Bundespatentgericht:
Beschluss vom 25. Februar 2004
Aktenzeichen: 32 W (pat) 331/02
(BPatG: Beschluss v. 25.02.2004, Az.: 32 W (pat) 331/02)
Tenor
Auf die Beschwerde werden die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts - Markenstelle für Klasse 41 - vom 7. Januar 2002 und vom 20. Juni 2002 aufgehoben, soweit der angemeldeten Marke die Eintragung für die Dienstleistungen "Karnevalsveranstaltungen, Bälle; Unterhaltung" versagt worden ist.
Gründe
I Die am 3. Februar 2000 beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldete Wortmarke KOKAIN BALL war für folgende Dienstleistungen bestimmt:
Karnevalsveranstaltungen, Bälle; Unterhaltung, kulturelle Aktivitäten; Veranstaltung von Reisen.
In Anspruch genommen war eine Ausstellungspriorität vom Februar 1951 in Köln.
Die Markenstelle für Klasse 41 hat die Anmeldung zunächst mit Zwischenbescheid vom 17. Juli 2000 als nicht unterscheidungskräftig und freihaltebedürftig beanstandet. Kokain sei ein als Betäubungsmittel und Rauschgift verwendetes Alkaloid aus den Blättern des Kokastrauchs. KOKAIN BALL weise unmittelbar beschreibend darauf hin, dass es sich um Bälle, Veranstaltungen bzw. Reisen zum Thema Kokain handele.
In Erwiderung auf diesen Beanstandungsbescheid hat der Anmelder ausgeführt, im vorliegenden Zusammenhang stelle KOKAIN die seit 1951 benutzte Abkürzung für KOelner KArneval INternational dar. Der betreffende, von ihm - dem Anmelder - seit 1962 veranstaltete Ball sei über Köln hinaus, u.a. durch Fernsehberichte und Zeitschriftenveröffentlichungen, zu einem Begriff geworden. Mit dem Rauschgift Kokain habe diese Veranstaltung nichts zu tun.
Mit Beschluss einer Beamtin des gehobenen Dienstes vom 7. Januar 2002 hat die Markenstelle die Anmeldung als nicht unterscheidungskräftig zurückgewiesen. Ein die Dienstleistungen beschreibender Aussagegehalt stehe im Vordergrund des Verständnisses breitester Verkehrskreise. Diese würden in der angemeldeten Bezeichnung eine Inhaltsangabe sehen (unabhängig davon, ob dieser Inhalt gegen Rechtsnormen verstoße), nicht aber den Hinweis auf die Herkunft aus einem bestimmten Geschäftsbetrieb. Die verdeckte Abkürzungsfunktion von KOKAIN für eine Kölner Karnevalsveranstaltung sei in breiten Publikumskreisen nicht bekannt. Selbst wenn die betreffende Veranstaltung, auch über das Gebiet der Stadt Köln hinaus, eine gewisse Bekanntheit haben sollte, lägen die Voraussetzungen einer Verkehrsdurchsetzung als Marke gemäß § 8 Abs 3 MarkenG nicht vor.
Die Erinnerung des Anmelders hat die Markenstelle - besetzt mit einer Beamtin des höheren Dienstes - mit Beschluss vom 20. Juni 2002, welcher sich der Begründung des Erstbeschlusses anschließt, zurückgewiesen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Anmelders. In Erwiderung auf ihm telefonisch mitgeteilte Bedenken, KOKAIN BALL könne als mißbräuchliche Werbung für ein Betäubungsmittel verstanden werden, weist er darauf hin, dass sich in der Anlage II zum Betäubungsmittelgesetz (BtmG) lediglich die Bezeichnung d-Cocain findet, die mit der angemeldeten Marke unter Mitberücksichtigung des zweiten Wortes BALL nicht verwechselbar sei. Im übrigen sei die bloße Verwendung des Namens eines Betäubungsmittels nicht verboten.
Es liege auch keine strafbewehrte Werbung für Betäubungsmittel vor, da solche nicht angeboten und Bezugsquellen für diese nicht genannt würden. Gerade in Verbindung mit dem Wort BALL stelle die für Karnevalsveranstaltungen bestimmte Marke keine Werbung für die Lieferung und den Verkauf von Betäubungsmitteln dar. Der seit 1951 veranstaltete Ball habe noch nie Schwierigkeiten wegen Drogendelikten gehabt und sei von der Polizei niemals als Drogenabsatzmarkt angesehen worden.
Im weiteren Verlauf des Beschwerdeverfahrens hat der Anmelder das Verzeichnis der Dienstleistungen wie folgt beschränkt:
Karnevalsveranstaltungen, Bälle; Unterhaltung.
Außerdem hat er klargestellt, dass er keinen früheren Zeitrang beansprucht als den des Tags der Anmeldung.
II.
Die Beschwerde des Anmelders ist zulässig und begründet. Für die jetzt noch beanspruchten Dienstleistungen stehen der Eintragung der angemeldeten Wortmarke (mit dem Zeitrang des Tags der Anmeldung) keine Schutzhindernisse nach § 8 Abs 2 MarkenG entgegen.
1. Die Wortfolge KOKAIN BALL - wobei der an sich mehrdeutige Bestandteil BALL hier naheliegender Weise als Bezeichnung einer Tanzveranstaltung zu verstehen ist - entbehrt nicht des erforderlichen Mindestmaßes an Unterscheidungskraft (§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG). Unter dieser versteht man, die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfaßten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden. Hauptfunktion der Marke ist es, die Ursprungsidentität der so gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen. Kann einer Wortmarke kein für die fraglichen Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache, dass vom Verkehr - auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt es keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, dass ihr jegliche Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (st. Rspr.; BGH BlPMZ 2002, 85 - INDI-VIDUELLE).
Einem Teil der an Karnevals- und sonstigen Unterhaltungsveranstaltungen interessierten Verkehrskreise - vor allem aus Köln und Umgebung, möglicherweise, im Hinblick darauf, dass ein Karnevalsball unter dieser Bezeichnung schon seit vielen Jahren tatsächlich stattfindet, aber auch darüber hinaus - wird bekannt sein, dass der Markenbestandteil KOKAIN als Abkürzung für KOelner KArneval INternational steht. Für diesen Teil des Publikums ist die angemeldete Marke von vornherein ohne weiteres geeignet, die beanspruchten Dienstleistungen der Herkunft nach zu kennzeichnen. Die Vorstellung, mehrere Veranstalter könnten sich unabhängig voneinander einer derart ungewöhnlichen Bezeichnung bedienen, liegt nicht nahe.
Aber auch soweit dem nach Überzeugung des Senats wesentlich größeren Teil des Verkehrs - vor allem in anderen Teilen des Bundesgebiets - die aufgezeigte Bedeutung von KOKAIN (als Akronym) nicht bekannt ist, vermag die Marke die ihr zugedachte Herkunftsfunktion zu erfüllen. Dieser Teil des Publikums wird zwar das Wort KOKAIN zunächst im wörtlichen Sinn als Bezeichnung eines Betäubungsmittels bzw. Rauschgifts verstehen, jedoch nicht ernsthaft zu der Annahme gelangen, die Marke solle den Sachhinweis vermitteln, auf dem betreffenden Karnevalsball usw. könne Kokain angeboten, erworben oder konsumiert werden. Denn dass aufgrund gesetzlicher Bestimmungen die Abgabe von Kokain nur unter ganz engen Voraussetzungen zulässig ist, im übrigen aber der Handel mit diesem Stoff, sein Besitz und Gebrauch unter Strafe stehen, ist gerade den angesprochenen Besuchern von Tanz- und Unterhaltungsveranstaltungen durchweg bekannt. Insbesondere aufgrund der in den letzten Jahren bekanntgewordenen Fälle von Kokainmißbrauch durch Prominente, die ein großes Medieninteresse hervorgerufen haben, ist das Problembewußtsein der Öffentlichkeit groß. Der mit der intendierten Abkürzung nicht vertraute Teil des Verkehrs wird somit - soweit er sich überhaupt Gedanken macht - dem Bestandteil KOKAIN die frivole oder witzige Anspielung entnehmen, ihn erwarte beim Besuch der betreffenden Veranstaltung z.B. eine (be-)rauschende Ballnacht. In diesem übertragenen Sinne ist die angemeldete Marke durchaus phantasievoll und geeignet, einen Hinweis auf die Herkunft so gekennzeichneter Veranstaltungen aus einem bestimmten Geschäftsbetrieb zu vermitteln.
2. Einer Registrierung der angemeldeten Marke steht auch auch nicht die Regelung des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG entgegen. Sie besteht nicht ausschließlich aus Angaben, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der Dienstleistungen dienen können. Allerdings kommt dem Umstand keine Bedeutung zu, dass in den Anlagen II und III zum Betäubungsmittelgesetz (BtmG) die international gebräuchliche Bezeichnung Cocain Verwendung findet; im allgemeinen inländischen Sprachgebrauch hat sich die Schreibweise Kokain durchgesetzt.
Wenn - wie ausgeführt - bereits in breiten Publikumskreisen kein unrichtiges Verständnis der Marke zu erwarten ist, so gilt diese Beurteilung erst recht für Ausrichter von Unterhaltungs- und Karnevalsveranstaltungen sowie Bällen. Kein Mitbewerber des Anmelders benötigt ernsthaft die Bezeichnung KOKAIN BALL, um auf die - im übertragenen Sinne - rauschhafte Wirkung seiner Veranstaltung hinzuweisen. Ein Interesse der mit dem - legalen - Handel und der Abgabe von Kokain befaßten Fachkreise, einschließlich Apothekern und Ärzten, sowie deren Berufs- und Interessenverbänden - soweit diese etwa als Veranstalter von Bällen in Betracht kommen - an der Verwendung der angemeldeten Marke ist ebenfalls nicht ernsthaft zu erwarten.
3. Sonstige Schutzhindernisse, welche die Markenstelle - von ihrem Standpunkt aus folgerichtig - nicht geprüft hat, stehen der Eintragung ebenfalls nicht entgegen.
a) Die Bezeichnung KOKAIN BALL ist nicht geeignet, das - wie ausgeführt - problembewußte Publikum über die Art der Dienstleistungen zu täuschen (§ 8 Abs 2 Nr 4 MarkenG), da mit einem unrichtigen Verständnis nicht ernsthaft zu rechnen ist. Sofern ein solches sich gleichwohl - allenfalls bei völlig naiven Interessenten - einstellen sollte, fiele dieser Umstand vom Normzweck her nicht unter den Regelungsgehalt der Bestimmung; eine etwaige Absicht des ungesetzlichen Erwerbs von Kokain wäre nämlich nicht schutzwürdig.
b) Es ist weiterhin nicht ersichtlich, dass die Bezeichnung KOKAIN BALL bei einer markenmäßigen Verwendung für die beanspruchten Dienstleistungen aufgrund gesetzlicher Vorschriften (außerhalb des MarkenG) im öffentlichen Interesse nach § 8 Abs 2 Nr 9 MarkenG untersagt werden könnte. Einen allgemeinen Straftatbestand der Verherrlichung oder Verharmlosung des Gebrauchs von (gefährlichen) Betäubungsmitteln gibt es nicht (vgl. §§ 29, 29a, 30 BtmG). Eine verbotene Werbung für die ungesetzliche Abgabe bzw. den Gebrauch von Kokain (vgl. § 29 Abs 1 Nr 8 i.V.m. § 14 Abs 5 BtmG) stellt die Bezeichnung KOKAIN BALL bei einer Kennzeichnung der beanspruchten Dienstleistungen offenkundig nicht dar.
c) Die Registrierung der angemeldeten Marke verstößt schließlich auch nicht gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten (gemäß § 8 Abs 2 Nr 5 MarkenG). Angesichts der - auch vom Senat durchaus nicht gering geachteten - Gefahren, die mit einem mißbräuchlichen Betäubungsmittelkonsum und dem illegalen Handel mit Rauschgift verbunden sind, mag es zwar für einen - wohl eher geringen - Teil des Verkehrs ein Ärgernis darstellen, wenn ihm die allgemein bekannte Bezeichnung eines Betäubungsmittels als amtlich registrierte Marke begegnet (selbst soweit die jeweiligen Waren und Dienstleistungen keine unmittelbare Berührung mit diesem aufweisen). Vorliegend soll aber zum einen KOKAIN gar nicht in Alleinstellung eingetragen werden, zum anderen wird es angesichts der zunehmend liberaleren Anschauungen über Moral, Sitte und guten Geschmack überwiegend nicht (mehr) als anstößig empfunden, wenn Waren und Dienstleistungen mit Kennzeichnungen versehen werden, bei denen negative oder anrüchige Bedeutungsgehalte mitschwingen (Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl., § 8 Rdn 612, 616). Wenn bereits vergleichbare Begriffe wie OPIUM (für Parfüm; vgl. OLG Hamburg, GRUR 1990, 456) und CANNABIS (für Raucherbedarfsartikel; BPatG, Beschluss vom 1.7.1998 - 26 W (pat) 112/97) jeweils in Alleinstellung als dem Markenschutz zugänglich bewertet worden sind, kann die offenkundig witzig gemeinte Wortkombination KOKAIN BALL letztlich nicht als moralisch oder gesellschaftlich völlig unerträglich angesehen werden.
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BPatG:
Beschluss v. 25.02.2004
Az: 32 W (pat) 331/02
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