Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen:
Urteil vom 5. Oktober 2010
Aktenzeichen: 13 A 29/10

(OVG Nordrhein-Westfalen: Urteil v. 05.10.2010, Az.: 13 A 29/10)

§ 5a Abs. 5 AEG ist ebenso wie § 14c Abs. 3 AEG keine Ermächtigungsgrundlage zum Erlass eines Eingriffsverwaltungsakts.

§ 5a Abs. 2 AEG ist keine Befugnisnorm für eine anlasslose Gefahrenabwehr- oder Gefahrenerforschungsmaßnahme.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 27. November 2009 geändert. Ziffern 1 bis 3 des Tenors des Bescheids der Beklagten vom 28. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2008 werden aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen trägt die Beklagte.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Im Oktober 2007 verlangte das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) im Zuge der Prüfung, ob das Verbot der Überleitung öffentlicher Gelder eingehalten wurde, von der Klägerin die Vorlage von Informationen hinsichtlich von "Zuschüssen von Dritten", "Zuschüssen von Dritten AHK [Anschaffungs- und Herstellungskosten] mindernd" und "Zuschüssen GVFG [Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz] (außer Bund)". Im Unterschied zum Vorjahresbericht 2005 fehlten im Bericht 2006 unter den beiden zuletzt genannten Titeln Einzelbeträge. Mit der Begründung, es bestehe kein Anlass für die verlangte Auskunft, verweigerte die Klägerin die Vorlage der gewünschten Informationen.

Mit Bescheid vom 28. Januar 2008 gab das EBA der Klägerin unter Ziff. 1 bis 3 auf, binnen eines Monats nach Zustellung des Bescheids jeweils eine Aufschlüsselung der unter den genannten 3 Titeln im Geschäftsbericht 2006 bezeichneten öffentlichen Gelder nach Zuschussgebern zu machen und ihre Nutzung, aufgeschlüsselt nach Einzelprojekten darzulegen und zu erläutern. Mit Ziff. 4 und 5 verlangte das EBA eine Bezifferung des von der Klägerin im Jahr 2006 gezahlten Betrags für die Konzernumlage und der sonstigen gezahlten Beträge im DB-Konzern und eine Darstellung und Aufschlüsselung, aus welchen Quellen dieser Betrag intern finanziert wurde. Das EBA stützte sein Auskunftsverlangen auf § 5a Abs. 1 in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1b AEG. Der Bescheid ergehe, da eine Überprüfung, ob dem Überleitungsverbot nach § 9 Abs. 1b AEG Rechnung getragen worden sei, nicht möglich sei, und diene der Vorbereitung der dort vorgesehenen Prüfung.

Mit ihrem gegen den Bescheid erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, Anhaltspunkte für eine Quersubventionierung lägen nicht vor. Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juli 2008 wies das EBA den Widerspruch zurück.

Mit ihrer rechtzeitig erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht:

Die Beklagte habe keine Befugnis zum Erlass des angefochtenen Auskunftsbescheids. Aus dem Grundsatz der Amtsermittlung nach § 24 VwVfG und den Regeln der Beweiserhebung gemäß § 26 VwVfG ließen sich eine solche Ermächtigung nicht ableiten. Auch § 5a Abs. 5 AEG enthalte keine entsprechende Verwaltungsaktsbefugnis. Ein Vergleich mit Auskunftsrechten in anderen Regulierungsbereichen bestätige diese Auffassung. In § 45 Abs. 2 PostG sei eine ausdrückliche Ermächtigung enthalten ("schriftliche Anordnung"). Ebenso bestimmten § 127 Abs. 3 TKG, § 69 Abs. 7 EnWG sowie § 59 Abs. 6 GWB, dass die Auskunft durch schriftliche Einzelverfügung angefordert werde. Diese Handlungsform des Verwaltungsakts werde in § 5a Abs. 5 AEG nicht genannt. Es seien auch nicht die Voraussetzungen des § 5a Abs. 5, Abs. 2, Abs. 1 Satz 1, § 9 Abs. 1b AEG erfüllt. Das Auskunftsbegehren habe nicht der Vorbereitung und Durchführung einer Aufsichtsmaßnahme gedient. Nach § 5a Abs. 5 AEG seien die "nach Absatz 2 Verpflichteten" Adressat einer Auskunftspflicht, also solche Personen, die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und zur Verhütung künftiger Verstöße von dem EBA in Anspruch genommen würden. Auch aus der Kompetenzüberwachung der Einhaltung des § 9 AEG erwachse keine Befugnis zur verdachtsunabhängigen Kontrollen. In der Überwachung der Einhaltung der Maßgaben des § 9 AEG erfülle das EBA keine Aufgabe einer Sicherheitsbehörde, sondern eine infrastruktur- und wettbewerbsbezogene Regulierungsaufgabe. Die Überwachung sei daher nicht Teil der Gefahrenabwehr, sondern betreffe in materieller Hinsicht eine regulierungsrechtliche Aufgabe. Die Befugnisse der Kartell- und Regulierungsbehörden zur Einholung von Auskünften seien an das Vorliegen eines Anfangsverdachts geknüpft. Die Maßnahmen des EBA seien zudem unverhältnismäßig. Die Anordnungspunkte seien weder erforderlich noch angemessen. Mangels Anfangsverdachts seien die Auskunftsbegehren insgesamt nicht erforderlich, da dieselben Erkenntnismittel wie zum Geschäftsbericht 2005 vorlägen und sämtliche staatliche Zuwendungen durch die jeweiligen Zuwendungsgeber auf Landesebene überprüft worden seien. Wenn das EBA geltend mache, diese Prüfungen erfolgten nur stichprobenartig, bringe es damit die Unterstellung zum Ausdruck, die Klägerin würde eine scheinbare Lückenhaftigkeit der Verwendungsprüfung nutzen, um Fördermittel zweckwidrig zu vereinnahmen. Schließlich sei der Bescheid rechtswidrig, weil die geforderten Informationen Geschäftsgeheimnisse enthielten.

Das EBA hat in der mündlichen Verhandlung Ziff. 4 und 5 des Bescheids vom 28. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2008 aufgehoben.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 28. Januar 2008 und den Widerspruchsbescheid vom 14. Juli 2008, soweit sie nicht in der mündlichen Verhandlung aufgehoben worden sind, aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

§ 5a AEG betreffe ausweislich seiner Entstehungsgeschichte Gefahrenabwehrrecht und stehe als selbständige Eingriffskompetenz neben der regulierungsrechtlichen Auskunftsnorm des § 14c Abs. 3 AEG. Für den Bereich des §§ 9, 9a AEG habe der Gesetzgeber bewusst § 5a AEG und nicht § 14c AEG für anwendbar erklärt. Die streitgegenständliche Auskunftsanordnung erfülle die Voraussetzungen der Eingriffsbefugnis und sei insbesondere erforderlich und auch im Übrigen verhältnismäßig. Die von der Klägerin für das Jahr 2006 vorgelegten Unterlagen seien nicht ausreichend aussagekräftig, um eine Prüfung am Maßstab des § 9 Abs. 1b AEG durchzuführen.

Das Verwaltungsgericht hat das Verfahren nach den übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten teilweise eingestellt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Ausweislich der Entstehungsgeschichte ermächtige § 5a Abs. 5 AEG das EBA zum Erlass eines Auskunftsbescheids. Abgesehen hiervon folge aus § 5a Abs. 5, Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 9 Abs. 1b AEG die Befugnis zum Erlass eines Auskunftsbescheids. Die Maßnahme sei zur Verhütung künftiger Verstöße erforderlich.

Das Verwaltungsgericht hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Mit ihrer Berufung wiederholt und vertieft die Klägerin ihre erstinstanzlichen Ausführungen und macht des Weiteren geltend: Zwar sei § 5a AEG dazu bestimmt, Eingriffsnormen für die Eisenbahnaufsichtsbehörden zu schaffen. Hieraus folge aber nicht, dass diese Norm eine selbstständige Befugnis zum Erlass von Auskunftsbescheiden zu entnehmen sei. Die Effektivitätserwägungen des Verwaltungsgerichts gingen ins Leere. Das EBA werde hier nicht als Gefahrenabwehrbehörde tätig, sondern zur Überwachung von Entflechtungsnormen. § 5a Abs. 5 AEG begründe nur Obliegenheiten des Normadressaten. Dies werde auch durch die Rechtsprechung des Senats zu dem insoweit mit dieser Bestimmung wortgleichen § 14c Abs. 3 AEG bestätigt, dem gleichfalls keine Ermächtigungsgrundlage für Auskunftsbescheide zu entnehmen sei. Auch lägen nicht die Voraussetzungen des vom Verwaltungsgericht herangezogenen § 5a Abs. 5, Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 9 Abs. 1b AEG vor. Eine hier angeordnete anlasslose Gefahrerforschungsmaßnahme sei unzulässig. Es fehle angesichts der zuwendungsrechtlichen Verwendungsprüfungen auch an der Erforderlichkeit verdachtsunabhängiger Routinekontrollen zur Einhaltung der Anforderungen des § 9 Abs. 1b AEG.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 27. November 2009 zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung nimmt die Beklagte auf ihren bisherigen Vortrag Bezug und führt ferner aus: Insbesondere die Struktur von § 5a AEG zeige, dass das EBA zum Erlass eines Auskunftsbescheids befugt sei. Absatz 7 gehe davon aus, dass auch nach Absatz 5 Anordnungen erteilt werden dürften, die der Vollstreckung zugänglich seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung der Klägerin ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen.

Ziffern 1 bis 3 des Tenors des Auskunftsbescheids des EBA vom 28. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2008 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Der streitgegenständliche Auskunftsbescheid findet seine Ermächtigungsgrundlage nicht in der vom EBA herangezogenen Vorschrift des § 5a Abs. 5 AEG. Danach haben die nach Absatz 2 Verpflichteten und die für sie tätigen Personen den Eisenbahnaufsichtsbehörden und ihren Beauftragten alle für die Durchführung der Eisenbahnaufsicht erforderlichen Auskünfte zu erteilen.

Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind zwar erfüllt. Es fehlt aber an der hinreichenden Befugnis für das EBA, die Verpflichtung der Klägerin mit Hilfe eines Verwaltungsakts durchzusetzen.

Eine entsprechende textliche Anknüpfung enthält § 5a Abs. 5 AEG im Unterschied zu vergleichbaren Auskunftsvorschriften wie § 127 TKG (Anforderung durch schriftliche Verfügung nach Abs. 3), § 45 PostG (Erlass einer schriftlichen Anordnung nach Abs. 2) und § 69 EnWG (Anforderung der Bundesnetzagentur durch Beschluss und der Landesregulierungsbehörde durch schriftliche Einzelverfügung nach Abs. 7) nicht. Eine ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage ist angesichts des Grundsatzes der Normenklarheit im Regulierungsrecht aber notwendig. Das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG verpflichtet den Gesetzgeber, Normen zu schaffen, die so gefasst sind, dass der Betroffene seine Normunterworfenheit und die Rechtslage so konkret erkennen kann, dass er sein Verhalten danach auszurichten vermag, wobei es ausreichend ist, wenn der Rechtsunterworfene im Wege der Auslegung in zumutbarer Weise erkennen kann, ob eine Norm anwendbar ist.

Vgl. etwa OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2010 13 A 2557/09 -, juris, unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung des BVerfG, etwa Beschlüsse vom 2. Juni 2008 - 1 BvR 349/04 und 1 BvR 378/04 -, NVwZ 2008, 1229, und vom 9. April 2003 - 1 BvL 1/01 und 1 BvR 1749/01 -, BVerfGE 108, 52 = NJW 2003, 2733, jeweils m. w. N.; vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 27. Mai 2009 - 13 A 228/08 -, PharmR 2009, 460; OVG NRW, Beschluss vom 26. Januar 2010 - 13 B 1742/09 - , juris, m. w. N.

Die Regulierungsvorschriften im Eisenbahnrecht, die der Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs auf der Schiene bei Erbringung von Eisenbahnverkehrsleistungen und dem Betrieb von Eisenbahninfrastrukturen dienen (§ 1 Abs. 1 AEG), sind für die Klägerin belastende Maßnahmen, die deshalb der gesetzlichen Rechtfertigung bedürfen. Hinreichend bestimmte Normen haben die Befugnisse des Eisenbahn-Bundesamts näher zu konkretisieren.

Der Entstehungsgeschichte und der Systematik von § 5a AEG können demgegenüber keine entscheidende rechtlich maßgebliche Bedeutung zukommen.

Der Gesetzgeber hat diese Norm erlassen, um Eingriffsbefugnisse für die Eisenbahnaufsichtsbehörde zu schaffen. Dies geschah indessen nicht, um Regulierung zu ermöglichen, sondern um den sicherheitsbezogenen Eisenbahngefahrenabwehrrecht zur Wirksamkeit zu verhelfen. § 5a AEG soll nach der Gesetzesbegründung die allgemeine Befugnisnorm der Eisenbahnaufsichtsbehörden enthalten, die das Eisenbahnneuordnungsgesetz vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2378) nicht enthielt. Nachdem das Bundesverwaltungsgericht im Beschluss vom 13. Oktober 1994 (- 7 VR 10/94 -, NVwZ 1995, 379) die Gesetzeslücke mit einer entsprechenden Auslegung des in der Zuständigkeitsnorm verwendeten Begriffs der Eisenbahnaufsicht (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes über die Eisenbahnverkehrsverwaltung des Bundes a. F. - BEVVG) zu schließen versucht hatte, entschied sich der Gesetzgeber zur Schaffung einer Befugnisnorm im Rahmen der 2. AEG-Novelle (BT-Drucks. 14/6929, S. 12 ff).

Vgl. Hermes/Schweinsberg, in: Hermes/Sellner, Beck'scher AEG-Kommentar, § 5a Rn. 2, m. w. N.

Zu dem hier herangezogenen § 5a Abs. 5 AEG heißt es in der Gesetzesbegründung, die Regelung entspreche § 12 Abs. 5 GüKG; das Verlangen der Eisenbahnaufsichtsbehörden sei durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auf das jeweils Erforderliche eingeschränkt. Indessen findet sich im Unterschied zu § 12 Abs. 5 GüKG in § 5a Abs. 5 AEG nicht die ausdrückliche Befugnis der Behörde, die Auskunftserteilung mit Hilfe eines Verwaltungsakts zu erzwingen.

Zu § 12 Abs. 5 GüKG vgl. Hein/Eichhoff/Pukall/ Krien, Güterkraftverkehrsrecht, 3. Band, Stand: 2009, § 12 GüKG Rn. 9.

Vielmehr entspricht § 5a Abs. 5 AEG inhaltlich den Regelungen des § 26 Abs. 2 VwVfG. Die Mitwirkung nach Maßgabe des § 26 Abs. 2 VwVfG ist eine verfahrensrechtliche Mitwirkungslast. Dort heißt es in Satz 3, eine weitergehende Pflicht, bei der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken, bestehe nur, soweit sie durch Rechtsvorschrift besonders vorgesehen sei. § 26 VwVfG legt den Beteiligten keine rechtlich durchsetzbare Mitwirkungsverpflichtung auf, deren Erfüllung ggf. im Wege der Vollstreckung erzwungen werden könnte. Mitwirkungspflichten als Rechtspflichten müssen vor dem Hintergrund des Gesetzesvorbehalts durch Gesetz begründet werden. Dies gilt sowohl für die Eingriffs- als auch für Leistungsverwaltung.

Vgl. Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Kommentar zum VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 24 Rn. 9 und § 26 Rn. 46 f. und 61; vgl. auch Hermann, in: Bader/Ronellenfitsch, Kommentar zum VwVfG, 2010, § 26 Rn. 40 f.; Meyer/Borgs, Kommentar zum VwVfG, 2. Aufl. 1982, § 26 Rn. 10.

Es bedarf demnach einer besonderen Ermächtigung, um die Mitwirkungspflicht im Fall einer Nichtbefolgung durch Verwaltungsakt zu konkretisieren. Die Mitwirkung der Beteiligten an der Ermittlung des Sachverhalts kann nicht mit Zwang durchgesetzt werden, die fehlende Mitwirkung kann allerdings bei der zu treffenden Entscheidung berücksichtigt werden.

Vgl. Kallerhoff, a. a. O., § 24 Rn. 9 und § 26 Rn. 61; OVG Münster, Urteil vom 6. September 1993 - 11 A 694/90 -, NVwZ-RR 1994, 386, 387.

Die Absicht des Gesetzgebers, eine Ermächtigungsgrundlage zur Durchsetzung von Auskunftverlangen zu schaffen, ist im Gesetzgebungsverfahren daher nicht konsequent umgesetzt worden. § 5a Abs. 5 AEG ist daher ebenso wenig wie § 14c Abs. 3 AEG eine Ermächtigungsgrundlage zum Erlass eines Eingriffsverwaltungsakts. Zur Auslegung von § 14c Abs. 3 AEG hat der Senat im Beschluss vom 22. Februar 2008 ( 13 B 68/08 , N&R 2008, 152) die folgenden Ausführungen gemacht:

"Die Regelung begründet lediglich Verpflichtungen von Zugangsberechtigten - zu denen auch Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) gehören - und Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU). Der Wortlaut der Norm ist insoweit eindeutig und kann nicht etwa in eine Ermessensvorschrift für hoheitliche Eingriffe in Rechte von EIU umgedeutet werden. Zwar kann sich eine vom Gesetzgeber erkennbar gewollte, wenn auch nicht wörtlich so gefasste Ermächtigung der Behörde zum hoheitlichen Eingriff auch aus einer eine solche Ermächtigung zwingend voraussetzenden normativen Einzelregelung oder aus dem Zusammenhang mehrerer Vorschriften eines Regelwerks, etwa im Zusammenspiel mit einer Aufgabenzuweisung an die Behörde, ergeben. Das gilt aber dann nicht, wenn das Regelwerk ausdrücklich spezielle Ermächtigungsnormen aufweist und die Ermächtigung auf diese begrenzt. Das ist beim AEG der Fall. Es weist eine Reihe von Eingriffsermächtigungsnormen im Rahmen der aufsichtsrechtlichen Kontrolle der Bundesnetzagentur auf, etwa in § 14c, § 14e u. § 14f AEG, und das Gesetz gibt, in dem es in § 14c Abs. 4 AEG die verwaltungszwangsmäßige Durchsetzung der Anordnungen "nach diesem Gesetz" erlaubt, zu erkennen, dass der Gesetzgeber lediglich die im AEG formulierten Ermächtigungsgrundlagen im Auge hatte und insoweit für ausreichend hielt. Eine dem § 45 PostG entsprechende Ermächtigungsgrundlage kennt das AEG nicht."

An diesen Ausführungen hält der Senat fest.

Das Auskunftsbegehren kann auch nicht auf § 5a Abs. 2 AEG gestützt werden. § 5a Abs. 2 AEG ist zwar eine allgemeine Befugnisnorm der Eisenbahnaufsichtsbehörden, setzt aber voraus, dass Maßnahmen getroffen werden, die zur Beseitigung festgestellter Verstöße oder zur Verhütung künftiger Verstöße gegen die in § 5 Abs. 1 AEG genannten Vorschriften erforderlich sind. Das Verwaltungsgericht argumentiert, das EBA sei im Rahmen der Wahrnehmung seines Prüfungsauftrags nach § 9 Abs. 1b AEG berechtigt, eine Aufklärungsmaßnahme einzuleiten, um den für die Prüfung der Einhaltung dieser Vorschrift maßgeblichen Sachverhalt zu erforschen. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht zwar die Frage aufgeworfen, ob es eines Anfangsverdachts oder eines konkreten Anlasses bedürfe, um eine Prüfung einzuleiten. Im Unterschied zum Verwaltungsgericht bejaht der Senat aber die Notwendigkeit eines hinreichend konkreten Anlasses, um Maßnahmen zur Verhütung künftiger Verstöße ergreifen zu dürfen. Dabei klammert der Senat allerdings die Frage aus, ob § 5a Abs. 2 AEG überhaupt auf Aufklärungsmaßnahmen anwendbar ist, um den für die Prüfung der Einhaltung des § 9 Abs. 1b) AEG maßgeblichen Sachverhalt zu erforschen. Denn handelt es sich bei § 5a Abs. 2 AEG um eine Befugnisnorm im Bereich des Gefahrenabwehrrechts, § 9 AEG betrifft hingegen materiell Regulierungsrecht. Aber auch wenn die Anwendbarkeit der allgemeinen Befugnisnorm gegeben wäre, lägen ihre Voraussetzungen nicht vor, weil weder die Beseitigung festgestellter Verstöße noch die Verhütung künftiger Verstöße in Rede stehen.

Unstreitig hat das EBA einen Verstoß gegen die in § 5 Abs. 1 AEG genannten Vorschriften nicht festgestellt. Maßgebliche Vorschriften sind jene des Allgemeinen Eisenbahngesetzes und der darauf beruhenden Rechtsverordnungen, das Recht der Europäischen Gemeinschaften, soweit es Gegenstände dieses Gesetzes oder die Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 betrifft, und zwischenstaatliche Vereinbarungen, soweit sie Gegenstände dieses Gesetzes betreffen. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen § 9 Abs. 1b) AEG vor, wonach öffentliche Gelder zugunsten eines der beiden Tätigkeitsbereiche von Eisenbahnverkehrs- und Eisenbahninfrastrukturunternehmen nicht auf den anderen übertragen werden dürfen. Es lässt sich auch nicht argumentieren, es liege ein Verstoß gegen § 5a Abs. 5 AEG vor, weil die Klägerin die angeforderten Auskünfte nicht erteilt habe. Denn § 5a Abs. 2 AEG betrifft den Verstoß gegen selbstständige Pflichten und nicht, wie bei einer Nichtbefolgung von begehrten Auskünften gemäß § 5a Abs. 5 AEG, den Verstoß gegen unselbstständige Pflichten. Solche Pflichten dienen nämlich der Klärung des Sachverhalts, der Grundlage für die Annahme eines Verstoßes gegen eisenbahnrechtliche Vorschriften ist.

In § 5a Abs. 2 AEG wird mit der Beseitigung festgestellter Verstöße und der Verhütung künftiger Verstöße entsprechend der üblichen Dogmatik zur Gefahrenabwehr zwischen einer bereits eingetretenen Störung und einer Gefahr unterschieden. Der letztere Fall betrifft ein Geschehen, das sich noch nicht zu einem Schaden entwickelt hat, bei dem ein Schaden aber wahrscheinlich ist.

Vgl. Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, 11. Aufl. 2007, Rn. 87; Schenke, Polizei- und

Ordnungsrecht, 6. Aufl. 2009, Rn. 69, 92.

Eine solche Gefahr liegt aber nicht vor. Dass die Klägerin im Bericht 2006 keine Einzelbeträge im Hinblick auf "Zuschüsse von Dritten", "Zuschüsse von Dritten - AHK mindernd" und "Zuschüssen Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (außer Bund)" mitgeteilt hat, begründet noch nicht den Verdacht eines Verstoßes gegen § 9 Abs. 1b) AEG. Die ergangene Maßnahme des EBA stellt sich vielmehr als anlasslose Gefahrenabwehr- oder erforschungsmaßnahme dar, die von § 5a Abs. 2 AEG nicht gedeckt ist.

Soweit in Vorschriften des besonderen Verwaltungsrechts Personen unter dort näher bezeichneten Voraussetzungen zum Zwecke der laufenden Überwachung Auskünfte zu erteilen haben, gibt es hierfür eine ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage. Exemplarisch ist § 29 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 GewO. Danach haben Gewerbetreibende oder sonstige Personen unter dort näher bezeichneten Voraussetzungen auf Verlangen, also auf der Grundlage eines selbständig anfechtbaren und erzwingbaren Verwaltungsakts,

vgl. Tettinger/Wank, Gewerbeordnung, 7. Auflage 2004, § 29 Rn. 10 und 16, m. w. N.; vgl. auch Bay VGH, Urteil vom 10. Dezember 1991 22 B 91.368 -, NVwZ 1993, 495,

die für die Überwachung des Geschäftsbetriebs erforderlichen mündlichen und schriftlichen Auskünfte unentgeltlich zu erteilen, unabhängig davon, ob ein konkreter Betrieb im Verdacht steht, gegen gewerberechtliche Vorschriften zu verstoßen. Das Auskunftsverlangen kann auf dieser rechtlichen Grundlage ohne konkrete Verdachtsmomente routinemäßig an jeden Betroffenen gerichtet werden. Eine solche notwendige ausdrückliche Befugnis fehlt indessen in § 5a AEG.

Auch aus § 22 GastG lässt sich kein Argument dafür ableiten, dass § 5a Abs. 2 AEG eine hinreichende Auskunftsermächtigung für eine anlasslose Überwachung sein kann. Allerdings ist § 22 Abs. 1 GastG eine dem § 5a Abs. 5 AEG vergleichbar formulierte Vorschrift, die als Überwachungsvorschrift mit Verwaltungsaktsbefugnis angewendet wird. Nach § 22 Abs. 1 GastG haben die Inhaber von Gaststättenbetrieben und andere dort genannte Personen den zuständigen Behörden Auskünfte, die "für die Durchführung dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen" erforderlich sind, zu erteilen. Dass § 22 GastG eine Befugnis zur Überwachung enthält und ohne konkreten Anlass Auskunft zu erteilen ist, folgt aus der Systematik dieser Norm, wie die Formulierung in Abs. 2 Satz "mit der Überwachung des Betriebes beauftragten Personen" zeigt. Die begehrten Auskünfte dürfen sich deshalb auf alle Angelegenheiten und Vorfälle erstrecken, die unter die Vorschriften des Gaststättengesetz fallen und damit der gewerberechtlichen Kontrolle unterliegen. Diesen Rechtscharakter hat § 5a Abs. 2 AEG aber nicht und kann den anderen Bestimmungen in § 5a AEG nicht entnommen werden.

Die auf der Überwachung basierenden Auskunftspflichten nach § 22 GastG soll die Behörde auch im Einzelfall auch durch gesetzeswiederholenden Verwaltungsakt konkretisieren können, um die Voraussetzungen für eine Vollstreckung zu schaffen.

Vgl. Metzner, Gaststättengesetz, 6. Aufl. 2002, § 22 Rn. 4 und 26.

Die Befugnis zur Durchsetzung der Rechtspflichten lässt sich § 22 GastG zwar wie § 5a Abs. 5 AEG nicht ausdrücklich entnehmen, ihre Existenz ist in der Rechtspraxis allerdings gewohnheitsrechtlich anerkannt, was bei § 5a AEG nicht der Fall ist. Dass im besonderen Gewerberecht in § 22 GastG eine Verwaltungsaktsbefugnis anerkannt ist, kann die Auslegung von § 5a AEG nicht entscheidend beeinflussen. Die spezifischen und historischen Umstände des Gewerbe- und Gaststättenrechts ergeben eigenständige Auslegungsergebnisse, die auf das Regulierungsrecht des Allgemeinen Eisenbahngesetzes nicht ohne Weiteres übertragbar sind. Unmittelbar vergleichbare Auskunftsregelungen finden sich vielmehr im Regulierungsrecht des Telekommunikationsgesetzes, des Postgesetzes und des Energiewirtschaftgesetzes, die (u. a.) gleichfalls den Zielen der Förderung und Sicherstellung von Wettbewerb dienen (vgl. § 1, § 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG, § 1, § 2 Abs. 2 Nr. 2 PostG, § 1 Abs. 2 EnWG),

zum Rechtsbegriff "Regulierung" vgl. von Danwitz, DÖV 2004, 977, 984, m. w. N.,

wenngleich nicht unberücksichtigt bleiben darf, dass in den Regulierungsbereichen wesentliche Verschiedenheiten bestehen: Während Regulierung in den Sektoren Telekommunikation und Post angesichts der dynamischen Strukturen auf einen Wettbewerb der Netze setzt, ist Regulierung in den Bereichen Energie und Bahn auch wegen der Langfristigkeit der Investitionen im Kern als Wettbewerb "auf dem Netz" angelegt.

Vgl. Masing, Gutachten D zum 66. Deutschen Juristentag, 2006, D 19, auch zu den gleichwohl sektoral getrennten Entwicklungslinien und der unterschiedlichen Normierung des Regulierungsrechts unter D 13 ff. sowie D 58 ff.

Gleichwohl bestehen wesentliche Gemeinsamkeiten in dem jeweiligen Privatisierungsfolgenrecht, das materiell der Daseinvorsorge dient, wie die Gesetzeszwecke und Regulierungsziele belegen. § 127 TKG, § 45 PostG und § 69 EnWG enthalten entsprechende und darüber hinaus weitergehende Befugnisse im Hinblick auf die Erteilung von Auskünften regulierter Unternehmen. Diese Vorschriften bilden nach Auffassung des Senats einen rechtlich relevanten Vergleichsmaßstab, der bei systematischer Betrachtung zu argumentativen Gegenschlüssen führen und die Auslegung von § 5a AEG deshalb bestimmen kann.

Nach alledem fehlt es dem angefochtenen Auskunftsverlangen des EBA an einer hinreichenden Ermächtigungsgrundlage. Ob der Bescheid zudem unverhältnismäßig ist, weil die begehrte Auskunft nicht erforderlich ist, da, wie die Klägerin geltend macht, eine hinreichende Überprüfung der Zuwendungen bereits in den Ländern erfolgt sei, braucht der Senat nicht zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 Satz 1, 2, § 709 Satz 2 ZPO.

Die Revision ist zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).






OVG Nordrhein-Westfalen:
Urteil v. 05.10.2010
Az: 13 A 29/10


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