Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. November 2005
Aktenzeichen: 26 W (pat) 155/03

(BPatG: Beschluss v. 16.11.2005, Az.: 26 W (pat) 155/03)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Die Markenstelle für Klasse 34 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat die Anmeldung der für ursprünglich für die Waren

"Rohtabak, verarbeiteter Tabak und Tabakprodukte, insbesondere Zigarren, Zigaretten, Zigarillos, Feinschnitttabak, Pfeifentabak, Kautabak, Schnupftabak, Tabakersatzstoffe (nicht für medizinische Zwecke); Raucherartikel, insbesondere Tabakdosen, Zigarettenetuis, Aschenbecher (sämtliche vorgenannten Waren nicht aus Edelmetall oder damit plattiert), Zigarettenpapier, Zigarettenhülsen, Zigarettenfilter, Pfeifen, Taschenapparate zum Selbstdrehen von Zigaretten, Feuerzeuge; Streichhölzer"

beanspruchten Marke NEW YORK mit zwei Beschlüssen gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, bei der angemeldeten Marke handele es sich um eine Angabe, die zur Bezeichnung der geografischen Herkunft der Waren dienen könne. Bei der Beurteilung der Eignung eines Wortes als geografische Herkunftsangabe seien nicht nur die gegenwärtigen Verhältnisse, sondern auch mögliche, nicht außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit liegende zukünftige wirtschaftliche Entwicklungen zu berücksichtigen. Eine Eignung als geografische Herkunftsangabe komme insbesondere den Namen bekannter Orte zu, bei denen es nicht unwahrscheinlich sei, dass die beteiligten Verkehrskreise eine Verbindung zu den maßgeblichen Waren herstellen könnten. Hiervon ausgehend sei ein Freihaltungsinteresse der Mitbewerber der Anmelderin an der angemeldeten Ortsangabe zu bejahen. New York sei nicht nur die größte Stadt Amerikas, ein bedeutendes Verkehrs- und Handelszentrum sowie Sitz zahlreicher Industrien allgemein, sondern ausweislich des Tabaklexikons von Voges/Wöber im besonderen auch der Sitz großer Unternehmen der Tabakindustrie, ein bedeutender Handelsplatz für Rohtabaksorten und wichtigster Einfuhrhafen für in die USA importierte Tabake. Bei dieser Sachlage sei es nahe liegend, dass in New York auch Tabak verarbeitet werde und fertige Tabakprodukte vertrieben würden.

Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde. Sie hat das Warenverzeichnis auf die Waren

"Verarbeiteter Tabak und Tabakprodukte, insbesondere Zigaretten"

beschränkt und vertritt die Ansicht, für diese Waren stünden einer Eintragung der Marke keine Schutzhindernisse entgegen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, in New York gebe es keine tabakverarbeitende Industrie. Insbesondere würden dort keine Zigaretten produziert. Die angemeldete Marke könne daher nicht zur Bezeichnung der geografischen Herkunft von Zigaretten dienen. Auf den Umstand, dass New York der Hauptsitz der Anmelderin und möglicherweise auch ein Handelsplatz für Tabake sei, könne es nicht entscheidend ankommen, weil es bei Zigaretten nicht üblich sei, auf der Ware selbst, ihrer Verpackung oder in der Werbung in nach Art einer Marke herausgestellter Form auf diesen für die Qualität und Wertschätzung unmaßgeblichen Umstand hinzuweisen. Vor diesem Hintergrund sei auch die Bezeichnung "MANHATTAN" als Marke für Zigaretten vom Senat für schutzfähig erachtet worden. Eine hiervon abweichende Beurteilung sei auch nicht auf Grund der "Chiemsee"- Entscheidung des EuGH (GRUR 1999, 723) geboten, weil es keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte dafür gebe, dass sich zukünftig eine tabakverarbeitende Industrie in New York ansiedeln könnte. Die Anmelderin beantragt demgemäß die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.

II Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig, aber unbegründet. Der Eintragung der angemeldeten Marke steht auch für die nach der erfolgten Einschränkung des Warenverzeichnisses noch beanspruchten Waren das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. MarkenG entgegen, denn sie ist eine Angabe, die zur Bezeichnung der geografischen Herkunft der maßgeblichen Waren dienen kann.

Mit dem Ausschluss solcher Angaben vom Markenschutz verfolgt der Gesetzgeber das im Allgemeininteresse liegende Ziel, dass diese für die Waren und Dienstleistungen, die sie beschreiben, von jedermann frei verwendet werden können. Die Zurückweisung einer Anmeldung nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG setzt nicht voraus, dass die Angaben, aus denen die Marke besteht, zum Zeitpunkt ihrer Anmeldung bereits tatsächlich für die fraglichen Waren und Dienstleistungen oder für ihre Merkmale beschreibend verwendet werden. Es genügt vielmehr, wie sich schon aus dem Wortlaut der Bestimmung ergibt, dass die Angaben zu diesem Zweck verwendet werden können (EuGH Mitt 2004, 28, 29 - Doublemint). Bei der Prüfung der Frage, ob eine Ortsangabe zur Bezeichnung der geografischen Herkunft bestimmter Waren und Dienstleistungen dienen kann, sind nicht nur die aktuellen Gegebenheiten zu berücksichtigen. Maßgeblich ist vielmehr auch, ob eine beschreibende Verwendung der fraglichen Angabe vernünftigerweise in Zukunft zu erwarten ist, wobei ein Ausschluss von der Eintragung entgegen der früheren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht voraussetzt, dass ein konkretes, aktuelles oder ernsthaftes Freihaltungsbedürfnis besteht (EuGH GRUR 1999, 723, 726, Rdn. 35 - Chiemsee). Notwendig, aber zugleich ausreichend sind insoweit Feststellungen zu den gegenwärtigen Verhältnissen und möglichen, nicht außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit liegenden zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklungen, die eine beschreibende Verwendung der betreffenden Ortsangabe vernünftigerweise erwarten lassen (EuGH a. a. O. Rdn. 31 und 37 - Chiemsee). Bei Namen von Ländern, Regionen, Großstädten oder sonst wirtschaftlich bedeutenden Örtlichkeiten besteht eine grundsätzliche Vermutung dafür, dass sie als geografische Herkunftsangaben zur freien Verwendung benötigt werden können, denn eine Eignung, als geografische Herkunftsangabe zu dienen, kommt insbesondere den Namen bekannter Orte zu, bei denen nicht unwahrscheinlich, dass die beteiligten Verkehrskreise eine Verbindung zu den beanspruchten Waren und Dienstleistungen herstellen können (EuGH a. a. O. Rdn. 32 - Chiemsee; BGH GRUR 1994, 905, 907 - Schwarzwald-Sprudel; HABM-BK GRUR 2002, 351, 352 f. - OLDENBURGER).

New York ist nicht nur die größte Stadt in den Vereinigten Staaten von Amerika, sondern eine der größten und bekanntesten Metropolen weltweit. Sie ist ein Anziehungspunkt für Touristen aus aller Welt, ein sehr bedeutendes Verkehrs- und Handelszentrum sowie der Sitz zahlreicher Industrie- und Handelsunternehmen, darunter auch einer nicht geringen Zahl weltweit operierender Unternehmen der Tabakindustrie (World Tobacco Directory, 27. Auflage 1979, S. 170). Als wichtiger Ein- und Ausfuhrhafen für Tabake ist New York auch seit langem ein bedeutender Handelsplatz für Rohtabake (Voges/Wöber, Tabaklexikon, 1967, S. 214). Darüber hinaus ist New York nicht nur der Name dieser weltweit bekannten Stadt, sondern zugleich Namensgeberin für den entsprechenden Bundesstaat der Vereinigten Staaten. All dies wird auch von der Anmelderin nicht in Abrede gestellt.

Angesichts der Größe und Bedeutung von New York als Handelsplatz für eine Vielzahl von Waren und von Tabaken und Tabakerzeugnissen im Besonderen besteht bereits eine Vermutung dafür, dass die Angabe "NEW YORK" zur Bezeichnung der geografischen Herkunft von Tabakerzeugnissen der beanspruchten Art dienen kann. Darüber hinaus stellt der der Anmelderin bereits von der Markenstelle mitgeteilte und nachgewiesene Umstand, dass NEW YORK der Sitz vieler Unternehmen der Tabakbranche ist, einen ausreichenden tatsächlichen Anhalt dafür dar, dass die angemeldete Marke bereits aktuell zur Bezeichnung der Herkunft von Waren der beanspruchten Art aus der Stadt bzw. dem Staate "NEW YORK" dienen kann.

Soweit sich die Anmelderin zur Stützung der gegenteiligen Ansicht auf eine frühere Entscheidung des Senats beruft, in der die Bezeichnung "MANHATTAN" für Zigaretten innerhalb einer Widerspruchsmarke als selbständig schutzfähig erachtet worden ist, vermag dies die Eintragbarkeit der angemeldeten Marke nicht zu begründen. Die Anmelderin lässt nämlich insoweit - ganz abgesehen von der seither eingetretenen Änderung der Rechtsprechung zur Eintragungsfähigkeit geografischer Angaben - außer acht, dass es sich bei "MANHATTAN" um die Bezeichnung eines Stadtteils handelt, der erfahrungsgemäß weit weniger zur örtlichen Herkunftskennzeichnung benötigt wird als der Name einer Großstadt oder eines Bundesstaates.

Aus den dargelegten Gründen ist der angemeldeten Marke die Eintragung gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zu versagen. Ob ihr darüber hinaus jegliche Unterscheidungskraft fehlt (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG), kann dahingestellt bleiben.

Richter Albert ist in den Ruhestand getreten und daher an der Unterschriftsleistung gehindert.

Kraft Kraft Reker WA






BPatG:
Beschluss v. 16.11.2005
Az: 26 W (pat) 155/03


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