Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 4. November 2010
Aktenzeichen: I-4 U 81/10

(OLG Hamm: Urteil v. 04.11.2010, Az.: I-4 U 81/10)

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 22. März 2010 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen abge-ändert.

Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, gegenüber Versicherten gesetzlicher Krankenkassen für die Versorgung mit Elektrotherapie- und Biofeedbackgeräten bezüglich der Ausschreibung solcher Geräte durch die gesetzliche Krankenkasse zu behaupten:

a.

„Da das einzige Kriterium für den Gewinn der Ausschreibung ein möglichst niedriger Preis war, konnten wir uns erwartungsgemäß mit unserem hohen Anspruch an die Qualität des Produkts und der Dienstleistung nicht durchsetzen und können Sie somit sehr zu unserem Bedauern nicht beliefern bzw. die erbrachte Leistung nicht mit Ihrer Krankenkasse abrechnen“

oder

b.

„Da das einzige Zuschlagkriterium (nach den Ausschreibungsbedingun-gen) ein möglichst niedriger Preis war, konnten wir uns erwartungsgemäß mit unserem hohen Anspruch an die Qualität des Produktes und der Dienstleistung nicht durchsetzen und können Sie somit sehr zu unserem Bedauern nicht beliefern bzw. die erbrachte Leistung nicht mit Ihrer Krankenkasse abrechnen.“

Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen dieses Verbot wird der Beklagten ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,- EUR Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, angedroht.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 208,65 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.01.2010 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 35.000,- EUR abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

A.

Die Beklagte betreibt ein Unternehmen der Medizintechnik und produziert u.a. sog. "Stimulatoren" (Elektrotherapie- und Biofeedbackgeräte). Dem klagenden Wettbewerbsverein gehört die L Krankenkasse an. Die Wettbewerbszentrale nimmt ferner wettbewerbliche Interessen konkurrierender Unternehmen der Medizintechnik wahr, die ihr angehören. Zur Erfüllung ihrer Verpflichtung aus § 127 SGB V versuchte sich die L mit einer zur Versorgung benötigten Anzahl von Geräten auszustatten und führte eine Ausschreibung durch. In Ziffer IV. 2 der Ausschreibungsunterlagen legte sie zu den Zuschlagskriterien fest, dass der niedrigste Preis maßgeblich sei. An der Ausschreibung beteiligte sich auch die Beklagte, die aber den Zuschlag nicht erhielt. Die Beklagte übersandte an Versicherte der L daraufhin ein Schreiben vom 07.09.2009, wegen dessen Inhalts auf die Anlage K 2 verwiesen wird (GA 11). Die Klägerin mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 21.10.2009 wegen der Verwendung der Passage

"Da das einzige Kriterium für den Gewinn der Ausschreibung ein möglichst niedriger Preis war, konnten wir uns erwartungsgemäß mit unserem hohen Anspruch an die Qualität des Produkts und der Dienstleistung nicht durchsetzen …"

ab und forderte sie auf eine entsprechende Unterlassungserklärung abzugeben. Der Klageantrag zu 1.a bezieht sich auf das Schreiben vom 07.09.2009 mit der in der Abmahnung monierten Formulierung. Mit Schreiben vom 28.10.2009 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie nunmehr ein anders formuliertes Schreiben verwende. Auf diese Formulierung bezieht sich der Antrag zu 1.b.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagte mit ihrem Schreiben wettbewerbswidrig zu Lasten der L sowie des obsiegenden Mitkonkurrenten für die Biofeedbackgeräte geworben habe. Eine Irreführung gemäß § 5 UWG liege darin, dass das Schreiben der Beklagten - sowohl in der ursprünglichen Fassung als auch in der geänderten Fassung - hinsichtlich des Zuschlagskriteriums allein auf den Preis abstelle, obwohl die Geräte auch Qualitätsmaßstäbe hätten erfüllen müssen. Weiterhin stellten die Ausführungen in dem Schreiben im Hinblick auf den Mitkonkurrenten, der die Ausschreibung gewonnen habe, eine unzulässige vergleichende Werbung nach § 6 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 5 UWG und einen Wettbewerbsverstoß gemäß § 4 Nr. 7 UWG dar.

Die Klägerin hat beantragt,

1.

die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, gegenüber Versicherten gesetzlicher Krankenkassen für die Versorgung mit Elektrotherapie- und Biofeedbackgeräten bezüglich der Ausschreibung solcher Geräte durch die gesetzliche Krankenkasse zu behaupten:

a.

"Da das einzige Kriterium für den Gewinn der Ausschreibung ein möglichst niedriger Preis war, konnten wir uns erwartungsgemäß mit unserem hohen Anspruch an die Qualität des Produkts und der Dienstleistung nicht durchsetzen und können Sie somit sehr zu unserem Bedauern nicht beliefern bzw. die erbrachte Leistung nicht mit Ihrer Krankenkasse abrechnen"

oder

b.

"Da das einzige Zuschlagskriterium (nach den Ausschreibungsbedingungen) ein möglichst niedriger Preis war, konnten wir uns erwartungsgemäß mit unserem hohen Anspruch an die Qualität des Produktes und der Dienstleistung nicht durchsetzen und können Sie somit sehr zu unserem Bedauern nicht beliefern bzw. die erbrachte Leistung nicht mit Ihrer Krankenkasse abrechnen"

Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen dieses Verbot wird der Beklagten ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,- €, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, angedroht.

2.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 208,65 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie meint, sie habe in dem Schreiben vom 07.09.2009 ihr eigenes Produkt zwar als vorteilhaft dargestellt, sich aber nicht abwertend über das Konkurrenzprodukt geäußert.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Durch die beanstandete Textpassage werde § 6 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 1, § 3 UWG nicht verletzt.

Der Werbevergleich beziehe sich nicht auf "eine oder mehrere" wesentliche nachprüfbare und typische Eigenschaften der Biofeedbackgeräte. Die dem Text zu entnehmende Aussage, dass das von der L bevorzugte Medizinprodukt preisgünstiger gewesen sei als das Produkt der Beklagten sei richtig und deshalb keine unlautere Werbung. Soweit ein Patient dem Schreiben entnehmen könne, der hohe Qualitätsstandard des Produktes der Beklagten sei so bei dem Produkt des obsiegenden Bewerbers nicht vorhanden, reiche dies nicht für die Annahme einer unlauteren Werbung aus. Diese Ausführungen seien so vage, dass sie einer Nachprüfung nicht zugänglich seien und deshalb als allgemeine Anpreisung des eigenen Produkts zulässig bleiben. Auch ein Gutachten könne insoweit keine Klärung des Wahrheitsgehalts dieser Äußerung erbringen.

Im Verhältnis zur L liege keine vergleichende Werbung vor, weil die Beklagte keine Krankenkassenleistungen erbringe und erkennbar nicht darauf abziele, eigene Versicherungsleistungen mit solchen der Krankenversicherung zu vergleichen.

Die Werbung der Beklagten stelle auch keine Herabsetzung oder Verunglimpfung der Waren eines Mitbewerbers im Sinne des § 4 Nr. 7 UWG dar. Das bloße Hervorheben der Vorzüge der eigenen Ware stelle noch keine Herabsetzung dar. Es genüge nicht, dass die Beklagte inzident zum Ausdruck gebracht habe, ihre Stimulatoren seien qualitativ höherwertig als die Produkte der in der Ausschreibung siegenden Konkurrenz. Der Vergleich sei auch nicht in unangemessener Weise abfällig, abwertend oder unangemessen erschienen.

Soweit die Klägerin eingewandt habe, es würden Dienstleistungen der L herabgesetzt, führe dies zu keiner anderen Bewertung, weil die Krankenversicherung keine Mitbewerberin der Beklagten im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG und des § 4 Nr. 7 UWG sei.

Die beanstandeten Textpassagen würden auch nicht § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG verletzen, weil die Behauptung der Beklagten, das eigene Produkt sei qualitativ hochwertig, eine allgemeine und unkonkrete Anpreisung sei, die sich nicht auf wesentliche "Merkmale" i.S.v. § 5 Abs. 1 UWG beziehe.

Es könne dahingestellt bleiben, ob die Textpassage der Beklagten gemäß den §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB analog zu unterlassen sei (Eingriff in den ausgeübten Gewerbebetrieb), weil es der Klägerin insoweit an einer Anspruchsberechtigung fehle. Diese sei gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG auf Unterlassungsansprüche beschränkt. Mangels Unterlassungsanspruchs seien auch Abmahnkosten nicht gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 UWG zu ersetzen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt.

Hinsichtlich der Frage der Irreführung (§ 5 UWG) habe das Landgericht das Begehren der Klägerin nicht erfasst. Unter dem Gesichtspunkt der Irreführung habe die Klägerin die Aussage angegriffen, das einzige Auswahl- bzw. Entscheidungskriterium bei der Ausschreibung sei der Preis gewesen. Diese Aussage sei glatt falsch. Auch wenn es zutreffen würde, dass für die Geräte nach dem Hilfsmittelverzeichnis der Krankenkassen ein gewisser Qualitätsstandard vorgegeben sei, könne daraus keinesfalls hergeleitet werden, Qualitätsanforderungen hätten bei der Vergabeentscheidung keine Rolle gespielt, sondern gerade und nur das Gegenteil. Eine unwahre Behauptung rechtfertige ohne Weiteres das begehrte Verbot aus dem Gesichtspunkt der Irreführung.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts sei auch ein Verstoß gegen § 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG festzustellen. Die beanstandeten Aussagen stellten eine vergleichende Werbung dar. Wenn diese vergleichende Werbung dann nicht den Anforderungen des § 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG (Werbevergleich bezieht sich nicht auf eine oder mehrere wesentliche, relevante, nachprüfbare und typische Eigenschaften der verglichenen Geräte) genüge, sei sie unzulässig und nicht etwa dem Anwendungsbereich des § 6 UWG entzogen. Zutreffend habe das Landgericht festgestellt, die beanstandete Aussage bringe zum Ausdruck, dass der hohe Qualitätsstandard des Produkts der Beklagten bei dem des Wettbewerbers, der im Vergabeverfahren obsiegt habe, nicht vorhanden sei. Wenn es dann weiter zutreffe, dass diese Aussage einer Nachprüfbarkeit nicht zugänglich sei, liege eine unzulässige vergleichende Werbung vor.

Das Landgericht habe sich nicht mit § 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG, worauf sich die Klägerin auch gestützt habe, befasst. Es sei im Ergebnis sowohl ein Verstoß gegen § 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG als auch gegen § 4 Nr. 7 UWG festzustellen. Das Landgericht habe verkannt, dass die Beklagte nicht nur die Vorzüge ihrer eigenen Ware hervorgehoben und deren Qualität betont habe. Die Beklagte habe zugleich eine Aussage über das Konkurrenzprodukt gemacht. Dies sei auch herabsetzend geschehen.

Die Klägerin beantragt,

in Abänderung des angefochtenen Urteils nach ihren Schlussanträgen in erster Instanz zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. In ihrem Schreiben sei keine irreführende Werbeaussage i.S.v. § 5 Abs. 1 UWG zu sehen. Die Klägerin stelle in der Berufungsbegründung einen Inhalt mit einer unterstellten Interpretation wie folgt dar:

"Die Aussage, das einzige Kriterium bei der Ausschreibung sei ein möglichst niedriger Preis gewesen, ist glatt falsch."

Dies gebe aber nicht den Inhalt des von der Beklagten verfassten Schreibens wieder, in dem es heiße:

"Da das einzige Kriterium für den Gewinn der Ausschreibung ein möglichst niedriger Preis war …"

Das sei nicht dasselbe. Der durchschnittlich verständige Leser des Schreibens gehe davon aus, dass die Krankenkasse bei der Ausschreibung der Hilfsmittel eine Definition der technischen Anforderungen an die Hilfsmittel sowie der Abgabebedingungen zugrunde gelegt habe, die für alle Teilnehmer gelten würden. Die Frage, wer die Ausschreibung "gewinne", sei nach den Ausschreibungsbedingungen dann nur noch durch den niedrigsten Angebotspreis zu entscheiden.

Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass die Versicherten der L weder eine Kauf- noch eine Beschaffungsentscheidung hinsichtlich der Produkte hätten treffen können. Sie seien auch nicht berechtigt gewesen, den Leistungserbringer, der sie mit dem Gerät hätte versorgen und in die Bedienung des Gerätes hätte einweisen sollen, jegliche Wartungsarbeiten hätte vornehmen sollen, auszuwählen. Daher liege die für einen Unterlassungsanspruch erforderliche wettbewerbliche Relevanz nicht vor.

Die Ausführungen des Landgerichts hinsichtlich § 6 Abs. 1 UWG, dass der Hinweis auf den Qualitätsstandard die Anforderungen an einen Vergleich i.S.v. § 6 UWG nicht erfüllten, seien zutreffend. Das Landgericht habe sich zunächst auf den unstreitig richtigen Preisvergleich, nämlich dass die Leistung des Ausschreibungsgewinners zu niedrigerem Preis als die Leistung der Beklagten angeboten worden sei, bezogen. Im zweiten Teil der Argumentation habe das Landgericht zutreffend dargestellt, dass der Hinweis auf einen hohen Qualitätsstandard der eigenen Leistung / Ware der Beklagten ohne nähere Spezifikation als lediglich allgemeine Anpreisung anzusehen sei, die keinen konkreten Vergleich enthalte.

Unterlassungsansprüche aus § 4 Nr. 7 und § 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG scheiterten daran, dass eine Herabsetzung der Leistungen / Waren des Ausschreibungsgewinners zu verneinen sei. Es würde an für den Anspruch erforderlichen unsachlichen und abwertenden Formulierungen fehlen.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

B.

Die Berufung der Klägerin ist begründet.

I.

Die beiden Klageanträge sind zulässig.

1.

Die Anträge genügen dem Bestimmtheitsgebot gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Zwar ist die konkrete Verletzungshandlung nicht in dem Text der beiden Anträge genannt worden. Das konkrete Schreiben ist - weder in der ursprünglichen noch in der geänderten Fassung - in den Antrag einbezogen worden. Insofern wird ein generelles Verbot für diese in den Anträgen wiedergegebenen Äußerungen begehrt. Das ist in diesem Fall aber zulässig. Denn die jeweiligen Textpassagen sind dem Sinne nach abgeschlossene Textbausteine, die auch in einem anderen Zusammenhang nicht hinnehmbar sind.

2.

Es besteht auch ein Rechtsschutzbedürfnis dahingehend, sowohl den Antrag zu 1.a als auch den Antrag zu 1.b zu stellen. Zwar besteht zwischen beiden Anträgen eine sehr große Ähnlichkeit. Jedoch berühmt sich die Beklagte, den im Vergleich zum Schreiben vom 07.09.2009 (Antrag zu 1.a) geänderten Text (Antrag zu 1.b) verwenden zu dürfen.

II.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1; 3; 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG.

1.

Die Klägerin kann als rechtsfähiger Verband zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG einen Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 UWG geltend machen.

2.

Die mit den Anträgen angegriffenen Textpassagen sind irreführend gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG, weil die dortigen Angaben einen unrichtigen Eindruck über Eigenschaften des Konkurrenzproduktes hervorrufen.

a.

Ausdrücklich ist dem Schreiben zu entnehmen, dass der Preis des Produktes der Beklagten höher ist als der Preis des Produktes des Gewinners der Ausschreibung. Diese Aussage für sich gesehen ist nicht irreführend, weil sie offensichtlich der Wahrheit entspricht.

b.

Das Schreiben enthält aber weiterhin die Aussage, dass das "einzige Kriterium für den Gewinn der Ausschreibung ein möglichst niedriger Preis war". Hierbei handelt es sich um eine irreführende Aussage. Denn durch diese Aussage entsteht der Eindruck, dass es bei der Frage, welcher Anbieter den Zuschlag für die Lieferung von Stimulator-Geräten erhält, allein auf den Preis für dieses Gerät ankomme. Der Aussage ist nicht zu entnehmen, dass in dem Ausschreibungsverfahren auch Anforderungskriterien sowohl bezüglich der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit der Anbieter als auch der technischen Leistungsfähigkeit der Geräte zu erfüllen waren. Diese sind in der Ausschreibung der L für die Elektrostimulationsgeräte (dort III 2.2 und 2.3; GA 18, Anlage K 3) fixiert. Der durchschnittlich verständige Leser des streitgegenständlichen Schreibens kann - anders als die Beklagte meint (GA 149) - aufgrund der dortigen Formulierung gerade nicht davon ausgehen, die Krankenkasse habe bei der Ausschreibung eine Definition der technischen Anforderungen an die Geräte zugrunde gelegt, die erst einmal erfüllt sein müssten, um überhaupt an der Ausschreibung teilnehmen zu können. Diese Vorgänge und Vorgaben spielen sich für einen normalen Patienten bzw. Krankenversicherten im Verborgenen ab. Durch das Schreiben wird die Aufmerksamkeit des durchschnittlichen Lesers mithin allein auf das Kriterium des Preises gelenkt. Dadurch entsteht dann weiter der Eindruck, das Konkurrenzprodukt, welches dem Patienten geliefert werde, genüge nicht einmal gewissen Mindeststandards. Der Eindruck, dass der Patient ein möglicherweise minderwertiges Gerät bekomme, wird dann noch durch die Textpassage "konnten wir uns erwartungsgemäß mit unserem hohen Anspruch an die Qualität des Produkts und der Dienstleistung nicht durchsetzen" verstärkt. Hinzu kommt, dass in der Bevölkerung der Kostendruck im Gesundheitswesen in den letzten Jahren immer mehr ins Bewusstsein gerückt (worden) ist.

Der hier vorliegende Fall ist auch nicht mit dem der Entscheidung des Landgerichts Konstanz (7 O 41/09 = OLG Karlsruhe, 4 U 75/10) zu vergleichen. In dem dortigen streitgegenständlichen Schreiben wurde gerade auf die qualitativen Mindeststandards hingewiesen ("Hierbei war neben qualitativen Mindeststandards das einzige Auswahlkriterium der Preis"). Ein solcher Hinweis fehlt im vorliegenden Fall.

c.

Die Angaben in dem streitgegenständlichen Schreiben müssten auch geeignet sein, bei einem erheblichen Teil der umworbenen Verkehrskreise irrige Vorstellungen über das Angebot hervorzurufen und die zu treffende Marktentschließung in wettbewerblich relevanter Weise zu beeinflussen. Das ist hier der Fall.

Der Argumentation der Beklagten, dass im Falle der Irreführung kein Einfluss auf die "Kaufentscheidung" genommen werde, kann nicht gefolgt werden. Diese Exklusivität bezieht sich nur auf Mitglieder der L. Die meisten der Krankenkassen haben gerade kein Ausschreibungsverfahren durchgeführt. Insoweit finden die Kaufentscheidungen im üblichen Rahmen statt. Außerdem können die hier angeschriebenen Kunden der L eigene Stimulator-Geräte kaufen, wenn sie das Produkt der Krankenkasse - möglicherweise aufgrund der schriftlichen Information der Beklagten - nicht für qualitativ hochwertig genug halten. Weiterhin ist nicht ausgeschlossen, dass über ein solches Anschreiben mit Dritten gesprochen wird, so dass deren Kaufentscheidung beeinflusst wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§708 Nr. 10, 711 ZPO.






OLG Hamm:
Urteil v. 04.11.2010
Az: I-4 U 81/10


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