Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 3. April 2001
Aktenzeichen: 4 U 169/00

(OLG Hamm: Urteil v. 03.04.2001, Az.: 4 U 169/00)

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 14. November 2000 verkündete Urteil der VI. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.

Die Beklagten tragen die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar und beschwert die Beklagten mit 30.000,00 DM.

Gründe

(Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.)

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet, da das Landgericht sie zu Recht verurteilt hat, es bei Meidung gesetzlicher Ordnungsmittel zu unterlassen, Steuerberatern Einzelpräsentationen auf "Stadtplanorientierungsanlagen" anzubieten und solche Präsentationen durchzuführen (§ 1004 BGB [analog] i.V.m. §§ 1 UWG, 57, 57 a Abs. 1 SteuerberaterG, 11 Abs. 1 BOStB).

Die Klägerin ist gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG prozeßführungsbefugt. Sie ist als öffentlichrechtlich organisierte Kammer freier Berufe auch Verband zur Förderung gewerblicher Inte-

ressen im Sinne von § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG, weil sie – ungeachtet ihrer öffentlichrechtlichen Aufgabenstellung – auch die beruflichen Belange ihrer Mitglieder zu wahren und zu fördern hat. Dazu gehört auch die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen, soweit dadurch – wie hier – der Wettbewerb von Kammermitgliedern hinsichtlicher ihrer Dienstleistung, der Steuerberatung, berührt wird (vgl. BGH WRP 1999, 824 ff., 825 – Steuerberaterwerbung auf Fachmessen m.w.N.). Der Umstand, dass die Beklagten in keinem Wettbewebsverhältnis zu den Mitgliedern der Klägerin stehen, steht der Prozeßführungsbefugnis nicht entgegen, soweit es – wie im vorliegenden Fall – darum geht, Dritte in Anspruch zu nehmen, die als Störer zu einem Wettbewerbsverstoß von Steuerberatern beitragen. Denn insoweit steht eine Beteiligung an Wettbewerbsverstößen von Steuerberatern in Rede, die die Klägerin gegebenenfalls (auch) unmittelbar in Anspruch nehmen könnte. Die den Verbänden eingeräumte Möglichkeit der Rechtsverfolgung wäre unvollständig, wenn sie nicht gegen alle an einem Wettbewerbsverstoß Beteiligten vorgehen könnten (vgl. u.a. BGH GRUR 1997, 313 ff., 314, 315 – Architektenwettbewerb).

Der Unterlassungsantrag der Klägerin ist nicht zu unbestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Es fehlt ihm entgegen der Ansicht der Beklagten nicht "jegliche notwendige Konkretisierung", da die Klägerin jegliche Werbung von Steuerberatern auf solchen Werbeträgern, wie sie die "Stadtplanorientierungsanlagen" darstellen, verboten wissen will, ohne dass es dabei auf die inhaltliche Gestaltung, die Größe oder Plazierung ankommen soll (vgl. dazu BGH GRUR 2000, 822, 823 – Steuerberateranzeige).

Die Beklagten haften auch als wettbewerbsrechtliche Störer (§ 1004 BGB [analog] i.V.m. §§ 1 UWG, 57, 57 a Abs. 1 SteuerberaterG, 11 Abs. 1 BOStB).

Der Störerhaftung steht nicht entgegen, dass die Beklagten nicht dem Verbot berufswidriger Werbung bei den Steuerberatern nach §§ 57, 57 a Abs. 1 SteuerberaterG unterliegen, da die Störerhaftung auch einer Umgehung des standardrechtlichen Verbots entgegen wirken soll (vgl. BGH GRUR 1996, 905 ff., 907

– GmbH-Werbung für ambulante ärztliche Leistungen; BGH WRP 1999, 501 ff., 504 – Implantatbehandlung; BGH WRP 2000, 506 ff., 509 – Klinik Sanssouci).

Die Werbung auf solchen Werbeträgern, zu der sich die Beklagten nach wie vor für berechtigt halten, verstößt gegen §§ 57, 57 a Abs. 1 SteuerberaterG, 11 Abs. 1 BOStB.

Nach §§ 57, 57 a Abs. 1 SteuerberaterG ist eine Steuerberaterwerbung nur erlaubt, soweit sie über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet und nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet ist. Das ist inzwischen in das Satzungsrecht der Bundessteuerberaterkammer mit den §§ 10 ff. BOStB übernommen und teilweise konkretisiert worden (vgl. dazu BGH GRUR 2000, 23 – Steuerberateranzeige). Um die berufswidrige Anzeigenwerbung allgemein abzugrenzen, stellt § 11 Abs. 1 Satz 3 BOStB nur noch auf die Wirkung im Einzelfall ab, die sich aus dem Gesamteindruck der angesprochenen Verkehrskreise ergibt (vgl. BGH a.a.O. – Steuerberateranzeige). Danach dürfen Anzeigen keine übertriebene, auffällige oder in sonstiger Weise reklamehafte Form haben. Nach § 11 Abs. 1 Satz 4 BOStB ist bei der Beurteilung der Reklamehaftigkeit auch die Häufigkeit des Erscheinens zu berücksichtigen. Allgemein dient das Verbot berufswidriger Werbung dem Zweck, eine Verfälschung des jeweiligen Berufsbildes durch Verwendung kommerzieller Werbemethoden zu verhindern (vgl. BVerfG WRP 1996, 192, 193). Welche Werbeformen dabei als üblich, angemessen oder übertrieben bewertet werden, unterliegt zeitbedingten Veränderungen (vgl. BVerfG WRP 2000, 720, 721

– Sponsoring).

Die Werbung in der beanstandeten Form wird dadurch charakterisiert, dass sie dauerhaft - in der Regel ununterbrochen für drei Jahre - erscheint. Allein dadurch hat sie eine reklamehafte Form und nicht durch ihr konkretes Umfeld auf der jeweiligen Werbetafel (a.A. OLG Frankfurt a.N. NJW 1999, 2826). Denn die Häufigkeit des Erscheines einer Werbung als Kriterium für deren Reklamehaftigkeit (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 4 BOStB) ist hier gleichsam "übererfüllt" im Hinblick auf die vorliegende Dauerwerbung. Dieses Kriterium der dauerhaften Hinweise auf den werbenden Steuerbrater erscheint auch nicht dadurch in einem milderen Licht, dass z. B. Hinweise in den "Gelben Seiten" und ähnlichen Verzeichnissen zulässig sind. Die Aufnahme der Steuerberater in solche Verzeichnisse ist ausdrücklich in § 14 BOStB geregelt. Das gilt ebenso für eine weitere ausdrücklich zugelassene "Dauerwerbung", nämlich das Praxisschild, dessen Voraussetzungen in § 15 BOStB geregelt sind. Bei der beanstandeten Werbung handelt es sich aber gleichsam um ein weiteres Praxisschild, für das nach diesen Regelungen kein Raum ist. Insoweit hat keine Änderung bei der Beurteilung der beanstandeten Werbung stattgefunden. Derartige Werbeanlagen existieren bereits seit langer Zeit und ihre Beurteilung "als Dauerreklame" hat keinen Wandel erfahren. Es handelt sich eben nicht um eine Werbeform, wie das Sponsoring einzelner Veranstaltungen, bei der es sich um eine neue Form der Immagewerbung handelt und die als solche nicht regelmäßig ohne Rücksicht auf die Gestaltung im Einzelfall verboten werden darf (vgl. BVerfG a.a.O., - Sponsoring).

Das Verbot der hierbei beanstandeten Werbung verstößt nicht gegen Artikel 12 Abs. 1 GG, da damit nicht unzulässig in die Freiheit der Berufsausübung eingegriffen wird. Es wird eine Werbeform untersagt, die sich nicht nur unter berufsständischen Aspekten, sondern auch aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise, zu denen die Mitglieder des Senats ebenfalls zählen, als übertrieben erweist.

Die Beklagten haften für den Verstoß als Störer gemäß § 1004 BGB (analog) i.V.m. § 1 UWG, da ihnen im vorliegenden Fall nicht ausnahmsweise der Einwand offen steht, ihnen sei eine Prüfungspflicht überhaupt nicht oder jedenfalls nur eingeschränkt zuzumuten gewesen (vgl. BGH GRUR 1997, 313 ff., 316 Architektenwettbewerb). Soweit sie unter Hinweis auf die Grundsätze der Einschränkung der Störerhaftung bei Presseunternehmen meinen, nur im Falle grober, unschwer zu erkennender Verstöße zu haften, vermögen sie damit schon deshalb nicht durchzudringen, weil sie nicht zu diesem privilegierten Kreis der Presse gehören. Sie haben die Klägerin auch "um Aufklärung über die diesbezüglichen verbindlichen Regelungen" in deren Verantwortungsbereich gebeten (vgl. dazu Bl. 10 d. A.). Die Klägerin hat daraufhin ihre Rechtsauffassung erläutert und die Beklagte zu 1) gebeten, von dieser Werbemöglichkeit Abstand zu nehmen (vgl. Bl. 11/12 d. A.). Dem haben die Beklagten jedoch nicht entsprochen und nach erneuten Hinweisen und einer Abmahnung durch die Klägerin (siehe Bl. 14, 16 – 19 d. A.) auf

ihrem Standpunkt beharrt, nicht zu haften (siehe Bl. 15 u. 19 d. A.). Sie haben also zunächst die Rechtslage geprüft und sich dann über die Ablehnung einer solchen Werbung seitens der Klägerin hinweg gesetzt. Das reicht aber aus, um eine Störerhaftung zu bejahen. Denn als wettbewerbsrechtlicher Störer haftet jeder, der in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung einer rechtswidrigen Beeinträchtigung mitwirkt. Dabei genügt es, dass er an der Schaffung eines wettbewerbswidrigen Zustandes objektiv mitwirkt. Auf ein Verschulden kommt es insoweit nicht an.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.






OLG Hamm:
Urteil v. 03.04.2001
Az: 4 U 169/00


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