Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. März 2001
Aktenzeichen: 17 W (pat) 39/99
(BPatG: Beschluss v. 13.03.2001, Az.: 17 W (pat) 39/99)
Tenor
1. Das Patent 195 06 385 wird im Umfang des Hilfsantrags 2 beschränkt aufrechterhalten.
2. Die weitergehenden Beschwerden werden zurückgewiesen.
Gründe
I.
1. Auf die am 23. Februar 1995 beim Deutschen Patentamt eingegangene Patentanmeldung 195 06 385.6 - 32 wurde unter der Bezeichnung
"Drahtlose Gefahren-Meldeanlage und Meldeverfahren "
am 20. Mai 1996 durch Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse G08B das Patent (Streitpatent) erteilt. Veröffentlichungstag der Patenterteilung ist der 10. Oktober 1996.
Nach Prüfung zweier für zulässig erachteter Einsprüche der C... AG in M...- .../S... (Einsprechende I) und der S... ATRAL in C.../F... (Einsprechende II) hat die Patentabteilung 32 des Deutschen Patent- und Markenamts mit Beschluß vom 20. September 1999 das Patent gemäß Hilfsantrag beschränkt aufrechterhalten. Gegen diesen Beschluß richten sich die Beschwerden der Einsprechenden II und des Patentinhabers. Letzterer verteidigt das Patent in der Fassung gemäß Haupt- und Hilfsantrag 1, eingegangen am 13. März 1998, sowie auf der Grundlage eines in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Hilfsantrags 2.
Die Patentansprüche 1, 8, 19 und 22 nach Hauptantrag lauten:
"1. Drahtlose Meldeanlage mit einer Meldeeinrichtung (21) zum Abgeben einer Funkmeldung bei einem melderelevanten Ereignis und mit einer Meldezentrale (1) zum Empfangen und Auswerten der abgegebenen Funkmeldung, wobei die Meldeeinrichtung (21) eine erste Sendeeinrichtung (35) aufweist, mittels der die Funkmeldung auf wenigstens einer Frequenz gesendet wird, die sich innerhalb eines Gesamtfrequenzbereichs der ersten Sendeeinrichtung (35) befindet, dadurch gekennzeichnet, daß die Meldeeinrichtung (21) eine weitere Sendeeinrichtung (36) aufweist, mittels der die Funkmeldung auf einer weiteren Frequenz gesendet wird, die sich innerhalb eines von dem Gesamtfrequenzbereich der ersten ersten Sendeeinrichtung (35) ausreichend beabstandeten Gesamtfrequenzbereichs der zweiten Sendeeinrichtung (36) befindet, wobei das Ergebnis der Auswertung durch die Meldezentrale (1) beim Empfang einer Funkmeldung auf der einen Frequenz vom Vorliegen einer Fremdsignalstörung auf der anderen Frequenz abhängig ist."
"8. Meldezentrale für eine drahtlose Gefahren-Meldeanlage nach Anspruch 1, zum Empfangen der Signale der Meldeeinrichtung."
"19. Drahtlose Gefahren-Meldeanlage mit zumindest einer Meldeeinrichtung und einer Meldezentrale (1), die eine von der Meldeeinrichtung bei einem melderelevanten Ereignis abgegebene Funkmeldung empfängt und auswertet, gekennzeichnet durch eine Prüfeinrichtung mit einem Prüfsender, der beim Erfassen eines Fremdsignals durch die Meldezentrale (1) zur Abgabe eines Funkprüfsignals auf zumindest einer Frequenz aktiviert wird, und einem Prüfempfänger (24) zum Empfangen des Funkprüfsignals und zum Abgeben eines Quittiersignals an die Meldezentrale (1) bei ausreichendem Empfang des Funkprüfsignals."
"22. Verfahren zur drahtlosen Gefahrenmeldung in einer drahtlosen Gefahren-Meldeanlage, wobei beim Auftreten eines melderelevanten Ereignisses eine Funkmeldung übertragen und hinsichtlich eines Signalisierungsbedarfs ausgewertet wird, gekennzeichnet durch die Schritte Übertragen der Funkmeldung in zumindest zwei ausreichend beabstandeten Gesamtübertragungsfrequenzbereichen der Meldeanlage, und Auswerten einer innerhalb des einen Gesamtübertragungsfrequenzbereichs befindlichen Funkmeldung in Abhängigkeit des Vorliegens einer Fremdsignalstörung innerhalb des anderen Gesamtübertragungsfrequenzbereichs."
Wegen der abhängigen Ansprüche 2 - 7, 9 - 18 sowie 20 und 21 wird auf die Akte verwiesen.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 nach Hauptantrag dadurch, daß dessen letztes kennzeichnendes Merkmal "wobei das Ergebnis der Auswertung .......... vom Vorliegen einer Fremdsignalsstörung auf der anderen Frequenz abhängig ist" ersetzt ist durch:
"und die Meldezentrale (1) bei Erfassen einer Fremdsignalstörung auf einer der Frequenzen und zeitgleichem Empfang einer Funkalarmmeldung auf der anderen einen Voralarmierungszustand für eine bestimmte Zeitdauer auslöst".
Patentanspruch 21 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich analog von Anspruch 22 nach Hauptantrag dadurch, daß dessen letztes kennzeichnendes Merkmal "Auswerten .......... innerhalb des anderen Gesamtübertragungsfrequenzbereichs" ersetzt ist durch:
"Auslösen eines Voralarmierungszustands für eine vorbestimmte Zeitdauer, wenn beim Empfang einer Funkmeldung auf einer Frequenz eine Fremdsignalstörung auf der anderen Frequenz erfaßt wird".
Die übrigen Ansprüche des Hilfsantrags 1 entsprechen unter teilweiser Umnumerierung (bedingt durch den Wegfall des Anspruchs 15 gemäß Hauptantrag) den restlichen Patentansprüchen des Hauptantrags.
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 nach Hauptantrag dadurch, daß dessen letztes kennzeichnendes Merkmal "wobei das Ergebnis der Auswertung .......... vom Vorliegen einer Fremdsignalsstörung auf der anderen Frequenz abhängig ist" ersetzt ist durch:
"und die Meldezentrale (1) bei Erfassen einer Fremdsignalstörung auf einer der Frequenzen und zeitgleichem Empfang einer Funkalarmmeldung auf der anderen einen Voralarmierungszustand für eine bestimmte Zeitdauer auslöst, während dem das Empfangen einer zweiten Funkalarmmeldung von der entsprechenden oder einer anderen Meldeeinrichtung zu einer Alarmierung führt."
Der Verfahrensanspruch 20 gemäß Hilfsantrag 2 unterscheidet sich analog von Anspruch 22 des Hauptantrags dadurch daß dessen letztes kennzeichnendes Merkmal "Auswerten .......... innerhalb des anderen Gesamtübertragungsfrequenzbereichs" ersetzt ist durch:
"Auslösen eines Voralarmierungszustands für eine vorbestimmte Zeitdauer, wenn beim Empfang einer Funkmeldung auf einer Frequenz eine Fremdsignalstörung auf der anderen Frequenz erfaßt wird, wobei während des Voralarmierungszustands das Empfangen einer zweiten Funkalarmmeldung von der entsprechenden oder einer anderen Meldeeinrichtung zu einer Alarmierung führt."
Die übrigen Ansprüche des Hilfsantrags 2 entsprechen unter teilweiser Umnumerierung (bedingt durch den Wegfall der Ansprüche 15 und 16 des Hauptantrags) den restlichen Ansprüchen nach Hauptantrag.
2. Im Einspruchsverfahren wurden folgende Druckschriften in Betracht gezogen (unter Beibehaltung der eingeführten Numerierung):
[1] DE 40 35 070 A1
[2] DE 43 37 211 C1
[3] DE 42 39 702 C1
[4] EP 0 708 543 A1 ältere Anmeldung
[5] EP 0 370 862 B1
[6] Firmenprospekt "L'alarme totalement sans fil", Fa. Diagral, Crolles Frankreich, Druckvermerk 2/95
[8] Broschüre DP8000 SYSTéME RADIO SANS FILS Ë TRéS HAUTE SÉCURITÉ, Twin-Pass, Druckvermerk 06/94
[9] Produktblatt Catalogue General, Daitem Gamme DP8000 Système radio sans fils à très haute securite, Twin-Pass, Druckvermerk 06/94
[10] Produktbroschüre Système de securite, DP8000 Twin-Pass, Druckvermerk 11/94.
In der mündlichen Verhandlung überreicht die Einsprechende II folgende Druckschrift:
[14] TwinPass, La liaison radio ultrafiable, Druckvermerk 800694/A © DAITEM 11/94.
3. Der Patentinhaber ist der Auffassung, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der Fassung gemäß Hauptantrag sei entgegen der im angefochtenen Beschluß vertretenen Ansicht im Hinblick auf die ältere, nachveröffentlichte Anmeldung [4] neu, weil dort nicht ausgewiesen sei, daß das Vorhandensein einer Funkmeldung auf dem einen Kanal von dem Vorhandensein einer gleichzeitigen Fremdsignalstörung auf dem anderen Kanal bei der Auswertung durch eine entsprechende Entscheidungslogik berücksichtigt werde.
Die beanspruchte Abhängigkeit des Auswertungsergebnisses vom Vorliegen einer bestimmten Signalkonfiguration in den beiden Kanälen schlage sich darin nieder, daß bspw. ein Voralarm oder auch ein echter Alarm ausgegeben werden könne, wenn auf einem Kanal eine Funkmeldung und auf dem anderen Kanal ein Störsignal vorlägen.
Hinsichtlich der Druckschriften [6] und [8] bis [10] bestreitet der Patentinhaber, daß es sich um vorveröffentlichten bzw. überhaupt der Öffentlichkeit zugänglichen Stand der Technik handle, sowie daß hierdurch der Gegenstand des angegriffenen Patents nahegelegt sei.
Der Patentinhaber stellt den Antrag, die Beschwerde der Einsprechenden II zurückzuweisen sowie das Patent mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:
Patentansprüche 1 bis 22 gemäß Hauptantrag, eingegangen am 13. März 1998 Beschreibung Seiten 2 bis 8 Zeile 57 und Figuren 1 bis 5 gemäß Patentschrifthilfsweise das Patent aufrechtzuerhalten mit:
Patentansprüchen 1 bis 21 gemäß Hilfsantrag 1, eingegangen am 13. März 1998, übrige Unterlagen wie Hauptantrag mit redaktionellen Änderungen gemäß Beschluß der Einspruchsabteilung und Ergänzung in der Hauptverhandlung, weiter hilfsweise das Patent aufrechtzuerhalten mit:
Patentansprüchen 1 bis 20 gemäß Hilfsantrag 2, überreicht in der mündlichen Verhandlung, übrige Unterlagen wie Hauptantrag mit redaktionellen Änderungen gemäß Beschluß der Einspruchsabteilung und Ergänzung in der Hauptverhandlung.
Die Einsprechende II beantragt, die Beschwerde des Patentinhabers zurückzuweisen sowie den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Sie vertritt die Auffassung, die Gegenstände des angegriffenen Patents seien im Vergleich mit dem Stand der Technik nach den Druckschriften [5] und [4] sowie im Hinblick auf das bekannte System "TwinPass" gemäß den Druckschriften [8] bis [10] und [14] weder neu noch erfinderisch; auch fehle es bei der beanspruchten Lehre an einer ausreichenden Offenbarung, was unter dem Merkmal "ausreichend beabstandete Gesamtfrequenzbereiche" zu verstehen sei. Zur Vorveröffentlichung der entgegengehaltenen Produktinformationen bietet sie Zeugenbeweis an.
Die Einsprechende I hat sich im Beschwerdeverfahren zur Sache nicht geäußert. Zur mündlichen Verhandlung ist sie nicht erschienen.
II.
Die frist- und formgerecht erhobenen Beschwerden sind zulässig. Sie führen im Ergebnis zur beschränkten Aufrechterhaltung des Patents, das damit folgende Fassung gemäß Hilfsantrag 2 erhält:
- Patentansprüche 1 bis 20 gemäß Hilfsantrag 2, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 13. März 2001
- Beschreibung Seiten 2 bis 8 Zeile 57 gemäß Patentschrift 195 06 385 C1 mit folgenden Änderungen:
Seite 2 Zeile 3: Streichung von "Gefahren-"
Seite 2 Zeile 5: Ersetzen von "20" durch "17"
Seite 2 Zeile 6: Ersetzen von "23" durch "20"
Seite 3 Zeile 20: Ersetzen von "20" durch "17"
Seite 3 Zeile 21: Ersetzen von "23" durch "20"
- Figuren 1 bis 5 gemäß Patentschrift 195 06 385 C1 1. Hauptantrag 1.1 Der Fachmann, ein Fachhochschulabsolvent der Fachrichtung Elektronik mit Berufserfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung von Alarmanlagen, entnimmt dem angegriffenen Patent ein Alarmsystem mit Meldern, die ihre Signale per Funk an eine Zentralstation senden. Funkalarmanlagen sind einfacher zu installieren als leitungsgebundene Systeme. Sie sind aber störanfällig, insbesondere können sie durch Störsender manipuliert und blockiert werden. Mit dem Patent soll ein Funk-Alarmsystem mit hoher Störsicherheit hinsichtlich einer Blockierung durch Fremdsignalstörungen bereitgestellt werden (Streitpatentschrift Seite 3 Zeilen 17, 18).
Gemäß Patentanspruch 1 werden die Signale der Melder, wie Infrarot-Bewegungsmelder, Glasbruchmelder, Tür-, Fensterkontakte usw., durch eine erste und zweite Sendeeinrichtung auf zwei Frequenzen in zwei ausreichend beabstandeten, zugelassenen Frequenzbändern - nichts anderes wird der Fachmann unter "Gesamtfrequenzbereichen" verstehen (vgl. Streitpatentschrift Seite 4 Zeilen 20 bis 22) - parallel an die zentrale Überwachungsstelle übermittelt, so daß bei Blockierung des einen Bandes immer noch die Übertragung einer Information über das zweite Frequenzband möglich ist. Was die logische Auswertung der in beiden Kanälen ankommenden Alarm- oder Fremdsignale anbelangt, so ist im Patentanspruch 1 nach Hauptantrag weiter vorgesehen, daß
"das Ergebnis der Auswertung durch die Meldezentrale beim Empfang einer Funkmeldung auf der einen Frequenz vom Vorliegen einer Fremdsignalsstörung auf der anderen Frequenz abhängig ist".
Hierzu entnimmt der Fachmann den Unteransprüchen 15 und 16 in Übereinstimmung mit Seite 4, Zeilen 46 bis 52 der Streitpatentschrift und dem Vortrag des Patentinhabers in der mündlichen Verhandlung, daß die beanspruchte "Abhängigkeit" bspw. darin bestehen kann, daß entweder ein Voralarmierungszustand für eine bestimmte Zeitdauer ausgelöst wird, während dem der Empfang einer weiteren Funkalarmmeldung zu einer Alarmierung führt oder aber, daß auch unmittelbar eine Alarmierung durchgeführt werden kann.
Insoweit bestehen keine Bedenken hinsichtlich der Nachvollziehbarkeit der streitpatentgemäßen Lehre.
1.2 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag ist nicht neu.
Die ältere, nachveröffentlichte Anmeldung [4], für die als Bestimmungsland u.a. die Bundesrepublik Deutschland benannt ist, und die als Stand der Technik gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 PatG zu berücksichtigen ist, beschreibt anhand der Figur 2 ein Funk-Alarmsystem, bei dem das Alarmsignal (S) parallel über zwei Kanäle mit Frequenzen f1 Å 40 MHz und f2 Å 400 MHz (Spalte 6 Zeilen 27 - 31) von den getrennten Sendern (16, 17) zur Empfangseinheit (14) mit den Empfängern (22, 23) übertragen wird. Diese Frequenzen repräsentieren "ausreichend beabstandete Gesamtfrequenzbereiche" nach der Definition des Streitpatents, denn sie liegen exakt in denjenigen Frequenzbändern, die dort auf Seite 4 Zeile 20 beispielhaft angegeben sind. Bei Vorliegen einer Fremdsignalstörung in einem der Kanäle bleibt immer noch der zweite funktionsfähig, mit der Folge, daß auch in diesem Falle eine Alarmauslösung möglich ist. Wie vorstehend ausgeführt, ist dies eine der möglichen Alternativen, die auch der Patentanspruch 1 des Streitpatents erfaßt (geltender Anspruch 1 iVm Anspruch 15; Streitpatentschrift Seite 4 Zeilen 46 bis 48).
Die vom Anmelder geltend gemachte "Entscheidungslogik" iVm einer funktionalen Abhängigkeit des Ergebnisses von der Kanalbelegung kann eine andere Auffassung schon deshalb nicht begründen, weil irgendwelche Einzelheiten zu einer solchen "Entscheidungslogik" im Streitpatent an keiner Stelle ausgewiesen sind. Der Stand der Technik nach Druckschrift [4] erfüllt damit alle Merkmale des geltenden Anspruchs 1.
Mit dem nichtgewährbaren Anspruch 1 fallen auch die übrigen Ansprüche gemäß Hauptantrag, da über diesen nur einheitlich entschieden werden kann.
2. Hilfsantrag 1 Durch den Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 wird der ursprünglich angemeldete Gegenstand in unzulässiger Weise erweitert, denn ein beliebiger "Voralarmierungszustand" bei Erfassung eines Fremdsignals auf der ersten und eines Alarmsignals auf der zweiten Frequenz ist durch die Anmeldeunterlagen des Streitpatents nicht gedeckt. Ausgewiesen ist dort lediglich eine ganz spezielle Art der Voralarmierung, nämlich daß ein Voralarmierungszustand für eine bestimmte Zeitdauer ausgelöst wird, während dem der Empfang einer weiteren Funkalarmmeldung von dem entsprechenden oder einem anderen Melder zu einer Alarmierung führt (Anspruch 18 iVm Seite 10 Abs. 4 der ursprünglichen Unterlagen). Daß - hiervon abweichend - die angemeldete Erfindung irgendeine beliebige Voralarmierung betreffen soll, die sowohl zeitlich wie modal beliebige Zustände und Handlungsweisen umfaßt, kann der Fachmann den Anmeldeunterlagen an keiner Stelle entnehmen. Ein solcher "Voralarmierungszustand", der im übrigen jedwede, ins freie Ermessen des Benutzers gestellte Reaktion auf die vorgenannten Kanalbelegungen Alarmsignal/Fremdsignal (abgesehen von einer sofortigen Alarmauslösung) mit erfaßt, geht über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldeunterlagen hinaus.
Somit kann das Patent auch auf der Basis der Patentansprüche nach Hilfsantrag 1 keinen Bestand haben.
3. Hilfsantrag 2 3.1 Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 ist zulässig. Seine Merkmale ergeben sich aus der erteilten Anspruchsfassung iVm Anspruch 14 sowie Seite 4 Zeilen 49 bis 52 der Streitpatentschrift und in gleicher Weise aus den ursprünglichen Unterlagen.
3.2 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 ist neu, denn keine der entgegengehaltenen Druckschriften beschreibt eine Meldeanlage, die alle Anspruchsmerkmale aufweist; dies gilt auch für die Druckschrift [4], in der nur die unmittelbare Alarmierung, aber kein Voralarm vorgesehen ist. Darüberhinaus beruht der beanspruchte Gegenstand auch auf erfinderischer Tätigkeit, denn eine solche Meldeanlage ergibt sich nicht in naheliegender Weise aus dem geltend gemachten Stand der Technik.
Aus der Druckschrift [1] ist eine Funkalarmanlage mit Meldern bekannt, die zur Sicherung gegen Blockierung der Funkstrecken mindestens zwei Signale unterschiedlicher Trägerfrequenz an die Zentrale senden, so daß auch bei Unterbrechung einer der Sender-Empfänger-Strecken immer noch die andere funktionsfähig bleibt (Figur 1 iVm Spalte 4 Zeilen 6 bis 23). Auch wenn es sich hier um Frequenzen aus dem gleichen Band und nicht aus unterschiedlichen Frequenzbändern i.S. der "Gesamtfrequenzbereiche" des Streitpatents handelt, so wird der Fachmann die Störsicherheit des bekannten Systems weiter verbessern wollen und deshalb den Frequenzabstand so groß machen, wie es die administrativ vorgegebenen, zugelassenen Frequenzbänder erlauben. Er gelangt damit aber noch nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1, denn für die Auslösung eines Voralarms, der im Anspruch 1 angegebenen Art gibt es bei der aus Druckschrift [1] bekannten Einrichtung keinen Hinweis.
Eine solche Anregung ergibt sich auch nicht aus den Druckschriften [6], [8] bis [10] und [14], die das System "TwinPass" betreffen. Zwar weist die Druckschrift [14] darauf hin, daß je ein Funkkanal im UHF- und VHF-Bereich liegt und somit unterschiedliche und "ausreichend beabstandete" Gesamtfrequenzbereiche gegeben sind; auch erfolgt eine logische Auswertung mit Analyse evtl. Störungen, und es ist weiter ein bestimmter Übertragungskanal für einen "prealarme" vorgesehen (Druckschrift [10], Seite 7 handschriftlich, re Spalte oben, und Seite 9, li und re Spalte unten, sowie Druckschrift [8], Seite 3 re Spalte oben). Dies bedeutet, daß es hierbei nicht wie im Streitpatent um die Status-Auswertung der Übertragungskanäle geht, wobei in den genannten Druckschriften ohnehin nichts darüber ausgesagt wird, was bei einem solchen "prealarme" im einzelnen ablaufen soll. Somit können diese das System Twinpass betreffenden Druckschriften weder einzeln noch zusammengenommen den Fachmann veranlassen, bei der Kanalbelegung Alarmsignal/Fremdsignal einen Voralarm der im Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 definierten Art auszulösen.
Dies wird auch durch die anderen Druckschriften nicht angeregt.
Druckschrift [2] betrifft eine Funkalarmanlage, bei der jedes Signal mehrfach gesendet wird, wobei nach dem Absetzen eines Informationsblocks die Frequenz innerhalb des zur Verfügung stehenden Bandes geändert wird (Zusammenfassung iVm Spalte 3 Zeile 48 bis Spalte 4 Zeile 1). Dieser Lehre liegt somit ein gänzlich anderes Sicherheitskonzept zugrunde.
Das System gemäß Druckschrift [3] geht, abweichend vom Streitpatent, davon aus, daß der Betriebszustand eines Funkalarmsystems und die Funktionsfähigkeit des Übertragungskanals für den Austausch von Datentelegrammen zwischen Meldern und Zentrale aus Sicherheitsgründen regelmäßig überprüft werden müssen. Es wird vorgeschlagen, die Häufigkeit des Austausches von Datentelegrammen vom Auftreten von Störungen, die durch die Detektion von Störfeldstärken erkennbar sind, abhängig zu machen (Spalte 2, Zeilen 22 bis 41). Weitergehende Gemeinsamkeiten mit dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 bestehen nicht.
Die Druckschrift [5] beschreibt anhand der Figur 1 ein Übertragungssystem für binäre Signale, das in Sicherheitsnetzen zum Schutz von Sachen und Personen Anwendung findet. Jedes der Signale B0, B1, B2 wird in getrennten Sendern 2 bis 4 mit Trägerfrequenzen moduliert und von den Empfängern 5 bis 7 aufgenommen, wobei jeweils unterschiedlichen Trägerfrequenzen für die Nullen und Einsen eines Signals verwendet werden. Durch entsprechende empfängerseitige Demodulation der gesendeten Signale liegen für die Auswertung sowohl die ursprünglichen wie auch die invertierten bit-Muster vor. Aufgrund der Redundanz des Übertragungssystems bleibt bei Störung eines der Übertragungskanäle die volle Information erhalten. Sind mehr als ein Kanal gestört, wird ein "Alarmsteuersignal" ausgegeben (Spalte 8, Zeile 54 bis Spalte 9, Zeile 11). Auch diesem Stand der Technik liegt somit ein vom Streitpatent abweichendes Sicherheitskonzept zugrunde, das auf der gleichzeitigen Übertragung originaler und invertierter bit-Muster basiert.
Die zweifellos gewerblich anwendbare drahtlose Meldeanlage gemäß Patentanspruch 1/Hilfsantrag 2 erfüllt somit die Kriterien der Patentfähigkeit (§§ 1 bis 5 PatG).
3.3 Die gleichen Gründe müssen für den Anspruch 8 gelten, der auf eine Meldezentrale gerichtet ist, welche die Signale einer Meldeeinrichtung mit den Merkmalen des Anspruchs 1 empfängt.
3.4 Der nebengeordnete Patentanspruch 17 des Hilfsantrags 2, der mit dem Anspruch 19 des Hauptantrags identisch ist, betrifft eine drahtlose Gefahrenmeldeanlage mit einem Prüfsender, der bei Erfassung eines Fremdsignals auf einem (ggfs einzigen) Übertragungskanal ein Prüfsignal abgibt, das von einem gesonderten Prüfempfänger empfangen und zum Zeichen ausreichenden Empfangs quittiert werden muß. Diese Gefahrenmeldeanlage ist neu, denn im geltend gemachten Stand der Technik ist ein solches System nicht beschrieben. Es beruht zudem auf erfinderischer Tätigkeit.
Aus der Druckschrift [3] ist bekannt, die Funkstrecke für den Austausch von Datentelegrammen zwischen Zentrale und Außenstationen eines Alarmsystems dadurch zu überwachen, daß in bestimmten Zeitabständen von der Zentraleinheit eine summarische Abfrage aller Außenstationen durchgeführt wird (Spalte 1, Zeile 65 bis Spalte 2, Zeile 1). Hiervon ausgehend wird vorgeschlagen, eine solche Abfrage nicht in regelmäßigen Zeitabständen, sondern nach der Häufigkeit des Auftretens von Störungen festzulegen. Hierzu wird die Feldstärke in den für die Alarmanlage zur Verfügung stehenden Funkkanälen überwacht. Übersteigen die Pegel vorgegebene Werte, wird dies als möglicherweise absichtliche Manipulation angesehen und als Störung detektiert.
Von diesem Stand der Technik unterscheidet sich die Meldeanlage nach Anspruch 17 dadurch, daß in der Meldezentrale ein eigener Sender vorgesehen ist, der bei Erfassung eines Fremdsignals auf einem Funkkanal ein Prüfsignal abgibt, dessen Empfang von einem gesonderten Empfänger quittiert wird. Für ein Ergreifen dieser Maßnahmen besteht für den Fachmann aus der Lehre der Druckschrift [3] heraus angesichts des dort verfolgten Konzepts der summarischen Abfrage aller Außenstationen kein Anlaß.
Eine Überprüfung, ob ausreichender Empfang auf einer Übertragungsstrecke gewährleistet ist, findet auch beim Stand der Technik nach Druckschrift [1] statt (Spalte 4, Zeile 58 bis Spalte 5, Zeile 15 iVm Spalte 6, Zeilen 30 bis 50). Dort erfolgt dies ebenfalls durch Messung der Feldstärke empfangener Signale sowie durch Vergleich mit den in der Zentrale abgespeicherten individuellen Feldstärken der einzelnen Sendermodule. Für das im Anspruch 17 beanspruchte gesonderte Prüfsender/Empfänger-System und dessen Aktivierung bei Erfassung eines Fremdsignals gibt auch dieser Stand der Technik keine Anregung. Um so mehr gilt dies für die übrigen Druckschriften, die sich mit einer aktiven Überprüfung der Funkkanäle nicht befassen.
3.5 Für den Verfahrensanspruch 20 des Hilfsantrags 2, der - abgesehen von der Patentkategorie - denselben Sachverhalt wie der Patentanspruch 1 zum Ausdruck bringt, gelten die vorgenannten Gründe in gleicher Weise.
4. Aus den dargelegten Gründen sind die Meldeanlage, die Meldezentrale und das Verfahren zur drahtlosen Meldeanlage nach den Ansprüchen 1, 8, 17 und 20 in der Fassung des Hilfsantrags 2 patentfähig. Von den gewährbaren Patentansprüchen 1, 8, 17 und 20 werden auch die abhängigen Ansprüche 2 bis 6, 9 bis 16 sowie 18 und 19, die nichttriviale Weiterbildungen der genannten Gegenstände betreffen, mitgetragen.
Der Vorsitzende Richter Grimm ist wegen Krankheit an der Unterschrift gehindert.
Dr. Greis Dr. Greis Eder Schuster Bb
BPatG:
Beschluss v. 13.03.2001
Az: 17 W (pat) 39/99
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