Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. März 2008
Aktenzeichen: 25 W (pat) 12/06
(BPatG: Beschluss v. 28.03.2008, Az.: 25 W (pat) 12/06)
Tenor
1. Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke wird zurückgewiesen.
2. Die Entscheidung über die Beschwerde der aus der Marke 268 981 Widersprechenden bleibt dahingestellt.
Gründe
I.
Die am 20. November 2000 angemeldete Wortmarke Acuitelist am 13. März 2001 unter der Nummer 300 85 083 in das Markenregister eingetragenen worden. Sie ist nunmehr noch für die Waren
"Verschreibungspflichtige Humanarzneimittel".
geschützt.
Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 12. April 2001.
Gegen die Eintragung haben die Inhaberin der seit 4. August 1921 für die Waren
"Chemische Produkte für hygienische und medizinische Zwecke, chemischpharmazeutische Produkte und Präparate"
eingetragenen Marke 268 981 Acutolund die Inhaberin der seit 22. Juni 1982 u. a. für die Waren
"Produkts pharmaceutiques"
international registrierten und auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erstreckten IR- Marke 470 328 ACUITEL Widerspruch eingelegt.
Hinsichtlich beider Widerspruchsmarken ist die rechtserhaltende Benutzung bestritten.
Mit Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 1. April 2003 wurde durch eine Prüferin des gehobenen Dienstes die angegriffene Marke wegen des Widerspruchs aus der Marke 268 981 "Acutol" gelöscht und u. a. der Widerspruch aus der IR-Marke 470 328 "ACUITEL" zurückgewiesen, da die Benutzung dieser Widerspruchsmarke nicht glaubhaft gemacht worden sei.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke und die aus der IR-Marke 470 328 "ACUITEL" Widersprechende haben dagegen Erinnerung eingelegt.
Mit Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 12. Juli 2005 wurde durch eine Prüferin des höheren Dienstes der Erstprüferbeschluss hinsichtlich der Entscheidung über die Widerspruchsmarken 470 328 IR und 268 981 aufgehoben und die angegriffene Marke wegen des Widerspruchs aus der IR-Marke 470 328 ACUITEL gelöscht sowie der Widerspruch aus der Marke 268 981 wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen.
Die IR-Marke 470 328 ACUITEL" sei mit der angegriffenen Marke identisch. Die Marken könnten sich auch bei identischen Waren begegnen. Im Erinnerungsverfahren habe die Widersprechende durch die Vorlage neuer Unterlagen einschließlich eidesstattlicher Versicherungen eine rechtserhaltende Benutzung der Kennzeichnung hinsichtlich eines Herz-/Kreislaufmittels glaubhaft gemacht. Offene Widersprüche in der Glaubhaftmachung seien nicht erkennbar. Die Angaben in den eidesstattlichen Versicherungen ergänzten sich gegenseitig. Es liege im Rahmen des Möglichen, dass mehrsprachige Beipackzettel gefertigt werden. Hinsichtlich des Widerspruchs aus der Marke 268 981 "Acutol" ist die Erinnerungsprüferin der Auffassung, dass nach der Erhebung der Nichtbenutzungseinrede im Erinnerungsverfahren die Benutzung der Marke 268 981 "Acutol" für ein Tiertherapeutikum glaubhaft gemacht wurde. Zwischen Human- und Tierarzneimitteln bestehe auch eine Ähnlichkeit. Dennoch müsse eine Verwechslungsgefahr verneint werden, da gravierende Unterschiede in den Marken, vor allem deren Vokalen bestünden. Auch in schriftbildlicher Hinsicht seien die Marken hinreichend unterschiedlich.
Hiergegen haben die aus der Marke 268 981 "Acutol" Widersprechende und die Inhaberin der angegriffenen Marke jeweils Beschwerde eingelegt.
Die aus der Marke 268 981 "Acutol" Widersprechende und Beschwerdeführerin I beantragt, unter Aufhebung des Beschlusses der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 12. Juli 2005 - soweit die Verneinung der Verwechselbarkeit von ACUITEL und ACUTOL betroffen ist - die Verwechselbarkeit von ACUITEL und ACUTOL festzustellen und der Anmeldemarke den Schutz zu versagen.
Die Erinnerungsprüferin habe zu Unrecht eine Verwechselbarkeit verneint. Die Widerspruchsmarke werde zur Kennzeichnung eines Veterinärtherapeutikums/Antiphlogistikums benutzt. Die jüngere Marke beanspruche noch Schutz für "verschreibungspflichtige Humanarzneimittel". Die Waren lägen im engen Ähnlichkeitsbereich. Es müssten daher strenge Anforderungen an den Abstand zur normal kennzeichnungskräftigen Widerspruchsmarke gestellt werden, denen das jüngere Zeichen nicht gerecht werde, da die Zeichen klanglich und schriftbildlich hochgradig ähnlich seien. Es überwögen die Übereinstimmungen. Der Vokal "i" in der angegriffenen Marke klinge nur schwach an und werde weitgehend verschluckt.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke, Beschwerdeführerin II und Beschwerdegegnerin zu I beantragt (sinngemäß), die Beschwerde der aus der Marke 268 981 der Widersprechenden zurückzuweisen sowie den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 12. Juli 2005 aufzuheben, soweit die Eintragung der angegriffenen Marke wegen des Widerspruchs aus der IR-Marke 470 328 gelöscht worden ist und diesen Widerspruch zurückzuweisen.
Die Verwechslungsgefahr zwischen "Acuitel" und "Acutol" sei zu Recht verneint worden. Es bestünden gravierende Unterschiede, vor allem in den Vokalen. Die beiderseitigen Waren wiesen in ihrem regelmäßigen Vertriebs- oder Erbringungsort, ihrem Einsatzzweck und ihren Verkehrskreisen derart deutliche Unterschiede auf, dass angesichts der erheblichen Unterschiede der Marken Verwechslungen ausgeschlossen seien, zumal beiderseitige Rezeptpflicht bestehe. Auch eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr sei zu verneinen.
Der Widerspruch aus der IR-Marke 470 328 könne entgegen der Ansicht der Markenstelle keinen Erfolg haben, da die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke im Inland nicht glaubhaft gemacht worden sei. Die eingereichten eidesstattlichen Versicherungen wiesen Unstimmigkeiten und Ungenauigkeiten auf. So stimmten der Verlauf hinsichtlich der Stückzahlen und des Umsatzes, der nach den eingereichten eidesstattlichen Versicherungen erzielt worden sei, nicht überein, da der Umsatz trotz gesunkener Stückzahlen gestiegen sei. Erhebliche Zweifel an den Angaben in den eingereichten eidesstattlichen Versicherungen ergäben sich vor allem daraus, dass bei einer Exportmarke die Marke im Inland angebracht werden müsse, was nicht eidesstattlich versichert worden sei. Die eingereichten Rechnungen vom 31. Januar 2002 seien mit der Angabe "Delivery at ... from WL Ireland Toll Manufactoring" versehen. Das Arzneimittel dürfte daher in Irland hergestellt und mit der Marke versehen worden sein. Es könne dagegen nicht angenommen werden, dass die Widersprechende am gleichen Tag den Arzneistoff zur Herstellung der Arzneimittel aus Irland bekommen und die Ware am gleichen Tag in Deutschland hergestellt, verpackt, mit der Kennzeichnung versehen und noch nach Frankreich exportiert habe. Die Glaubhaftmachungsunterlagen ließen daher offene Widersprüche erkennen, die zu Lasten der Widersprechenden gingen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerden zurückzuweisen.
Eine rechtserhaltende Benutzung sei nachgewiesen worden. Aus den eingereichten eidesstattlichen Versicherungen ergebe sich, dass die Marke als Exportmarke benutzt worden sei, wobei die Waren in Deutschland hergestellt und gekennzeichnet worden seien. Mindestens seit 1996 werde für den französischen Markt "Acuitel" in Freiburg hergestellt, verpackt und mit der Marke versehen. Daneben sei das Medikament auch für die Märkte weiterer Länder in Freiburg hergestellt und verpackt worden. Es seien sowohl rein einsprachig gefasste Schachteln und Beipackzettel verwendet worden, aber auch zwei- oder dreisprachig gefasste Verpackungen. Es liege kein offener Widerspruch vor, da das Medikament auch für andere Länder als Frankreich hergestellt worden sei, woraus sich die teilweise englische Fassung bzw. die unterschiedliche Tablettenzahl und Stärke ergebe. Soweit die Gegenseite im Hinblick auf die eingereichten Rechnungen vom 4. und 5. April 2001 meine, das Medikament sei in Irland hergestellt bzw. gekennzeichnet worden, sei dies abwegig. Der Rohstoff sei damals aus Irland zur Verfügung gestellt worden. Herstellung der Tabletten und die Konfektionierung seien in Freiburg erfolgt. Von dort aus sei auch das Medikament nach Frankreich exportiert worden, was in den Rechnungen aus der Formulierung "Delivery Terms: ... EXW Freiburg Ex Works" ersichtlich sei. Die Angabe "Delivery at ... from WL Ireland Toll Manufactoring" in den Rechnungen sei darauf zurückzuführen, dass das Produkt von der Widersprechenden in Freiburg für die WL Ireland hergestellt und in deren Auftrag exportiert worden sei. Das genannte Datum habe keinen Bezug zur Anlieferung des Wirkstoffs aus Irland.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten, einschließlich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 6. März 2008 Bezug genommen.
II.
1. Die zulässige Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke hat keinen Erfolg, da eine Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG hinsichtlich der IR-Marke 470 328 besteht.
Die Wortmarken sind identisch, da sie sich lediglich durch die Wiedergabe in Groß- bzw. Kleinbuchstaben unterscheiden.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke bestreitet zulässig eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 MarkenG. Auf Seiten der Widerspruchsmarke, bei der von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft auszugehen ist, können lediglich die Waren Herz-/Kreislaufmittel berücksichtigt werden, für die eine rechtserhaltende Benutzung der Kennzeichnung in den hier relevanten Zeiträumen April 1996 bis April 2001 (§ 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG) und März 2003 bis März 2008 (§ 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG) glaubhaft gemacht worden ist (§ 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG)
Eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke zur Kennzeichnung von "Herz-/Kreislaufmitteln", welche unter den geschützten Warenbegriff "Produits pharmaceutiques" fallen, ergibt sich für den Zeitraum April 1996 bis April 2001 durch die Angaben in der eidesstattlichen Versicherung vom 31. Januar 2002, welche Umsatzangaben für die Jahre 1999 bis 2001 enthält, ergänzt durch die Vorlage von Verpackungen sowie den Angaben aus der eidesstattlichen Versicherung vom 17. Dezember 2003, wonach die Marke als Exportmarke verwendet und die Ware in Deutschland gekennzeichnet wird. Hinsichtlich des nach (§ 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG maßgeblichen Zeitraums (März 2003 bis März 2008) ergibt sich aus den eingereichten eidesstattlichen Versicherungen vom 17. Dezember 2003 und 30. Mai 2004, dass jedenfalls im hier relevanten Jahr 2003 für den französischen Markt, aber auch für den Markt des mittleren Ostens und Saudi-Arabiens in rechtserheblichem Umfang die Arzneimittel in Freiburg hergestellt worden sind, die in Freiburg gekennzeichnet und von Freiburg aus verschickt worden sind. Die beigefügten Verpackungen und Beipackzettel stehen dazu nicht im Widerspruch, da die Abfassung in französischer Sprache sich daraus erklärt, dass das Arzneimittel für das Ausland bestimmt war. Auch ergeben sich an den eidesstattlichen Versicherungen keine Zweifel dadurch, dass danach bei einem Verlauf von sinkenden Stückzahlen, die Umsätze gestiegen sind, da in der eidesstattlichen Versicherung teilweise nur Mindestangaben gemacht wurden.
Die eingereichten Rechnungen vom 4. und 5. April 2001 begründen entgegen der Ansicht der Inhaberin der angegriffenen Marke keine Zweifel daran, dass die Kennzeichnung der für das Ausland bestimmten Produkte in Deutschland (§ 26 Abs. 4 MarkenG) erfolge. Die Angabe "Delivery at ... from WL Ireland Toll Manufactoring" auf diesen Rechnungen hat die Widersprechende plausibel damit erklärt, dass der Grundstoff des Arzneimittels ihr von der WL Ireland aus Irland zur Verfügung gestellt worden sei und sie das Produkt in Freiburg für die WL Ireland hergestellt und in deren Auftrag exportiert hat. Dass die Arzneimittel von Freiburg aus ausgeliefert worden sind, lässt sich auch diesen Rechnungen entnehmen, da sie die Angabe "Delivery Terms: ... EXW Freiburg Ex Works" sowie die Angabe "Origin: DE Deutschland" enthalten. Die Angaben in den eidesstattlichen Versicherungen, dass das Arzneimittel in Deutschland hergestellt und gekennzeichnet sowie die Marke in Deutschland als Exportmarke verwendet worden ist, wird durch die eingereichten Rechnungen nicht erschüttert. Selbst wenn man die Angabe "Delivery at ... from WL Ireland" dahingehend werten würde, dass die Marke in einem solchen Fall eher von der WL Ireland verwendet wurde, die sich dabei der Hilfe der Widersprechenden bedient, ändert dies nichts an der Glaubhaftmachung der rechtserhaltenden Benutzung, da auch die Verwendung der Marke durch einen Dritten, welcher dazu die Zustimmung des Markeninhabers hat, diesem zugerechnet werden kann (§ 26 Abs. 2 MarkenG). Von einer solchen "Zustimmung" wäre in dem vorliegenden Fall ohne weiteres auszugehen, da die Widersprechende selbst das Arzneimittel in Freiburg herstellt, kennzeichnet und nach Frankreich verschickt. Die wegen der eingereichten Rechnungen geäußerte Vermutung der Inhaberin der angegriffenen Marke, das Arzneimittel sei bereits in Irland gekennzeichnet worden und die Widersprechende habe das verpackte und gekennzeichnete Arzneimittel aus Irland bezogen und am gleichen Tag nur weiterverschickt, findet in dieser Sachlage einschließlich der Erläuterungen der Widersprechenden, die sich mit den Angaben in der eidesstattlichen Versicherungen und den Angaben in den Rechnungen decken, keine Stütze. Die Glaubwürdigkeit der Angaben in den eidesstattlichen Versicherungen wird durch die vorgelegten Rechnungen nicht erschüttert.
Die sich gegenüberstehenden Waren "Verschreibungspflichtige Humanarzneimittel" auf Seiten der angegriffenen Marke und "Herz-/Kreislaufmittel" auf Seiten der Widerspruchsmarke können identisch sein, so dass eine Verwechslungsgefahr besteht.
2. Da die angegriffene Marke bereits aufgrund des Widerspruchs aus der IR-Marke 470 328 "ACUITEL" zu löschen ist, bedarf die Beschwerde der aus der Marke 268 981 "Acutol" Widersprechenden keiner Entscheidung.
3. Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass, § 71 Abs. 1 MarkenG.
Kliems Merzbach Bayer Na
BPatG:
Beschluss v. 28.03.2008
Az: 25 W (pat) 12/06
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