrenzung auf bestimmte Kunden) beschränkt.
aa) Die Erstreckung auch auf Kunden weiterer Gesellschaften der B... -Gruppe in Deutschland sowie auch auf künftige Tochtergesellschaften ist indes zu weitgehend und durch ein schützenswertes Interesse der Klägerin nicht mehr gerechtfertigt (siehe oben II 2 f).
Das Landgericht hat zutreffend eine Nichtigkeit der Vertragsklausel gemäß § 138 BGB aus diesem Grunde bejaht.
bb) Soweit die Berufungserwiderung - noch weitergehend - eine gegenständliche Begrenzung des Kundenbetreuungsverbots nur insoweit als gerechtfertigt ansieht, als der Beklagte es unterlassen müsste, Kunden der Klägerin unmittelbar zu betreuen oder - bei mittelbarer Betreuung - aus seiner Position als ehemaliger Geschäftsführer der Klägerin Einfluss zu nehmen, um Kunden der Klägerin so zum Abschluss eines im wesentlichen inhaltsgleichen Vertrags mit dem neuen Dienstberechtigten zu bewegen, so erscheint eine derartige Einengung indes weder geboten noch praktikabel. Die Rechtsprechung hat Wettbewerbs beschränkende Kundenschutzvereinbarungen bislang ohne derartige Einschränkungen als gerechtfertigt angesehen (vgl. oben II 2 e cc). Dass die Klägerin mit ihrem ehemaligen Geschäftsführer G€ bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages eine entsprechend eingeschränkte Wettbewerbsklausel vereinbart hat (Anlage B5, § 6), führt insoweit zu keiner anderen Beurteilung.
cc) Die weitere Argumentation des Beklagten, das Wettbewerbs verbot untersage dem Beklagten unterschiedslos jede Betreuung von Kunden der Klägerin, unabhängig vom Inhalt des die Kunden jeweils bindenden Vertragsverhältnisses, greift ebenfalls nicht. "Kunde" im Sinne des vereinbarten Kundenbetreuungsverbots ist nur der entgeltliche Abnehmer der Produkte bzw. Dienstleistungen der GmbH (siehe oben II 2 e cc); dem Begriff des Kunden immanent ist damit, dass er sich auf die von der Gesellschaft vertriebenen Leistungen und eine hierdurch definierte Kundenbeziehung bezieht. In diesem Sinne ist auch das dem Beklagten auferlegte Kundenbetreuungsverbot dahin zu verstehen, dass es sich nur auf eine Betreuung mit gleichen bzw. gleichartigen Leistungen bezieht. Das vom Beklagten angeführte Beispiel (dem Beklagten wäre es untersagt, den Fuhrpark von Kunden der Klägerin im Rahmen einer verantwortlichen Tätigkeit bei einem Leasingunternehmen zu betreuen) liegt deshalb neben der Sache.
b) Die Vertragsstrafeklausel ist zudem hinsichtlich ihrer Erstreckung auf Kunden im Sinne von entgeltlichen Abnehmern der Produkte bzw. Dienstleistungen der Klägerin (wie auch weiterer Unternehmen) auch insoweit zu weitgehend, als die eindeutige Bestimmbarkeit solcher Kunden für den Beklagten nicht gewährleistet erscheint. Dies würde zum einen die Übergabe entsprechender Kundenlisten an den Beklagten bedingen, zum anderen jedoch auch die Mitteilung des jeweiligen Geschäftsfeldes, auf dem diese Kunden tätig waren (die Klägerin trägt selbst vor, dass sie Kunden nur auf einigen von deren Geschäftsfeldern betreut habe und das Wettbewerbs verbot nur insoweit Geltung finde). Dass dem Beklagten die für eine eindeutige Bestimmbarkeit vom Wettbewerbsverbot erfasster Kunden erforderlichen Informationen ohne weiteres zur Verfügung standen, wird nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich. Die Ansicht der Klägerin, der Beklagte habe sich ggf. von sich aus um die Zurverfügungstellung von Kundenlisten und entsprechender weiterer Informationen zu bemühen oder gar von ihm für seinen neuen Arbeitgeber ermittelte potenzielle Neukunden der Klägerin zu benennen, damit diese ein Eingreifen des Wettbewerbsverbots abklären könne, wird vom Senat nicht geteilt. Eine derartige Auferlegung von Mitwirkungspflichten auf den Beklagten erscheint dem Senat vielmehr unverhältnismäßig.
c) Schließlich hält der Senat die von den Parteien vereinbarte, keiner Begrenzung unterworfene Höhe der Vertragsstrafe für sittenwidrig und nichtig, § 138 BGB.
aa) Zwischen den Parteien ist insoweit vereinbart "eine einmalige Vertragsstrafe... in Höhe der Summe, die für den Zeitraum der letzten zwölf Monate vor seinem Ausscheiden in den Büchern der Gesellschaft als Bruttoertrag dieses Kunden für alle Leistungen der Gesellschaft ausgewiesen ist... jedoch mindestens 100.000,00 EUR".
bb) Insoweit erscheint bereits die Berechnung der Höhe der Vertragsstrafe durch Anknüpfung an den zwischen den Parteien nicht näher definierten Begriff des "Bruttoertrags" unklar. Ob es sich insoweit um die auch als "Rohertrag" oder "Rohgewinn" (engl. "gross yields" bzw. "gross profit") bezeichnete Differenz zwischen mit dem betreffenden Kunden erzielten Umsatz und für diese Umsatzerzielung aufgewendeten (Material- oder Personal-) Einsatz handelt, wird bereits nicht klar; zudem ist völlig unklar, wie ggf. der entsprechende Einsatz der Klägerin - bezogen auf einen bestimmten Kunden - zu ermitteln ist.
cc) Die Höhe dieses Bruttoertrags als Maßstab der verwirkten Vertragsstrafe ist keinerlei Begrenzungen unterworfen und kann - bei entsprechenden Umsätzen - ggf. immense Größenordnungen erreichen (die Klägerin spricht selbst, bezogen auf den vom Beklagten angeblich abgeworbenen Kunden A... von Umsätzen, die eine Vertragsstrafe im Bereich von etwa 8 Mio. EUR rechtfertigen würden). Die Klausel enthält lediglich eine Untergrenze, nicht aber eine obere Limitierung. Dies kann dazu führen, dass - abhängig vom insoweit maßgeblichen "Bruttoertrag" - die Höhe der verwirkten Vertragsstrafe eine Größenordnung erreichen kann, die unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls in einem erheblichen, groben und auffälligen Missverhältnis zur vertragsstrafebewehrten Unterlassungsverpflichtung wie auch zur Höhe "marktüblicher" Vertragsstrafen steht und den Vertragspartner unter Berücksichtigung von dessen Einkünften wirtschaftlich krass überfordert, insbesondere eine mit dessen Einkommens- und Vermögensverhältnissen unvereinbare Belastung begründet und dessen wirtschaftliche Existenz gefährdet Dieser Umstand begründet gleichfalls eine Sittenwidrigkeit der Vertragsstrafevereinbarung.
Zwar kann eine unverhältnismäßig hohe Vertragsstrafe - in den Grenzen des § 348 HGB - auf Antrag des Schuldners auf den angemessenen Betrag herabgesetzt werden, § 343 BGB. Die Anwendung dieser Billigkeitskontrolle setzt indes die Wirksamkeit des Vertrags Strafeversprechens voraus (Palandt/Grüneberg, BGB 68. Aufl. § 343 Rn. 4), greift also nicht, wenn das Vertragsstrafeversprechen wegen Verstoßes gegen § 138 BGB nichtig ist. Zudem kann der Rechtsgedanke des § 348 HGB auch beim Geschäftsführer einer GmbH eine Herabsetzung der Vertragsstrafe gemäß § 343 BGB ausschließen (vgl. Palandt/Grüneberg BGB 68. Aufl. § 343 Rn. 8).
dd) Weiter enthält die Vertragsstrafevereinbarung der Parteien auch eine erhebliche Mindesthöhe von 100.000,00 EUR, die gleichfalls zu einer unverhältnismäßigen und sittenwidrigen Benachteiligung des Vertragspartners führen kann. Wird etwa unter Verstoß gegen die Klausel lediglich ein Kunde mit geringen Umsätzen abgeworben, so würde die Anknüpfung an den "Bruttoertrag" auch nur eine äußerst geringe Vertragsstrafenhöhe ergeben. In derartigen Fällen begegnet die Vereinbarung einer Mindesthöhe der Vertragsstrafe von 100.000,00 EUR dem Vorwurf der Unverhältnismäßigkeit.
ee) Entgegen der Sichtweise der Klägerin kann aus der Möglichkeit einer der Höhe nach unbegrenzten Schadensersatzhaftung des Beklagten nicht gefolgert werden, dass deshalb auch eine unlimitierte Vertragsstrafe zulässig wäre. Eine Schadensersatzhaftung setzt nämlich auch den Nachweis eines kausalen Schadens in entsprechender Höhe voraus, während eine Vertragsstrafe unabhängig von einem solchen Schaden (und neben diesem) zu zahlen wäre, und rechtfertigt schon deshalb eine andere Beurteilung. Andernfalls würde § 138 BGB zudem bei Vertragsstrafeversprechen wegen (zugleich eine Schadensersatzpflicht begründenden) Vertragsverletzungen leerlaufen.
d) Die - teilweise - Nichtigkeit des vereinbarten Kundenbetreuungsverbots führt gemäß § 139 BGB grundsätzlich zu einer Gesamtnichtigkeit der entsprechenden Klausel.
Eine geltungserhaltende Reduktion der Klausel ist im Streitfall nicht möglich.
aa) Insoweit liegt kein Fall einer Überschreitung der in zeitlicher Hinsicht bestehenden 2-Jahres-Grenze vor, für die die Rechtsprechung die Zulässigkeit einer solchen Reduktion bejaht (siehe oben II 2 h), vielmehr ein Fall der Überschreitung der gegenständlichen bzw. inhaltlichen Grenzen, für die die Rechtsprechung die Zulässigkeit einer geltungserhaltende Reduktion ablehnt.
Zwar ist eine eindeutige Abgrenzung der Vereinbarung auf Kunden der Klägerin einerseits und Kunden weiterer Unternehmen andererseits möglich. Der Vorwurf der Sittenwidrigkeit richtet sich hier eher in quantitativer Hinsicht (nämlich hinsichtlich der Einbeziehung von Kunden weiterer Unternehmen) gegen den Gehalt der Klausel. Im Hinblick auf die oben (unter II 2 h) zitierte Rechtsprechung, insbesondere das Urteil des BGH vom 14.07.1997 (II ZR 238/96, WM 1997, 1707), dürfte dieser Punkt einer geltungserhaltenden Reduktion möglicherweise noch nicht entgegen stehen.
bb) Allerdings beschränkt sich der Sittenwidrigkeitsvorwurf nicht allein auf die zu weitgehende Erstreckung auf die Kunden auch anderer Unternehmen, sondern umfasst gleichermaßen die Auferlegung von Mitwirkungspflichten auf den Beklagten zur Ermittlung des insoweit relevanten Kundenkreises (siehe oben II 3 b) und die Höhe der vereinbarten Vertragsstrafe (siehe oben II 3 c) damit Gesichtspunkte, die nicht nur in rein quantitativer Hinsicht die Vertragsstrafenklausel betreffen. Insbesondere der letztgenannte Umstand betrifft nicht nur einen abgrenzbaren Teil der Vertragsstrafenvereinbarung, sondern umfasst diese insgesamt.
cc) Bei Würdigung aller Umstände im Rahmen einer Gesamtabwägung erscheint eine geltungserhaltende Reduktion hier nicht mehr möglich.
4. Die zwischen den Parteien vereinbarte salvatorische Klausel führt im Ergebnis zu keiner anderen Beurteilung.
Wie oben (II 2 i bb) dargelegt, enthalten solche Klauseln nur eine Bestimmung über die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Rahmen der bei § 139 BGB stets vorzunehmenden Prüfung, ob die Parteien das teilnichtige Geschäft als Ganzes verworfen hätten oder aber den Rest hätten gelten lassen. Während bei Fehlen einer salvatorischen Erhaltensklausel die Vertragspartei, welche das teilnichtige Geschäft aufrechterhalten will, darlegungs- und beweispflichtig ist, trifft die entsprechende Pflicht, wenn eine solche Klausel vereinbart ist, denjenigen, der den ganzen Vertrag verwerfen will.
Die Frage, ob der Anstellungsvertrag des Beklagten (Anlage K3) wie auch der mit diesem geschlossene Aufhebungsvertrag (Anlage K5) trotz Nichtigkeit der Vertragsstrafenklausel im Übrigen gelten soll oder insgesamt als nichtig anzusehen ist, stellt sich nicht; unstreitig wollen beide Parteien die jeweiligen Vertragsverhältnisse auch ohne die nichtige Vertragsstrafenklausel gelten lassen.
Die weitere Frage, ob die Vertragsstrafenklausel als solche insgesamt nichtig sein soll oder - soweit hinsichtlich dieser Klausel Nichtigkeitsgründe nicht vorliegen - insoweit als wirksam angesehen werden soll, stellt sich gleichfalls nicht. Zwar ergreift der Nichtigkeitsgrund der Erstreckung der Klausel auch auf Kunden weiterer Gesellschaften (siehe oben II 3 a) nur einen abgrenzbaren Teil der Klausel; diese könnte mit einer Erstreckung lediglich auf Kunden der Klägerin weiterhin als wirksam behandelt werden. Dies erscheint indes bereits beim weiteren Nichtigkeitsgrund der fehlenden eindeutigen Bestimmbarkeit der vom Verbot erfassten Kunden (siehe oben II 3 b) fraglich. Jedenfalls beim weiteren Nichtigkeitsgrund der unverhältnismäßigen und sittenwidrigen Höhe der Vertragsstrafe (siehe oben II 3 c) ist eine Abgrenzung eines noch wirksamen Teils der Klausel nicht mehr möglich. Damit fehlt es jedoch an der von § 139 BGB geforderten Teilbarkeit des teilweise nichtigen Rechtsgeschäfts (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB 68. Aufl. § 139 Rn. 10). Auf die Darlegungs- und Beweislastverteilung im Rahmen des § 139 BGB kommt es somit mangels Anwendbarkeit dieser Rechtsnorm nicht an.
5. Die danach nichtige Vertragsstrafenklausel ist auch nicht dadurch wirksam geworden, dass die Vertragsparteien sie im Rahmen des Aufhebungsvertrags vom 23.04.2008 (Anlage K5) ausdrücklich aufrecht erhalten haben. Eine Bestätigung des nichtigen Rechtsgeschäfts gemäß § 141 BGB könnte insoweit nur dann erfolgen, wenn die die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände nicht mehr bestehen (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB 68. Aufl. § 141 Rn. 5 m.w.N.). Die Vertragsklausel wurde jedoch mit unverändertem Inhalt aufrecht erhalten, trägt also weiterhin den Makel der Sittenwidrigkeit in sich. Dass zum Zeitpunkt des Aufhebungsvertrages diese Klausel keinen sittenwidrigen Inhalt mehr hatte - auch unter Berücksichtigung der Kenntnisse und Erkenntnismöglichkeiten der Vertragsparteien zum damaligen Zeitpunkt - ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
6. Die Klage ist damit unbegründet. Die Berufung der Klägerin gegen das angefochtene klageabweisende Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth war dementsprechend zurückzuweisen.
7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
8. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO.
Eine grundsätzliche Bedeutung wäre lediglich dann anzunehmen, wenn die Rechtssache eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwerfen würde, die über den Einzelfall hinaus Bedeutung für die Allgemeinheit hat. Dies ist im vorliegenden Fall gerade nicht gegeben. Soweit die Klägerin eine derartige grundsätzliche Bedeutung hinsichtlich des Nichtigkeitsgrundes der Erstreckung der Klausel auch auf Kunden weiterer Gesellschaften und der insoweit fraglichen Möglichkeit einer geltungserhaltenden Reduktion (vgl. oben II 3 d aa) sieht, ist diese Problematik schon nicht entscheidungserheblich, da die zwischen den Parteien vereinbarte Vertragsstraferegelung auch aus anderen Gründen insgesamt nichtig ist. Soweit die Klägerin eine grundsätzliche Bedeutung hinsichtlich der Frage sieht, ob die für Wettbewerbsverbote geltenden Grundsätze der BGH-Rechtsprechung auch auf Kundenschutzklauseln anwendbar sind, ist diese Frage bereits hinreichend geklärt. Auch Kundenschutzklauseln sind (gegenständlich auf den Schutz von bestimmten Kunden eingeschränkte) Wettbewerbsverbote und unterliegen deshalb der insoweit bestehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung.
Auch die Fortbildung des Rechts erfordert keine höchstrichterliche Entscheidung, da dazu lediglich dann Anlass bestünde, wenn es für die rechtliche Beurteilung an einer richtungweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlen würde. Die Entscheidung des Senats beruht jedoch ganz wesentlich auf den Besonderheiten des vorliegenden Sachverhalts und auf unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu treffenden Abwägungsentscheidungen.
Auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht geboten.
9. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO.
OLG Nürnberg:
Urteil v. 25.11.2009
Az: 12 U 681/09
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/b5b7ecb64894/OLG-Nuernberg_Urteil_vom_25-November-2009_Az_12-U-681-09