Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen:
Beschluss vom 22. September 2000
Aktenzeichen: 16 A 5716/97
(OVG Nordrhein-Westfalen: Beschluss v. 22.09.2000, Az.: 16 A 5716/97)
Tenor
Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit für das Berufungsverfahren wird auf einen Betrag bis zu 9.000,- DM festgesetzt.
Gründe
Die Festsetzung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit beruht auf § 10 Abs. 1, § 8 BRAGO iVm § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG. Die Bedeutung der Sache für den Kläger ergibt sich daraus, dass dieser Förderung für den Bewilligungszeitraum 3/97 bis 2/98 an Stelle des gemäß § 17 Abs. 3 BAföG bewilligten Bankdarlehens nach § 18c BAföG in Höhe von 955,- DM monatlich bzw. von insgesamt 11.940,- DM Ausbildungsförderung gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 BAföG je zur Hälfte als Zuschuss (5.970,- DM) und als unverzinsliches Darlehen nach § 18 BAföG (5.970,- DM) begehrt. Dabei bewertet der Senat zunächst die "Umwandlung" des Bankdarlehens nach § 18c BAföG in Höhe von 11.940,- DM in ein (fiktives) verzinsliches Darlehen nach § 18 BAföG in Höhe von 11.940,- DM mit der Hälfte der Förderungsleistungen und die zusätzliche "Umwandlung" eines unverzinslichen Darlehens nach § 18 BAföG in Höhe von 5.970,- DM in einen Zuschuss zusätzlich mit der Hälfte der diesbezüglichen Förderungsleistungen. Da letztere sich nur auf die Hälfte der Förderungsleistungen im Bewilligungszeitraum beziehen, ergibt sich insoweit ein Viertel der gesamten Förderungsleistung. Insgesamt errechnet sich danach ein Betrag von drei Vierteln des gesamten Förderungsbetrags.
Der wirtschaftliche Wert eines verzinslichen Bankdarlehens nach § 18c BAföG ist deutlich schlechter als der wirtschaftliche Wert eines unverzinslichen Darlehens nach § 18 BAföG. Er ist - unter Berücksichtigung der Zuschusskomponente - so erheblich, dass nicht wenige Auszubildende deshalb das Bankdarlehen nach § 18c BAföG erst gar nicht in Anspruch nehmen, so wie es nach Angaben des Beklagten auch beim Kläger der Fall gewesen ist. Von daher gesehen ließe sich sogar der volle Betrag des erstrebten unverzinslichen Darlehens nach § 18 BAföG als Gegenstandswert rechtfertigen. Dabei würde allerdings nicht berücksichtigt, dass dem Auszubildenden bereits Ausbildungsförderung in Form des Bankdarlehens bewilligt worden ist und er nicht einen orginären Anspruch auf Ausbildungsförderung erhebt, sondern eine deutlich verbesserte Gewährung der bereits bewilligten Ausbildungsförderung erstrebt. Demgemäß ist es sachgerecht, der Gegenstandswertfestsetzung nicht den vollen Betrag der gesamten Förderungsleistungen im Bewilligungszeitraum zu Grunde zu legen, sondern diese nur in reduzierter Höhe.
Der Vorteil des Darlehens nach § 18 BAföG gegenüber dem Bankdarlehen nach § 18c BAföG besteht zunächst darin, dass keine Zinsen zu zahlen sind. Die Zinsen für das Bankdarlehen nach § 18c BAföG belaufen sich nach dessen Absatz 3 auf die Frankfurt Interbank Offered Rate für die Geldbeschaffung von ersten Adressen auf dem Deutschen Markt (FIBOR) zuzüglich eines Aufschlags von 1 v.H. Eine überschlägige Zinsberechnung ergibt im vorliegenden Fall bis zur Rückzahlung eine Gesamtzinsbelastung von ca. 18 v.H. des Bankdarlehens.
Dabei geht der Senat aus Vereinfachungsgründen davon aus, dass das Bankdarlehen nicht in Raten, sondern in einer Summe nach der Hälfte der Auszahlungsraten ausgezahlt und nicht in Raten, sondern in einer Summe nach der Hälfte der Rückzahlungsraten zurückgezahlt wird. Die Auszahlung erfolgte im vorliegenden Verfahren damit (fiktiv) mitten im Bewilligungszeitraum (3/97 bis 2/98) im September 1997 und die Rückzahlung geschieht (fiktiv) mitten in der Rückzahlungsphase etwa im August 2001. Die Rückzahlung des Bankdarlehens in Höhe von ca. 12.000,- DM hatte nämlich gemäß § 18c Abs. 6 BAföG in monatlichen Raten von 200,- DM ab September 1998 zu erfolgen und dauert etwa fünf Jahre (5 x 12 x 200,- DM) hinsichtlich des Darlehensanteils und zusätzlich etwa ein Jahr (geschätzt) hinsichtlich des Zinsanteils, endet also erst etwa im September 2004. Der Zinssatz (FIBOR) ist naturgemäß nur für die abgelaufenen Zeiträume bekannt und betrug ab 4/97 bis 4/00 unter Berücksichtigung der Angaben des Antragsgegners im Schreiben vom 23. August 2000 durchschnittlich 3,5 v.H. Unter Berücksichtigung des einprozentigen Zuschlags errechnet sich folglich für den Zeitraum von vier Jahren (9/97 bis 8/01) eine Gesamtzinsbelastung von etwa 18 v.H. (= 4,5 x 4), bezogen auf den Gesamtbetrag des Bankdarlehens. Wegen der Verzinsung ist das Bankdarlehen nach dieser überschlägigen Berechnung daher um etwa ein Sechstel ungünstiger als das zinsfreie Darlehen.
Ein weiterer und in der Regel deutlich höherer Vorteil des zinsfreien Darlehens gegenüber dem Bankdarlehen besteht aber darin, dass das zinsfreie Darlehen unter viel günstigeren Rückzahlungsbedingungen zurückzuzahlen ist, weil die Rückzahlungsraten viel später fällig werden als beim Bankdarlehen. Dieser Gesichtspunkt wird vom Verwaltungsgericht Hamburg in seinem Beschluss vom 28. Oktober 1997 - 2 VG 1023/97 -, FamRZ 1998, 1336, nicht berücksichtigt, das nur Zinsen in Höhe eines Jahresbetrags in Ansatz bringt. Die erste Rate des Bankdarlehens ist nämlich gemäß § 18c Abs. 6 BAföG bereits sechs Monate nach dem Ende des Monats, für den der Auszubildende zuletzt mit Bankdarlehen gefördert worden ist, zurückzuzahlen. Das wäre hier ab September 1998 der Fall gewesen. Die erste Rate des unverzinslichen Darlehens ist demgegenüber erst gemäß § 18 Abs. 3 Satz 3 BAföG fünf Jahre nach dem Ende der Förderungshöchstdauer zu leisten, hier also vermutlich im März 2002. Die Rückzahlungsphase beginnt dann für den Kläger jedenfalls dreieinhalb Jahre später als beim Bankdarlehen. Da Auszubildende aber in der Regel innerhalb der Förderungshöchstdauer ebenfalls durch unverzinsliche Darlehen gefördert worden sind, fällt die Rückzahlung eines für die Zeit nach dem Ende der Förderungshöchstdauer gewährten unverzinslichen Darlehens sogar erst in die Schlussphase der Rückzahlungsdauer. Bei einer monatlichen darlehensweisen Förderung in Höhe von 500,- DM innerhalb einer Förderungshöchstdauer von neun Semestern dauert die Rückzahlungsphase 135 Monate (= 500,- DM x 6 x 9: 200,- DM) bzw. 11 1/4 Jahre. Erst im Anschluss daran wäre dann das Darlehen zurückzuzahlen, das nach Überschreiten der Förderungshöchstdauer geleistet wird. Der Rückzahlungsbeginn für diesen Teil des Darlehens verschiebt sich dann faktisch um dreieinhalb und 11 1/4 Jahr, also insgesamt um nahezu 15 Jahre gegenüber dem des Bankdarlehens.
Wie der Vorteil dieses Rückzahlungsaufschubs finanziell zu bewerten ist, ist eine sehr schwierige Frage. Anhaltspunkte lassen sich etwa der Regelung über die vorzeitige Rückzahlung des Darlehens gemäß § 6 DarlehensV und der Anlage zu § 6 Abs. 1 DarlehensV entnehmen. Wenn ein Darlehen in Höhe von 12.000,- DM nicht wie vorgesehen in monatlichen Raten von 200,- DM, sondern vorzeitig sogleich zurückgezahlt wird, wird ein Nachlass von 20,5 v.H. gewährt, so dass nur 79,5 v.H. des Darlehens zurückzuzahlen sind. Wird das Darlehen aber erst im Anschluss an das vor dem Ende der Förderungshöchstdauer geleistete Darlehen gewährt, wird der Nachlass in den Bereich von 50 v.H. ansteigen. Berücksichtigt man die zu erwartende jährliche Inflationsrate, so wird ein erst in ca. 15 Jahren zurückzuzahlendes Darlehen gegenüber einem sofort zurückzuzahlenden Darlehen gleicher Höhe möglicherweise mehr als doppelt so wertvoll sein.
In Anbetracht der zahlreichen Unwägbarkeiten auch hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung, etwa der FIBOR, und in der Erkenntnis, dass eine genaue Wertbestimmung nicht möglich ist oder doch nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand ermittelt werden könnte, hält der Senat es für sachgerecht, die wirtschaftliche Bedeutung der gewünschten Besserstellung durch das unverzinsliche Darlehen an Stelle des verzinslichen Bankdarlehens zu schätzen, und zwar im Allgemeinen auf die Hälfte des Darlehensbetrags. Dabei macht der Senat keinen Unterschied zwischen den verschiedenen Fallgestaltungen, also danach, ob der Auszubildende vor Gewährung des Bankdarlehens bereits darlehensweise gefördert worden ist oder nicht, wie hoch das Bankdarlehen und wie hoch die jeweilige FIBOR ist, obwohl alle diese Faktoren sich auf die wirtschaftliche Bedeutung auswirken können. Besonderheiten, die eine andere Festsetzung als die Hälfte rechtfertigen, sind jedenfalls im vorliegenden Verfahren nicht ersichtlich.
Da der Auszubildende nicht nur an Stelle des verzinslichen Bankdarlehens ein unverzinsliches Darlehen begehrt, sondern darüber hinaus hinsichtlich der Hälfte des Betrags letztlich noch die Umwandlung eines unverzinslichen Darlehens in einen Zuschuss, ist insofern nochmals von dieser Hälfte die Hälfte des Darlehensbetrags in Ansatz zu bringen, wie dies der ständigen Praxis des Bundesverwaltungsgerichts und auch des beschließenden Senats entspricht.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. April 1988 - 5 C 8.84 -, Buchholz 360 § 13 GKG Nr. 16; vgl. auch den Streitwertkatalog des BVerwG, abgedruckt etwa bei Redeker/von Oertzen, VwGO, 12. Aufl., § 165 Rn. 19, sowie Rothe/Blanke, BAföG, 5. Aufl., 12. Lfg. März 1998, § 94 Rn. 19.
Insgesamt bestimmt der Senat somit den wirtschaftlichen Wert für die erstrebte Gewährung von Ausbildungsförderung zur Hälfte als Zuschuss und zur Hälfte als Darlehen an Stelle des bewilligten Bankdarlehens mit einem Anteil in Höhe von drei Vierteln des gesamten Förderungsbetrags. Bei einem erstrebten Förderungsbetrag von 11.940,- DM ergibt das einen Gegenstandswert von 8.955,- DM bzw. einen Betrag in der Wertstufe bis zu 9.000,- DM.
Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
OVG Nordrhein-Westfalen:
Beschluss v. 22.09.2000
Az: 16 A 5716/97
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