Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. Juni 2002
Aktenzeichen: 30 W (pat) 174/01
(BPatG: Beschluss v. 10.06.2002, Az.: 30 W (pat) 174/01)
Tenor
Auf die Beschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 16. Juli 2001 aufgehoben.
Die Widersprüche aus den Marken 2 072 525 und 398 15 509 werden zurückgewiesen.
Gründe
I.
In das Markenregister eingetragen ist unter 398 51 244 die Bezeichnung Levocarb-TEVA nach einer Beschränkung im Beschwerdeverfahren nur noch für die Waren
"Verschreibungspflichtige pharmazeutische Erzeugnisse, nämlich Medikamente zur Behandlung der Parkinson«schen Krankheit"
Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der rangälteren, seit 1994 für die Waren
"Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für Gesundheitspflege"
eingetragenen Marke 2 072 525 LEVOPAR und der ebenfalls rangälteren, seit 1998 für die Waren
"Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Babykost; Pflaster, Verbandmaterial; Desinfektionsmittel"
eingetragenen Marke 398 15 509 Levocomp.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat durch Beschluß der Prüferin eine Verwechslungsgefahr angenommen und wegen der Widersprüche die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet. Zur Begründung ist ausgeführt, den Widerspruchsmarken komme eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft zu. Bei den zu vergleichenden Waren handele es sich um in hohem Maße ähnliche oder sogar identische Produkte. Der Bestandteil "Levocarb" der angegriffenen Marke lehne zwar sich an die Wirkstoffbezeichnungen (INN) Levocabastin, Levocarnitin oder Levodopa an, sei jedoch keinesfalls schutzunfähig. Das Firmenschlagwort "TEVA" werde angesichts des schutzfähigen Bestandteils "Levocarb" weggelassen. Bei dieser Sachlage sei aber der klangliche Abstand zu den beiden Widerspruchszeichen nicht mehr ausreichend, auch wenn man berücksichtigte, daß der Bestandteil "Levo-" wegen der Ableitung von Wirkstoffbezeichnungen häufig vorkomme.
Die Markeninhaberin hat Beschwerde eingelegt. Sie stützt diese zunächst auf die Kennzeichnungsschwäche des gemeinsamen Zeichenbestandteils "Levo-" im Hinblick auf zahlreiche Voreintragungen und Präparatebezeichnungen mit dieser Anfangssilbe. Daneben enthielten die sich gegenüberstehenden Zeichen merkfähige Anklänge. Der Zeichenbestandteil "-carb" der angegriffenen Marke gehe auf den INN Carbidopa zurück, die Schlußsilbe "PAR" des Widerspruchszeichens 2 072 525 weise auf die Indikation der Parkinson-Erkrankung hin. Im übrigen sei bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr auf seiten der angegriffenen Marke die Gesamtbezeichnung mit dem Firmenzusatz "TEVA" zugrunde zu legen.
Die Markeninhaberin beantragt (sinngemäß), den angefochtenen Beschluß der Markenstelle aufzuheben und die Widersprüche zurückzuweisen.
Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Begründung führt sie aus, die Widerspruchszeichen seien trotz der Anklänge an den INN Levodopa normal kennzeichnungskräftig. Die angegriffene Marke werde in ihrem Gesamteindruck allein durch den Bestandteil "Levocarb" geprägt. Das durch Großbuchstaben und mit Bindestrich abgesetzte Firmenschlagwort "TEVA" trete erkennbar als solches hervor und präge den Gesamteindruck der angegriffenen Marke aus diesem Grund nicht mit. Der klangliche und schriftbildliche Abstand der Bezeichnung "Levocarb" zu den Widerspruchszeichen sei jedoch nicht mehr ausreichend.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Eine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1, Nr. 2 MarkenG ist nach der nunmehr maßgeblichen Fassung des Warenverzeichnisses der angegriffenen Marke nicht gegeben.
1. Widerspruch aus 2 072 525-LEVOPAR Nach der maßgeblichen Registerlage können sich die gegenüberstehenden Marken auf identischen Waren begegnen.
Der Senat hat eine insgesamt noch durchschnittliche Kennzeichnungskraft und damit einen noch normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke zugrundegelegt. Zwar weisen die ersten beiden Silben des Zeichens auf den INN Levodopa und die Schlußsilbe auf die Indikation der Parkinson-Erkrankung hin. Insgesamt ist das Zeichen aber noch als hinreichend phantasievoll anzusehen, da weder die Wirkstoffbezeichnung noch die Indikation vollständig oder in gängiger Verkürzung in die Zeichenbildung eingeflossen sind.
Entgegen der Auffassung der Markenstelle besteht zwischen den sich gegenüber stehenden Zeichen keine Verwechslungsgefahr.
Verwechslungsmindernd wirkt sich zum einen die nach der Einschränkung des Warenverzeichnisses auf seiten der angegriffenen Marke bestehende Rezeptpflicht aus. In einem derartigen Fall überwiegt bei der Beurteilung der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr die Auffassung der verordnenden Ärzte, die eigenverantwortlich die Auswahl des Arzneimittels mit der erforderlichen Sorgfalt treffen (BGH GRUR 1995, 50, 52 - Indorektal/Indohexal). Dies gilt - in eingeschränktem Umfang - auch bei der hier vorliegenden einseitigen Rezeptpflicht (vgl BGH MarkenR 1999, 154, 156 -Cefallone).
Zudem wird angesichts des schwerwiegenden Krankheitsbildes eines Parkinson-Syndroms die Beteiligung von Laien an der Auswahl der Arzneimittel in den Hintergrund treten. Die in diesem Zusammenhang in erster Linie angesprochenen Fachkreise werden aber weiter verwechslungsmindernd den Umstand wahrnehmen, daß die angegriffene Marke neben dem INN Levodopa auch Bestandteile des INN Carbidopa, der im Widerspruchszeichen keine Entsprechung findet, enthält.
Entscheidend gegen die Annahme einer Verwechslungsgefahr spricht indes der Umstand, daß entgegen der Auffassung der Markenstelle das Firmenschlagwort "TEVA" in der angegriffenen Marke deren Gesamteindruck noch mitbestimmt.
Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß bei zusammengesetzten Marken ein Bestandteil, der zugleich ein bekanntes und für den Verkehr als solches erkennbares Unternehmenskennzeichen darstellt, im allgemeinen in der Bedeutung für den Gesamteindruck zurücktritt, weil der Verkehr die eigentliche Produktkennzeichnung in derartigen Fällen in dem oder den anderen Bestandteilen zeichenmäßiger Kennzeichnung erblickt (BGH NJW-RR 2002, 610, 611 - AS-TRA/ESTRA-PUREN mwNachw). Diese in ständiger Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze stehen aber einem aufgrund der gebotenen Heranziehung aller Umstände des Einzelfalles abweichendem Ergebnis nicht entgegen (BGH aaO 612 mwNachw). So hat es der BGH im dortigen Rechtsstreit nicht als erfahrungswidrig angesehen, den Firmenbestandteil dann nicht in den Hintergrund treten zu lassen, wenn dieser - wie hier - durch einen Bindestrich mit dem weiteren Bestandteil verbunden ist und an zweiter Stelle in der Gesamtbezeichnung steht. In dem entschiedenen Fall enthielt der dortige Präparatename ähnlich wie vorliegend zudem eine sprechende Anlehnung an eine Wirkstoffangabe (BGH aaO).
Ausgehend von der dortigen Argumentation ist das Firmenschlagwort "TEVA" in der Gesamtbezeichnung im wesentlichen gleichgewichtig zu berücksichtigen.
Stehen sich aber die Zeichen in ihrer Gesamtheit gegenüber, scheidet eine Verwechslungsgefahr in klanglicher oder schriftbildlicher Hinsicht bereits wegen des Firmenzusatzes in der angegriffenen Marke, der im Widerspruchszeichen keinerlei Entsprechung hat, aus.
2. Widerspruch aus der Marke 398 15 509 -Levocomp Nach der maßgeblichen Registerlage ist auch hier eine Warenidentität möglich.
Ebenso wie bei dem Widerspruchszeichen "LEVOPAR" ist vorliegend von einer noch normalen Kennzeichnungskraft auszugehen, da sich die Bezeichnung nur in den ersten beiden Silben an die Wirkstoffbezeichnung Levodopa anlehnt.
Im übrigen greifen die bereits vorstehend angeführten verwechslungsmindernden Faktoren auch hinsichtlich der Widerspruchsmarke "Levocomp" in gleicher Weise ein. Diese unterscheidet sich zudem sowohl klanglich als schriftbildlich noch deutlicher von dem Zeichenbestandteil "Levocarb" der angegriffenen Marke. Eine Verwechslungsgefahr mit der, aus den oben dargestellten Gründen maßgeblichen Gesamtbezeichung "Levocarb-TEVA" ist daher nicht gegeben.
Auf die Beschwerde der Markeninhaberin ist daher der angefochtene Beschluß der Markenstelle unter Zurückweisung der Widersprüche aufzuheben.
Eine Kostenauferlegung nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG ist nicht veranlaßt.
Dr. Buchetmann Voit Schramm Hu
BPatG:
Beschluss v. 10.06.2002
Az: 30 W (pat) 174/01
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